Mittwoch, 28. Februar 2018

Brief 386 vom 28.02.1943


Meine liebste Annie !                                                                          28.2.43          

Allerhand Post ist mir heute in die Bude geschneit. Von Dir bekam ich drei Briefe 14. bis 16.2. Dann schrieben der Tommi und Alfred sowie der Marinesturm. Für Deine lieben Briefe danke ich Dir vielmals. Ich glaube, Du kommst nicht mehr ungestraft aus dem Kino. Das ist ja weniger schön, wenn Du einen solchen Besuch mit Kopfschmerzen büßen mußt. Ich nehme an, daß Du über all das unterrichtet bist, was bei uns sich hier abgewickelt hat. Weiteres
brauche ich wohl nicht mehr dazu erklären. Wie ich immer auch heute feststellen kann, ist über unseren weiteren Einsatz noch nichts heraus.
Der Dienst wurde ja etwas weniger straff gehalten. Ein Teil der bei uns beschäftigten Mannschaft wird zu den früheren Einheiten zurückversetzt. Der Rest wird nach Möglichkeit beschäftigt. Aber es geht nicht sehr stramm her dabei. Für mich hat sich wieder eine interessante Sache ergeben. Wie ich Dir früher schon einmal mitteilte, musste ich aus dem Offizierkasino verschwinden, weil ich rangmäßig nicht dorthin gehöre. Ich hatte mich damit abgefunden. Es hatte sich alles eingerenkt. Heute kommt eine ?  für den OvD heraus. Auf diesem Plan stehen nur Herren, die im Offiziersrang stehen. Ich als einziger stehe aber noch mit darauf verzeichnet. Kein Feldwebel befand sich drunter. Mir ist das vollkommen gleichgültig. Es berührte nur etwas eigenartig, daß ich zum Dienst jetzt wieder als dazugehörig betrachtet werde. Ich habe gleich meinen Chef darauf aufmerksam gemacht, der für entsprechende Abhilfe sorgen will. Findest Du das auch nicht komisch?  Daß sich die weiteren Einziehungen zur Wehrmacht in der Heimat weiter spürbar bemerkbar machen, das kann ich mir schon denken. Aber es ist schon besser, man macht nun radikal Schluss, als daß man alles weiter hinauszögert. Nach dem sich hier in diesem Abschnitt die Lage wieder etwas gefestigt hat, ändert sich nicht nur die Meinung der Bevölkerung, sondern das Vertrauen in die eigene Kraft wächst allgemein wieder. Das ist viel wert für uns und sehr notwendig.  Aus dem Brief Deines Vaters habe ich gelesen, daß es ihm nicht ordentlich ist und daß er über seinen Magen klagt. Er sieht sich aber schon bald unter der Erde liegen. Seit Jahren spricht er schon davon. Ich will gern glauben, daß er auch das Alter spürt, aber immerhin muss man bei ihm solche Äußerungen mit einigem Vorbehalt aufnehmen. Hoffen wir, daß dies nicht bald der Fall ist, denn ich wünsche es ihm bestimmt nicht. Aus seinem Brief merkte ich, daß ihm der Tod von Kurt nahegegangen ist. Er ist ja im allgemeinen etwas weich veranlagt, besonders in einem solchen Fall.  Den Tommi hatte ich darum gebeten, daß er mir Radioröhren schicken sollte. Er hat mir versprochen, zu versuchen, diese Röhren zu besorgen, aber er teilt mit, daß Radioteile nicht mehr hergestellt würden. Wir müssen also abwarten, was sich ergibt. Auf alle Fälle werde ich nochmals wegen des Widerstands schreiben. Er schreibt sehr nett und ich habe mich gefreut über seine Anhänglichkeit. Der Müller, der bei uns in Douai war, will ihn als Schulungs- und Sozialreferenten einsetzen. Für die Volksdeutschen. Er hat aber abgelehnt, weil ihm das ein zu unsicheres Geschäft ist. Er bleibt jetzt lieber Sonderführer und später Studienrat.  Daß auch der Cognac und der Likör gut angekommen sind, freut mich sehr. Du kannst den Likör für Dich verwenden, wenn Du Geschmack daran hast. Ich habe ja wieder eine kleine Flasche vor wenigen Tagen abgesandt, die Du ebenfalls für Dich in Anspruch nehmen kannst, wenn Du willst. Du brauchst aber keine Angst zu haben, daß ich Dich nun zu einer Trinkerin ausbilden will. Du kannst also darüber verfügen. Ich habe heute wieder ein Päckchen Nr. 28 fertiggemacht. Es enthält einmal etwas geistige Nahrung. Ich denke, daß Du auch daran Gefallen haben wirst.  Nimm viele herzliche Grüße und Küsse entgegen und grüße Vater vielmals von mir. Dich mein liebes Mädel küßt vielmals Dein Ernst. 

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