Montag, 25. Juli 2016

Brief 156 vom 25./26.7.1941


Meine liebste Annie !                                                                                           25.7.41                         
 
Wenn es nun geklappt hat, seid Ihr heute auf der Fahrt. Ich glaube, daß Du noch ziemlich viel Betrieb daheim gehabt hast. Ich wünsche nur, daß Dir diese Tage, trotz des Aufenthalts in der Großstadt, Tage der Erholung sind. Wie ich aus Deinem Brief vom 20. sehe, hat bei Dir am Sonntag reges Leben geherrscht. Vaters Zustand war noch unverändert, was ich mit Rücksicht auf Dich besonders bedaure. Vielleicht tritt nach einigen Tagen doch eine Besserung ein. Ich weiß nun heute nicht, wo ich Euch suchen soll. Hoffentlich reicht Dir die Schokolade, oder brauchst Du welche. Wenn Du solche Wünsche hast, kannst du mir das auch wieder schreiben, wenn Du wieder daheim bist und wenn Du nicht haben willst, daß Deine Eltern etwa das lesen, was Du mir schreibst.  Ich glaubte, daß das alles die gleiche Schokolade sei, denn die können ja mit dem Material arbeiten, was zur Verfügung steht.  Helga wird ihren Brief von mir nun auch erhalten haben. Wenn sie nur Freude daran gehabt hat. Ob es Dir noch zum Kino in dieser Woche gelangt hat, glaube ich kaum, denn ich stelle mir vor, daß Du froh gewesen bist, wenn Du Deine Arbeit hast erledigen können und wenn Feierabend war. Vielleicht kannst Du das in Leipzig machen. Bei uns ist es mit der Propaganda so, daß sämtliche Kraftwagen mit diesem Zeichen ausgestattet worden sind. Inwieweit sich das nun günstig auswirkt oder nicht, wird sich ja zeigen.
Die „de gallischen“ Kreise machen oben in die Öffnung des V das Lothringer Kreuz als ihr Zeichen rein. Nun wurde von uns teilweise das Hakenkreuz und das Lothringer Kreuz hineingemalt. Manchmal muß man ja lachen und man weiß nicht mehr was richtig ist oder nicht. Doch lassen wir das.  Heiß ist es inzwischen auch wieder geworden, doch es ist möglich, daß es bald zum regnen kommt.  Ich bin heute in Gedanken ganz bei Euch und hoffe, wenn Ihr gefahren sei, daß Ihr eine gute Reise habt. Es grüßt und küßt Dich sowie die Kinder recht oft Dein Ernst

Meine liebe Frau!                                                               25.7.41

Ich fange gleich jetzt noch mit einem Schreiben an, nicht etwa weil ich dazu Zeit habe, sondern weil ich nach der vielen Arbeit im Augenblick etwas anderes tun möchte. Ich habe soviel Hochdruck, doch ich will mich ein wenig ablenken und fange deshalb mit meinem Schreiben an. Die Hitze ist heute noch dazu so stark, daß es fast unangenehm ist, wenn man seine verschwitzte Uniform an hat.  Ich habe heute erfahren, daß man Zucker  kaufen kann, doch nur zentnerweise. Jetzt werde ich mich mit einigen Kameraden zusammentun und mich mit denen teilen. Ich glaube, daß Du diesen noch brauchen kannst, auch wenn bei Dir die Haupteinmachzeit vorbei ist. Ich denke aber in erster Linie daran, daß Du vielleicht noch Pflaumen oder ähnliches einmachen willst. Wegen Gardinen habe ich mich auch schon verschiedentlich umgesehen. Es gibt da so ganz fertige Sachen mit eingearbeiteten bunten Blumen.  Ich denke, daß sich das vielleicht ganz gut machen würde, wenn Du so etwas in der Küche verwenden würdest. Ich habe das also noch nicht vergessen, doch muß ich immer zusehen, wie ich es mit dem Geld einrichte. So mache ich das nach und nach und Du kommst auch zu diesen Sachen. Wenn ich jetzt diese Schuhe besorgt habe, brauchen wir meines Erachtens im nächsten halben Jahr keine mehr.  Es handelt sich nur noch um die Sachen, die ich mir hier für meinen Dienst beschaffen will, aber ich denke, daß ich das auch schaffen werde. Du brauchst davon den Eltern nur insoweit von diesen Käufen erzählen, als Du es für notwendig erachtest. Das überlasse ich also ganz und gar Dir. 
                                                                                         26.7.41
Heute früh hat es ein heftiges Gewitter gegeben, die erhoffte Abkühlung ist zwar leider ausgeblieben. Es ist fast noch schwüler wie am Tag vorher. So ein starkes Gewitter wie heute habe ich hier noch nicht erlebt. Für Deinen Brief vom 21. danke ich Dir bestens. Ich habe mich gefreut, als Du mir mitteilen konntest, daß es mit Vater soweit besser geht, daß Du abreisen kannst. Ich glaube nun annehmen zu können, daß Ihr heute in Leipzig seid. Ihr werdet nach den getroffenen Reisevorbereitungen auch froh sein, wenn Ihr dort angekommen seid. Den Kindern wird es eine große Freude gewesen sein, so eine lange Fahrt mitzumachen. Die Kartengeschichte macht schon etwas Schwierigkeiten, aber das muß man eben jetzt mit in Kauf nehmen. Wegen Vaters Schuhen habe ich Dir ja schon geschrieben. Ich weiß nicht, ob er mit halben Schuhen zufrieden sein wird, oder mit hohen Schuhen, die Gummisohle haben. Mit dem Hut von Helga hast Du Dir ja ziemlich Arbeit gemacht. Ich sende Dir und den Kinder, ebenso Deinen Eltern, recht herzliche Grüße und Küsse. An Dich möchte ich wieder besonders denken und hoffe, daß Du Dich einige Tage ausspannen kannst. Dies wünscht Dir Dein Ernst

Brief 155 vom 23./24.7.1941


Liebstes Mädel !                                                                                               23.7.41       

Ich sende Dir heute noch einige Abzüge von den Bildern, die bei unserem Grubenbesuch gemacht worden sind. Einen Teil hast Du ja schon erhalten. Wenn Du den Eltern davon eins geben willst, ist mir das gleich. Weiterhin habe ich noch ein weiteres Bild beigefügt, wie ich in unserem botanischen Garten tätig bin. Das ist bei uns im Hof gemacht worden, als ich unseren Garten sprenge. Es sieht etwas nach nichts aus, doch auch wieder ein Erinnerungsbild.  Weiter lege ich noch einen Ausschnitt aus unserer Zeitung bei, der Dich sicher interessiert, weil es die Anwerbung von Freiwilligen behandelt. Hier bei uns hat sich gestern auch ein Holländer gemeldet, der gleich abrücken wollte, um gegen die Bolschewisten zu kämpfen. Wir haben die nötigen Schritte für ihn getan, ich denke, daß er bald zu seinem Ziele kommen wird.  Die 17,-RM habe ich heute erhalten. Ich Danke Dir vielmals Dafür.  Für Deine beiden Briefe vom 17. und 18. danke ich Dir recht vielmals. Ich mache mir schon Gedanken, wie Du jetzt nach Deiner erst kurz überstandenen Krankheit das alles schaffen wirst. Vor allem auch deshalb, weil der Arzt und Du selbst auch sagst, daß es noch nicht vorbei sei und daß das nicht so schnell weggeht. Du mußt sehr Obacht geben, daß das nicht chronisch wird. Mit Vaters Garten und auch mit unserem hast Du ja sehr viel Arbeit gehabt.  Du tust mir sehr leid, daß Du jetzt alles allein machen mußt. Mit der Beerenernte kannst Du wohl zufrieden sein. Der Zucker fehlt zwar doch, wenn Ihr sie so gegessen habt, sind sie Euch doch zugute gekommen.  Was Vater selbst anbelangt, so geht es ja nicht, daß er denkt, er käme die ganze Zeit ohne Essen aus, denn er ißt schon nicht viel, und zum Zusetzen hat er nichts mehr.  Wenn er sich nicht ein bißchen hält, kann er schnell auf diese Weise Schluß machen. Das ist doch nicht nötig, wenn er nicht immer so eigensinnig wäre. Wenn er auch keinen Appetit hat, so soll er sich doch etwas zum Essen zwingen. Ich bin gespannt, was der Arzt sagt. Erschreckend ist ja, wie Du schreibst, daß er teilweise seine Farbe gewechselt hat.  Wenn Elsa kommen sollte, möchte ich nochmals betonen, daß sie entsprechend ihrer Personenzahl mit zupacken muß. Es geht einfach nicht, daß etwa andere Personen, auch wenn es gute Bekannte sind, auf Kosten Deiner Gesundung sich erholen und Du nachher den Schaden hast. Mache es bitte so wie ich Dir schon geschrieben habe und tue mir den gefallen und schone Dich. Daß Du jetzt mit der Schokolade etwas zusetzen kannst und daß Du sie gebrauchen kannst, freut mich sehr. Wesentlich ist, daß sie Dir eine passende Ergänzung ist.
Hast Du noch genügend, oder muß ich wieder welche besorgen. Gib mir darüber rechtzeitig Bescheid. Solange ich noch welche erhalten kann, sollst Du sie nicht entbehren.  Daß unsere Helga sich allein zum Zahnarzt getraut hat, ist doch sehr schön, auch daß sie allein zum Arzt sonst geht, zeigt doch, wie groß unsere Göre schon geworden ist. Das hat mich sehr gefreut, daß sie keine Angst hat vor der Zahnbehandlung. Hoffentlich kommt alles gut in Ordnung, daß Du Deinen verdienten Urlaub antreten kannst. Ich wünsche Dir jedenfalls von ganzem Herzen ein paar Tage Entspannung. Ich sende Dir, den Kindern und auch den Eltern recht herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst
Liebste Annie!                                                                                                           24.7.41

