Montag, 4. Juli 2016

Brief 147 vom 4./5./7.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                          4.7.41    

Vor einem Jahr rückte ich von Köln ab. Damals knüpfte ich an diese Mitteilung, die ich Dir von dieser Veränderung zukommen ließ den Wunsch, daß es ein gutes Vorzeichen sein möge für das kommende Jahr. Wenn ich nun so zurückblicke, kann ich, was mich betrifft, zufrieden sein, denn ich bin noch gesund, habe die Prüfung in der Zeit machen können, und nun habe ich auch bei der Stadt die erste Etappe meines Ziels erreicht. Nachdem nun das Jahr vorbei ist, will ich wieder auf das kommende schauen, denn ich bin der Ansicht, daß es wohl nötig ist, daß man auf das vergangene Bezug nimmt, doch man soll sich nicht länger dabei aufhalten als unbedingt erforderlich. Denn die Gegenwart beansprucht einen viel zu sehr. Soweit ich meine Tätigkeit hier übersehe, habe ich für das kommende Jahr erweiterte Befugnisse, aber dementsprechend auch mehr Arbeit. Für meinen Arbeitsbereich soll ich hier die Unterschriftsbefugnis erhalten. Die Erweiterung meines Arbeitsgebiets ergibt sich daraus, daß wir hier eine Umorganisation vorgenommen haben und unsere Kommandantur, die bisher eine Unterkommandantur war, zu einer richtiggehenden aufgerückt ist.  Post habe ich bis jetzt immer noch nicht von Dir erhalten. Von Kurt bekam ich gestern einen Brief und von Legler eine Postkarte. Kurt teilt mir mit, daß er noch am letzten Platz ist und Legler glaubt, daß er nach Rußland kommt.
Ich nehme an, daß Deine bzw. unsere Gedanken heute besonders hier weilen. Meine Kameraden sind noch nicht dahinter gekommen, sonst wäre heute Abend eine Feier unvermeidlich. So brauche ich das nicht zu tun, doch werde ich vielleicht am Sonntag bei  uns im Haus im kleinen Kreis einige Flaschen Sekt spendieren. Auf diese Art kommt mir das auch nicht so teuer. Ich hoffe, daß ich zur Feier des Tages vielleicht einen Brief von Dir erhalte. Ich grüße und küsse Dich und hoffe, daß Du wieder ziemlich auf der Höhe bist. Es sendet Dir selbst viele herzliche Grüße und Küsse
Dein Ernst

Meine liebe Annie !                                                                                      5.7.41  

gestern erhielt ich wieder die erste Post von Dir. Es waren dies die Schreiben vom 29./ 30.6. Die übrigen Briefe, die Du vom 22. bis 28. geschrieben hast, sind noch nicht in meinen Besitz gekommen. Jedenfalls freue ich mich, daß ich noch den einen kurzen Geburtstagsgruß von Dir erhalten habe. Ich muß nun abwarten, was in den anderen Briefen steht, die mir bis jetzt noch von der Post vorenthalten werden. Ich hoffe, daß diese in den nächsten Tagen bzw. heute hier eintreffen.  Meinen Geburtstag habe ich in einem Rahmen unserer Hausgemeinschaft verlebt. Unser Assessor hat den Offizieren der Kommandantur ein Einstandsfest gegeben. Ich habe zwar nichts von meinem Geburtstag verlauten lassen. Es war ein angenehmer Abend. Ich habe für das leibliche Wohl der Anwesenden gesorgt und wie ich gehört habe, war alles zufrieden. Ich ja auch. Die übrigen Anwesenden haben Karten gespielt. Doch das kann ich ja nicht. Mit unserem Oberzahlmeister war ich mehr oder weniger Zuschauer. Ich habe mich aber ganz gut unterhalten.  Heute, nachdem mein Geburtstag vorbei ist, und da sowieso Samstag ist, werde ich etwas zu trinken stiften und sagen, aus welchem Anlaß dies geschieht.  Heute Vormittag erhielt unser Assessor Bescheid, daß er ab nächster Woche von uns versetzt werden wird.  Ein Kriegsverwaltungsrat, den ich übrigens schon von Dr. Thoma her kenne, wird seinen Posten einnehmen. Es ist schade darum, denn man weiß ja nicht, was nach kommt.  Wir haben heute unseren Umzug vorgenommen. Da nun Samstag ist und wir nur einen halben Tag zur Verfügung haben, reicht es mir nicht richtig zum Briefeschreiben. Ich glaube aber, daß Du mit diesem Lebenszeichen auch zufrieden bist.  Sei vielmals und recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem so oft an Dich denkenden Ernst. 
Der Brief von Vater ging gestern ein. Sage ihm vielen Dank Dafür. Ich war wirklich sehr überrascht, als ich den Briefumschlag sah, habe mich aber trotzdem sehr gefreut. 

