Montag, 1. Februar 2016

Brief 102 vom 30./31.1.1941


Meine liebe Annie!                                                                                  O.U., den 30.1.41              

Ich kann fast nicht verstehen, warum Du so unregelmäßig Deine Post erhältst. Ich schreibe doch immer regelmäßig, die Briefe müssen irgendwo unterwegs hängen bleiben. Ich will Siegfried auch deshalb seinen freundlichen Hinweis nicht persönlich nehmen, denn er gilt in diesem Fall an die Post weitergegeben.
Schade ist nun, dass sich der Pfaff nicht sehen lässt, wenn ich daheim bin, dann würde ich ihm Bescheid stoßen. Wenn er Dir ungemütlich wird, wirf ihn nur zum Tempel raus. Laß Dir nur von diesen Brüdern während meiner Abwesenheit nicht auch noch den Kopf schwer machen. Du kennst ja meinen Standpunkt in dieser Beziehung, und wenn es diesem Herrn nicht passt, nehmen wir sie ihm auch noch aus dem Unterricht heraus.
Vor acht Jahren erlebten wir bei uns daheim den großen Umbruch. Wer hätte es damals gedacht, dass wir nach 8 Jahren schon seit Monaten in Frankreich sitzen. Inzwischen wurde Unmögliches möglich gemacht. Wir hörten heute gemeinsam auf unserer Dienststelle die Rede des Führers, die an Sarkasmus ja nichts zu wünschen übrig ließ. Nach seinen Ankündigungen zu urteilen, wird es für unsere Feinde ein schreckliches Ende nehmen. Wir sind jedenfalls bereit zu allem. Außer dieser Rede hatte ich heute noch eine andere Freude, die eigentlich auch zu einem 30. Januar gehört. Hier marschierten verschiedene Truppenteile, dass einem das Herz im Leibe lachte, als sie aufmarschierten. Mich freut dann immer besonders, wenn meine Kompanie, die 4. drankommt.
Ich glaube, dass es für Jörg unangenehm ist, wenn er bei dem schlechten Wetter nicht so aus dem Zimmer heraus kann, wie er es gerne möchte. Wie Du aber schreibst, weiß er sich auch in der Stube zu beschäftigen.
Ich begrüße es, wenn Du anlässlich Siegfrieds Besuch wieder abends etwas ausgehst, damit Du wieder etwas siehst und für eine Weile auf andere Gedanken kommst.
Heute möchte ich noch etwas lesen. Ich bin zu diesem Zweck wieder zeitig nach Hause gegangen. Demnächst werde ich auch wieder einmal ins Theater gehen, sonst wird man ganz einseitig. Ich grüße und küsse Euch, meine Lieben daheim, recht oft und herzlich. Dein Ernst

Herzliebes Mädel!                                                                             O.U., den 31.1.1941    

Ich danke Dir vielmals für Deinen Brief vom 28.1 und freue mich mit Dir, dass Du endlich wieder einen Brief von mir erhalten hast. Nachdem Du so lange hast warten müssen, war es ja auch höchste Zeit. Mit meinem Arm habe ich fast kaum Schwierigkeiten mehr. Ich habe auch keine Sorgen mehr damit, es wird sich auch wieder einmal ganz verlieren.
Wegen des Fisches habe ich Dir ja inzwischen Bescheid gegeben, es ist Lachs. Wenn er Euch geschmeckt hat, bin ich ja zufrieden. Dieser Tage werde ich auch noch diese Rechnung bezahlen, dann bin ich wieder ganz schuldenfrei. Ich habe mir meine Sachen diese Woche wieder etwas herrichten lassen, dann ist auch immer wieder einmal das Bügeln der Hose fällig, oder wie heute, das Herrichten der Feldbluse. Es sind zwar Kleinigkeiten, doch sie wollen auch erledigt werden, denn man will ja schließlich anständig herumlaufen.
Die Rätselsendung habe ich übrigens auch gehört, und ich muß Dich direkt bewundern, mit welchem Eifer Du dabei warst. Herzlichen Glückwunsch zur richtigen Lösung, denn sie stimmt.
Gegenwärtig mache ich an einem Rachen- und Nasenkatarrh herum, bei dem man noch nicht genau weiß, ist er im Entstehen oder im Abflauen begriffen. Es ist ja schließlich ganz gleich, ich bin aber froh, wenn wieder bei solcher Gelegenheit aller Unrat, der sich im Laufe der Zeit im Körper angesammelt hat, wieder herausgeschafft wird.
In unserer Zeitung ist heute wieder ein Bild von Konstanz drin, außerdem findest Du noch einen Artikel mit einem kleinen Bild von Flandern, die sehr treffend die Landschaft kennzeichnen. Ich laß Dir die Zeitung mit zugehen.
Ich möchte für heute schließen und Dir eine gute Nacht zurufen. Grüße und küsse unsere beiden Borzels von mir und sei Du selbst vielmals grgrüßt und geküsst von Deinem Ernst.

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