Ich Danke Dir herzlich für Deinen Brief vom 19.7. und muß sagen, daß Du Dir schon wieder viel zu viel vornimmst. Wenn Du bei der vielen Arbeit nicht zum Schreiben kommst, so nehme ich Dir das ja gar nicht übel. Erstens mußt Du Vater versorgen, hast am Tag über die viele Lauferei, besorgst noch den Garten und willst noch die Beeren versorgen, außerdem mußt Du noch Deine Reisevorbereitungen treffen. Ich habe Bedenken, daß Du Dir zuviel zumutest und mir am Ende zusammenklappst. Ich hoffe, daß Du nun heute oder morgen fahren kannst, damit Du endlich einmal etwas Entspannung hast. Das sieht ja Vater ähnlich, er wird sich erst rühren, nachdem das Kind in den Bach gefallen ist. Jetzt merkt er, daß er sich für sein Alter zuviel zugemutet hat. Wenn alles wieder in Ordnung ist, hoffe ich, daß er sich an seine guten Vorsätze hält und nicht wieder mit den gleichen Methoden zurückfällt.  Ich freue mich, daß Du das eine Zimmer der Kinder noch zu gelegener Zeit hast umräumen können, so daß Du diese Arbeit nicht noch zur letzten Minute machen brauchst. Ich hoffe, daß Ihr eine gute Reise machen könnt und daß Ihr richtig ankommt.  Daß das Päckchen an Kurt wieder zurückgekommen ist, spricht wahrscheinlich für die Tatsache, daß er nach Rußland mit hat abrücken müssen.  Gestern habe ich für Dich noch ein Paar Schuhe erstanden und für Helga ein Paar Sandalen. Für mich habe ich auch ein Paar Schuhe gekauft.  Ich wollte zwar hohe Schuhe haben, doch es gibt nur noch halbe Schuhe mit Ledersohle. Alles, was neu in die Geschäfte rein kommt, wird nur noch mit Gummisohlen geliefert oder für den Sommer mit Holzsohle. Ich hoffe, daß Dir diese Schuhe auch passen werden und Dein gefallen finden. Für Jörg habe ich versucht, ein Paar noch zu erhalten, doch es waren keine mehr von dieser Nummer da. Wenn nochmals welche hereinkommen, dann wird noch ein Paar für ihn zurückgelegt. Für Vater ist es nun so, daß ich also nur noch welche mit Gummisohle erhalten konnte. Aber ihm das zusagt, weiß ich nicht.  Hast Du übrigens Interesse an ein Paar Schaftstiefeln für Dich oder nicht. Es wäre vielleicht möglich, daß ich hier welche machen lassen könnte. Du kannst mir das ja einmal mitteilen. Ich denke, daß da vielleicht Braune in Frage kommen.
Das teile mir einmal bei Gelegenheit mit.  Heute grüße und küsse ich Dich herzlich und bitte Dich, den Eltern viele Grüße von mir auszurichten. Für heute bin ich Dein Ernst

Donnerstag, 21. Juli 2016

Brief 154 vom 21./22.7.1941


Meine liebe Frau !                                                                                     21.7.41       

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 16.7., der mich sehr überraschte und zwar insofern, daß in der Kette der Kranken nun Vater an der Reihe ist. Das hat nun noch gefehlt, daß das vor Deiner Abreise passieren muß. Hoffentlich ist dies nicht dadurch in Frage gestellt. Ich muß schon sagen, daß diese mit ziemlichen Hindernissen vor sich geht. Ich hoffe, daß es nicht sehr ernstlich mit Vater ist und daß es ihm bald wieder einigermaßen gut geht. Das kann ich Dir doch nicht übel nehmen, wenn Du Helga zu mir ins Bett packst, denn das sind ja besondere Umstände und da gelten doch immer außerordentliche Maßnahmen. Man kann doch nicht starr nach einer geraden Linie gehen. Wichtig ist, daß man die Linie nicht aus dem Auge läßt.  Ich sende, wie ich Dir schon im letzten Brief schrieb, ab heute die Post nach Leipzig, ich hoffe, daß es Dich dann dort erreicht. Am Samstag war ich zu Besuch in Lille. Ganz zufällig habe ich auch den Tommi getroffen. Er war sehr erfreut. Ich ja auch. Er teilte mir noch mit, daß er kürzlich mit meinem neuen Chef telefoniert habe. Er soll ihm gesagt haben, daß ich ein freundlicher Kerl sei und daß er mit mir sehr zufrieden sei. Thomas hat ihm dann darauf geantwortet, das habe ich ihnen ja schon immer gesagt. Wir haben uns sonst wieder gut unterhalten Außerdem habe ich Graser noch besucht, der mir jetzt nach langen Kämpfen einen Bezugschein für ein Paar Stiefel beschafft. Gestern bin ich wieder zurückgefahren. Ich habe wieder für meinen Dienst allerhand Neuigkeiten mitgebracht, erfahren und gelernt. So ein Besuch ist, wie ich feststellen muß, von Zeit zu Zeit von Nutzen.  Hoffentlich geht es unserem Jungen wieder einigermaßen, daß sich sein Zustand bessert und daß mit dem Aufbrechen, der Vorbereitung alles erledigt ist.  Ich grüße und küsse Euch alle meine Lieben recht herzlich, Dich mein liebes Mädel besonders. Hoffentlich seid Ihr gesund dann in Leipzig angekommen. Ich hoffe, daß Du mir dann wieder Bescheid zukommen läßt. Richte auch an die Eltern viele Grüße aus Dein Ernst 

Meine liebe Frau !                                                                                              22.7.41

Wenn es Vater besser gehen sollte, dann ist es möglich, daß Ihr Euch jetzt ernsthaft auf die Reise nach Leipzig vorbereitet. Ich hoffe, daß sich sein Zustand nicht als so schlecht erweist wie es mir nach Deinem Schreiben anfänglich schien. Ich hoffe, heute wieder Post von Dir zu bekommen und zu erfahren, wie es ihm geht. Für Dich ist das ja auch wieder eine Belastung, ich weiß zwar, daß Du das Pflegeamt gern übernimmst und daß Du ihn nicht gern in das Krankenhaus schickst. Ich halte es von ihm, wie ich das früher schon gesagt habe, für ungeschickt, wenn er sich sein bißchen Essen immer selbst gekocht hat. Ich sagte früher schon immer zu ihm, daß er mit bei uns essen soll, denn dann hat er seine geregelte Mahlzeit und braucht dann nicht immer erst anfangen, wenn er heimkommt. Ich denke jedenfalls, daß das Kochen für eine weitere Person Dir nicht viel mehr Schwierigkeiten gemacht hätte, aber er dachte ja immer, daß er besser so günstiger einkaufen  und leben kann. Die Schwierigkeiten stellen sich aber dann ein, wenn der Körper genug geschwächt ist. Ich hoffe, daß es ihm wieder leidlich besser geht und daß es ihn nicht so sehr gepackt hat. Dir und den Kindern wünsche ich sehr gern die Reise und einmal etwas Abwechslung aus dem täglichen Trott.
Der Oberbürgermeister von Konstanz hat mir wieder geschrieben, ich soll ihm die Bescheinigung zusenden, daß ich nicht aus dem Dienst der Stadt Konstanz austrete, bevor 5 Jahre beendet sind und bevor ich den Oberbürgermeister befragt habe. Ich hatte mit Absicht diese Bescheinigung zurückbehalten und mir gedacht, wenn er sie haben will, dann wird er schon schreiben. Das hat er nun getan. Ich habe ihm gestern gleich die Bescheinigung unterschrieben zurückgesandt. 
Das Wetter hat sich wieder ganz schön gemacht, nachdem es sich so ziemlich ausgeregnet hatte. Auffallend ist nur, daß es gegen morgen verhältnismäßig kühl ist. 
Vom Kamerad Graser habe ich am Samstag in Lille eine Bescheinigung erhalten, daß ich berechtigt bin, ein Paar Stiefel zu kaufen. Die muß ich in den nächsten Tagen bestellen, denn sonst treten wieder neue Bestimmungen in Kraft. Dort erhalte ich diese für 25,-RM, bei uns in Deutschland muß ich fast das Doppelte bezahlen. Fraglich ist dann, ob ich überhaupt welche bekomme. Stoff für eine Hose soll ich auch bekommen, so daß ich dann hier wieder etwas rechtes anzuziehen habe. Das Zeug, was ich jetzt trage, sieht teilweise sehr abgeschunden aus. Ich muß auch da wieder sehen, daß ich etwas gestellt bekomme. Auf diesem Wege dauert es aber meist etwas länger. Man darf aber nur nicht die Geduld verlieren. Du siehst, man hat auch auf diese Weise immer seine Sorgen.
Dir sende ich viele herzliche Grüße und viele Küsse. Ich wünsche Dir recht gute Erholung und den Kindern gute Unterhaltung. Daß Du Dich auf einige Tage entspannst wünscht Dir
Dein Ernst

Sonntag, 17. Juli 2016

Brief 153 vom 17./19.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                   17.7. 41         

Ich fange gleich an mit dem Schreiben meines Briefes ehe die Post eintrifft, da es mir gerade möglich ist. Ich habe vorhin nochmals die Gehaltsangelegenheit durchgesehen, und ich muß sagen, daß ich nicht ganz klar dabei sehe. Du wirst wahrscheinlich jetzt Dich nicht viel damit beschäftigen können. Ich möchte aber diese Frage trotzdem einmal anschneiden. Nach dem Schreiben des Oberbürgermeisters vom 13.7., wovon Du dort einen Durchschlag hast, ist ein Grundgehalt von  255,68 RM errechnet worden. Hinzu kommen noch 2x20,-RM Kinderzuschläge 40,-RM = 295,68 RM Wie ich Dir seinerzeit schon berichtete, kommen dabei noch in Abzug die Prozente, die für meinen Bedarf gedacht sind. Nach Deiner Mitteilung vom 30.6. lautet mein Gehaltszettel über    267.09 RM. Ich will annehmen, daß die angeführten Abzüge stimmen und das soll auch keine Rolle weiter spielen. Wesentlich ist dabei, wie sich das errechnet. Wichtig ist dabei weiter, daß ich noch eine Nachzahlung erhalten müßte, weil diese Abzüge ab 25.4.41, also nachträglich genehmigt worden sind. Mir scheint, daß das nicht ganz stimmt. Vor allem sieht man bei dieser Abrechnung nicht klar.  Dann sollten ja auch noch nach einem Schreiben des Oberbürgermeisters für ausgelegte Kosten für Bücher 12,50 RM in 3 Monatsraten abgezogen werden. Wie gesagt, wenn das Fräulein Bucher so eine glatte Summe hinschreibt, kann man daraus nichts entnehmen und die Übersicht geht verloren. Ich kann zwar an die Gehaltsstelle schreiben, wie sich diese Beträge errechnen, ich finde aber, daß für die dort mehr Arbeit entsteht, als wenn Du vorbeigehst und Dich erkundigst. Wenn Du das vor Deiner Abreise noch machen und regeln kannst, so kläre das doch bitte noch. Es tut mir jetzt leid, daß ich Dich deswegen  noch rumjage, aber ich habe mir das noch mal angesehen und bin der Ansicht, daß das nicht ganz stimmt.  Als ich Deine Mitteilung damals erhielt, wollte ich Dir das auch nicht schreiben, weil Du noch krank warst und Du Dir deshalb keine Gedanken machen solltest. Wenn es Dir nicht möglich sein sollte, daß Du noch vorbeigehst, dann werde ich schreiben. 
18.7.41
Für Deinen Brief vom 12.7. danke ich Dir herzlich. Das mußte nun nicht kommen, daß unser Stromer sich vor der Reise noch ins Bett legt. Doch es ist besser, wenn es jetzt passiert, als wenn es dann in Leipzig gewesen wäre. Richtig ist, daß Du den Arzt zugezogen hast, denn man ist doch dann immer beruhigter, als wenn man nach Gutdünken die Sache behandelt. Daß Du das nach bestem Wissen und gewissen richtig machtest und Dein Möglichstes tust. Hoffentlich geht alles gut vorbei, damit unser Strolch bald wieder auf der Höhe ist.  Ich bin heute in Eile, denn ich habe ziemlich Hochbetrieb. Ich bin deshalb froh, daß ich gestern schon angefangen habe. Es grüßt und küßt Euch alle recht oft und herzlich Dein Ernst

Mein liebes Mädel !                                                                                          19.7.41

Herzlich danke ich Dir für Deine beiden Briefe vom 14. und 15.7.  Ich möchte gleich vorweg stellen, daß dies der letzte Brief ist, den ich jetzt nach Konstanz schicke, den nächsten werde ich nach Leipzig senden.  Wie ich die Dinge hier sehe, ist es wohl nicht möglich, daß ich zum Urlaub nach Leipzig kommen kann. Wann ich dann dran komme, weiß ich noch nicht. Ich werde Dir aber rechtzeitig Bescheid geben, wenn es soweit ist. Mit Freude habe ich davon Kenntnis genommen, daß es Jörg wieder besser geht und daß damit zu rechnen ist, daß er bis zur Abreise wieder gesund ist.
Die Sendung mit den Socken wird wohl inzwischen eingetroffen sein. Hoffentlich passen sie, wenn nicht, so muß Du sie eben zurückschicken. Die neue Gehaltsabrechnung habe ich mir angesehen, ich glaube, daß es so sogar stimmt. Wegfall der Angestelltenversicherung und die anderen Beiträge kommt erst dann in Frage, wenn ich Beamter geworden bin. Das ist bis jetzt nicht der Fall, so daß der Abzug schon zu Recht besteht. Ich denke, daß Du mit dem zurückgelegten Geld auskommen wirst. Ich nehme an, daß sich Dein Vater ein wenig anstrengt und etwas für Euren Besuch übrig hat. Ich will zwar nicht haben, daß Du auf ihn angewiesen bist, aber ich kenne im Allgemeinen seine Tour, im Übrigen verläßt er sich auf Deine Mutter. Mit dem gesandten Geld, was mir diesmal von Dir in Aussicht steht, werde ich zusehen, wie ich zurande komme. Lasse Dir aber für Euer bißchen Urlaub nichts abgehen und schmälere bitte den kleinen Geldvorrat nicht, denn Du brauchst es bestimmt. Wenn man nichts auf der Hand hat bei so einer Reise, ist das nichts. Die Erinnerung an die Lebensmittelmarken war ja nicht nötig. Aber er hat eben Eigenheiten. Mit dem Garten hast Du also ziemlich Arbeit gehabt, vor allem mit dem Einmachen. 
Wegen der Schuhe und Sandalen bin ich noch nicht Dazu gekommen, dies zu erledigen, doch ich verliere die Sache nicht aus dem Auge. Wenn das mit der Krankenkasse vorläufig so bleiben kann, so ist das schon recht. Einesteils hast Du den Krankenschutz und brauchst Dich nicht weiter darum kümmern.
Das Wetter hat nun etwas abgekühlt und geregnet hat es auch. Ich wünsche Dir und den Kindern eine recht gute Reise und soweit es möglich ist, eine recht gute Erholung. Die Eltern bitte ich zu grüßen von mir. Ihren Brief werde ich in den nächsten Tagen beantworten.  Dir und den Kindern wünsche ich alles Gute, grüße und küsse Euch recht herzlich Dein Ernst

Brief 152 vom 16./17.7.1941


Mein liebstes Mädel !                                                                                    16.7. 1941     

Ich habe, um es wieder gleich am Anfang festzustellen, gestern keine Post von Dir erhalten. Das gleicht sich aber an einem anderen Tag wieder aus.  An unsere Helga habe ich gestern einen Brief geschrieben. Es ist etwas mehr geworden, als ich eigentlich wollte. Sie hat aber so lang warten müssen, daß sie schon etwas mehr verdient hat. Ich wollte ihr noch antworten, bevor Ihr auf Reisen geht. Sie hat jetzt ja Zeit, um einen längeren Brief lesen zu können. Gestern Abend war ich im Kino. Es wurde „Die schwedische Nachtigall“ gespielt. Es ist dies ein Film um den Märchendichter Andersen und die große Sängerin Jenny Lind spielt. Der Film ist zwar nicht schlecht gewesen, aber auch da kann man nicht sagen, daß er besonders hervorragend war. Es ist ja meines Erachtens schwer, das Lebensschicksal eines Menschen zu zeigen, das, um das geschichtliche nicht zu stören, in einen Rahmen hineinpassen muß. Durch diesen Zwang wird das alles etwas schief. Man muß das aber in Kauf nehmen. Die Wochenschau war aber sehr interessant und hat packende Bilder vom Rußlandfeldzug gebracht. Es ist ja ganz phantastisch, wie wir da wieder zugepackt haben und unter welchen Umständen unsere Soldaten dort kämpfen müssen. Die Gegner machen ja nur den denkbar schlechtesten Eindruck. Ich sende Dir wieder einen Teil unseres Schriftwechsels zurück. Ebenfalls einige Briefmarken, die ich mit zu verwahren bitte. Ich möchte heute mein Schreiben schließen und Dir meine besten und herzlichen Grüße und Küsse übersenden. Dein Ernst

Meine liebe kleine Frau !                                                                              16.7.41

Die vergangenen Tage habe ich ziemlich Hochbetrieb gehabt, und ich nehme an, daß in den kommenden Tagen dieser Betrieb so weitergehen wird. Heute Nachmittag ist nun eine Atempause eingetreten, die ich gleich dazu benutze, um meinen Brief an Dich anzufangen. Ich kann Dir aber bis jetzt nur vom Wetter und sonst allem möglichen erzählen, da ich ja noch keine Post bekommen habe. Am Sonntag, also vorgestern, kam das erste Gewitter nach den langen und vielen heißen Tagen. Es war sehr notwendig daß es wieder einmal geregnet hat. Es wollte scheinen, als ob sich das Wetter ändern würde. Es ist aber nicht der Fall gewesen, sondern es wurde wieder schön, doch gestern kam das zweite Gewitter. Es hat nun ein paar Mal fest geregnet. Heute hat es nun nochmals kräftig geregnet, und draußen bei uns im Hofe der Kommandantur rauscht die große Linde im Wind, der vielleicht noch etwas mehr Regen bringen wird. Es hat wohl etwas abgekühlt, doch ist das nicht gerade übermäßig. Die Linde fängt jetzt auch an zu blühen, das ist das Zeichen, daß wir nun mitten im Sommer  stehen, wie lange wird es dauern, ist die schöne Jahreszeit wieder vorbei, ohne daß man viel davon gemerkt hat. Ich weiß, wie ich letztes Jahr darüber geklagt habe, und wie ich sagte, es soll mir auch gleich sein, wenn ich diesen Sommer opfere, wie die vielen Kameraden auch, wenn dann der Krieg endgültig vorbei ist. Das ist jetzt wieder ein Jahr her und wir bringen den zweiten Sommer zum Opfer. Manche bringen ja noch mehr Opfer wie wir oder wie ich persönlich, doch manchmal meint man, es könnte wieder einmal die Zeit kommen, wo man seiner gewohnten Arbeit nachgehen kann. Ich glaube aber, daß unserer Generation das nicht bestimmt ist, denn ich habe mir schon immer wieder gesagt und überlegt, daß wir keine Ruhe haben dürfen und haben können. Nur durch unser ständiges Bereitsein und durch die dauernde Anspannung sind wir in der Lage gewesen, diese  enormen Spannkräfte mitzubringen, die jetzt von uns gefordert werden. Es gibt zwischendurch einmal Zeiten, da lassen sie etwas nach, doch da bleibt uns nichts weiter übrig wie kurz zu treten, damit man nicht den Gleichschritt verliert. Nach dem Kriege wird es auch nicht anders werden, denn dann gilt es, das Erkämpfte auszubauen und zu festigen, sonst wäre ja zuletzt alles umsonst gewesen. Wahrscheinlich ist ja dann dabei wieder, daß man zusammenleben kann. Es ist dann alles viel einfacher und man kann dann wieder gemeinsam alles ertragen. Doch lassen wir das "In-die-Zukunft-sehen" und Philosophieren, es tritt alles an uns heran, und wir werden es meistern wie bisher auch.   Du hast nun sicher schon Reisegedanken. In wenigen Tagen geht es dann ab.
Ich denke, daß sich die Eltern auch freuen, wenn Du wieder einmal bei ihnen bist. Du kannst dann mit Deiner Mutter über dies und jenes reden, für die Kinder ist diese Reise nun schon mehr von Interesse, denn sie sehen das nun mit ganz anderen Augen, wie wo wir 1935 dort waren. Unsere Beiden kriegen sicher nun auch langsam Reisefieber. Laß Dich aber durch sie nicht aus der Ruhe bringen. Vater kannst Du übrigens mitteilen, daß ich versuchen werde, ihm ein Paar Schuhe zu besorgen. Ich kann mich nicht mehr genau entsinnen, ob ich Dir das schon mitgeteilt habe. Für den richtigen Sitz kann ich ja keine Garantie übernehmen. Den Betrag von 15,-RM etwa, es kann sein, daß sie billiger sind, kann er mir zuschicken. Ich teile ihm dann mit, was sie genau kosten. Mach ihm aber bitte klar, daß ich nicht versprechen kann, ob sie ihm gefallen, denn Du weißt ja, wie er gern bei solchen Sachen reklamiert.
17.7.41 gestern erhielt ich noch keinen Brief von Dir. Ich möchte deshalb nur unter diesen Brief einen Gruß setzen. Ich hoffe, daß Ihr alle miteinander gesund seid und grüße Dich sowie die Kinder und sende dazu noch viele herzliche Küsse. Dein Ernst

