Mein gutes Mädel! O.U., den 17.1.1941
Für heute Abend habe ich mir
ein zeitiges Zubettgehen vorgenommen. Gestern ist Thomas zwar mit reichlicher
Verspätung hier eingetroffen, so dass es fast 12 Uhr war, ehe wir heim konnten.
Es gab dann sehr viel zu erzählen über das, was daheim los war und wie der
Dienst hier läuft. Die Sitzung hat sich dann bis gegen 4 Uhr ausgedehnt. Wenn
man am Tag wieder sein Pensum geschafft hat, so verlangt nach so einer
durchwachten Nacht der Körper wieder einmal seine Ruhe. Ich habe wohl noch für
einige Tage die Aufgabe, allein zu wirken, weil Tommy mit „Sonderaufgaben“, wie
das schöne Wort bei uns heißt, betraut ist.
Gerade habe ich Deinen Brief
vom 14.1. gelesen, ebenfalls den beigefügten Artikel über den Maler Dieter. Für
beides vielen Dank. Gefreut hat mich vor allem, dass Du wieder Post bekommen
hast. Ich weiß ja selbst, wie unangenehm die Warterei ist. Mein Arm hat
inzwischen verschiedene Änderungen gehabt, erst war er am Arm etwas deformiert,
dann wurde er teilweise rot und fleckig, und dann war er von der Achselhöhle
bis zum Gelenk ganz rot, so dass, so dass ich mich geniert habe, am Sonntag ins
Bad zu gehen. Außerdem hat er bei jeder besonderen Bewegung weh getan. Vor einigen
Tagen war plötzlich fast alle Farbe weg, und jetzt sind nur noch einige kleine
blaue Flecken. Der Schaden ist nun ziemlich behoben. Nur am Ellbogen habe noch
ein klein wenig Schmerzen, doch darüber spricht man nicht weiter. Vom Amt
erhielt ich ein Buch von einem Schweizer Schriftsteller „Jürg Jenatsch“. Ich
habe mir sagen lassen, dass es sehr schön zu lesen sei, viel werde ich wohl
nicht dazu kommen, weil ich mir noch ein anderes Buch und zwar Rosenbergs „Blut
und Ehre“ vorgenommen habe. Nach den Rasierklingen zu urteilen, muß man über
unsere Bärte hier draußen ungeahnte Vorstellungen machen. Mit dem Päckchen der
Stadt, von der S.A. und ich weiß nicht mehr genau, wo noch her, kamen vier
Sortimente Klingen an. Weiter erhielt ich noch Gebäck, Zahnbürste, Bleistift
und ein Notizbuch, außerdem noch Bonbons. Dieser Tage bekam ich wieder „Das
schöne Konstanz“ zugesandt. Es ist offenbar eine Dauereinrichtung, die ich ganz
nett finde. Man sieht und liest wieder einmal etwas aus der Heimat, was so mehr
oder weniger am Rande steht.
Wie ich höre, sollen die Konserven
mit der Rindszunge sehr gut sein, - langue de boeuf -. Versucht sie nur einmal.
Wegen der Unklarheit werde ich mich befragen, bzw. selbst umsehen. Soviel ich
aber schon gemerkt habe, muß das nicht ganz vollständig sein. Denn „Bell usw.“,
das ist die Marke. Ist es eine runde oder eine eckige Dose? Auch die Pilze
könnt ihr Euch einmal an einem Feiertag zu Gemüte führen. Ich bekomme hier auch
ab und zu welche. So u.a. in einem Ei-Omelett eingewickelt und mit gebraten.
Das schmeckt ganz gut..
Euch allen daheim sende ich
recht viele und herzliche Grüße und Küsse. Dies gilt wieder ganz besonders auch
für Dich von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 19.1.1941
Wir haben nun wieder Sonntag.
Nachdem gestern ein heftiges Schneetreiben einsetzte, bekamen wir über Nacht
einen Tauwind und Regen. Es sieht alles so trostlos draußen aus. Restlicher
Schneematsch und alles so schmutzig, das im Gegensatz zu den verschneiten
weißen Straßen der vergangenen Tage, das heutige Straßenbild. Ich habe heute
das wahr gemacht, was ich mir die vorhergehenden Tage vorgenommen hatte, ich
habe am Vormittag bis gegen 11 Uhr im Bett gelegen, zwischendurch hatte ich
wohl etwas gefrühstückt. Gegen ½2 Uhr bin ich zum Mittagessen gegangen. Als ich
etwa um 4 Uhr nach Hause kam, habe ich mich wieder hingelegt bis 7 Uhr. Nun
habe sozusagen den ganzen Sonntag verbummelt und verfaulenzt, ich fürchte, dass
ich heute Nacht kaum schlafen kann. Ich hoffe jedenfalls, dass ich mich für die
kommende Woche, oder besser gesagt von den vergangenen Tagen, ausgeruht habe.
Eine Arbeit, wenn man es als
solche bezeichnen kann, habe ich heute doch noch geleistet. Gestern habe ich
mir einen Bilderrahmen gekauft. In dem habe ich nun drei Bilder von Euch
aufgestellt. Er steht auf meinem Radio, wenn ich dann nach Hause komme, habe
ich Euch immer vor Augen. Letzthin bekam ich hier eine Puppe für Helga
geschenkt, die ich demnächst mit absenden werde. Gestern habe ich so beiläufig
eine Federhaltertasche erstanden, die sie auch bekommen soll. Ich weiß zwar nicht
genau, ob es für sie geeignet ist. Du kannst es Dir ja ansehen und selbst
entscheiden. Für Helga sind ja Morgen auch die Ferien zu Ende und für sie fängt
das Lernen wieder an. Es fällt ihr ja nicht schwer und sie wird sich nach
diesen langen Ferien bald wieder hineinfinden. Sie soll nur bei der Sache
bleiben. Dieser Tage muß ich mich einmal hinsetzen, um aufgelaufene
Briefschulden zu erledigen.
Auch gestern und heute bekam
ich kein Schreiben von Dir.
Heute Nachmittag war ich
teilweise Hörer des Wunschkonzertes und habe dabei über den Quatsch von Karl
Napp über die Radfahrer sehr lachen müssen. Auch das Lied der U-Boot-Fahrer hat
mir sehr gut gefallen.
Wie ich gehört habe, soll
hier dem Stoff- und Kleiderverkauf demnächst Beschränkung auferlegt werden. Ich
werde deshalb noch Verschiedenes kaufen und z.T. zurück legen lassen. Für Dich
habe ich einige Blusen bestellt, doch muß ich warten, bis wieder welche
eintreffen. Die restlichen 35.-RM kannst Du mir ja absenden, die treffen dann
im Februar ein, was ja dann recht ist.
Zum Schluß grüße und küsse
ich Euch drei recht herzlich und oftmals, so oft ich am Tage im Geiste bei Euch
weile. Dein Ernst.
An Vater richte bitte auch
freundliche Grüße aus.
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