Meine liebe Annie! O.U., den 12.12.1940
Heute kam nun Dein lieber Brief vom 6.12.,
über den ich mich wieder sehr gefreut habe und für den ich Dir herzlich danke.
Die vier Briefe und zwei Päckchen waren sicher eine ziemliche Belastung. Hoffentlich
ist dadurch Dein Haushalt nicht ganz in Unordnung geraten. Die Sache mit den
Konserven ist ja nicht so schlimm. Dein Vorschlag um nachzusehen, was drin ist,
weil Du die Aufschrift nicht verstehst, ist ja auch gangbar. Jedenfalls die
Büchse mit der Aufschrift „Liebig“, die noch besonders in Papier verpackt ist,
enthält Fleischextrakt. Wenn Dir die Deckchen aus Brügge gefallen, so ist ja
der Zweck erreicht. Ich hätte z.Zt. gerne etwas anderes für Dich gekauft, doch
ich war mit dem Gelde etwas knapp dran. Aber auch das Gesandte ist schließlich
ein Andenken.
Die Schokolade ist ja schon unterwegs, die
Du Dir gewünscht hast. Wegen einer weiteren Weste werde ich mich dann umsehen,
wenn ich vom Urlaub zurück bin. Die
Angelegenheit wegen der scheinbar nicht angekommenen Päckchen hat sich ja
restlos aufgeklärt. Es ist also alles in Ordnung. Über meine deutsche Schrift
war ich tatsächlich selbst erstaunt, doch ich kann dir sagen, das war auch eine
Arbeit. Man ist ganz ungelenk, vor allem, weil man keine Übung hat. Wie es
scheint, hat er die Kinder überzeugt, was ja schließlich die Hauptsache ist. Du
brauchst nun nicht gleich zu denken, daß ich mich nach Deinem Kompliment nun
gleich auf deutsche Schrift umstelle, denn dann würdest Du reichlich weniger
Post von mir erhalten können. Ich werde also in der üblichen Form weiter
verfahren.
Ich nehme an, daß Du inzwischen Deine
Ansicht über den schnellen Ablauf der Feiertage etwas geändert hast, oder
siehst Du es nun nicht gerne, weil ich so außergewöhnlich schnell zu Urlaub
gekommen bin, daß es Dir fast unwahrscheinlich erscheinen wird.
Wie ich lese, wart Ihr also inzwischen
wieder einmal im Keller und außerdem habt Ihr so ausgesprochen schlechtes
Wetter. Das Wetter ist bei uns auch komisch. Am Tage regnet es, was nur vom
Himmel runter will und nachts ist es mondhell und sternenklar. Es ist gut, daß
da niemand dran drehen kann.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und
geküßt bis zum Wiedersehen am Sonntag über 8 Tage. Soweit es möglich ist, werde
ich Dir etwaigen Ankunftstermin mitteilen. Es grüßt und küßt Dich nochmals Dein
Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 13.12.1940
Heute habe ich auch Dein Schreiben vom
9.12.40 erhalten, in dem Du Deiner Freude Ausdruck gibst, weil ich auf Urlaub
komme. Da war Dir diese Mitteilung scheinbar nicht so unangenehm, wie ich erst
und gestern auch noch vermutete. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, wie diese
Mittelung auf Euch gewirkt hat. Auch Jörgs Temperamentsausbrüche kann ich mir
ausmalen und Helga wird ja auch sehr überrascht gewesen sein. So wie es Euch
gegangen ist, genau so war es bei mir. Ich konnte es auch fast nicht glauben.
Na und über unseren Jagdausflug hast Du auch noch gelacht. Das war doch
hoffentlich nicht Schadenfreude.
Gestern war ich wieder im Konzert, ich
will nicht hoffen, daß das auf meine Gesundheit so nachteilige Folgen hat wie
das letzte Konzert. Das Programm ist wieder beigefügt. Darauf ist allerdings
ein Druckfehler, der fast wie ein Witz anmutet. Es heißt da D-Moll Dau,
synfonische Dichtung, das hat mit D-Moll also nichts zu tun gehabt, denn es
handelte sich hierbei um die Moldau. So etwas kann ja vorkommen. Am Abend werde
ich heute ins Theater gehen, doch darüber schreibe ich Dir morgen. Das gestrige
Programm hat mich auch wieder ganz und gar befriedigt. Es ist schon etwas Schönes
mit guter Musik.
Im Laufe der nächsten Woche werde ich dann
mein Briefschreiben einstellen, denn sonst kommen da noch Sachen an, wenn ich
schon lange daheim bin. Soeben trafen Deine Faltkartons ein, ich werde sie, soweit es noch notwendig
ist, verwenden, die übrigen hebe ich dann auf.
An die Eltern habe ich gestern eine Karte
geschrieben, daß ich Weihnachten auf Urlaub fahre und an Nanni schreibe ich
auch noch, damit sie auch recht unterrichtet sind.
Ich war vorhin im Variete. Ich muß sagen,
so bunt und unterhaltsam habe ich es selten gefunden. Es war wirklich ausgezeichnet
und sehr viel zum Lachen.
Das mit dem Wetter, wie ich es Dir gestern
berichtete, richtet sich wahrscheinlich ein , denn auch heute war am Tage unfreundliches
Wetter und nun ist zur Nacht der Vollmond wieder herausgekommen. Er scheint so
hell, daß fast alle Sterne dagegen verblassen.
Schlafe gut und wache gesund wieder auf.
Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich bis zum Wiedersehen, ebenso herzliche
Küsse sendet Euch allen Dein
Ernst.
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