Samstag, 2. Juli 2016

Brief 146 vom 2.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                      2.7.41   

Heute Vormittag habe ich Dir nicht schreiben können, da ich an der Dir schon angekündigten Grubenbesichtigung teilgenommen habe.  Wir sind heute früh von unserer Wohnung direkt zur Grube gefahren. Dort haben wir einen leitenden Ingenieur mitgenommen, der ziemlich gut deutsch sprach, der dann mit zwei weiteren Betriebsführern die Besichtigung leitete. Wir haben zuerst unsere Rüstung gewechselt. Es lagen bereit ein blaues Hemd, Hose, Bluse, Socken, Schuhe und ein Schutz, damit die Haare nicht so sehr verschmutzten. Als weitere Kopfbedeckung bekam jeder noch einen Helm aus Leder. Um die Ausrüstung noch vollständig zu machen, erhielten wir als letztes eine Grubenlampe. Nachdem diese Verkleidung vollzogen war, sind wir dann losgezogen. Zunächst wurde uns der ganze Bergbau  theoretisch erklärt, damit man wußte, nach welchen Methoden die Kohle hier gewonnen wird. Interessant ist, daß man über Tage nur einige wenige Bauten und den Förderturm sieht.  Hier in Frankreich ist es zwar so, daß zwei Fördertürme nebeneinander stehen. Ein Schacht ist für die Frischluftzufuhr und die andere für die Absaugung der verbrauchten Luft vorgesehen. Alle beiden Schächte werden zur Förderung von Kohle benutzt. Als wir dann einfuhren, hat man innerhalb des Förderschachtes nichts gesehen. Man bekommt so einen Druck auf das Trommelfell, weil das mit einer ziemlichen Geschwindigkeit vor sich geht. Wir landeten dann auf der Sohle von 240 m unter der Erde. Dort ist alles schön hell und ich muß sagen, soweit ich das beurteilen kann, sehr modern eingerichtet. Mechanisierung steht an erster Stelle.  Elektrizität, Preßluft, Maschinen und andere Hilfsmittel werden in reichlichem Ausmaße verwendet. Menschen selbst werden nach Möglichkeit gespart. Von der oberen Fördersohle traten wir dann unseren Marsch an. Überall zweigleisige Strecken. Am Anfang werden die Wagen von Sohlen bis zur ersten Verteilungsstelle gezogen. Nach dieser Verteilung übernehmen Pferde den Weitertransport und an der letzten Verteilungsstelle werden die Wagen von Hand bis zur Förderstelle weitergezogen. Von dort an wird es dann dunkel und man ist dann um seine Lampe froh. Bis zu dieser Stelle macht alles einen sauberen Eindruck. Die Wände sind weiß gekalkt. Meist sind sie mit Zement und Steinen verkleidet. Es sieht aus wie bei uns im  Keller. In Bezug auf die warme und die frische Luft besteht auch darin kein Unterschied. Wenn man dann weitergeht, ist es so, wie man es aus den Abbildungen sonst kennt. Gänge, die mit Holz abgestützt sind. Teilweise sind diese Stützen geknickt, die darauf hindeuten, daß es nicht ganz ungefährlich ist, dort unten zu arbeiten. Hier muß man schon in gebückter Haltung laufen. Gut ist, daß man den Lederhelm auf hat, da wird so mancher Stoß vom Helm aufgefangen. In diesen Strecken haben wir uns zeigen lassen, wie mit dem Steinbohrer gearbeitet wird. Alles geht mit Preßluft vor sich. Die Kohlengewinnung ist auf diesen Strecken sehr unbedeutend, Hauptsache ist die Schaffung von Transportwegen. Die Kohle selbst wird, da sich diese zwischen zwei Fördersohlen befindet, gewissermaßen zwischen diesen herausgeschnitten. Die Kohleschicht beträgt dort zwischen 30 und  60 cm. Meist wird dieser Quergang auch nicht stärker gemacht, so daß es sehr schwierig ist zu ihm durchkommen, geschweige denn, dort tagaus tagein zu arbeiten. Das Gefälle dieses Querganges beträgt zwischen 40 ind 70 Grad. Man rutscht dann von dem etwa 40 m höher gelegenen Fördergang zu der tiefer gelegenen Sohle in dem Gefälle von 40 bis 70 Grad. Die Höhe beträgt, wie ich schon oben erwähnte, etwa so viel, daß man auf dem Rücken liegend durchrutschen kann. Schwierig ist dabei nur, daß man in der einen Hand die Lampe halten muß und darauf sehen muß, daß sie einem nicht ausgeht. Diese Quergänge sind dann immer wieder mit Holz abgestützt, damit das Deckgebirge nicht einstürzt. Von der einen Sohle sind wir dann nach mehrmaligem Marsch unter Tage bis zur unteren Fördersohle gerutscht und gelaufen, die war dann 350 m unter der Erdoberfläche. Wir haben dann noch die übrigen maschinellen Einrichtungen angesehen. Die ganze Reise hat so etwa 3 Stunden gedauert, und ich muß sagen, daß mich das alles sehr interessiert hat. Als Abschluß fuhren wir dann mit ziemlicher Geschwindigkeit hinauf. Das Drücken in den Ohren hatte ich genau wieder so wie bei der Abfahrt. Als wir wieder oben waren, haben wir noch einige Aufnahmen machen lassen. Ich bin gespannt, wie die geworden sind.
Nach dieser Reise waren wir ziemlich schwarz, das kannst Du dir sicher denken. Das Bad war schon vorbereitet. Seife war wohl vorhanden, doch hatte ich etwas Bedenken, weil die nach Soda aussah. Erst versuchte ich es mit heißem Wasser, doch damit hatte ich die Schwärze schön verteilt. Es blieb nichts anderes übrig, als doch nach dieser scharfen Seife zu langen, die mir fast die Haut ausgerissen hat. Eines mußte ich aber feststellen, daß damit die Kohle wegging. In meinem Taschentuch hatte ich beim Nasenschnauben ein Brikett. Doch das gehört ja alles dazu. Am Abend hatten wir hier noch Baden in der Schwimmhalle, so daß dies für mich ziemlich günstig war, um die verbliebenen Reste der Schwärze wegzuschwemmen. Alles in allem kann ich sagen, daß mir das sehr gefallen hat. Ich habe die Arbeitsbedingungen der Bergleute kennen gelernt und einmal gesehen, wie es dort zugeht. Ich glaube kaum, daß ich bei uns in Deutschland gleich Gelegenheit hätte, so etwas zu sehen, darum habe ich mich gefreut, dies hier angeregt und diese Gelegenheit benutzt zu haben.  Von meinem Bergwerksbesuch habe ich Dir nun ausführlich geschildert. Ich hoffe, daß Du ungefähr ein Bild davon bekommen hast.   Meinen Brief will ich nun abschließen. Heute haben wir nun hier Umzug. Mit diesem Umzug kommen auch, wie ich Dir schon kurz andeutete, verschiedene Änderungen in Bezug auf die Arbeit. Herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir für heute Dein Ernst 

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