Donnerstag, 14. Juli 2016

Brief 151 vom 14./15.7.1941


Meine liebe Frau !                                                                              14.7.41   

Ausnahmsweise erhielt ich schon heute Mittag Deinen lieben Brief vom 11.7., für den ich Dir wiederum herzlich danke. Ich fange deshalb auch gleich mit der Beantwortung an, denn ich weiß nicht, wie ich vielleicht morgen dazu komme. Bei uns ist es jetzt so, daß man von einem Tag auf den anderen immer mit etwas Neuem rechnen muß. Man muß sich auf solche unvorhergesehene Ereignisse immer einstellen, dann ist man niemals überrascht. Mit Rücksicht auf den Nationalfeiertag haben wir hier fast gänzlich Ausgehverbot seit Samstag. Um der Bevölkerung keinen Anlaß zu geben, sich in irgendeiner Weise herausgefordert zu fühlen. Für die Mannschaften herrscht verstärkter Einsatz, vor allem während der Nacht. Nun habe ich mich seit Samstag außer im Büro nur daheim in der Wohnung bzw. in unserem Garten aufgehalten. Heute ist hier nun auch Arbeitsruhe, was uns selbst ja nicht berührt. Die Leute verhalten sich, bis auf einige kleine Anzahl Aktionen, ruhig. Es wurden wohl verschiedentlich kommunistische Flugblätter verbreitet, oder Straßen mit Inschriften bemalt, doch das sind unter der großen Masse der Bevölkerung doch immer wieder nur einzelne Erscheinungen. Wenn sich auch einmal mehrere Menschen zusammentrommeln lassen, so sind diese doch sofort hilflos, wenn man sie ihres Anführers beraubt.
 
15.7. 41
Ich war gerade so mitten im Schreiben, als ich abbrechen mußte, weil wir, unser Kriegsverwaltungsrat und ich ein Vernehmungsprotokoll übernehmen mußten über einen Polizeikommissar, der sich uns gegenüber etwas daneben benommen hat. Es war, nachdem wir inzwischen Abendbrot gegessen hatten, fast 10 Uhr geworden. Das muß aber nun einmal sein.  Doch jetzt zu Deinem Brief. Ich habe davon Kenntnis genommen was Dir Gerhard geschrieben hat, ich möchte nur nicht gern, daß Du Dich etwa durch die Mehrbelastung, die durch die drei Personen eintritt, erneut überanstrengst und mir dann wieder krank wirst. Ich bitte Dich, wenn Elsa kommt, diese nun nicht etwa als reinen Feriengast zu betrachten, sondern ihr zu sagen, daß sie für ihr Teil schon etwas mithelfen muß. Denn Du kannst Dir diese Last nicht allein aufbürden. Einesteils freue ich mich, wenn Du jemand hast, mit dem Du Dich den Tag über dies und jenes unterhalten kannst. Das kannst Du ihr ja bei Deinem Besuch in Leipzig klarmachen, und wenn sie unter diesen Umständen mitfahren will, bin ich durchaus einverstanden. Ich will nur nicht haben, daß Du nach der erst kürzlich überstandenen Krankheit Dich wieder so übernimmst. Du glaubst manchmal stärker zu sein und Du weißt doch selbst, daß Du kein Riese bist. Du weißt genau, daß ich das in Deinem und vor allem dann wieder in unserem Interesse schreibe. 
Mit der Abkommandierung unseres Assessors und dem Einrücken des neuen Kriegsverwaltungsrats gibt es wieder ganz andere Gesichtspunkte in Bezug auf die Arbeit. Der neue Chef sagte, ich sei ihm zu schade, als daß ich nur das Kraftfahrzeugwesen bearbeite. Jetzt soll ich das gesamte Polizeiwesen die Mitüberwachung des Kraftfahrzeugwesens und noch drei bis vier andere Arbeitsgebiete bekommen. Die Entscheidung wird wahrscheinlich heute oder morgen fallen. Mir macht das ja nichts aus, denn ich kann dabei immer wieder nur lernen.  Wenn die Sache endgültig ist, werde ich es Dir genauer mitteilen.  Jetzt muß man alles selbst machen. Vorerst sogar das Schreibmaschinenfräulein, doch das ist nur vorübergehend. Es soll für unsere Abteilung selbst eine angefordert werden. Eigenartig ist nur, daß ich auch immer mit dabei sein muß, wo von Anfang an etwas neu aufgebaut wird. Der Neue ist ja auch eigens dafür hierher versetzt worden, um das in die Wege zu leiten. Obwohl wir erst vor einigen Tagen in unseren neuen Büros eingezogen sind, besteht bei unserem neuen Chef die Absicht, für unsere Militärverwaltungsabteilung ein besonderes Haus zu beziehen, damit wir vom Kommandostab (das sind die, mit denen wir sozusagen auf Kriegsfuß stehen) völlig getrennt sind. Allzu viel kann ich ja davon nicht berichten, aber das kann man sich ja einmal für später aufheben, wenn wir uns wieder einmal im Urlaub sehen.  Nachdem es gestern ein Gewitter gegeben hatte, das auch über Nacht  die nötige Abkühlung brachte, kommt jetzt schon wieder die Sonne durch. Man kann direkt schon wieder von schönem Wetter sprechen. Der Regen war hier auch sehr notwendig.  Am Samstagmittag fahre ich wahrscheinlich wieder einmal nach Lille hinüber. Ich war ja lange nicht mehr dort. Der Dienst hat mich auch in letzter Zeit ziemlich in Anspruch genommen.  Da fällt mir gerade noch ein. Ich glaube, ich hatte Dir am Anfang geschrieben, daß wir hier etwa 20 000 Einwohner hätten. Das stimmt nicht ganz, denn ich stellte dieser Tage anhand einer Aufstellung fest, daß es 42 000 sind. Die Stadt ist also etwas größer wie Konstanz. In Bezug auf Sauberkeit, das habe ich Dir ja früher geschrieben und auch gesagt, kann man ja keine Vergleiche anstellen. 
Da hast Du ja ganz schön Johannisbeeren ernten können, wenn Du die Stachelbeeren dazurechnest, kommen etwa 50 Pfund zusammen. Hat denn der ganz kleine Strauch auch Beeren gehabt? Es würde mich interessieren, von welcher Sorte das sind. Ob die roten oder die harten großen Beeren von dem oberen Stock. Da ist ja eine Sorte so gut wie die andere.  Heute habe ich Dir ja wieder einmal ziemlich viel geschrieben. Du wirst es mir ja nicht verübeln, denn da kenne ich Dich ja viel zu gut. Wenn ich aber noch etwas von hier schreiben soll, so sollen es die sozialen Verhältnisse sein. Dieser Tage sprach ein Mann bei mir vor, der hatte eine Familie von sieben Kindern zu ernähren. Er bekam alle 14 Tage 285,-Francs Krankengeld. Wenn Du bedenkst, daß ein Franc 5 Pfennig wert ist, kannst Du Dir ausrechnen, wie die Leute in diesem Sozialstaat leben. Das war wieder einmal ein Streiflicht, was man hier so tagtäglich erleben kann, wenn man die Augen für so etwas offen hat.  Jetzt sende ich Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe gleichzeitig, daß es Dir und den Kindern gesundheitlich ordentlich geht. Richte bitte an Vater viele Grüße aus und nimm selbst nochmals viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst 

Brief 150 vom 12./14.7.1941


Meine liebe Annie !                                                                                      12.7.41 

