Meine liebe Annie! O.U., den 25.1.1941
Wieder haben wir eine Woche
hinter uns, die reich an Arbeit und Erleben war. Ich habe für meinen Kameraden,
der anderweitig verhindert ist, den Bereitschaftsdienst übernommen. Diese
Gelegenheit habe ich nun gleich benützt, um einige Briefe, die ich unbedingt
erledigen muß, zu schreiben. Die Durchschläge füge ich Dir bei, damit Du im
Bilde bist, was ich geschrieben habe.
Wie ich Dir schon mitteilte,
war die Arbeit in dieser Woche ziemlich reichlich. Ich habe Autos zum Verkehr
zugelassen, Zulassungen verlängert, habe Scheinwerfer nachsehen lassen. Autos
verkauft und leihweise überlassen, habe mit Publikum und der Garage verhandelt.
Habe Anweisungen entgegen genommen und Verordnungen gelesen. Habe Anordnungen geben
müssen und Befehle weiter gegeben. War bei meinem Neubau bzw. Einbau. Daheim
Frühstück gemacht und zwischen der Arbeit sind wir zum Mittagessen gegangen.
Unseren Mittagsschlaf haben wir, soweit es möglich war, eingehalten, doch die
Nachmittage waren reich an Arbeit. Denn die eingehende Post musste auch noch
erledigt werden, abgesehen von der privaten, die ich auch nicht aufschieben
wollte. Nun ist die Woche wieder um und der Sonntag steht sozusagen vor der
Tür. Hoffentlich ist es ein Tag, an dem man sich wieder einmal ausruhen kann.
Man weiß ja nicht, welche Änderung und Neuerung die kommende Woche wieder
bringen kann. Man muß immer auf Draht sein, damit man nicht von Ereignissen,
die eintreten könnten, umgerissen wird. Wie ich Dir gestern schon mitteilte,
werden wir Morgen wahrscheinlich auswärts fahren. Wir sind dort zum
Schlachtfest eingeladen. Es ist einem zwar peinlich, wenn man in so
uneigennütziger Weise eingeladen wird, doch die Leute fühlen sich geradezu
schon beleidigt, weil wir so lange nicht gekommen sind. Wir sollten schon seit
vor Weihnachten kommen, haben es aber immer wieder hinausgeschoben. Es sind
dies Lothringer, von denen ich Dir auch schon erzählte. Es ist etwas
Eigenartiges um diese Gastfreundschaft. Das unangenehme ist nur, dass man keine
Gelegenheit hat, sich irgendwie wieder einmal zu entschädigen.
Einen Brief erhielt ich heute
von Dir nicht. Ich bin aber nicht ungenügsam, denn bisher trafen Deine Briefe
ziemlich laufend ein. Deine Zeitungsgeschichte aus Norwegen habe ich gelesen
und fand sie sehr nett. Ich werde sie Dir wieder mit zusenden. Aufheben kann man solche Sachen hier nicht
so gut.
Das für diese Gegen hier
übliche Wetter ist nun auch eingetreten. Bedeckter Himmel, zwischendurch etwas
Nebel oder Regen. Das gehört eigentlich so mit zum Landschaftsbild und man ist
ganz verwundert, wenn die Sonne hier scheint.
Ich wünsche Euch meine Lieben
einen frohen Sonntag und hoffe Euch alle gesund. Gleichzeitig sende ich Dir und
den Kindern recht viele herzliche Grüße und Küsse. An Vater bitte auch einen
Gruß. Im Gedenken an Dich verbleibt Dein Ernst.
Mein
liebes Mädel! O.U., den 27.1.41
Vielen Dank für Deine beiden
Briefe vom 22 und 23.1 41, die ich heute erhielt. Überrascht war ich von der
plötzlichen Ankunft Siegfrieds. Gewöhnlich ist es ja bei uns Soldaten so, dass
man heute noch nicht weiß, ob man morgen fahren kann. Wie lange gedenkt er zu
bleiben? Das geht aus Deinem Schreiben nicht hervor. Es ist ja erfreulich, dass
er Dich in Deiner Einsamkeit aufsucht und dass er sich seiner Schwester immer
noch entsinnt.
Das Verhalten von Jörg beim
Zahnarzt erfreut mich auch wieder und ich zolle ihm ebenfalls meine volle
Anerkennung. Man sieht doch, dass er der Junge seiner Eltern ist. Man muß sich
nur im richtigen Moment zusammenreißen und nach außen hin in solchen
Augenblicken nichts anmerken lassen. Nochmals meine Anerkennung für beide.
Wie gefällt es Helga wieder
in der Schule? Ich hoffe, dass sie sich gut eingewöhnt hat in den letzten
Tagen. Siegfried hat sich ja bald übernommen mit seinen vielen Geschenken für
Euch. Ihr habt Euch sicher darüber gefreut. Ich kann mir vorstellen, dass Helga
ungern in die Schule gegangen ist. Jörg wird die MG-Mannschaft gleich in seine
übrigen Truppenteile übernommen haben. Du kannst ihm dabei ruhig sagen, dass
dies die Waffe seines Vaters sei, während der Zeit seiner Ausbildungszeit beim
Kommis gewesen ist. Mit dem Mundharmonikaspielen wird sich Siegfried auch
wundern, wenn er so ein Duett vorfindet, wie Euch zwei. Ich hoffe, dass sich
Siegfried gut erholt. Wenn er noch einen Kameraden erwartet, wirst Du ja keinen
leichten Stand haben. So allein und zwei Männer im Haus. Der Unterschied ist ja
sehr krass. Na, ich denke, dass Du auch mit den zweien fertig werden wirst,
denn es war ja schon früher eine Kleinigkeit für Dich, mit uns fertig zu
werden, und ich bin gewiß schwer zu behandeln.
Die Arbeit ist bei uns gegenwärtig
wirklich reichlich, und Sorgen muß man sich deswegen auch noch machen. Meine
Kohlenversorgung der Stadt scheint, wenn nicht glückliche Umstände eintreten,
kritisch zu werden. Die Arbeiter wollen wahrscheinlich streiken, wegen der
knappen Lebensmittelrationierung. Nun muß ich sehen, wie wir das wieder am
besten schaukeln. Solche Probleme sind ja schließlich dazu da, damit sie gelöst
werden. Soweit wir ein Interesse daran haben, werden wir sie auch lösen.
Der Zeitungsausschnitt vom
Kaden hat Dich doch sicherlich geärgert. Ich meine, Du könntest u.U. jetzt an
dieser Ehre teilhaben, während Dein Mann nun bescheiden auf irgendeinem Büro
hier in Frankreich sitzt und sich in friedlicher Weise mit der Bevölkerung
herumschlägt. Heute habe ich nun genug gefrozzelt und ich denke, es langt. Du
nimmst es mir hoffentlich nicht falsch auf.
Ich grüße und küsse Euch drei
recht herzlich, Siegfried danke ich für seine Grüße und erwiedere sie ebenso
herzlich. In treuer Liebe und Verbundenheit bin ich Dein Ernst.
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