Montag, 18. Januar 2016

Brief 97 vom 17./18.1.1941


Mein gutes Mädel!                                                                              O.U., den 17.1.1941                               

Für heute Abend habe ich mir ein zeitiges Zubettgehen vorgenommen. Gestern ist Thomas zwar mit reichlicher Verspätung hier eingetroffen, so dass es fast 12 Uhr war, ehe wir heim konnten. Es gab dann sehr viel zu erzählen über das, was daheim los war und wie der Dienst hier läuft. Die Sitzung hat sich dann bis gegen 4 Uhr ausgedehnt. Wenn man am Tag wieder sein Pensum geschafft hat, so verlangt nach so einer durchwachten Nacht der Körper wieder einmal seine Ruhe. Ich habe wohl noch für einige Tage die Aufgabe, allein zu wirken, weil Tommy mit „Sonderaufgaben“, wie das schöne Wort bei uns heißt, betraut ist.
Gerade habe ich Deinen Brief vom 14.1. gelesen, ebenfalls den beigefügten Artikel über den Maler Dieter. Für beides vielen Dank. Gefreut hat mich vor allem, dass Du wieder Post bekommen hast. Ich weiß ja selbst, wie unangenehm die Warterei ist. Mein Arm hat inzwischen verschiedene Änderungen gehabt, erst war er am Arm etwas deformiert, dann wurde er teilweise rot und fleckig, und dann war er von der Achselhöhle bis zum Gelenk ganz rot, so dass, so dass ich mich geniert habe, am Sonntag ins Bad zu gehen. Außerdem hat er bei jeder besonderen Bewegung weh getan. Vor einigen Tagen war plötzlich fast alle Farbe weg, und jetzt sind nur noch einige kleine blaue Flecken. Der Schaden ist nun ziemlich behoben. Nur am Ellbogen habe noch ein klein wenig Schmerzen, doch darüber spricht man nicht weiter. Vom Amt erhielt ich ein Buch von einem Schweizer Schriftsteller „Jürg Jenatsch“. Ich habe mir sagen lassen, dass es sehr schön zu lesen sei, viel werde ich wohl nicht dazu kommen, weil ich mir noch ein anderes Buch und zwar Rosenbergs „Blut und Ehre“ vorgenommen habe. Nach den Rasierklingen zu urteilen, muß man über unsere Bärte hier draußen ungeahnte Vorstellungen machen. Mit dem Päckchen der Stadt, von der S.A. und ich weiß nicht mehr genau, wo noch her, kamen vier Sortimente Klingen an. Weiter erhielt ich noch Gebäck, Zahnbürste, Bleistift und ein Notizbuch, außerdem noch Bonbons. Dieser Tage bekam ich wieder „Das schöne Konstanz“ zugesandt. Es ist offenbar eine Dauereinrichtung, die ich ganz nett finde. Man sieht und liest wieder einmal etwas aus der Heimat, was so mehr oder weniger am Rande steht.
Wie ich höre, sollen die Konserven mit der Rindszunge sehr gut sein, - langue de boeuf -. Versucht sie nur einmal. Wegen der Unklarheit werde ich mich befragen, bzw. selbst umsehen. Soviel ich aber schon gemerkt habe, muß das nicht ganz vollständig sein. Denn „Bell usw.“, das ist die Marke. Ist es eine runde oder eine eckige Dose? Auch die Pilze könnt ihr Euch einmal an einem Feiertag zu Gemüte führen. Ich bekomme hier auch ab und zu welche. So u.a. in einem Ei-Omelett eingewickelt und mit gebraten. Das schmeckt ganz gut..
Euch allen daheim sende ich recht viele und herzliche Grüße und Küsse. Dies gilt wieder ganz besonders auch für Dich von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie!                                                                 O.U., den 19.1.1941                              

Wir haben nun wieder Sonntag. Nachdem gestern ein heftiges Schneetreiben einsetzte, bekamen wir über Nacht einen Tauwind und Regen. Es sieht alles so trostlos draußen aus. Restlicher Schneematsch und alles so schmutzig, das im Gegensatz zu den verschneiten weißen Straßen der vergangenen Tage, das heutige Straßenbild. Ich habe heute das wahr gemacht, was ich mir die vorhergehenden Tage vorgenommen hatte, ich habe am Vormittag bis gegen 11 Uhr im Bett gelegen, zwischendurch hatte ich wohl etwas gefrühstückt. Gegen ½2 Uhr bin ich zum Mittagessen gegangen. Als ich etwa um 4 Uhr nach Hause kam, habe ich mich wieder hingelegt bis 7 Uhr. Nun habe sozusagen den ganzen Sonntag verbummelt und verfaulenzt, ich fürchte, dass ich heute Nacht kaum schlafen kann. Ich hoffe jedenfalls, dass ich mich für die kommende Woche, oder besser gesagt von den vergangenen Tagen, ausgeruht habe.
Eine Arbeit, wenn man es als solche bezeichnen kann, habe ich heute doch noch geleistet. Gestern habe ich mir einen Bilderrahmen gekauft. In dem habe ich nun drei Bilder von Euch aufgestellt. Er steht auf meinem Radio, wenn ich dann nach Hause komme, habe ich Euch immer vor Augen. Letzthin bekam ich hier eine Puppe für Helga geschenkt, die ich demnächst mit absenden werde. Gestern habe ich so beiläufig eine Federhaltertasche erstanden, die sie auch bekommen soll. Ich weiß zwar nicht genau, ob es für sie geeignet ist. Du kannst es Dir ja ansehen und selbst entscheiden. Für Helga sind ja Morgen auch die Ferien zu Ende und für sie fängt das Lernen wieder an. Es fällt ihr ja nicht schwer und sie wird sich nach diesen langen Ferien bald wieder hineinfinden. Sie soll nur bei der Sache bleiben. Dieser Tage muß ich mich einmal hinsetzen, um aufgelaufene Briefschulden zu erledigen.
Auch gestern und heute bekam ich kein Schreiben von Dir.
Heute Nachmittag war ich teilweise Hörer des Wunschkonzertes und habe dabei über den Quatsch von Karl Napp über die Radfahrer sehr lachen müssen. Auch das Lied der U-Boot-Fahrer hat mir sehr gut gefallen.
Wie ich gehört habe, soll hier dem Stoff- und Kleiderverkauf demnächst Beschränkung auferlegt werden. Ich werde deshalb noch Verschiedenes kaufen und z.T. zurück legen lassen. Für Dich habe ich einige Blusen bestellt, doch muß ich warten, bis wieder welche eintreffen. Die restlichen 35.-RM kannst Du mir ja absenden, die treffen dann im Februar ein, was ja dann recht ist.
Zum Schluß grüße und küsse ich Euch drei recht herzlich und oftmals, so oft ich am Tage im Geiste bei Euch weile. Dein Ernst.
An Vater richte bitte auch freundliche Grüße aus.

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