Samstag, 23. Januar 2016

Brief 98 vom 20./21.1.1941


 Liebes Mädel!                                                                                   O.U., den 20.1.1941                                                

Weil ich die letzten Tage so schlecht mit Post bedacht worden bin, wurde ich heute voll entschädigt. Es trafen Deine Briefe vom 14.,15. und 17. ein, über die ich mich riesig gefreut habe, aus denen ich auch all die fürsorgerische Liebe herauslesen konnte, die letzten Endes nur Dir eigen ist. Wie ich Dir ja schon schrieb, ist mein Arm bis auf eine Kleinigkeit, wieder in Ordnung. Du brauchst Dir deshalb also keine Gedanken machen. Was will das auch schon heißen, so ein bisschen verstauchter Arm. Durch das Gebackene Schlaraffenland habe ich mich nun so durchgefuttert; ich bin Dir deshalb wohl nicht böse, wenn du mir etwas abgeschickt hast, denn ich vertilge es so zwischendurch mit. Ich habe Euch doch schon wiederholt gebeten, das wenige, das Ihr für Euch erhaltet, selbst zu verwenden. Nimm es mir bitte nicht übel, wenn ich heute wieder daran erinnere. Wenn es Dein Wunsch ist, die Frauenwarte zu abbonieren, so habe ich nichts dagegen. Sieh Dich dabei aber vor, dass du Dich für längere Zeit nicht zu fest bindest. Bezüglich Deines Hinweises wegen der Trainingsanzüge, die verschiedene Frauen in der Stadt tragen, so kann ich Dir auch nur mitteilen,, dass dies auch nicht meinem Geschmack entspricht, wenn du Dich dieser Geschmacklosigkeit anpassen wolltest. Zieh dir doch, wenn es jetzt so kalt ist, ruhig Deinen neuen Mantel an. Das mit den neuen Briefumschlägen ist mir heute gleich aufgefallen, es war auch Zeit, denn bei einem Kameraden tauchten jetzt sehr ähnliche auf. Den Kindern muß ich wieder meine Anerkennung aussprechen für ihr Verhalten beim Zahnarzt. Ja, man sieht doch, dass man sich zusammenreißen kann, wenn man will, ganz gleich, ob man noch klein ist, oder schon groß. Nur nichts anmerken lassen, und hart gegen sich selbst in erster Linie, dann kann man es auch einmal von anderen verlangen. Ich freue mich jedenfalls über beide, wenn sie so sind. Sie sind ja sonst auch keine Weichlinge.
Wenn unsere Briefe durch die Prüfstelle laufen, so ist ja nichts weiter dabei, denn wir haben doch nichts zu verheimlichen.
An Deinen Vater muß ich morgen gleich noch schreiben, sonst kann ich etwas von ihm zu hören bekommen. Allerdings, wenn Du mich nicht daran erinnert hättest, würde ich es offenbar vergessen haben.
Der Olkiwicz tut mir trotzdem leid, dass er auch schon ins Gras beißen musste. Wie es das Schicksal eben will, so muß man es hinnehmen, man weiß ja nicht, ob man durch Zufall in die gleiche Lage kommen kann.
Über Deinen Zinsgewinn hast Du Dich sicher gefreut. Es ist ja besser, wie nichts.
Ausnahmsweise will ich damit einverstanden sein, wenn Du Deinem Vater eine Büchse von den Sardinen schickst, die eigentlich für Euch bestimmt waren.
Von Kurt erhielt ich heute einen Brief. Er schreibt mir, dass er vom 17tägigen Urlaub zurück sei und dass ihm Nanni so leid tun würde, weil sie dort fast ganz heruntergekommen sei. Sie sollte eine Olivenölkur durchmachen und er bitte mich darum, ihr welches zu senden, wenn ich es machen könnte. Die Frage dabei ist nur die des Transports. Ich weiß noch gar nicht, wie ich dies anstellen sollte.
Heute habe ich wieder einmal genügend geschrieben, hoffentlich bist Du damit zufrieden. Ich wünsche Euch allen eine  Gute Nacht. Dir sende ich viele herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.



Meine liebe Annie!                                                                               O.U., den 21.1.1941            
                                                           
Pünktlich traf Dein Brief vom 18. heute ein, wofür ich Dir herzlichen Dank sage. Ihr werdet allem Anschein nach ja sehr reichlich mit Schnee bedacht. Es ist ratsam, wenn du bei solchem Wetter Dein Fahrrad nicht benutzt, denn Du läufst sehr leicht Gefahr, Dich einem Unfall auszusetzen. Wenn es Dir Deine Zeit zulässt, ist es ja nicht von Schaden, wenn du Deine Wege vorübergehend zu Fuß erledigst. Für die Kinder wird das selbstredend eine Freude sein, wenn du mit Ihnen in die Stadt fährst. Auch sonst werden sich Beide mit dem Schlitten draußen rumtummeln. Während es bei Euch schneit, regnet es hier, was nur so runter will. Es ist tagsüber direkt warm. Meinen Pullover habe ich gegenwärtig abgelegt, sonst ist man ja noch mehr Erkältungen ausgesetzt, als es schon so der Fall ist.
Wie ich höre, soll ein weiterer Teil der durch Notverordnung seinerzeit festgelegten Gehaltsabzüge aufgehoben werden, und der Rest soll im Mai oder Juni in Wegfall kommen. Es wäre dann so, dass dann ab diesem Monat unser Gehalt ohne welche Abzüge wieder zur Auszahlung käme. Dies wäre ja ganz günstig, nachdem wir ja schon jahrelang das Opfer des Abzuges auf uns genommen haben. Wir waren ja bisher auch zufrieden, doch wird uns eine Besserstellung nicht gerade schaden.
Was Deinen Brief an Deinen Vater anbelangt, so ist er schon in Ordnung. Wenn ich auch Deine Wendung nicht damals gesagt habe, so habe ich sie doch dieser Tage bestätigt.
Für heute sind wir am Abend zum Kaffee eingeladen. Hoffentlich wird es nicht gar zu spät. Es ist gleich Feierabend, und dann geht’s zum Essen. Richtiger gesagt, der Feierabend wäre schon dagewesen, denn es ist ½ 7 vorbei, aber einmal muß man aufhören.
Ich schließe deshalb für heute ab und grüße und küsse Dich recht herzlich. Dein Ernst.



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