Meine liebe Annie! O.U., den 3.1.1941
Nun bin ich schon wieder
einen Tag hier und habe einen Arbeitstag hinter mir. Heute früh habe ich als
erstes die Post in Empfang genommen. Da war noch Dein Brief vom 17.12. da, dann
einer von Nanni, außerdem ein Päckchen vom Amt, eins von der Ortsgruppe und
eins vom Böhmann. Mit dem in dem Päckchen gesandten Gebäck und dem, was mir von
der Dienststelle geschenkt wurde, habe ich eine ganze Weile zu tun. Außerdem
muß ich das von Dir gesandte und mitgebrachte Gebäck nicht vergessen. Dann habe
ich mich wieder überall an- und zurückgemeldet, restliches Geld empfangen.
Später habe ich mich wieder an unserem Mittagstisch eingefunden, der, wie ich
feststellen konnte, durch viele Urlauber sehr zusammen geschrumpft ist. Nach
dem Essen habe ich noch ein Auge voll Schlaf mitgenommen, ehe ich wieder zum
Dienst gegangen bin. Arbeit liegt genügend vor und ich bin auch deswegen
freudig und gern begrüßt worden. Ich
werde es aber schon schaffen und mache mir deswegen auch keinen Kummer. Nach
Dienstschluss habe ich unseren Stammplatz aufgesucht, habe auch die
Schallplatte, die viel Freude bereitet hat, überreicht. Alles hat sich nach
Deinem Wohlbefinden und nach den Kindern erkundigt. Ich hab gesagt, dass Du
Dich sehr gefreut hast, ebenso die Kinder, dass ich über die Feiertage
wenigstens bei Euch war. Daß Du großen Gefallen an den mitgebrachten Sachen
gehabt hast, doch dass so ein Urlaub viel zu kurz ist.
Wir sind aber doch froh, dass
wir wenigstens über die Feiertage zusammen sein konnten, darüber sind wir beide
uns ja einig.
Ich bin nun auf meiner Bude,
der Nordost pfeift durch die undichten Fenster, und trotzdem der Heizkörper
ganz heiß ist, ist es frisch im Zimmer. Ich hatte mir noch einen Teil Arbeit
mitgenommen, doch ich glaube, ich muß es heute bleiben lassen und doch erst
Morgen erledigen. Mit meinem Weihnachtswein versuche ich, den
Temperaturunterschied auszugleichen, doch ich finde, wenn ich noch länger
arbeite, wird mir am Ende die Flasche nicht reichen. Für morgen Abend bin ich
zu dem Schweizer eingeladen, der mir unbedingt seinen Weihnachtsbaum vorführen
möchte. Am morgigen Nachmittag bin ich offiziell dienstfrei, mal sehen, ob
nicht etwas Besonderes fällig wird.
Wie hast Du den Abschied
überstanden, hoffentlich ist es dir nicht gar zu schwer gefallen. Interessant
ist doch, jedes Mal bin ich an einem Mittwoch von Euch abgefahren, heute vor
einem halben Jahr erhielt ich den Befehl, nach hier abzureisen, und seit ich
eingezogen bin sind nun schon 33 Wochen vergangen.
Liebes Mädel, gute Nacht und
nimm wieder viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Meine
liebe Frau! O.U., den 5.Januar 1941
Mein Sonntagsbad habe ich
hinter mir, weil ich noch eine Weile Zeit habe bis zum Mittagessen, fange ich
gleich meinen Brief an, da ich am Nachmittag noch etwas arbeiten möchte, damit
mir nicht so viel liegen bleibt. Ich habe wohl in vielen Beziehungen jetzt wohl
freiere Hand, doch wenn etwas schief geht, fällt es auf mich zurück. Ich würde
mich aber auch in einem solchen Fall zu verantworten wissen.
Nach dem es bei uns daheim
ziemlich geschneit haben soll, fängt es hier ebenfalls damit an. Es sieht sehr
winterlich aus, doch der scharfe Wind hat etwas nachgelassen. Trotzdem war es
heute auch im Bade sehr frisch. Zur Ersparnis von Kohlen war sogar der
Dampfraum außer Betrieb. Ich bin deshalb bald wieder nach hause gegangen.
Gestern habe ich Pech gehabt, damit es einem nicht zu wohl wird. Ich bin
ausgerutscht und falle, ich weiß gar nicht, wie das so ungeschickt passieren
konnte, auf den rechten Arm, den ich mir dabei verstauchte. Der Ellenbogen hat
eine Prellung abbekommen und ist stark angeschwollen, und von der Nacht her muß
ich wahrscheinlich darauf gelegen haben. Er ist nun, wie seinerzeit mein
Fußgelenk, ganz blau angelaufen. Es sieht zwar sehr gefährlich aus, ist aber
halb so schlimm, obwohl es schmerzhaft ist. Beim schreiben macht es mir noch
einige Schwierigkeiten, doch ich denke, bis es wieder gut ist, werde ich mich
daran gewöhnt haben.
Gestern Abend war ich bei dem
Schweizer, der sichtlich erfreut war, dass ich ihn wieder einmal aufgesucht
habe. Seine Kinder durften noch mit dabei sein, wie der Weihnachtsbaum
angezündet wurde, dem übrigens sein ganzer Stolz galt. Später mussten die
Kinder ins Bett und wir sind dann bei einer Flasche Wein zusammen gesessen und
haben uns unterhalten. Zum Schluß musste ich mich noch herbei lassen, eine Art
„Mensch-ärgere-Dich-nicht“-Spiel mit zu machen. So ist auch dieser Abend vorbei
gegangen, gegen 11 Uhr trat ich dann den Heimweg an.
Was ich heute Abend anstelle,
weiß ich noch nicht genau, doch ich glaube, es ist ratsam, wenn ich mit meinem
kaputten Arm daheim bleibe und mich zeitig hinlege. Am Nachmittag, das ist
gewiß, Hören des Wunschkonzerts und nebenbei werde ich arbeiten.
Für Euch ist heute auch der
erste Sonntag, an dem ihr allein seid. Wenn ihr auch solches Wetter habt,
werdet ihr sicherlich in der kleinen Stube sitzen. Den Baum habt ihr ja auch
noch da. Jörg wird mit seinen Soldaten spielen und Helga mit ihren Puppen, oder
lesen. Doch was wirst Du wohl tun? Offenbar wirst Du Dir eine Arbeit
vorgenommen haben, bestenfalls ein Buch. Die Zeit wird ja auch wieder kommen,
wo ich wieder dauernd in Eurem Kreise sein kann.
Sei mir bitte nicht böse,
wenn ich mich jetzt kurz fasse. Seid Ihr drei recht herzlich und vielmals
gegrüßt und geküsst von Eurem Vater Ernst.
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