Sonntag, 17. Juli 2016

Brief 152 vom 16./17.7.1941


Mein liebstes Mädel !                                                                                    16.7. 1941     

Ich habe, um es wieder gleich am Anfang festzustellen, gestern keine Post von Dir erhalten. Das gleicht sich aber an einem anderen Tag wieder aus.  An unsere Helga habe ich gestern einen Brief geschrieben. Es ist etwas mehr geworden, als ich eigentlich wollte. Sie hat aber so lang warten müssen, daß sie schon etwas mehr verdient hat. Ich wollte ihr noch antworten, bevor Ihr auf Reisen geht. Sie hat jetzt ja Zeit, um einen längeren Brief lesen zu können. Gestern Abend war ich im Kino. Es wurde „Die schwedische Nachtigall“ gespielt. Es ist dies ein Film um den Märchendichter Andersen und die große Sängerin Jenny Lind spielt. Der Film ist zwar nicht schlecht gewesen, aber auch da kann man nicht sagen, daß er besonders hervorragend war. Es ist ja meines Erachtens schwer, das Lebensschicksal eines Menschen zu zeigen, das, um das geschichtliche nicht zu stören, in einen Rahmen hineinpassen muß. Durch diesen Zwang wird das alles etwas schief. Man muß das aber in Kauf nehmen. Die Wochenschau war aber sehr interessant und hat packende Bilder vom Rußlandfeldzug gebracht. Es ist ja ganz phantastisch, wie wir da wieder zugepackt haben und unter welchen Umständen unsere Soldaten dort kämpfen müssen. Die Gegner machen ja nur den denkbar schlechtesten Eindruck. Ich sende Dir wieder einen Teil unseres Schriftwechsels zurück. Ebenfalls einige Briefmarken, die ich mit zu verwahren bitte. Ich möchte heute mein Schreiben schließen und Dir meine besten und herzlichen Grüße und Küsse übersenden. Dein Ernst

Meine liebe kleine Frau !                                                                              16.7.41

Die vergangenen Tage habe ich ziemlich Hochbetrieb gehabt, und ich nehme an, daß in den kommenden Tagen dieser Betrieb so weitergehen wird. Heute Nachmittag ist nun eine Atempause eingetreten, die ich gleich dazu benutze, um meinen Brief an Dich anzufangen. Ich kann Dir aber bis jetzt nur vom Wetter und sonst allem möglichen erzählen, da ich ja noch keine Post bekommen habe. Am Sonntag, also vorgestern, kam das erste Gewitter nach den langen und vielen heißen Tagen. Es war sehr notwendig daß es wieder einmal geregnet hat. Es wollte scheinen, als ob sich das Wetter ändern würde. Es ist aber nicht der Fall gewesen, sondern es wurde wieder schön, doch gestern kam das zweite Gewitter. Es hat nun ein paar Mal fest geregnet. Heute hat es nun nochmals kräftig geregnet, und draußen bei uns im Hofe der Kommandantur rauscht die große Linde im Wind, der vielleicht noch etwas mehr Regen bringen wird. Es hat wohl etwas abgekühlt, doch ist das nicht gerade übermäßig. Die Linde fängt jetzt auch an zu blühen, das ist das Zeichen, daß wir nun mitten im Sommer  stehen, wie lange wird es dauern, ist die schöne Jahreszeit wieder vorbei, ohne daß man viel davon gemerkt hat. Ich weiß, wie ich letztes Jahr darüber geklagt habe, und wie ich sagte, es soll mir auch gleich sein, wenn ich diesen Sommer opfere, wie die vielen Kameraden auch, wenn dann der Krieg endgültig vorbei ist. Das ist jetzt wieder ein Jahr her und wir bringen den zweiten Sommer zum Opfer. Manche bringen ja noch mehr Opfer wie wir oder wie ich persönlich, doch manchmal meint man, es könnte wieder einmal die Zeit kommen, wo man seiner gewohnten Arbeit nachgehen kann. Ich glaube aber, daß unserer Generation das nicht bestimmt ist, denn ich habe mir schon immer wieder gesagt und überlegt, daß wir keine Ruhe haben dürfen und haben können. Nur durch unser ständiges Bereitsein und durch die dauernde Anspannung sind wir in der Lage gewesen, diese  enormen Spannkräfte mitzubringen, die jetzt von uns gefordert werden. Es gibt zwischendurch einmal Zeiten, da lassen sie etwas nach, doch da bleibt uns nichts weiter übrig wie kurz zu treten, damit man nicht den Gleichschritt verliert. Nach dem Kriege wird es auch nicht anders werden, denn dann gilt es, das Erkämpfte auszubauen und zu festigen, sonst wäre ja zuletzt alles umsonst gewesen. Wahrscheinlich ist ja dann dabei wieder, daß man zusammenleben kann. Es ist dann alles viel einfacher und man kann dann wieder gemeinsam alles ertragen. Doch lassen wir das "In-die-Zukunft-sehen" und Philosophieren, es tritt alles an uns heran, und wir werden es meistern wie bisher auch.   Du hast nun sicher schon Reisegedanken. In wenigen Tagen geht es dann ab.
Ich denke, daß sich die Eltern auch freuen, wenn Du wieder einmal bei ihnen bist. Du kannst dann mit Deiner Mutter über dies und jenes reden, für die Kinder ist diese Reise nun schon mehr von Interesse, denn sie sehen das nun mit ganz anderen Augen, wie wo wir 1935 dort waren. Unsere Beiden kriegen sicher nun auch langsam Reisefieber. Laß Dich aber durch sie nicht aus der Ruhe bringen. Vater kannst Du übrigens mitteilen, daß ich versuchen werde, ihm ein Paar Schuhe zu besorgen. Ich kann mich nicht mehr genau entsinnen, ob ich Dir das schon mitgeteilt habe. Für den richtigen Sitz kann ich ja keine Garantie übernehmen. Den Betrag von 15,-RM etwa, es kann sein, daß sie billiger sind, kann er mir zuschicken. Ich teile ihm dann mit, was sie genau kosten. Mach ihm aber bitte klar, daß ich nicht versprechen kann, ob sie ihm gefallen, denn Du weißt ja, wie er gern bei solchen Sachen reklamiert.
17.7.41 gestern erhielt ich noch keinen Brief von Dir. Ich möchte deshalb nur unter diesen Brief einen Gruß setzen. Ich hoffe, daß Ihr alle miteinander gesund seid und grüße Dich sowie die Kinder und sende dazu noch viele herzliche Küsse. Dein Ernst

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