Meine liebe Annie !                                                                                         7.7.41

Am Samstag erhielt ich Deinen großen Brief, den Du während der Postsperre geschrieben hast. Ich bekam außerdem den Brief vom 1.7. Nun wird das Schreiben wieder einmal ins Geleise kommen.  Ich will nacheinander die wichtigsten Punkte beantworten. Deine Verärgerung über die Russen kann ich wohl verstehen. Ich sagte Dir ja schon seinerzeit, daß es möglich ist, daß es mit denen auch noch anfängt. Dort geht es ja zügig vorwärts, wenn sich die Fälle der Meuterei mehren, haben wir es eher geschafft.
Daß Nannie bei Dir erschienen ist, ist ja ganz nett. Wenn, wie Du schreibst, die Unterhaltung mit ihr ganz gut gegangen ist, dann bin ich soweit wieder zufrieden. Es ist ja entschieden besser, wie wenn Du Dich hättest ärgern müssen. Dein Entschluß, nach Leipzig zu fahren, freut mich. So siehst Du Deine Eltern wenigstens wieder einmal. Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, wenn Du selbständig solche Entscheidungen treffen mußt, denn Du weißt, daß ich das nie mißbilligen werde. Das Geld, das dafür nötig ist, spielt ja keine Rolle, wenn man das jetzt eher machen kann. Die Küche ist also wieder einmal frisch gemacht worden. Das wird Dich sicher  auch freuen, denn es ist doch ein viel angenehmeres Wohnen und Arbeiten, wenn alles ordentlich ist. Mit der Gehaltssache mag das stimmen. Ich habe nicht im Kopf, wie hoch mein Grundgehalt war und inwieweit das sich nun verbessert hat.  Bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis ist es so. Die Beiträge fallen zum großen Teil fort, weil doch durch das Beamtenverhältnis die Sorge für das persönliche Wohl der Beamten der Staat übernimmt. Krankenkasse muß man selbst weiterzahlen.
Soviel mir bekannt ist, besteht bei dieser Kasse die Möglichkeit, daß man sich weiter versichern kann. Du kannst Dich ja einmal erkundigen und kannst mir gelegentlich die Bestimmungen einmal mit übersenden. Die Beträge zur Angestelltenversicherung und die anderen Beiträge verfallen wohl, doch wie ich die Lage übersehe, werde ich wohl in dieser Laufbahn bleiben. Deine weitere Frage, warum wir hier nur zwei Beamte sind, erklärt sich dadurch, daß alle übrigen Männer als Soldaten hier sind und der eine ist ja Sonderführer, der so eine Art Zwischending zwischen Soldat und Beamter ist. Ich weiß ja nicht, ob Dir der Unterschied klar ist. Wenn nicht, so kannst Du mich ja nochmals fragen.  Wir haben nun immer noch schönes Wetter und die Sonne meint es gut. Ich habe mir eine Art Sportzeug besorgt. Wir haben uns für jeden Hausgenossen einen Liegestuhl besorgen lassen. Nun haben wir uns gestern früh und am Nachmittag von der Sonne bescheinen lassen. Das war schön und heute merke ich ein wenig auf der Haut, doch das bin ich nur nicht mehr gewohnt. Das ist wieder einmal ein schönes Gefühl.  Recht herzlich und oft grüßt und küßt Dich Dein Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen