Meine liebe Annie! O.U., den 6.1.1941
Mir geht es tatsächlich nicht
schlecht, denn ich erhielt heute schon Deine beiden Briefe vom 1./2, und 3.1.
Ich habe mich sehr gefreut, schon von Dir Nachricht zu erhalten. Das habe ich
mir gedacht, als ich abgefahren war, dass Vater in seiner Art versuchen wird,
Dich zu trösten. Ich habe mich darüber auch geärgert, dass ich es ihm nicht
gesagt habe. Es ist nun halt so gekommen, wie ich es vorausgeahnt habe, doch
ändern kann ich es nachträglich nicht mehr. Ich habe eben nochmals Deinen Brief
durchgelesen und muß sagen, man spürt die Herzlichkeit und die Wärme, die Du
zum Ausdruck bringen willst, heraus. Ich weiß ja auch, dass wir zusammen
gehören. Es stimmt wohl, dass ich jetzt ziemlich allein bin, doch die viele
Arbeit lässt den Tag nur so verfliegen, aber auch meine Kameraden haben mich
nicht vergessen. Beide haben mir heute auch geschrieben, und genau so, wie ich
es erwartet habe. In wenigen Tagen wird Graser rauch wieder eintreffen müssen.
Bald ist auch für Thomas die Zeit gekommen, dass er wieder hier einrücken muß.
Beide schreiben zwar, dass sie erkältet sind, und Fra7u und Kind von Thomas
sind auch nicht auf der Höhe. Es hat eben jeder sein Päckchen zu tragen.
Ich habe Dir ja schon
geschrieben, wie ich geschlafen habe auf der Fahrt, ich glaube, dass ich dem
nichts mehr hinzuzufügen brauche. Auch über den sonstigen Verlauf der Fahrt
bist Du ja durch mich schon unterrichtet worden. Ich denke, dass die Kinder am
ehesten über den Abschied hinweg kommen werden, offenbar waren sie auch
anfänglich traurig über meine Abreise. Ich bin Dir nicht böse, wenn Du
zwischendrin einen Tag aussetzen musst mit Briefeschreiben. Die Wäscherei nimmt
ja Zeit und Kraft in Anspruch, dann habt ihr noch anschließend gebadet. Es ist deshalb
durchaus verständlich, wenn Du nicht zum schreiben kommst. Bei dem Tannenbaum
hast Du es ja wieder geschickt gemacht. Doch dieser Einfall sieht Dir ja
ähnlich. Mit den Päckchen von Paula an Kurt hast Du es richtig gemacht. Sie
konnte ja auch nachfragen, wie die Adresse von Kurt richtig lautet und nicht so
einen falschen Stolz haben. Mit dem Stuhlkauf wirst Du ja bei Jörg einen guten
Eindruck gemacht haben. Erkältet habe ich mich zwar nicht, doch wie ich Dir
schon mitteilte, habe ich mit meinem Arm Pech gehabt. Er sieht nun ganz rot und
blau aus, doch er wird sicher bald seine Farbe wechseln. Er schmerzt wohl noch
etwas, doch es wird schon wieder besser.
Die Zeit ist wieder ziemlich
vorgerückt, und ich möchte für heute wieder zum Schluß kommen. Sei recht
herzlich gegrüßt und geküsst und bleibe weiterhin standhaft.
Dein Ernst.
Für Helgas und Jörgs Grüße
und Küsse danke ich vielmals und erwidere sie herzlich.
Meine
liebe Frau O.U., den 7.1.1941
Nach einem sehr
arbeitsreichen und auch interessanten Arbeitstag bin ich wieder an dem
Stammtisch meiner Kameraden gewesen,, weil nach so einem Tag die Einsamkeit auf
der Bude doppelt fühlbar würde. Es ist bereits ½ 11 Uhr, doch den Brief an Dich
will ich noch schreiben, denn Du sollst ja schließlich nicht zu kurz kommen. Es
ist bald schon so üblich, dass die Post Deine Briefe, die Du laufend zur
Beförderung gibst, mir vorenthält. Man staunt, an was der Mensch sich alles
gewöhnen muß, und zuletzt dann auch gewöhnt, weil es einmal nicht anders geht.
Vorläufig macht nun die Arbeit auch Freude, wenn ich auch z.Zt. bis über die
Ohren darin stecke. Eins ist nur unangenehm, dass so genannte Kameraden sich
Unterstützung auf ihren höheren Dienstgrad einbilden sich in solche
Angelegenheiten einzuschalten zu müssen, die ihnen durchaus nichts angehen, so
lasse ich doch nicht mir auf der Nase herumtanzen. Ich bin mit solchen immer
noch fertig geworden und hoffe es auch in Zukunft zu werden. Es ist so ein
kleiner Ärger vom heutigen Tag, den Du nun auch noch mit ausbaden musst. Du
kannst aber versichert sein, dass ich mir zu helfen weiß, und dass ich mir
deswegen keine grauen Haare wachsen lasse. Ich bin nur froh, dass ich so viel
zu tun habe, dann gehen auch die Tage meines totalen Alleinseins schneller
vorüber. Wenn ich meine Kameraden nicht hier hätte, wäre diese Abkommandierung
trotz der vielen Arbeit eine ganz traurige Angelegenheit.
Heute möchte ich noch auf
eine andere Angelegenheit zurückkommen. Ich schrieb Dir doch vor einiger Zeit
wegen der Markengeschichte von hier. In der kurzen Spanne meines Urlaubs ist
nun eine wesentliche Änderung eingetreten. Wegen Butter und Käse müssen die
Leute hier Schlange stehen. Es kann dann noch passieren, dass ein Teil leer
ausgeht. Die Kohlen spielen bei der augenblicklichen Witterung eine gewichtige
Rolle, so dass teilweise nicht genügende Mengen vorhanden sind. Kartoffeln sind
auch rationiert worden. So bekommen ab gestern die Leute, die keine Vorräte
haben, pro Tag und pro Kopf 100g Kartoffeln. Es ist dies eine wesentliche Veränderung
der Verhältnisse, und jetzt tritt die Frage der Rationierung auch langsam an
die heran, die bisher noch nicht davon betroffen wurden.
Sei Du mein liebes Mädel
recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst.
Unseren beiden Stromern je
einen kräftigen Kuß. An Vater einen Gruß.
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