Ich danke Dir für Deine lieben Briefe vom 5., 6. und 7. 7., die ich gestern erhielt. Ich habe zu meiner Freude und zu meiner Beruhigung gelesen, daß Du nun so Fortschritte gemacht hast und Dich ziemlich wieder wohlauf fühlst. Du hast Dich ja auch lange damit herumquälen müssen und wirst froh sein, daß Du alles überstanden hast. Man sieht immer und immer wieder, was die Gesundheit wert ist. Wenn man einmal so daliegt, hat keine Hilfe. Man möchte gern aufstehen und man kann es einfach nicht. Es ist eben keine Kleinigkeit, wenn es einem so schwer packt. Ich habe immer an Dich denken müssen, wie Du wohl das allein bewältigen kannst bzw. wie man da Abhilfe schaffen kann. Darum hatte ich Dir ja auch die Vorschläge gemacht, daß Du Dir jemand zur Hilfe wenigstens für die schwereren Sachen nehmen sollst. Gerade für die Wäsche hielt ich es ratsam und ich möchte Dich deshalb nochmals darauf hinweisen. Wenn es nur irgendwie möglich ist, geh zeitig zu Bett, denn das tut Dir gewiß nichts schaden. Deine Mitteilung, daß Du die Kinder über Mittag 2 Stunden schlafen läßt, hat mir wieder gezeigt, wie umsichtig Du für die Kinder sorgst.  Das ist ganz in Ordnung, und sie sollen es nur prompt einhalten.  So können sie ruhig am Abend eine halbe Stunde länger draußen rumspringen. Ich lege mich ja über Mittag auch fast immer 1 bis 2 Stunden hin. Was soll ich während der Zeit tun, vor allem wenn es jetzt so heiß ist.  Was die Schuhe vom Vater anbelangt will ich sehen, daß ich welche bekomme. Versprechen kann ich es nicht.  Ebenfalls kann ich keine Garantie dafür übernehmen, ob sie ihm passen, denn Du weißt ja, daß es bei ihm immer so eine Schwierigkeit war, schon wenn er sie selbst anprobiert hat. Tabak habe ich wieder etwas da, ebenfalls habe ich wieder einige Zigarren gesammelt, die ich ihm demnächst auch wieder zukommen lassen werde.  Ich glaube Dir gern, daß Dir das eine Beruhigung ist, wenn Du noch Kartoffeln im Keller hast, denn Du kannst doch viel damit anfangen, vor allem, weil es sonst nichts weiter gibt. Es wird ratsam sein, im Herbst wieder entsprechend einzukaufen, wenn es nur irgend möglich ist.  Erdbeeren hast Du in diesem Jahr wohl nicht viel geerntet. Nach Deiner Schilderung scheint es ganz schön Johannisbeeren zu geben. Das ist ja ganz nett, wenn man sowas selbst hat. Die Stachelbeeren sind ja sehr dankbare Sträucher. Da haben wir doch schon ordentlich heruntergeholt. Was macht eigentlich der Apfelbaum, bleibt da etwas davon, oder läßt er sich nicht so gut an. Beim Baden wäre ich auch gern dabei gewesen. Es ist doch schön, wenn man sich einmal so richtig ausbaden kann. Das läßt sich hier leider nicht machen, denn im Freien geht es hier nicht und das Hallenbad ist für die gegenwärtige Jahreszeit viel zu warm. Helga wird nun sicher froh sein, daß sie jetzt Ferien hat, denn bei dieser Hitze ist es nicht schön, in der Schule zu sitzen. Herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst
Die Hitze hält unvermindert an. Gestern wollte es regnen, es hat wohl ein wenig Tropfen gegeben und dann war es damit fertig.

Mein liebes Mädel !                                                                14.7.41

Recht vielen Dank für Deine Briefe vom 7./8. und  9.7., die am Samstag hier eintrafen und den Brief vom 10.7., den ich gestern erhielt. Du hast mich ja fast neidisch gemacht, als ich den Brief las, womit Du mir mitteiltest, daß Du schwimmen gewesen bist. Das muß doch fein gewesen sein. Die Kinder werden sicher auch eine Freude gehabt haben, sich wieder einmal so richtig im Wasser zu tummeln. Ich habe lachen müssen, wie ich las, daß Du Dir vom Dialekt soviel angenommen hast, daß Du schreibst Bremen zu Bremsen und Bollen. Laß das aber so, und fange etwa nicht an, das zu ändern, Du hast Dich eben schon reingelebt. Es hat mich gefreut, als ich las, daß Du Dich wieder einmal ausgeschwommen hast.  Das ist ja schön, daß Helga jetzt auch keine Angst vor Juni  und wahrscheinlich auch vor Maikäfern hat. Bei Helga fängt nun schon die Poesiealbum-Mode an. Na, das macht ja nichts, und das ist ein harmloses Vergnügen. Von Deinen Ausführungen über den Besuch von Nannie habe ich Kenntnis genommen, ebenso über Deinen Ärger, den Du damit vorher und auch währenddem gehabt hast. Rede Dir ihn ruhig von der Seele. Ich werde nichts mehr darüber schreiben, damit Du Dich nochmals darüber ärgern mußt. Ich denke, daß es so besser ist. Ich glaube Dir, daß Dir da ein Schreck gekommen ist, als Du das umgeknickte Stachelbeerbäumchen gesehen hast. Wenn Dir Herr Schwehr so bereitwillig beim Wiederaufrichten geholfen hat, ist das ja ganz anständig. Wenn die Johannisbeeren so schön tragen, dann macht es ja Spaß. Die Stachelbeeren im Garten drüben werden sicher auch ganz schön voll hängen. Die Ohrenschmerzen bei Jörg können aber auch daher gekommen sein, daß er vom Baden vielleicht noch Wasser im Ohr gehabt hat. Er muß dann auf dem entsprechenden Bein solange springen, bis es raus ist. Es kann aber auch so sein, wie Du schreibst, daß er im zugigen Hausflur gewesen ist. Wie ich nun aus Deinem letzten Schreiben ersah, fängt Jörg an mit einer Art Schlafwandlerei. Da mußt Du schon ziemlich Obacht geben, daß da nichts passiert. Vor allem daß in der Küche und auch in seinem Zimmer die Fenster geschlossen sind, daß er keinen Unfug anstellen kann.  Angeschlossen erhältst Du einige Bilder von unserem Grubenbesuch. Es kommt noch eines, das mit dem Apparat von dem Hauptmann gemacht worden ist. Da habe ich aber bis jetzt noch keinen Abzug erhalten. Der andere Kamerad ist der Assessor. Sehen wir nicht aus wie wenn wir von der Schicht kommen? Das andere Bild bin ich selbst noch vor dem Waschen und das dritte Bild zeigt ein Stück vom Förderhaus und Förderband.  Hebe sie bitte mit auf, denn das sind ja wieder Erinnerungsstücke. Was hier den neuen Abteilungschef anbelangt, so kann ich mir noch kein abschließendes Urteil bilden. Ich hoffe aber, daß er sich anständig zeigt, zwar ist er wieder von einer ganz anderen Art. Ich glaube aber, daß ich mit ihm schon auskommen werde.
Heute ist hier Feiertag. Die Kommunisten versuchen hier Propaganda zu machen, die aber mehr oder weniger sich als Seifenblase erwiesen hat. Die Engländer sind in der letzten Nacht wieder ziemlich geflogen, aber auch das will nichts weiter bedeuten. Für heute, mein liebes Mädel, viele herzliche Grüße und Küsse Dir und den Kindern sendet Dein Ernst

Montag, 11. Juli 2016

Brief 149 vom 10./11.7.1941


Meine liebe Frau !                                                                                          10.7.41   
 
Gestern bekam ich Eure drei Päckchen und von den Eltern einen Brief, über den ich mich teils gefreut, andererseits etwas gewundert habe, um nicht zusagen geärgert. Sie schreiben einmal darin, daß sie sich auf Deinen Besuch freuen und es heißt dann wörtlich weiter: „Wir erwarten von Dir, daß Du uns die Freude nicht verdirbst und etwa Deine Einwilligung nicht gibst.“ Gestern Abend dachte ich erst, daß ich ihnen selbst schreiben will, was sie denn eigentlich von mir halten, denn ich bin doch nicht so selbstsüchtig und tyrannisch, daß ich Dir das aus reinem Egoismus versagen würde. Im Gegenteil, ich war sehr zufrieden, als ich von Deinem Entschluß las, daß Du einmal für ein paar Tage aus dem Haus gehst und wieder etwas anderes siehst. Ich nehme an, daß Dir Leipzig doch nicht soviel bietet, und daß eben manches anders ist, wie man es gewohnt ist, das macht aber nichts, denn Du brauchst wieder einmal andere Eindrücke. Was diese Bemerkung der Eltern anbelangt will ich, nach nochmaliger Überlegung, nichts schreiben. Du kannst es aber, wenn Du dort bist, so nebenbei mit klären. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mit erwähnen, daß die Urlaubssperre wieder aufgehoben worden ist. Ich bitte Dich recht herzlich, gib Deinen Reiseplan nicht auf. Wenn es der Zufall will, daß ich zur gleichen Zeit Urlaub bekommen könnte, würde ich auch nach Leipzig kommen und es gäbe dann sicher eine Möglichkeit, daß ich dort mit unterkommen könnte. Ich sehe hier noch nicht klar, ob und wann ich drankomme, weil bei uns alles in Umänderung begriffen ist. Ich glaube auch kaum, daß es mir für die Zeit reicht, so lang Ihr weg seid. Ich wollte Dich nur auf die Möglichkeit vorbereiten.  Nun will ich mich aber endlich für die schönen Sachen bedanken, die Ihr mir zum Geburtstag gesandt habt.  Das hast Du aber fein gemacht mit dem Buch vom Bodensee. Das werde ich mir immer wieder mit ansehen, damit sich die Bilder in Erinnerung wach erhalten. Das Buch hat mir viel Freude gemacht, und ich hoffe, daß ich mich noch oft daran erfreuen kann. Dieser Schlüsselbehälter machte sich schon nützlich, und so etwas habe ich schon lange brauchen können. Auch die kleinen Hefte mit den Blüten habt Ihr schön hergerichtet. Ich werde sie mir nach und nach vornehmen. Ich habe von dem Gebäck bis jetzt noch nichts probiert, doch heute Abend werde ich mich dran machen. Ich danke Euch nochmals recht herzlich für die gesandten Sachen. Den Kindern werde ich selbst noch schreiben, daß ich mich über ihr Opfer aus der Sparbüchse gefreut habe. 
Die Hitze hält unvermindert an und macht einem ziemlich zu schaffen. Sie lähmt direkt den Arbeitsgeist und man ist froh, wenn man sich ein bißchen entlasten kann.  Gestern Abend sind wir bis zum Dunkelwerden im Garten gesessen, was für die Abkühlung ganz günstig war. Ich habe mir nun eine Sporthose bauen lassen, einen Trikot habe ich mir schon letzte Woche erworben, so daß ich es mir ein wenig leichter machen kann.  Nachdem die Beförderung der Post von hier bis zu dir etwa 3 bis 5 Tage dauert, werde ich meine Post entsprechend so einrichten, daß Du gleich meine Briefe in Leipzig bekommst. Recht herzliche Grüße und Küsse  an Dich und die Kinder Dein Ernst.

