Bestes Mädel! O.U., den 15.1.1941
Mein Brief von heute früh war
wohl etwas reichlich kurz, doch dies war auf eine gewisse Katerstimmung zurück
zu führen, die dem gestrigen, ausgedehnten Abend folgte. Ich habe mich aber
heute wieder fest an die Arbeit gehalten, und mir geht es wieder sauwohl, wie
man so zu sagen pflegt. Über Nacht hat die Stadt ein weißes Kleid angelegt, was
auf unserem gestrigen Nachhauseweg mit einer Schneeballerei gefeiert wurde.
Dieses Essen war gewissermaßen so eine Art Einführung für Kamerad Graser. So
etwas Ähnliches wollen Gauguies machen, wenn der Tommy zurück kommt. Diese
Einführungen machen die Leute auch deshalb mit, damit uns der Übergang von zu
Hause nach hier nicht ganz so schwer fällt. Es ist zwar nicht meine Absicht,
hier eine Lobeshymne anzustimmen, doch ich muß sagen, diese Leute geben sich
viel Mühe mit uns.
Für Deine beiden lieben
Briefe vom 11. und 12.1. recht vielen Dank. Du tust mir so leid, dass Du zum
Sonntag keine Post erhalten hattest, wo Du so darauf gewartet hast. Hoffentlich
bist Du die folgenden Tage dafür entschädigt worden. Es ist ja sehr lieb von
Dir, dass Du schon wieder Gebäck an mich ab gesandt hast und ich freue mich
wohl sehr darüber, doch seid bitte so gut und spart Euch nur nichts von dem
wenigen ab, was Euch zur Verfügung steht. Also nochmals vielen Dank für alles
Liebe. Die Bestellung der Briefmarken geht in Ordnung, soweit Du Geld dafür zur
Verfügung hast. Aber bitte nichts extra absparen. Das wird Jörg hoffentlich
nicht gar so tragisch nehmen, wenn er über den Sommer noch nicht in die Schule
gehen darf. Ich glaube schon, dass er Geschick mit seiner Plastelina hat, doch
ich kann mich entsinnen, wo Helga sich auch nicht dumm angestellt hat. Mit
einem klein wenig Anleitung kann man sie auf ihr Gebiet, auf dem sie stark
sind, hinlenken.
Elsa hat wie immer prompt
geantwortet. Du kannst ihr schreiben, dass ich für den Gruß von Tilly danke.
Auch Gerhard soll sie grüßen.
Hier hat es seit gestern
Abend 11 Uhr fast ohne Unterbrechung auch geschneit. Es wird zwar etwas wärmer,
doch die Straßen sind sehr glatt.
Ich habe, wie heute früh
versprochen, etwas mehr geschrieben, es wird aber doch Zeit, dass ich schlafen
gehe. Recht herzlich grüßt und küsst Dich und unsere beiden Kinder Dein Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 16.1.1941
Für Deinen lieben Brief vom
13. danke ich Dir wieder recht herzlich. Du tust mir wirklich sehr leid, dass
Du außer dem einen Brief noch nichts weiter erhalten hattest. Erfreut hat mich
das Eintreffen der restlichen Päckchen. Es wäre ja schade darum gewesen, wenn
doch etwas verloren gegangen wäre. Der Transport hat ja reichlich lange
gedauert. Verderbliche Waren hätte man da nicht schicken dürfen. Wesentlich ist
ja, dass alles gut angekommen ist.
Bei uns wird wieder einmal organisiert.
Ich soll wieder ein anderes Arbeitsgebiet bekommen. Mir macht es ja nichts aus,
denn ich kann das eine, wie auch das andere tun, ich fühle mich jeder Aufgabe
gewachsen. Wenn ich mich dazu einarbeiten kann, macht das mir auch nichts aus.
Man muß jetzt abwarten, wie sich das auswirkt, schließlich ist auch das kein
Dauerzustand, denn für Abwechslung wird schon gesorgt. Sobald ich Näheres weiß,
werde ich Dir berichten. Du schreibst mir, dass Du das Päckchen nicht
zurückerhalten hast, das stimmt tatsächlich, denn es ist inzwischen bei mir
eingetroffen. Ich danke Dir vielmals dafür. Ich warte gespannt auf den nächsten
Brief von Dir, aus dem ich erfahren werde, dass Du nun wieder Post von mir
erhalten hast. Dein Verhalten beim Alarm war soweit richtig, doch gib nur
Obacht, dass Du Dich dabei nicht erkältest. Einen Zeitungsartikel aus der
Essener Nationalzeitung sende ich Dir mit über den Maler vom See, Dieter. Er
wird Dich sicher auch interessieren.
Heute kommt nun Thomas auch
wieder zurück, so dass wir wieder vollständig beieinander sind. Ich bin froh,
dass ich auch während seiner Abwesenheit hier den Laden erledigt habe und zwar
so, dass es bis jetzt keine Reklamationen gegeben hat. Er hat es ja in mancher
Hinsicht viel leichter, weil er ja direkt verhandeln kann, während ich mich ja
doch immer einer Mittelsperson bedienen muß. Ich werde ja schon noch hören..
Liebe Annie, nimm recht viele
herzliche Grüße und Küsse entgegen und leite dasselbe an unsere beiden Strolche
weiter. Dein Ernst.
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