Meine kleine Frau! O.U., den 28.1.41
Es ist wieder Feierabend und
ich habe mich heute zeitig auf mein Zimmer zurückgezogen. Gegen meine Absicht war es gestern spät
geworden. Ich hatte mich mit meinem Kameraden Graser so schön bei einigen
Gläschen Kognak auf meinem Zimmer unterhalten, dass es unversehens ½ 3 Uhr
heute früh war. Was ich nun gestern an Schlaf eingebüßt habe, will ich heute
nachholen. Man kann es schon eine ganze Weile aushalten, abends länger
aufzubleiben, doch wenn man am Tag angestrengt arbeitet, soll man sich von Zeit
zu Zeit etwas ausruhen. Du siehst also, dass ich immer noch nicht meinen
Grundsatz der gesunden Lebensweise ganz aufgegeben habe. Auf diese Weise kann
man auch wieder einmal in eine Zeitung sehen, sonst ist man ja überhaupt nicht
mehr auf dem Laufenden.
Heute ist nun der Geburtstag
Deines Vaters. Deinen Brief und Dein Päckchen wird er sicher noch rechtzeitig
erhalten haben. Meiner wird dagegen sicher etwas später ankommen.
Eben esse ich noch von den
Pralinen, die ich von Euch an Weihnachten erhalten hatte. Vor einem Monat war
ich noch bei Euch, und morgen sind es wieder vier Wochen her, als ich wieder
von Euch fort ging. Die Zeit geht doch rasend schnell vorbei. Manchmal
erscheint einem das kaum glaublich, wenn wieder eine Woche vorbei ist.
Die Post hat mich zwar heute
verlassen. Doch wie üblich, hoffe ich aus der gesammelten Erfahrung heraus auf
den kommenden Tag. Vom unveränderten Wetter ist heute nichts zu berichten. Ich
muß deshalb zur Abwechslung wieder einmal das Essen dran nehmen. Ja, unsere
Verpflegungsrationen sind immer noch wie früher reichlich. Es erscheint einem
manchmal erstaunlich, wie der Mann immer noch für so viele Leute so ein Essen
hinstellen kann. Es muß ja berücksichtigt werden, dass für die Versorgung der
übrigen hiesigen Bevölkerung immerhin Schwierigkeiten bestehen, die wohl in
erster Linie mit auf die Kriegsereignisse zurückzuführen sind. Mittags gibt´s
immer noch – hors d´oeuvre (Vorspeise), Hauptgang und Nachspeise, die heute
übrigens zwar auch ganz selten, aus feiner Sahne bestand. Abends wird Suppe,
Hauptgang und zum Nachtisch Brot mit Butter und Käse serviert. Manchmal ist es
fast zu viel. Wir können von uns nicht sagen, dass wir etwa Not leiden müssten,
auch wegen der Abwechslung gibt man sich die größte Mühe.
Nachdem ich nun wieder mit
Euch und vor allem mit Dir geplaudert habe, werfe ich nochmals einen Blick auf
Eure Bilder. Ich grüße Euch und wünsche Euch allen eine gute Nacht. Außerdem
sende ich Euch recht herzliche Grüße und Küsse. In Gedanken weilt so oft am
Tage bei Dir und den Kindern Dein Ernst.
Meine liebe kleine Annie! O.U., den 29.1.1941
Ich habe heute Deine beiden
Briefe vom 24./25. und 26.1. erhalten, für die ich Dir vielmals danke. Der
zwischendrin geschriebene hat mich ebenfalls erreicht. Ich muß schon sagen,
dass Dich Dein Bruder sehr wenig gestützt hat. Im Gegenteil, er hat Dir
teilweise das Herz schwer, sogar sehr schwer, gemacht. Statt dass er wie ein
Mann mit seinen eigenen Dingen selbst fertig wird, hat er Dir noch einen Teil
aufgeladen. Ich habe aufrichtiges Mitempfinden mit Dir, und Du kannst Dich
darauf verlassen, ich würde Dir das gerne abnehmen, und Siegfried würde ich zu
Recht stutzen. Nun bist Du allein, und ich kann Dir leider nicht helfen und Dir
gut zureden. Ich werde es aber bestimmt nachholen, wenn ich wieder heimkomme,
damit Du diese dummen Gedanken alle wieder vergisst. Ich bin auch davon
überzeugt, dass du als meine Frau doch wieder so stark bist, um über das
Grübeln hinwegzukommen. Halte Dich nur wie in den vergangenen Monaten aufrecht,
wenn es auch Energien kostet. Du weißt ja, dass man die Zähne manchmal ganz
fest zusammen beißen muß, um sich nach außen hin nichts merken zu lassen. Dies
war ja schon immer einer meiner Grundsätze, und Du wirst Dich ja unbedingt
daran halten. Also Kopf hoch und nicht unterkriegen lassen, das macht hart.
Es ist zwar etwas später wie
gestern, doch ich höre Radio und gegenwärtig wird eins meiner liebsten Stücke
gespielt: „Waldszene“ von Helmesbergen.
Bei mir geht, wie Du aus meinem
Antwortschreiben ersehen wirst, ziemlich laufend die Post ein. Ich verstehe
deshalb nicht, warum sie bei Dir so lange ausbleibt? Ich würde mich freuen,
wenn Du die Post auch regelmäßig bekommen würdest.
Ja, bei unseren beiden sieht
man schon, dass sie noch Kinder sind. Eins kommt mit einem Dreiangel nach Hause
und das andere ohne Absatz, und keins weiß, wieso?
Beim Streuselkuchen wäre ich
schon dabei, warum nicht auch?
Eure Bilder sehen zu mir
herüber. Ihr lacht mich alle drei an und ich wünsche Euch eine recht gute
Nacht. Sei Du vielmals gegrüßet und geküsst von Deinem Ernst
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