Meine liebe kleine Annie !                                                   11.7.41

Gestern erhielt ich keine Post. Bei der Hitze kann man es fast nicht verlangen, daß noch jemand arbeitet. Mir selbst geht es so, daß ich mich langsam daran gewöhne. Vorgestern sollte es nicht klappen und gestern ging es schon ganz gut, obwohl das Wetter unverändert ist. Heute ist das Wetter noch so wie die Tage vorher. Man muß sich nur an die dicke Kluft und an die Wärme anpassen und man darf nicht dran denken, daß man schwitzt. Am Abend setzt man sich zum Abkühlen in den Garten. Dort kann man dann bis gegen 11 Uhr sitzen und es wird dann Zeit, daß man sich ins Bett begibt. Schließlich kann man auch dort noch ein bißchen lesen. Nachts ist man ja mehr oder weniger der Mückenplage ausgesetzt, an die ich mich noch nicht gewöhnt habe. Früh ½ 9 Uhr finden wir uns dann wieder in unseren Bleikammern ein, worin wir dann den Tag über aushalten müssen. Wir können zwar auch da nicht klagen, wenn man bedenkt, daß die kämpfende Truppe unter den gleichen Witterungsverhältnissen noch marschieren muß. Uns fehlt ja sonst nichts, und was uns fehlt, das versuchen wir zu kaufen, was uns auch in den meisten Fällen gelingt. Gestern habe ich ein Päckchen (Nummer 18) mit Socken für die Kinder ab gesandt. Es sind je zwei Paar. Ich denke, daß Du sie gebrauchen kannst und daß Dir Dafür wieder die Sorge abgenommen ist. Ich hoffe, daß sie passen werden.  Ich bin heute ziemlich stark mit Arbeit belastet und komme nicht viel weiter. Du verstehst, daß ich jetzt aufhöre, denn ich möchte diesen Brief mit zur Post geben, damit er heute mit abrollt.  Sei recht herzlich gegrüßt und oft und vielmals geküßt. Gib den Kindern wieder einen herzlichen Kuß und grüße sie ebenfalls vielmals. Dir nochmals viele Grüße und Küsse von Deinem Ernst

Brief 148 vom 8./9.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                     8.7.41   

Überschrift, sehr heiß und  augenblicklich viel Arbeit. Wie ich Dir schon mitteilte, haben sich bei uns die Ereignisse überstürzt. Mitten während unseres Umzugs kam die Mitteilung, daß unser Assessor wieder von uns wegkommt und ein Neuer für ihn den Dienst übernimmt. Es handelt sich um einen Kriegsverwaltungsrat, der erst vor zwei Monaten nach Deutschland zurückging, um dort eine andere Tätigkeit zu übernehmen. Vorher war er der Chef von Dr. Thomas, den ich auch seinerzeit bei meinem Besuch dort kennen lernte. Man sieht aber, daß es sehr günstig ist, wenn man jemand schon etwas kennt, man weiß dann eher, wie man sich zu ihm anstellen muß. Wie ich Dir auch in einem meiner letzten Briefe mitteilte, sollten meine Befugnisse hier ziemlich erweitert werden. Durch diese Umstellung hat der Neue nun gleich gesagt, daß ich hier so den Bürochef zu machen habe. Ich habe ihm auch erklärt, daß mir das nichts ausmacht, es würde nur am Auftrag dazu liegen. Was mich selbst anbetrifft, so werde ich tun, was in meinen Kräften liegt, ich glaube aber, daß ich es schon bewältigen werde. Die Unterzeichnung aller  Kraftwagenangelegenheiten ist mir nun inzwischen übertragen worden. Daß ich gegenwärtig viel Arbeit mit diesen Sachen habe, kannst Du Dir wohl denken, vor allem wenn man berücksichtigt, daß ich mein altes Arbeitsgebiet noch behalten habe. Den Publikumsverkehr habe ich zum großen Teil abgegeben, werde aber doch immer noch verhältnismäßig damit in Anspruch genommen. Ich werde weiter sehen, wie sich hier alles entwickelt. Durch die Änderung und Verlegung des Hauptgewichts des Kriegs nach dem Osten machen sich die Engländer mausig, was uns aber in keiner Weise beeindruckt. Gegenwärtig werfen sie Flugblätter ab, um die französische Bevölkerung gegen uns aufzuhetzen, teilweise fangen sie an zu bombardieren. So wurde die Stadt meines früheren Aufenthalts in den letzten 14 Tagen wiederholt mit Bomben bedacht. Vor allem aber am Samstag und Sonntag, wo er am hellen Tage erscheint und mehr oder weniger Unglück unter der Zivilbevölkerung anrichtet. Sobald im Osten eine Entspannung eintreten kann, wird es denen schon vergehen, am hellen Tage uns aufzusuchen. Du brauchst deshalb aber keine Bange zu haben, denn die Verhältnisse werden sich ja bald wieder ändern.
Ich habe mich in der letzten Zeit etwas verausgabt, da ich mir ein kleines Lager an Wein zugelegt habe. Jetzt weiß ich nicht, ob es Dir möglich ist, mit Rücksicht auf Deine bevorstehende Reise, mir noch einige Mark zu übersenden. Ich will aber gleich von vorneherein betonen, daß ich Wert darauf lege, daß Eure Reise gesichert ist, und daß Du nicht auf dem letzten Pfennig sitzt, wenn Du nach Leipzig kommst. Du kannst mir das ganz ruhig schreiben, wenn es Dir nicht möglich ist, etwas abzuzweigen, dann werde ich mich hier entsprechend einrichten.  Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und unseren beiden Kindern Dein Ernst

Meine liebe Frau !                                                              9.7.41

Gestern erhielt ich von Dir drei Briefe. Es sind diese die vom 2., 3. und 4.7. Ich habe davon Kenntnis genommen, daß alle Päckchen wieder pünktlich eingetroffen sind. Besonders hat es mich gefreut, daß Du nun wieder ein Paar Schuhe hast, die jetzt wenigstens passen. Wahrscheinlich hättest Du gern eine andere Farbe gehabt, aber man muß hier auch nehmen, was man bekommt. Ich denke aber, daß sie sich gut und angenehm tragen lassen und daß sie leicht sind. Wenn sie etwas eng sein sollten, so kannst Du sie Dir ja noch etwas weiten lassen. Die Schokolade und die Pralinen hast Du auch erhalten. Deinen Vorschlag wegen des Tabaks halte ich für richtig. Die Fischkonserven müßtest Du wahrscheinlich bald verbrauchen. Über das Zeugnis von Helga habe ich mich sehr gefreut, und ich werde ihr in diesen Tagen ein Paar Strümpfe als Belohnung kaufen. Jörg wird zwar auf Kosten von Helga mit profitieren, denn den kann ich doch nicht ohne sitzen lassen. Vor allem denke ich, daß Du diese noch gebrauchen kannst, wenn Ihr fortfahren wollt. Im Übrigen kannst Du ihm sagen, daß ich ihm diese gekauft habe in der Hoffnung, daß er sich auch so anstrengt wie Helga und kein Faulpelz ist. Wie ich Dir schon mitteilte, habe ich durch die verschiedenen Umorganisationen ziemlich Arbeit gehabt und bin nicht zur Beantwortung von Helgas Brief gekommen.  Ich habe es aber nicht vergessen. Außerdem ist es jetzt abends so, daß man froh ist, wenn man aus dem Bau herauskommt. Wir haben in letzter Zeit eine Hitze, die einem sehr zu schaffen macht.  Gestern waren beispielsweise 38/4o Grad im Schatten. Wie einem das anhängt, kannst Du Dir sicher vorstellen. Früh wäscht man sich ganz und bis man sich angezogen hat, ist einem schon wieder heiß.
Am Mittag, wenn man heimkommt, wäscht man sich zur Erfrischung wieder und ehe man in den Dienst geht vollzieht man die gleiche Prozedur. Dann freut man sich, daß der Abend herankommt und man sich der Kleider zum großen Teil entledigen kann. Heute früh hatte ich im Zimmer noch 30 Grad. Nachts wird man durch die „Stuka“-Angriffe (gemeint sind Schnaken) gestört. Halb zerstochen wacht man am Morgen auf. Das geht aber alles wieder vorüber. Für das treue Gedenken an meinem Geburtstag danke ich Euch. Es war also so, wie ich es mir schon gedacht hatte und wie ich es Dir in meinem Brief von gleichen Tage andeutete.  Mit der Schlepperei bei Euerer Fahrt nach Leipzig braucht es ja nicht so schlecht zu werden, denn Du kannst ja mit dem Omnibus bis zur Bahn fahren und in Leipzig läßt Du Dich auch abholen. Allerdings unnützen Kram braucht man nicht mitnehmen. Ich denke, daß Ihr soweit auch alle etwas zum Anziehen habt. Ich will dieser Tage nochmals zusehen, ob ich für Euch bzw. für Dich hier ein weiteres Paar Schuhe erstehen kann und vielleicht für die Kinder Sandalen. Ich selbst brauche auch wieder ein Paar Schuhe. Es gibt immer wieder Wünsche und man hat immer noch Gelegenheit, sein Geld loszuwerden. Ich grüße Dich recht herzlich und hoffe weiterhin, daß Du wieder ganz gesund wirst. Dir und den Kindern sendet viele Küsse Dein Ernst

Montag, 4. Juli 2016

Brief 147 vom 4./5./7.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                          4.7.41    

