Donnerstag, 14. Juli 2016

Brief 150 vom 12./14.7.1941


Meine liebe Annie !                                                                                      12.7.41 

Ich danke Dir für Deine lieben Briefe vom 5., 6. und 7. 7., die ich gestern erhielt. Ich habe zu meiner Freude und zu meiner Beruhigung gelesen, daß Du nun so Fortschritte gemacht hast und Dich ziemlich wieder wohlauf fühlst. Du hast Dich ja auch lange damit herumquälen müssen und wirst froh sein, daß Du alles überstanden hast. Man sieht immer und immer wieder, was die Gesundheit wert ist. Wenn man einmal so daliegt, hat keine Hilfe. Man möchte gern aufstehen und man kann es einfach nicht. Es ist eben keine Kleinigkeit, wenn es einem so schwer packt. Ich habe immer an Dich denken müssen, wie Du wohl das allein bewältigen kannst bzw. wie man da Abhilfe schaffen kann. Darum hatte ich Dir ja auch die Vorschläge gemacht, daß Du Dir jemand zur Hilfe wenigstens für die schwereren Sachen nehmen sollst. Gerade für die Wäsche hielt ich es ratsam und ich möchte Dich deshalb nochmals darauf hinweisen. Wenn es nur irgendwie möglich ist, geh zeitig zu Bett, denn das tut Dir gewiß nichts schaden. Deine Mitteilung, daß Du die Kinder über Mittag 2 Stunden schlafen läßt, hat mir wieder gezeigt, wie umsichtig Du für die Kinder sorgst.  Das ist ganz in Ordnung, und sie sollen es nur prompt einhalten.  So können sie ruhig am Abend eine halbe Stunde länger draußen rumspringen. Ich lege mich ja über Mittag auch fast immer 1 bis 2 Stunden hin. Was soll ich während der Zeit tun, vor allem wenn es jetzt so heiß ist.  Was die Schuhe vom Vater anbelangt will ich sehen, daß ich welche bekomme. Versprechen kann ich es nicht.  Ebenfalls kann ich keine Garantie dafür übernehmen, ob sie ihm passen, denn Du weißt ja, daß es bei ihm immer so eine Schwierigkeit war, schon wenn er sie selbst anprobiert hat. Tabak habe ich wieder etwas da, ebenfalls habe ich wieder einige Zigarren gesammelt, die ich ihm demnächst auch wieder zukommen lassen werde.  Ich glaube Dir gern, daß Dir das eine Beruhigung ist, wenn Du noch Kartoffeln im Keller hast, denn Du kannst doch viel damit anfangen, vor allem, weil es sonst nichts weiter gibt. Es wird ratsam sein, im Herbst wieder entsprechend einzukaufen, wenn es nur irgend möglich ist.  Erdbeeren hast Du in diesem Jahr wohl nicht viel geerntet. Nach Deiner Schilderung scheint es ganz schön Johannisbeeren zu geben. Das ist ja ganz nett, wenn man sowas selbst hat. Die Stachelbeeren sind ja sehr dankbare Sträucher. Da haben wir doch schon ordentlich heruntergeholt. Was macht eigentlich der Apfelbaum, bleibt da etwas davon, oder läßt er sich nicht so gut an. Beim Baden wäre ich auch gern dabei gewesen. Es ist doch schön, wenn man sich einmal so richtig ausbaden kann. Das läßt sich hier leider nicht machen, denn im Freien geht es hier nicht und das Hallenbad ist für die gegenwärtige Jahreszeit viel zu warm. Helga wird nun sicher froh sein, daß sie jetzt Ferien hat, denn bei dieser Hitze ist es nicht schön, in der Schule zu sitzen. Herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst
Die Hitze hält unvermindert an. Gestern wollte es regnen, es hat wohl ein wenig Tropfen gegeben und dann war es damit fertig.

