Montag, 18. Januar 2016

Brief 95 vom 13./14./15.1.1941


 Meine kleine Annie!                                                                            O.U., den 13.1.1941    

Es ist zwar schon sehr spät heute, bevor ich zum Briefeschreiben komme, doch ich möchte Dir für Deine beiden Briefe vom 8./9. und 9./10.1.41 recht herzlich danken. Als wichtigstes möchte ich mit Dir die Freude teilen, dass Du nun endlich meinen Brief vom 2. erhalten hast. Inzwischen sind ja nun weitere bei Dir eingegangen, und abgesehen von den üblichen kleineren Unterbrechungen, wirst Du ja wieder laufend versorgt werden, was mich auch wieder beruhigt. Es scheinen nun doch nach und nach die restlichen Päckchen einzutreffen, Du wirst ja sehen, wie Du die einzelnen Sachen gebrauchen kannst. Als weitere Wichtigkeit wäre heute noch hervorzuheben, dass mein Kamerad Graser heute Nachmittag eingetroffen ist, was mich sehr gefreut hat. Jetzt bin ich nicht so alleine hier und habe wieder einen dieser Kerle hier. Solange ich tagsüber meine Beschäftigung hatte, ging es, doch wenn man abends allein war, so lag die Sache schon etwas anders. Heute erhielt ich auch die Rechnung für die beiden Umhänge für die Kinder. Sie lautet über 113 Fr = 5,50 RM. Da kann man ja nichts sagen.  Morgen werde ich sie mit begleichen. Jetzt habe ich außer den Lebensmitteln keine Schulden mehr. Das beruhigt mich schon sehr. Ich kann doch jetzt wieder ungehindert weitere Einkäufe tätigen. Schön ist ja, dass die Süßigkeiten immer noch Freude machen. Ja, das mit den Heimatkriegern ist ja typisch, sollen die doch einmal ein ½ Jahr solchen Erholungsurlaub mitmachen, damit die sich von den Strapazen erholen, die sie daheim mitmachen müssen. Mir soll nur daheim keiner von dieser Seite kommen, dem weiß ich jetzt schon zu sagen, was nötig ist.
Mit den Schuhen ist es also doch so gekommen, wie ich es gestern vorausgeahnt hatte. Unsere beiden Bengels können ja froh sein, dass sie solche Mutter haben. Mich beruhigt es auch so einigermaßen, dass die Fahrerei den Buckel runter  verboten wurde, aber erst nachdem ein Unglück passierte.
Am heutigen Abend hatte ich mich ausgezeichnet unterhalten. Es wurde Figaros Hochzeit gespielt, mit vorzüglicher Ausstattung und ausgezeichneten Kräften. Das waren wieder richtige Erholungsstunden. Nachdem ich schon so viele Melodien und Motive daraus kannte, war es schön, nun den ganzen Zusammenhang zu haben.
Es wird jetzt tatsächlich Zeit, dass ich zu Bett komme, es ist bereits ½ 1 Uhr, und den Rest der Nacht möchte ich noch schlafen. Gute Nacht mein liebes Mädel und laß Dich recht herzlich grüßen und küssen von Deinem Ernst



   Meine liebe Frau!                                                                                O.U., den 14./15.1.41                                                                                                                     

Ich konnte gestern Abend nicht schreiben, doch will ich es heute früh sofort nachholen. Graser und ich waren zu einem Essen eingeladen. Die Arbeit hatte sich auch so lange hinausgezogen. Bemerken möchte ich noch, dass ich von Dir gestern keinen Brief bekam. Ich kann mich bis jetzt zwar nicht beklagen, denn ich wurde noch regelmäßig versorgt. Einen Tag kann man das ja noch hinnehmen, doch solch ein Zustand sollte nicht einreißen.
Durch die viele Vorliegende Arbeit, habe ich in der vergangenen Zeit meine Post immer am Abend geschrieben. Heute drängt auch wieder alles, so dass ich meinen Gruß etwas kurz machen muß. Du solltest nur nicht ohne Nachricht von mir sein. Heute nach Feierabend werde ich wieder wie üblich schreiben.
Bleibe gesund, grüße und küsse unsere Bengels. Du meine liebe Annie sei ebenfalls vielmals gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst

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