Vor einem Jahr rückte ich von Köln ab. Damals knüpfte ich an diese Mitteilung, die ich Dir von dieser Veränderung zukommen ließ den Wunsch, daß es ein gutes Vorzeichen sein möge für das kommende Jahr. Wenn ich nun so zurückblicke, kann ich, was mich betrifft, zufrieden sein, denn ich bin noch gesund, habe die Prüfung in der Zeit machen können, und nun habe ich auch bei der Stadt die erste Etappe meines Ziels erreicht. Nachdem nun das Jahr vorbei ist, will ich wieder auf das kommende schauen, denn ich bin der Ansicht, daß es wohl nötig ist, daß man auf das vergangene Bezug nimmt, doch man soll sich nicht länger dabei aufhalten als unbedingt erforderlich. Denn die Gegenwart beansprucht einen viel zu sehr. Soweit ich meine Tätigkeit hier übersehe, habe ich für das kommende Jahr erweiterte Befugnisse, aber dementsprechend auch mehr Arbeit. Für meinen Arbeitsbereich soll ich hier die Unterschriftsbefugnis erhalten. Die Erweiterung meines Arbeitsgebiets ergibt sich daraus, daß wir hier eine Umorganisation vorgenommen haben und unsere Kommandantur, die bisher eine Unterkommandantur war, zu einer richtiggehenden aufgerückt ist.  Post habe ich bis jetzt immer noch nicht von Dir erhalten. Von Kurt bekam ich gestern einen Brief und von Legler eine Postkarte. Kurt teilt mir mit, daß er noch am letzten Platz ist und Legler glaubt, daß er nach Rußland kommt.
Ich nehme an, daß Deine bzw. unsere Gedanken heute besonders hier weilen. Meine Kameraden sind noch nicht dahinter gekommen, sonst wäre heute Abend eine Feier unvermeidlich. So brauche ich das nicht zu tun, doch werde ich vielleicht am Sonntag bei  uns im Haus im kleinen Kreis einige Flaschen Sekt spendieren. Auf diese Art kommt mir das auch nicht so teuer. Ich hoffe, daß ich zur Feier des Tages vielleicht einen Brief von Dir erhalte. Ich grüße und küsse Dich und hoffe, daß Du wieder ziemlich auf der Höhe bist. Es sendet Dir selbst viele herzliche Grüße und Küsse
Dein Ernst

Meine liebe Annie !                                                                                      5.7.41  

gestern erhielt ich wieder die erste Post von Dir. Es waren dies die Schreiben vom 29./ 30.6. Die übrigen Briefe, die Du vom 22. bis 28. geschrieben hast, sind noch nicht in meinen Besitz gekommen. Jedenfalls freue ich mich, daß ich noch den einen kurzen Geburtstagsgruß von Dir erhalten habe. Ich muß nun abwarten, was in den anderen Briefen steht, die mir bis jetzt noch von der Post vorenthalten werden. Ich hoffe, daß diese in den nächsten Tagen bzw. heute hier eintreffen.  Meinen Geburtstag habe ich in einem Rahmen unserer Hausgemeinschaft verlebt. Unser Assessor hat den Offizieren der Kommandantur ein Einstandsfest gegeben. Ich habe zwar nichts von meinem Geburtstag verlauten lassen. Es war ein angenehmer Abend. Ich habe für das leibliche Wohl der Anwesenden gesorgt und wie ich gehört habe, war alles zufrieden. Ich ja auch. Die übrigen Anwesenden haben Karten gespielt. Doch das kann ich ja nicht. Mit unserem Oberzahlmeister war ich mehr oder weniger Zuschauer. Ich habe mich aber ganz gut unterhalten.  Heute, nachdem mein Geburtstag vorbei ist, und da sowieso Samstag ist, werde ich etwas zu trinken stiften und sagen, aus welchem Anlaß dies geschieht.  Heute Vormittag erhielt unser Assessor Bescheid, daß er ab nächster Woche von uns versetzt werden wird.  Ein Kriegsverwaltungsrat, den ich übrigens schon von Dr. Thoma her kenne, wird seinen Posten einnehmen. Es ist schade darum, denn man weiß ja nicht, was nach kommt.  Wir haben heute unseren Umzug vorgenommen. Da nun Samstag ist und wir nur einen halben Tag zur Verfügung haben, reicht es mir nicht richtig zum Briefeschreiben. Ich glaube aber, daß Du mit diesem Lebenszeichen auch zufrieden bist.  Sei vielmals und recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem so oft an Dich denkenden Ernst. 
Der Brief von Vater ging gestern ein. Sage ihm vielen Dank Dafür. Ich war wirklich sehr überrascht, als ich den Briefumschlag sah, habe mich aber trotzdem sehr gefreut. 

Meine liebe Annie !                                                                                         7.7.41

Am Samstag erhielt ich Deinen großen Brief, den Du während der Postsperre geschrieben hast. Ich bekam außerdem den Brief vom 1.7. Nun wird das Schreiben wieder einmal ins Geleise kommen.  Ich will nacheinander die wichtigsten Punkte beantworten. Deine Verärgerung über die Russen kann ich wohl verstehen. Ich sagte Dir ja schon seinerzeit, daß es möglich ist, daß es mit denen auch noch anfängt. Dort geht es ja zügig vorwärts, wenn sich die Fälle der Meuterei mehren, haben wir es eher geschafft.
Daß Nannie bei Dir erschienen ist, ist ja ganz nett. Wenn, wie Du schreibst, die Unterhaltung mit ihr ganz gut gegangen ist, dann bin ich soweit wieder zufrieden. Es ist ja entschieden besser, wie wenn Du Dich hättest ärgern müssen. Dein Entschluß, nach Leipzig zu fahren, freut mich. So siehst Du Deine Eltern wenigstens wieder einmal. Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, wenn Du selbständig solche Entscheidungen treffen mußt, denn Du weißt, daß ich das nie mißbilligen werde. Das Geld, das dafür nötig ist, spielt ja keine Rolle, wenn man das jetzt eher machen kann. Die Küche ist also wieder einmal frisch gemacht worden. Das wird Dich sicher  auch freuen, denn es ist doch ein viel angenehmeres Wohnen und Arbeiten, wenn alles ordentlich ist. Mit der Gehaltssache mag das stimmen. Ich habe nicht im Kopf, wie hoch mein Grundgehalt war und inwieweit das sich nun verbessert hat.  Bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis ist es so. Die Beiträge fallen zum großen Teil fort, weil doch durch das Beamtenverhältnis die Sorge für das persönliche Wohl der Beamten der Staat übernimmt. Krankenkasse muß man selbst weiterzahlen.
Soviel mir bekannt ist, besteht bei dieser Kasse die Möglichkeit, daß man sich weiter versichern kann. Du kannst Dich ja einmal erkundigen und kannst mir gelegentlich die Bestimmungen einmal mit übersenden. Die Beträge zur Angestelltenversicherung und die anderen Beiträge verfallen wohl, doch wie ich die Lage übersehe, werde ich wohl in dieser Laufbahn bleiben. Deine weitere Frage, warum wir hier nur zwei Beamte sind, erklärt sich dadurch, daß alle übrigen Männer als Soldaten hier sind und der eine ist ja Sonderführer, der so eine Art Zwischending zwischen Soldat und Beamter ist. Ich weiß ja nicht, ob Dir der Unterschied klar ist. Wenn nicht, so kannst Du mich ja nochmals fragen.  Wir haben nun immer noch schönes Wetter und die Sonne meint es gut. Ich habe mir eine Art Sportzeug besorgt. Wir haben uns für jeden Hausgenossen einen Liegestuhl besorgen lassen. Nun haben wir uns gestern früh und am Nachmittag von der Sonne bescheinen lassen. Das war schön und heute merke ich ein wenig auf der Haut, doch das bin ich nur nicht mehr gewohnt. Das ist wieder einmal ein schönes Gefühl.  Recht herzlich und oft grüßt und küßt Dich Dein Ernst.

Samstag, 2. Juli 2016

Brief 146 vom 2.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                      2.7.41   

