Meine liebe Frau ! 14.7.41
Ausnahmsweise erhielt ich schon heute Mittag Deinen lieben
Brief vom 11.7., für den ich Dir wiederum herzlich danke. Ich fange deshalb
auch gleich mit der Beantwortung an, denn ich weiß nicht, wie ich vielleicht
morgen dazu komme. Bei uns ist es jetzt so, daß man von einem Tag auf den
anderen immer mit etwas Neuem rechnen muß. Man muß sich auf solche
unvorhergesehene Ereignisse immer einstellen, dann ist man niemals überrascht.
Mit Rücksicht auf den Nationalfeiertag haben wir hier fast gänzlich
Ausgehverbot seit Samstag. Um der Bevölkerung keinen Anlaß zu geben, sich in
irgendeiner Weise herausgefordert zu fühlen. Für die Mannschaften herrscht
verstärkter Einsatz, vor allem während der Nacht. Nun habe ich mich seit
Samstag außer im Büro nur daheim in der Wohnung bzw. in unserem Garten
aufgehalten. Heute ist hier nun auch Arbeitsruhe, was uns selbst ja nicht
berührt. Die Leute verhalten sich, bis auf einige kleine Anzahl Aktionen,
ruhig. Es wurden wohl verschiedentlich kommunistische Flugblätter verbreitet,
oder Straßen mit Inschriften bemalt, doch das sind unter der großen Masse der
Bevölkerung doch immer wieder nur einzelne Erscheinungen. Wenn sich auch einmal
mehrere Menschen zusammentrommeln lassen, so sind diese doch sofort hilflos,
wenn man sie ihres Anführers beraubt.
15.7. 41
Ich war gerade so mitten im Schreiben, als ich abbrechen
mußte, weil wir, unser Kriegsverwaltungsrat und ich ein Vernehmungsprotokoll
übernehmen mußten über einen Polizeikommissar, der sich uns gegenüber etwas
daneben benommen hat. Es war, nachdem wir inzwischen Abendbrot gegessen hatten,
fast 10 Uhr geworden. Das muß aber nun einmal sein. Doch jetzt zu Deinem Brief. Ich habe davon Kenntnis genommen was
Dir Gerhard geschrieben hat, ich möchte nur nicht gern, daß Du Dich etwa durch
die Mehrbelastung, die durch die drei Personen eintritt, erneut überanstrengst
und mir dann wieder krank wirst. Ich bitte Dich, wenn Elsa kommt, diese nun
nicht etwa als reinen Feriengast zu betrachten, sondern ihr zu sagen, daß sie
für ihr Teil schon etwas mithelfen muß. Denn Du kannst Dir diese Last nicht
allein aufbürden. Einesteils freue ich mich, wenn Du jemand hast, mit dem Du
Dich den Tag über dies und jenes unterhalten kannst. Das kannst Du ihr ja bei
Deinem Besuch in Leipzig klarmachen, und wenn sie unter diesen Umständen
mitfahren will, bin ich durchaus einverstanden. Ich will nur nicht haben, daß
Du nach der erst kürzlich überstandenen Krankheit Dich wieder so übernimmst. Du
glaubst manchmal stärker zu sein und Du weißt doch selbst, daß Du kein Riese
bist. Du weißt genau, daß ich das in Deinem und vor allem dann wieder in
unserem Interesse schreibe.
Mit der Abkommandierung unseres Assessors und dem Einrücken des neuen Kriegsverwaltungsrats gibt es wieder ganz andere Gesichtspunkte in Bezug auf die Arbeit. Der neue Chef sagte, ich sei ihm zu schade, als daß ich nur das Kraftfahrzeugwesen bearbeite. Jetzt soll ich das gesamte Polizeiwesen die Mitüberwachung des Kraftfahrzeugwesens und noch drei bis vier andere Arbeitsgebiete bekommen. Die Entscheidung wird wahrscheinlich heute oder morgen fallen. Mir macht das ja nichts aus, denn ich kann dabei immer wieder nur lernen. Wenn die Sache endgültig ist, werde ich es Dir genauer mitteilen. Jetzt muß man alles selbst machen. Vorerst sogar das Schreibmaschinenfräulein, doch das ist nur vorübergehend. Es soll für unsere Abteilung selbst eine angefordert werden. Eigenartig ist nur, daß ich auch immer mit dabei sein muß, wo von Anfang an etwas neu aufgebaut wird. Der Neue ist ja auch eigens dafür hierher versetzt worden, um das in die Wege zu leiten. Obwohl wir erst vor einigen Tagen in unseren neuen Büros eingezogen sind, besteht bei unserem neuen Chef die Absicht, für unsere Militärverwaltungsabteilung ein besonderes Haus zu beziehen, damit wir vom Kommandostab (das sind die, mit denen wir sozusagen auf Kriegsfuß stehen) völlig getrennt sind. Allzu viel kann ich ja davon nicht berichten, aber das kann man sich ja einmal für später aufheben, wenn wir uns wieder einmal im Urlaub sehen. Nachdem es gestern ein Gewitter gegeben hatte, das auch über Nacht die nötige Abkühlung brachte, kommt jetzt schon wieder die Sonne durch. Man kann direkt schon wieder von schönem Wetter sprechen. Der Regen war hier auch sehr notwendig. Am Samstagmittag fahre ich wahrscheinlich wieder einmal nach Lille hinüber. Ich war ja lange nicht mehr dort. Der Dienst hat mich auch in letzter Zeit ziemlich in Anspruch genommen. Da fällt mir gerade noch ein. Ich glaube, ich hatte Dir am Anfang geschrieben, daß wir hier etwa 20 000 Einwohner hätten. Das stimmt nicht ganz, denn ich stellte dieser Tage anhand einer Aufstellung fest, daß es 42 000 sind. Die Stadt ist also etwas größer wie Konstanz. In Bezug auf Sauberkeit, das habe ich Dir ja früher geschrieben und auch gesagt, kann man ja keine Vergleiche anstellen.
