Montag, 11. Juli 2016

Brief 149 vom 10./11.7.1941


Meine liebe Frau !                                                                                          10.7.41   
 
Gestern bekam ich Eure drei Päckchen und von den Eltern einen Brief, über den ich mich teils gefreut, andererseits etwas gewundert habe, um nicht zusagen geärgert. Sie schreiben einmal darin, daß sie sich auf Deinen Besuch freuen und es heißt dann wörtlich weiter: „Wir erwarten von Dir, daß Du uns die Freude nicht verdirbst und etwa Deine Einwilligung nicht gibst.“ Gestern Abend dachte ich erst, daß ich ihnen selbst schreiben will, was sie denn eigentlich von mir halten, denn ich bin doch nicht so selbstsüchtig und tyrannisch, daß ich Dir das aus reinem Egoismus versagen würde. Im Gegenteil, ich war sehr zufrieden, als ich von Deinem Entschluß las, daß Du einmal für ein paar Tage aus dem Haus gehst und wieder etwas anderes siehst. Ich nehme an, daß Dir Leipzig doch nicht soviel bietet, und daß eben manches anders ist, wie man es gewohnt ist, das macht aber nichts, denn Du brauchst wieder einmal andere Eindrücke. Was diese Bemerkung der Eltern anbelangt will ich, nach nochmaliger Überlegung, nichts schreiben. Du kannst es aber, wenn Du dort bist, so nebenbei mit klären. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mit erwähnen, daß die Urlaubssperre wieder aufgehoben worden ist. Ich bitte Dich recht herzlich, gib Deinen Reiseplan nicht auf. Wenn es der Zufall will, daß ich zur gleichen Zeit Urlaub bekommen könnte, würde ich auch nach Leipzig kommen und es gäbe dann sicher eine Möglichkeit, daß ich dort mit unterkommen könnte. Ich sehe hier noch nicht klar, ob und wann ich drankomme, weil bei uns alles in Umänderung begriffen ist. Ich glaube auch kaum, daß es mir für die Zeit reicht, so lang Ihr weg seid. Ich wollte Dich nur auf die Möglichkeit vorbereiten.  Nun will ich mich aber endlich für die schönen Sachen bedanken, die Ihr mir zum Geburtstag gesandt habt.  Das hast Du aber fein gemacht mit dem Buch vom Bodensee. Das werde ich mir immer wieder mit ansehen, damit sich die Bilder in Erinnerung wach erhalten. Das Buch hat mir viel Freude gemacht, und ich hoffe, daß ich mich noch oft daran erfreuen kann. Dieser Schlüsselbehälter machte sich schon nützlich, und so etwas habe ich schon lange brauchen können. Auch die kleinen Hefte mit den Blüten habt Ihr schön hergerichtet. Ich werde sie mir nach und nach vornehmen. Ich habe von dem Gebäck bis jetzt noch nichts probiert, doch heute Abend werde ich mich dran machen. Ich danke Euch nochmals recht herzlich für die gesandten Sachen. Den Kindern werde ich selbst noch schreiben, daß ich mich über ihr Opfer aus der Sparbüchse gefreut habe. 
Die Hitze hält unvermindert an und macht einem ziemlich zu schaffen. Sie lähmt direkt den Arbeitsgeist und man ist froh, wenn man sich ein bißchen entlasten kann.  Gestern Abend sind wir bis zum Dunkelwerden im Garten gesessen, was für die Abkühlung ganz günstig war. Ich habe mir nun eine Sporthose bauen lassen, einen Trikot habe ich mir schon letzte Woche erworben, so daß ich es mir ein wenig leichter machen kann.  Nachdem die Beförderung der Post von hier bis zu dir etwa 3 bis 5 Tage dauert, werde ich meine Post entsprechend so einrichten, daß Du gleich meine Briefe in Leipzig bekommst. Recht herzliche Grüße und Küsse  an Dich und die Kinder Dein Ernst.

Meine liebe kleine Annie !                                                   11.7.41

Gestern erhielt ich keine Post. Bei der Hitze kann man es fast nicht verlangen, daß noch jemand arbeitet. Mir selbst geht es so, daß ich mich langsam daran gewöhne. Vorgestern sollte es nicht klappen und gestern ging es schon ganz gut, obwohl das Wetter unverändert ist. Heute ist das Wetter noch so wie die Tage vorher. Man muß sich nur an die dicke Kluft und an die Wärme anpassen und man darf nicht dran denken, daß man schwitzt. Am Abend setzt man sich zum Abkühlen in den Garten. Dort kann man dann bis gegen 11 Uhr sitzen und es wird dann Zeit, daß man sich ins Bett begibt. Schließlich kann man auch dort noch ein bißchen lesen. Nachts ist man ja mehr oder weniger der Mückenplage ausgesetzt, an die ich mich noch nicht gewöhnt habe. Früh ½ 9 Uhr finden wir uns dann wieder in unseren Bleikammern ein, worin wir dann den Tag über aushalten müssen. Wir können zwar auch da nicht klagen, wenn man bedenkt, daß die kämpfende Truppe unter den gleichen Witterungsverhältnissen noch marschieren muß. Uns fehlt ja sonst nichts, und was uns fehlt, das versuchen wir zu kaufen, was uns auch in den meisten Fällen gelingt. Gestern habe ich ein Päckchen (Nummer 18) mit Socken für die Kinder ab gesandt. Es sind je zwei Paar. Ich denke, daß Du sie gebrauchen kannst und daß Dir Dafür wieder die Sorge abgenommen ist. Ich hoffe, daß sie passen werden.  Ich bin heute ziemlich stark mit Arbeit belastet und komme nicht viel weiter. Du verstehst, daß ich jetzt aufhöre, denn ich möchte diesen Brief mit zur Post geben, damit er heute mit abrollt.  Sei recht herzlich gegrüßt und oft und vielmals geküßt. Gib den Kindern wieder einen herzlichen Kuß und grüße sie ebenfalls vielmals. Dir nochmals viele Grüße und Küsse von Deinem Ernst

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