Samstag, 23. Januar 2016

Brief 99 vom 22./24.1.1941


Mein lieber Schatz!                                                                                O.U., den 22.1.41               

Auch für Deinen Brief vom 19. danke ich Dir wieder vielmals. Erfreut hat mich auch Deine Mitteilung, dass Dir Deine Eltern wieder ein Päckchen zugesandt haben. Die Zeitungen erweckten ja immer lebhaftes Interesse. Wie ich lese, ist es jetzt nun schon so weit, dass sich die Kinder darüber hermachen. Dir werden sie auch eine willkommene Abwechslung sein. Wenn sich Deine Eltern auch noch über die Geschenke für Dich gefreut haben, dann ist ja in viel größerem Umfang Freude hervorgerufen worden, als ich allgemein erwartet hatte.
Wir haben hier schon fast frühlingshaftes Wetter. Sowie ein bisschen die Sonne scheint, wirkt sich dies gleich auf die Stimmung aus. Man ist gleich lebhafter und arbeitsfreudiger. Jetzt, wo die Tage schon merklich länger werden, freut man sich sowieso. Am Abend merkt man es am meisten. Es ist schön, wenn man noch bei Helligkeit aus dem Büro kommt.
Mit dem Dienst schein z.Zt. keine rechte Klarheit zu herrschen. Es sieht aus, als ob alles durcheinander sei. Doch man muß da abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Thomas ist seit seiner Rückkunft mit der Übersetzung des Haushaltsplanes der Stadt beschäftigt, so dass ich, entledigt meines Dolmetschers, der gleichfalls bei ihm mit tätig ist, ganz allein auf mich angewiesen bin. So kleine Verhandlungen und Auskünfte kann ich ja mit den Franzosen allein ausmachen, doch bei größeren Sachen, brauche ich noch jemand, der wenigstens spricht. Mit der Zeit werde ich auch noch das herausbekommen. Wenn es so kommt, wie es mein Chef vor hat, dass ich das ganze Kraftfahr-Referat allein übernehmen soll, so habe ich wohl ein Aufgabengebiet, das noch dazu sehr umfangreich ist. Es ist nun in manchen Fällen äußerst schwierig, eine gerechte Entscheidung zu treffen, um allen Bedürfnissen zu entsprechen. Doch mir ist auch dabei nicht bange, denn wie bei der Sprache, ist es notwendig, dass man sich selbst überwindet, und dass man sich eine Sache selbst zutraut. Ich habe ja auch neben dieser Arbeit noch einen Teil der Kohlenversorgung der Stadt übernommen. Außerdem habe ich dieser Tage einen Bauauftrag bekommen, der innerhalb des Hauses durchzuführen ist, den muß ich auch noch überwachen. Das ist eigentlich das, was mir hier so gefällt. Man wird hier vor eine Aufgabe gestellt, ob man sie beherrscht, oder nicht, das spielt keine Rolle, nur meistern muß man sie. Bei jeder dieser Aufgaben lernt man wieder dazu; damit man nicht über´s Ohr gehauen wird, muß man die Augen aufmachen. Von Fall zu Fall muß man auch großzügig sein können,  was ich schon zu einem kleinen Teil gelernt habe. Früher ging mir das, durch unsere engen Verhältnisse, in denen wir schließlich aufgewachsen sind und in denen wir zwei ja auch schon gelebt haben, ab.
Heute habe ich Dir einmal von meiner Arbeit erzählt, ich hoffe, dass Dir dies auch zugesagt hat. Ich grüße und küsse Euch, meine Lieben, recht herzlich und hoffe, dass Ihr alle gesund seid. Dein Ernst

Mein liebes Mädchen!                                                                             O.U., den 24.1.1941     

Gegenwärtig stecke ich so in der Arbeit drin, dass ich gestern nicht dazu kam, Dir auf Deinen Brief vom 20.1. zu antworten. Zuerst aber noch vielen Dank dafür. Als nächstes will ich dann eine Deiner früheren Fragen beantworten. Die Konserven mit der Aufschrift „Saumon Bell Pink“ enthalten Lachs. Das kleine Tischle, das ihr jetzt ins kleine Zimmer getan habt, hat nun tatsächlich schon verschiedenen Zwecken gedient. Wenn jetzt Jörg ihn im warmen Zimmer für seine Spielzwecke benutzt, so hat er doch sein eigenes Tätigkeitsfeld, und Dir nimmt er nicht gar so viel Platz weg. Die Gardinenmaße werde ich mir vormerken. Mit dem Eintritt von Tauwetter hebt sich ja zwangsläufig die Schlittenfahrerei, zwar zum Leidwesen der Kinder, auf. Schließlich hat alles Schöne einmal ein Ende.
Nun zu Deinem Brief vom 21., der heute hier eintraf. Wiederum danke ich Dir für Deine lieben und freundlichen Zeilen. Das Stricken des Schals hat Dir sicherlich viel Freude gemacht, ich glaube es jedenfalls aus Deinem Brief herauszulesen. Ich nehme an, nachdem Vater so unverbindlich über den Schal und über seine Zweckmäßigkeit Auskunft gegeben hat, dass er sich bei der Überreichung gefreut hat. Hier wird es nicht notwendig sein, dass man noch so warme Sachen braucht, denn mir scheint, als ob der Winter hier schon vorbei wäre. Meinen Pullover, den ich während der kalten Tage untergezogen hatte, habe ich schon seit 8 Tagen wieder abgelegt. Ich bin auch in dienstlicher Hinsicht froh, dass es z.Zt. nicht gar so kalt mehr wird. Die Herbeischaffung von Kohlen für die Bevölkerung vollzieht sich dann mit noch größeren Schwierigkeiten. So kann ich wohl durch meinen besonderen Einsatz von Lastkraftwagen einen schönen Teil auf der Landsstraße heranholen. Aber es lassen sich alle Probleme einmal lösen, so auch das. Wegen unserer Heizung brauchen wir uns ja keine Sorgen zu machen, denn für die ist gesorgt, und soweit sie fehlt, wird schon gesorgt werden.
Am Sonntag werden wir wahrscheinlich aufs Land fahren, zu den Leuten, bei denen wir schon früher ein paar Mal waren.
Ich grüße und küsse Euch, meine Lieben, recht herzlich. Dein Ernst.

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