Da hast Du ja ganz schön Johannisbeeren ernten können, wenn Du die Stachelbeeren dazurechnest, kommen etwa 50 Pfund zusammen. Hat denn der ganz kleine Strauch auch Beeren gehabt? Es würde mich interessieren, von welcher Sorte das sind. Ob die roten oder die harten großen Beeren von dem oberen Stock. Da ist ja eine Sorte so gut wie die andere. Heute habe ich Dir ja wieder einmal ziemlich viel geschrieben. Du wirst es mir ja nicht verübeln, denn da kenne ich Dich ja viel zu gut. Wenn ich aber noch etwas von hier schreiben soll, so sollen es die sozialen Verhältnisse sein. Dieser Tage sprach ein Mann bei mir vor, der hatte eine Familie von sieben Kindern zu ernähren. Er bekam alle 14 Tage 285,-Francs Krankengeld. Wenn Du bedenkst, daß ein Franc 5 Pfennig wert ist, kannst Du Dir ausrechnen, wie die Leute in diesem Sozialstaat leben. Das war wieder einmal ein Streiflicht, was man hier so tagtäglich erleben kann, wenn man die Augen für so etwas offen hat. Jetzt sende ich Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe gleichzeitig, daß es Dir und den Kindern gesundheitlich ordentlich geht. Richte bitte an Vater viele Grüße aus und nimm selbst nochmals viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst
Mit der Abkommandierung unseres Assessors und dem Einrücken des neuen Kriegsverwaltungsrats gibt es wieder ganz andere Gesichtspunkte in Bezug auf die Arbeit. Der neue Chef sagte, ich sei ihm zu schade, als daß ich nur das Kraftfahrzeugwesen bearbeite. Jetzt soll ich das gesamte Polizeiwesen die Mitüberwachung des Kraftfahrzeugwesens und noch drei bis vier andere Arbeitsgebiete bekommen. Die Entscheidung wird wahrscheinlich heute oder morgen fallen. Mir macht das ja nichts aus, denn ich kann dabei immer wieder nur lernen. Wenn die Sache endgültig ist, werde ich es Dir genauer mitteilen. Jetzt muß man alles selbst machen. Vorerst sogar das Schreibmaschinenfräulein, doch das ist nur vorübergehend. Es soll für unsere Abteilung selbst eine angefordert werden. Eigenartig ist nur, daß ich auch immer mit dabei sein muß, wo von Anfang an etwas neu aufgebaut wird. Der Neue ist ja auch eigens dafür hierher versetzt worden, um das in die Wege zu leiten. Obwohl wir erst vor einigen Tagen in unseren neuen Büros eingezogen sind, besteht bei unserem neuen Chef die Absicht, für unsere Militärverwaltungsabteilung ein besonderes Haus zu beziehen, damit wir vom Kommandostab (das sind die, mit denen wir sozusagen auf Kriegsfuß stehen) völlig getrennt sind. Allzu viel kann ich ja davon nicht berichten, aber das kann man sich ja einmal für später aufheben, wenn wir uns wieder einmal im Urlaub sehen. Nachdem es gestern ein Gewitter gegeben hatte, das auch über Nacht die nötige Abkühlung brachte, kommt jetzt schon wieder die Sonne durch. Man kann direkt schon wieder von schönem Wetter sprechen. Der Regen war hier auch sehr notwendig. Am Samstagmittag fahre ich wahrscheinlich wieder einmal nach Lille hinüber. Ich war ja lange nicht mehr dort. Der Dienst hat mich auch in letzter Zeit ziemlich in Anspruch genommen. Da fällt mir gerade noch ein. Ich glaube, ich hatte Dir am Anfang geschrieben, daß wir hier etwa 20 000 Einwohner hätten. Das stimmt nicht ganz, denn ich stellte dieser Tage anhand einer Aufstellung fest, daß es 42 000 sind. Die Stadt ist also etwas größer wie Konstanz. In Bezug auf Sauberkeit, das habe ich Dir ja früher geschrieben und auch gesagt, kann man ja keine Vergleiche anstellen.
Da hast Du ja ganz schön Johannisbeeren ernten können, wenn Du die Stachelbeeren dazurechnest, kommen etwa 50 Pfund zusammen. Hat denn der ganz kleine Strauch auch Beeren gehabt? Es würde mich interessieren, von welcher Sorte das sind. Ob die roten oder die harten großen Beeren von dem oberen Stock. Da ist ja eine Sorte so gut wie die andere. Heute habe ich Dir ja wieder einmal ziemlich viel geschrieben. Du wirst es mir ja nicht verübeln, denn da kenne ich Dich ja viel zu gut. Wenn ich aber noch etwas von hier schreiben soll, so sollen es die sozialen Verhältnisse sein. Dieser Tage sprach ein Mann bei mir vor, der hatte eine Familie von sieben Kindern zu ernähren. Er bekam alle 14 Tage 285,-Francs Krankengeld. Wenn Du bedenkst, daß ein Franc 5 Pfennig wert ist, kannst Du Dir ausrechnen, wie die Leute in diesem Sozialstaat leben. Das war wieder einmal ein Streiflicht, was man hier so tagtäglich erleben kann, wenn man die Augen für so etwas offen hat. Jetzt sende ich Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe gleichzeitig, daß es Dir und den Kindern gesundheitlich ordentlich geht. Richte bitte an Vater viele Grüße aus und nimm selbst nochmals viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst
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