Meine liebste Annie ! 28.2.43
Allerhand Post ist mir heute in die Bude geschneit. Von Dir
bekam ich drei Briefe 14. bis 16.2. Dann schrieben der Tommi und Alfred sowie
der Marinesturm. Für Deine lieben Briefe danke ich Dir vielmals. Ich glaube, Du
kommst nicht mehr ungestraft aus dem Kino. Das ist ja weniger schön, wenn Du
einen solchen Besuch mit Kopfschmerzen büßen mußt. Ich nehme an, daß Du über
all das unterrichtet bist, was bei uns sich hier abgewickelt hat. Weiteres
brauche ich wohl nicht mehr dazu erklären. Wie ich immer
auch heute feststellen kann, ist über unseren weiteren Einsatz noch nichts
heraus.
Der
Dienst wurde ja etwas weniger straff gehalten. Ein Teil der bei uns
beschäftigten Mannschaft wird zu den früheren Einheiten zurückversetzt. Der
Rest wird nach Möglichkeit beschäftigt. Aber es geht nicht sehr stramm her
dabei. Für mich hat sich wieder eine interessante Sache ergeben. Wie ich Dir
früher schon einmal mitteilte, musste ich aus dem Offizierkasino verschwinden,
weil ich rangmäßig nicht dorthin gehöre. Ich hatte mich damit abgefunden. Es
hatte sich alles eingerenkt. Heute kommt eine ? für den OvD heraus. Auf diesem Plan stehen nur Herren, die im Offiziersrang
stehen. Ich als einziger stehe aber noch mit darauf verzeichnet. Kein Feldwebel
befand sich drunter. Mir ist das vollkommen gleichgültig. Es berührte nur etwas
eigenartig, daß ich zum Dienst jetzt wieder als dazugehörig betrachtet werde.
Ich habe gleich meinen Chef darauf aufmerksam gemacht, der für entsprechende
Abhilfe sorgen will. Findest Du das auch nicht komisch? Daß sich die weiteren Einziehungen zur
Wehrmacht in der Heimat weiter spürbar bemerkbar machen, das kann ich mir schon
denken. Aber es ist schon besser, man macht nun radikal Schluss, als daß man
alles weiter hinauszögert. Nach dem sich hier in diesem Abschnitt die Lage
wieder etwas gefestigt hat, ändert sich nicht nur die Meinung der Bevölkerung,
sondern das Vertrauen in die eigene Kraft wächst allgemein wieder. Das ist viel
wert für uns und sehr notwendig. Aus
dem Brief Deines Vaters habe ich gelesen, daß es ihm nicht ordentlich ist und
daß er über seinen Magen klagt. Er sieht sich aber schon bald unter der Erde
liegen. Seit Jahren spricht er schon davon. Ich will gern glauben, daß er auch
das Alter spürt, aber immerhin muss man bei ihm solche Äußerungen mit einigem
Vorbehalt aufnehmen. Hoffen wir, daß dies nicht bald der Fall ist, denn ich
wünsche es ihm bestimmt nicht. Aus seinem Brief merkte ich, daß ihm der Tod von
Kurt nahegegangen ist. Er ist ja im allgemeinen etwas weich veranlagt,
besonders in einem solchen Fall. Den
Tommi hatte ich darum gebeten, daß er mir Radioröhren schicken sollte. Er hat
mir versprochen, zu versuchen, diese Röhren zu besorgen, aber er teilt mit, daß
Radioteile nicht mehr hergestellt würden. Wir müssen also abwarten, was sich
ergibt. Auf alle Fälle werde ich nochmals wegen des Widerstands schreiben. Er
schreibt sehr nett und ich habe mich gefreut über seine Anhänglichkeit. Der
Müller, der bei uns in Douai war, will ihn als Schulungs- und Sozialreferenten
einsetzen. Für die Volksdeutschen. Er hat aber abgelehnt, weil ihm das ein zu
unsicheres Geschäft ist. Er bleibt jetzt lieber Sonderführer und später
Studienrat. Daß auch der Cognac und der
Likör gut angekommen sind, freut mich sehr. Du kannst den Likör für Dich
verwenden, wenn Du Geschmack daran hast. Ich habe ja wieder eine kleine Flasche
vor wenigen Tagen abgesandt, die Du ebenfalls für Dich in Anspruch nehmen
kannst, wenn Du willst. Du brauchst aber keine Angst zu haben, daß ich Dich nun
zu einer Trinkerin ausbilden will. Du kannst also darüber verfügen. Ich habe
heute wieder ein Päckchen Nr. 28 fertiggemacht. Es enthält einmal etwas
geistige Nahrung. Ich denke, daß Du auch daran Gefallen haben wirst. Nimm viele herzliche Grüße und Küsse
entgegen und grüße Vater vielmals von mir. Dich mein liebes Mädel küßt vielmals
Dein Ernst.
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