Freitag, 18. Dezember 2015

Brief 90 vom 12/13.12.1940


Meine liebe Annie!                                                                      O.U., den 12.12.1940 

Heute kam nun Dein lieber Brief vom 6.12., über den ich mich wieder sehr gefreut habe und für den ich Dir herzlich danke. Die vier Briefe und zwei Päckchen waren sicher eine ziemliche Belastung. Hoffentlich ist dadurch Dein Haushalt nicht ganz in Unordnung geraten. Die Sache mit den Konserven ist ja nicht so schlimm. Dein Vorschlag um nachzusehen, was drin ist, weil Du die Aufschrift nicht verstehst, ist ja auch gangbar. Jedenfalls die Büchse mit der Aufschrift „Liebig“, die noch besonders in Papier verpackt ist, enthält Fleischextrakt. Wenn Dir die Deckchen aus Brügge gefallen, so ist ja der Zweck erreicht. Ich hätte z.Zt. gerne etwas anderes für Dich gekauft, doch ich war mit dem Gelde etwas knapp dran. Aber auch das Gesandte ist schließlich ein Andenken.
Die Schokolade ist ja schon unterwegs, die Du Dir gewünscht hast. Wegen einer weiteren Weste werde ich mich dann umsehen, wenn ich vom Urlaub zurück  bin. Die Angelegenheit wegen der scheinbar nicht angekommenen Päckchen hat sich ja restlos aufgeklärt. Es ist also alles in Ordnung. Über meine deutsche Schrift war ich tatsächlich selbst erstaunt, doch ich kann dir sagen, das war auch eine Arbeit. Man ist ganz ungelenk, vor allem, weil man keine Übung hat. Wie es scheint, hat er die Kinder überzeugt, was ja schließlich die Hauptsache ist. Du brauchst nun nicht gleich zu denken, daß ich mich nach Deinem Kompliment nun gleich auf deutsche Schrift umstelle, denn dann würdest Du reichlich weniger Post von mir erhalten können. Ich werde also in der üblichen Form weiter verfahren.
Ich nehme an, daß Du inzwischen Deine Ansicht über den schnellen Ablauf der Feiertage etwas geändert hast, oder siehst Du es nun nicht gerne, weil ich so außergewöhnlich schnell zu Urlaub gekommen bin, daß es Dir fast unwahrscheinlich erscheinen wird.
Wie ich lese, wart Ihr also inzwischen wieder einmal im Keller und außerdem habt Ihr so ausgesprochen schlechtes Wetter. Das Wetter ist bei uns auch komisch. Am Tage regnet es, was nur vom Himmel runter will und nachts ist es mondhell und sternenklar. Es ist gut, daß da niemand dran drehen kann.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt bis zum Wiedersehen am Sonntag über 8 Tage. Soweit es möglich ist, werde ich Dir etwaigen Ankunftstermin mitteilen. Es grüßt und küßt Dich nochmals Dein Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                       O.U., den 13.12.1940

Heute habe ich auch Dein Schreiben vom 9.12.40 erhalten, in dem Du Deiner Freude Ausdruck gibst, weil ich auf Urlaub komme. Da war Dir diese Mitteilung scheinbar nicht so unangenehm, wie ich erst und gestern auch noch vermutete. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, wie diese Mittelung auf Euch gewirkt hat. Auch Jörgs Temperamentsausbrüche kann ich mir ausmalen und Helga wird ja auch sehr überrascht gewesen sein. So wie es Euch gegangen ist, genau so war es bei mir. Ich konnte es auch fast nicht glauben. Na und über unseren Jagdausflug hast Du auch noch gelacht. Das war doch hoffentlich nicht Schadenfreude.
Gestern war ich wieder im Konzert, ich will nicht hoffen, daß das auf meine Gesundheit so nachteilige Folgen hat wie das letzte Konzert. Das Programm ist wieder beigefügt. Darauf ist allerdings ein Druckfehler, der fast wie ein Witz anmutet. Es heißt da D-Moll Dau, synfonische Dichtung, das hat mit D-Moll also nichts zu tun gehabt, denn es handelte sich hierbei um die Moldau. So etwas kann ja vorkommen. Am Abend werde ich heute ins Theater gehen, doch darüber schreibe ich Dir morgen. Das gestrige Programm hat mich auch wieder ganz und gar befriedigt. Es ist schon etwas Schönes mit guter Musik.
Im Laufe der nächsten Woche werde ich dann mein Briefschreiben einstellen, denn sonst kommen da noch Sachen an, wenn ich schon lange daheim bin. Soeben trafen Deine Faltkartons  ein, ich werde sie, soweit es noch notwendig ist, verwenden, die übrigen hebe ich dann auf.
An die Eltern habe ich gestern eine Karte geschrieben, daß ich Weihnachten auf Urlaub fahre und an Nanni schreibe ich auch noch, damit sie auch recht unterrichtet sind.
Ich war vorhin im Variete. Ich muß sagen, so bunt und unterhaltsam habe ich es selten gefunden. Es war wirklich ausgezeichnet und sehr viel zum Lachen.
Das mit dem Wetter, wie ich es Dir gestern berichtete, richtet sich wahrscheinlich ein , denn auch heute war am Tage unfreundliches Wetter und nun ist zur Nacht der Vollmond wieder herausgekommen. Er scheint so hell, daß fast alle Sterne dagegen verblassen.
Schlafe gut und wache gesund wieder auf. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich bis zum Wiedersehen, ebenso herzliche Küsse sendet Euch allen Dein  Ernst.    

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