Mein liebes Mädel !                                                                14.7.41

Recht vielen Dank für Deine Briefe vom 7./8. und  9.7., die am Samstag hier eintrafen und den Brief vom 10.7., den ich gestern erhielt. Du hast mich ja fast neidisch gemacht, als ich den Brief las, womit Du mir mitteiltest, daß Du schwimmen gewesen bist. Das muß doch fein gewesen sein. Die Kinder werden sicher auch eine Freude gehabt haben, sich wieder einmal so richtig im Wasser zu tummeln. Ich habe lachen müssen, wie ich las, daß Du Dir vom Dialekt soviel angenommen hast, daß Du schreibst Bremen zu Bremsen und Bollen. Laß das aber so, und fange etwa nicht an, das zu ändern, Du hast Dich eben schon reingelebt. Es hat mich gefreut, als ich las, daß Du Dich wieder einmal ausgeschwommen hast.  Das ist ja schön, daß Helga jetzt auch keine Angst vor Juni  und wahrscheinlich auch vor Maikäfern hat. Bei Helga fängt nun schon die Poesiealbum-Mode an. Na, das macht ja nichts, und das ist ein harmloses Vergnügen. Von Deinen Ausführungen über den Besuch von Nannie habe ich Kenntnis genommen, ebenso über Deinen Ärger, den Du damit vorher und auch währenddem gehabt hast. Rede Dir ihn ruhig von der Seele. Ich werde nichts mehr darüber schreiben, damit Du Dich nochmals darüber ärgern mußt. Ich denke, daß es so besser ist. Ich glaube Dir, daß Dir da ein Schreck gekommen ist, als Du das umgeknickte Stachelbeerbäumchen gesehen hast. Wenn Dir Herr Schwehr so bereitwillig beim Wiederaufrichten geholfen hat, ist das ja ganz anständig. Wenn die Johannisbeeren so schön tragen, dann macht es ja Spaß. Die Stachelbeeren im Garten drüben werden sicher auch ganz schön voll hängen. Die Ohrenschmerzen bei Jörg können aber auch daher gekommen sein, daß er vom Baden vielleicht noch Wasser im Ohr gehabt hat. Er muß dann auf dem entsprechenden Bein solange springen, bis es raus ist. Es kann aber auch so sein, wie Du schreibst, daß er im zugigen Hausflur gewesen ist. Wie ich nun aus Deinem letzten Schreiben ersah, fängt Jörg an mit einer Art Schlafwandlerei. Da mußt Du schon ziemlich Obacht geben, daß da nichts passiert. Vor allem daß in der Küche und auch in seinem Zimmer die Fenster geschlossen sind, daß er keinen Unfug anstellen kann.  Angeschlossen erhältst Du einige Bilder von unserem Grubenbesuch. Es kommt noch eines, das mit dem Apparat von dem Hauptmann gemacht worden ist. Da habe ich aber bis jetzt noch keinen Abzug erhalten. Der andere Kamerad ist der Assessor. Sehen wir nicht aus wie wenn wir von der Schicht kommen? Das andere Bild bin ich selbst noch vor dem Waschen und das dritte Bild zeigt ein Stück vom Förderhaus und Förderband.  Hebe sie bitte mit auf, denn das sind ja wieder Erinnerungsstücke. Was hier den neuen Abteilungschef anbelangt, so kann ich mir noch kein abschließendes Urteil bilden. Ich hoffe aber, daß er sich anständig zeigt, zwar ist er wieder von einer ganz anderen Art. Ich glaube aber, daß ich mit ihm schon auskommen werde.
Heute ist hier Feiertag. Die Kommunisten versuchen hier Propaganda zu machen, die aber mehr oder weniger sich als Seifenblase erwiesen hat. Die Engländer sind in der letzten Nacht wieder ziemlich geflogen, aber auch das will nichts weiter bedeuten. Für heute, mein liebes Mädel, viele herzliche Grüße und Küsse Dir und den Kindern sendet Dein Ernst

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