Heute Vormittag habe ich Dir nicht schreiben können, da ich an der Dir schon angekündigten Grubenbesichtigung teilgenommen habe.  Wir sind heute früh von unserer Wohnung direkt zur Grube gefahren. Dort haben wir einen leitenden Ingenieur mitgenommen, der ziemlich gut deutsch sprach, der dann mit zwei weiteren Betriebsführern die Besichtigung leitete. Wir haben zuerst unsere Rüstung gewechselt. Es lagen bereit ein blaues Hemd, Hose, Bluse, Socken, Schuhe und ein Schutz, damit die Haare nicht so sehr verschmutzten. Als weitere Kopfbedeckung bekam jeder noch einen Helm aus Leder. Um die Ausrüstung noch vollständig zu machen, erhielten wir als letztes eine Grubenlampe. Nachdem diese Verkleidung vollzogen war, sind wir dann losgezogen. Zunächst wurde uns der ganze Bergbau  theoretisch erklärt, damit man wußte, nach welchen Methoden die Kohle hier gewonnen wird. Interessant ist, daß man über Tage nur einige wenige Bauten und den Förderturm sieht.  Hier in Frankreich ist es zwar so, daß zwei Fördertürme nebeneinander stehen. Ein Schacht ist für die Frischluftzufuhr und die andere für die Absaugung der verbrauchten Luft vorgesehen. Alle beiden Schächte werden zur Förderung von Kohle benutzt. Als wir dann einfuhren, hat man innerhalb des Förderschachtes nichts gesehen. Man bekommt so einen Druck auf das Trommelfell, weil das mit einer ziemlichen Geschwindigkeit vor sich geht. Wir landeten dann auf der Sohle von 240 m unter der Erde. Dort ist alles schön hell und ich muß sagen, soweit ich das beurteilen kann, sehr modern eingerichtet. Mechanisierung steht an erster Stelle.  Elektrizität, Preßluft, Maschinen und andere Hilfsmittel werden in reichlichem Ausmaße verwendet. Menschen selbst werden nach Möglichkeit gespart. Von der oberen Fördersohle traten wir dann unseren Marsch an. Überall zweigleisige Strecken. Am Anfang werden die Wagen von Sohlen bis zur ersten Verteilungsstelle gezogen. Nach dieser Verteilung übernehmen Pferde den Weitertransport und an der letzten Verteilungsstelle werden die Wagen von Hand bis zur Förderstelle weitergezogen. Von dort an wird es dann dunkel und man ist dann um seine Lampe froh. Bis zu dieser Stelle macht alles einen sauberen Eindruck. Die Wände sind weiß gekalkt. Meist sind sie mit Zement und Steinen verkleidet. Es sieht aus wie bei uns im  Keller. In Bezug auf die warme und die frische Luft besteht auch darin kein Unterschied. Wenn man dann weitergeht, ist es so, wie man es aus den Abbildungen sonst kennt. Gänge, die mit Holz abgestützt sind. Teilweise sind diese Stützen geknickt, die darauf hindeuten, daß es nicht ganz ungefährlich ist, dort unten zu arbeiten. Hier muß man schon in gebückter Haltung laufen. Gut ist, daß man den Lederhelm auf hat, da wird so mancher Stoß vom Helm aufgefangen. In diesen Strecken haben wir uns zeigen lassen, wie mit dem Steinbohrer gearbeitet wird. Alles geht mit Preßluft vor sich. Die Kohlengewinnung ist auf diesen Strecken sehr unbedeutend, Hauptsache ist die Schaffung von Transportwegen. Die Kohle selbst wird, da sich diese zwischen zwei Fördersohlen befindet, gewissermaßen zwischen diesen herausgeschnitten. Die Kohleschicht beträgt dort zwischen 30 und  60 cm. Meist wird dieser Quergang auch nicht stärker gemacht, so daß es sehr schwierig ist zu ihm durchkommen, geschweige denn, dort tagaus tagein zu arbeiten. Das Gefälle dieses Querganges beträgt zwischen 40 ind 70 Grad. Man rutscht dann von dem etwa 40 m höher gelegenen Fördergang zu der tiefer gelegenen Sohle in dem Gefälle von 40 bis 70 Grad. Die Höhe beträgt, wie ich schon oben erwähnte, etwa so viel, daß man auf dem Rücken liegend durchrutschen kann. Schwierig ist dabei nur, daß man in der einen Hand die Lampe halten muß und darauf sehen muß, daß sie einem nicht ausgeht. Diese Quergänge sind dann immer wieder mit Holz abgestützt, damit das Deckgebirge nicht einstürzt. Von der einen Sohle sind wir dann nach mehrmaligem Marsch unter Tage bis zur unteren Fördersohle gerutscht und gelaufen, die war dann 350 m unter der Erdoberfläche. Wir haben dann noch die übrigen maschinellen Einrichtungen angesehen. Die ganze Reise hat so etwa 3 Stunden gedauert, und ich muß sagen, daß mich das alles sehr interessiert hat. Als Abschluß fuhren wir dann mit ziemlicher Geschwindigkeit hinauf. Das Drücken in den Ohren hatte ich genau wieder so wie bei der Abfahrt. Als wir wieder oben waren, haben wir noch einige Aufnahmen machen lassen. Ich bin gespannt, wie die geworden sind.
Nach dieser Reise waren wir ziemlich schwarz, das kannst Du dir sicher denken. Das Bad war schon vorbereitet. Seife war wohl vorhanden, doch hatte ich etwas Bedenken, weil die nach Soda aussah. Erst versuchte ich es mit heißem Wasser, doch damit hatte ich die Schwärze schön verteilt. Es blieb nichts anderes übrig, als doch nach dieser scharfen Seife zu langen, die mir fast die Haut ausgerissen hat. Eines mußte ich aber feststellen, daß damit die Kohle wegging. In meinem Taschentuch hatte ich beim Nasenschnauben ein Brikett. Doch das gehört ja alles dazu. Am Abend hatten wir hier noch Baden in der Schwimmhalle, so daß dies für mich ziemlich günstig war, um die verbliebenen Reste der Schwärze wegzuschwemmen. Alles in allem kann ich sagen, daß mir das sehr gefallen hat. Ich habe die Arbeitsbedingungen der Bergleute kennen gelernt und einmal gesehen, wie es dort zugeht. Ich glaube kaum, daß ich bei uns in Deutschland gleich Gelegenheit hätte, so etwas zu sehen, darum habe ich mich gefreut, dies hier angeregt und diese Gelegenheit benutzt zu haben.  Von meinem Bergwerksbesuch habe ich Dir nun ausführlich geschildert. Ich hoffe, daß Du ungefähr ein Bild davon bekommen hast.   Meinen Brief will ich nun abschließen. Heute haben wir nun hier Umzug. Mit diesem Umzug kommen auch, wie ich Dir schon kurz andeutete, verschiedene Änderungen in Bezug auf die Arbeit. Herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir für heute Dein Ernst 

Brief 145 vom 30.6./1.7.1941


Meine liebe Annie !                                                                                    30.6.41  

Der Sonntag ist wieder vorbei und wir wurden gestern von den Erfolgen unserer Wehrmacht unterrichtet. Das ist ja ganz phantastisch, wie die Russen zusammengebügelt werden. Es ist fast unglaublich, was die Russen an Material haben lassen müssen.  Die Gefangenenzahlen werden sich in den nächsten Tagen herausstellen. Die Strecken, die von unseren Truppen zurückgelegt wurden, sind ebenso fabelhaft. Verschiedene Franzosen, die nun glaubten, daß es jetzt mit uns fertig ist, nachdem wir uns mit den Russen rumschlagen müssen, sagen, daß es uns gelingt, den Engländer zu besiegen, wenn wir in der Lage sind, den Russen zu schlagen. Die Kommunisten versuchen hier Stimmung zu machen, doch soweit ich die Sache übersehe, finden sie keinen starken Widerhall. Wie ich in der letzten Woche mir sagen ließ, sei das Vertrauen zum Marschall Petain in Paris wesentlich stärker wie in der Zeit vorher. Wie sich die Verhältnisse weiter anlassen, wird sich demnächst dann zeigen. Jedenfalls zeichnen sich jetzt schon klare Linien ab in der ganzen Welt. Wenn die Presse schreibt, daß dieser Feldzug kein Umweg sei, so kann man das ja schon aus den Stimmen aus aller Welt ersehen. Spanier, Norweger und Holländer werben eigene Divisionen, um mit dabei zu sein.  Die Postsperre ist ja nun wieder aufgehoben, so daß ich wieder mit regelmäßigem Posteingang rechnen kann. Gestern bekam ich den 4- Farbstift.  Wenn ich nach Lille komme, werde ich ihn mitnehmen. Wenn ihn Graser  nicht haben will, so haben wir schon Verwendung dafür. Das Wetter hat sich etwas abgekühlt. Gestern und heute war bedeckter Himmel, doch es ist nicht unangenehm, Wie ich gehört habe, soll am Mittwoch hier baden sein. Ich will einmal sehen, ob ich da mitmache.  Ich habe heute keinen Stoff mehr und höre deshalb auf. Vielleicht bekomme ich bald wieder Post von Dir, damit ich weiß, wie es Dir geht.  Sei recht herzlich gegrüßt und oft geküßt von Deinem Ernst. Unseren Kindern gib einen recht herzlichen Kuß von ihrem Vater.
NB. An die Stadt habe ich heute noch geschrieben, zwar mit dem gestrigen Datum. Den Durchschlag sende ich Dir mit zur Kenntnisnahme. Ich habe mit Absicht nochmals darauf hingewiesen, daß sie mich zum zweiten Lehrgang vormerken lassen sollen, Damit das nicht in Vergessenheit gerät. Wenn die etwa meckern sollten, brauche ich nur darauf aufmerksam zu machen, daß mir das ja versprochen worden sei. Zudem ist das auch noch in den Personalakten festgelegt.

Meine liebe Frau !                                                                  1.7.41

Nun sind wir schon in den Juli reingerutscht. Vor einem Jahr hielt ich mich in Köln auf und stand ziemlich kurz vor der Abreise. Man erinnert sich gut der Tage, wie man in Abwartung des neuen und des Unwissen stand. Alles war vor einem Jahr. Man fragt sich nur, wie lange man hier noch bleiben muß. Manchmal hat man so richtig die Nase voll. Wenn man nicht wüßte, daß man hier gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt, wo im Verhältnis wenig Männer sind, notwendig gebraucht wird. Die Bevölkerung muß ja mehr oder weniger durch die Anwesenheit in Schach gehalten werden. Sie versucht durch irgendwelche Kundgebungen und wenn sie noch so klein sind, ihren Oppositionsgeist durchblicken zu lassen. Daß sie nicht viel ausrichten können, wissen die Leute schon, doch das spielt bei ihnen keine Rolle. Gestern war es hier interessant. gegen Abend versuchten englische Flugzeuge sich hier mausig zu machen. Deutsche Jäger brausten in ziemlicher Höhe hinter ihnen her. Diese Kämpfe fanden in großer Höhe statt und alles vollzog sich kolossal schnell, doch dauerte dies alles etwa ¾ Stunde. Die Leute sind auf der Straße stehen geblieben und haben zugesehen, was in der Luft vor sich ging. Wie die Kameraden erzählten, sollen verschiedene Franzosen den Engländern zugewinkt haben. In wieweit das stimmt, weiß ich nicht, da ich es nicht selbst gesehen habe. Flugblätter wurden hier auch abgeworfen, worin die Leute aufgefordert wurden, nicht mehr für uns zu arbeiten und daß sie sich gegen uns auflehnen sollen. Du siehst, daß die mit allen Mitteln versuchen, die Leute hier aufzustacheln. Wie gesagt, mit solchen Mätzchen haben die Engländer sowie auch die Franzosen wenig Glück.  Gestern Abend war ich wieder im Kino. Es lief ein schöner Film „.....reitet für Deutschland“. Wenn er nochmals in Konstanz läuft, dann geh doch einmal dahin, denn das ist etwas für Dich. Du hast doch eine Schwäche für Pferde und auch für Reitvorführungen. Mir hat dieser Film ausgezeichnet gefallen.  Morgen habe ich hier wahrscheinlich Gelegenheit, ein Bergwerk zu besichtigen. Das würde mich sehr freuen, so etwas kennen zu lernen. Die Grube selbst geht bis fast 500 m unter die Erde. Wenn ich das hinter mir habe, werde ich Dir darüber ausführlich berichten.  Wie geht es Dir? Hast Du weitere Fortschritte in Deiner Genesung gemacht oder ist es auf dem gleichen Stand geblieben? Was machen die Kinder. Die können doch bei dem Wetter  ziemlich draußen rumtollen. Helga wird bald wieder Ferien bekommen.  Ich sende Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse und bitte Dich, den Kindern wieder etwas davon abzugeben. Dein Ernst