Samstag, 24. Februar 2018

Brief 380 vom 17.02.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                      17.2.43  
   
Ganz plötzlich bekamen wir Befehl zum Weitermarsch. Ich hatte Dir ja schon geschrieben, wo es hingehen wird und dort sind wir auch nun gelandet. Dadurch die inzwischen eingetretene Schneeschmelze war das keine so leichte Angelegenheit. Die Straßen befanden sich in einem Zustand, der mich auffallend an die Fahrt erinnerte, die ich im Sommer einmal unternommen hatte. Da war ein Gewitterregen eingetreten, der die Straße in ein Schlammbad verwandelte. So war das hier auch. Unser Kraftwagen tänzelte auf der Straße hin und her, das war geradezu gefährlich. Am ersten Tag waren wir etwa 15 mal im Graben gelandet. Vielfach lag das auch an unsrem Fahrer, der sich bald einen Spaß daraus gemacht hat. Er hat nach den verschiedenen Möglichkeiten gesucht, wie man einen Kraftwagen aus der Bahn bringen kann. Zum Glück ist, außer verschiedenen Schönheitsfehlern am Weg, nichts weiter passiert. Einiges Blech haben wir unterwegs liegen lassen müssen, weil der Wagen auf eine solche Beanspruchung nicht eingerichtet war. Ich muß schon sagen, daß ich mich eines eigenartigen Gefühls nicht erwehren konnte, als wir durch das Gebiet unseres ersten Kommandanturbereichs fuhren.  Es war ja schon ein andres Gefühl, als wir im letzten Sommer auf Vormarsch waren und uns beispielsweise in Mirgorod verabschiedeten. Durch Mirgorod selbst sind wir nicht gekommen, aber wir waren nicht weit davon weg. Die Fahrt von unsrem alten Ort nach hier haben wir in 1 ½ Tagen bewältigt. Froh waren wir, als wir am Bestimmungsort ankamen. Obwohl das Wetter nicht ungünstig war, so war es doch immerhin reichlich kalt. Eine Scheibe im Wagen war kaputtgegangen, so daß es ganz ordentlich hereinzog. Trotz der verschiedenen Hindernisse sind wir gestern glücklich gelandet. Unseres Bleibens wird aber auch nicht lange sein. Wahrscheinlich wird es so gehen, daß wir uns erst wieder komplett einrichten und nebenbei unseren Dienst tun, und wenn wir dann soweit sind, dann geht es wieder weiter. Ob das der Fall sein wird, kann  man aber noch nicht genau sagen. Unsere gegenwärtige Unterbringung ist ausgezeichnet. Wir befinden uns im großen Gebäude von Kiew.  Das Haus hat zehn Stockwerke. Eine große Hauptfront und zwei große Nebenflügel. Wir wohnen im 5. Stock und haben Zimmer 540 usw. Daran kannst Du ersehen, was für ein Komplex das ist. Vor unsrem Büro hat man bei klarem Wetter einen schönen Blick über die Stadt und den Dnjepr und weit hinaus in die Steppenlandschaft. Wie auch gegenwärtig die Dingen liegen mögen, so habe ich doch keine Bange, daß dieser Feldzug schief gehen würde. Mit einem Hin und Her wegen der Fronten muß man vor allem bei diesen Entfernungen rechnen. Es wird sich nur zeigen, wer den längeren Atem hat. Ich hege keinen Zweifel daran, daß wir das sind. Es ist ein äußerst harter und zäher Gegner, davon haben wir uns inzwischen in jeder Weise überzeugen können. Die Opfer, die dieser Krieg bis jetzt von uns gefordert hat, sind ja auch ungleich höher, als die anderen geführten Kriege bisher. Wir dürfen aber trotzdem nicht verzagen und klein beigeben. Wir haben ja auch schon unser Opfer, unser großes Opfer gebracht. Hoffen wir, daß sein Opfer nicht umsonst gegeben wurde und uns die Früchte bringt, die dieses Opfer wert war. Die Entbehrungen sind ja im Vergleich zu dem so bescheiden und gering, daß man in keiner Weise davon sprechen kann. Wenn ich mir das Bild von Kurt ansehe, auf dem er doch sehr lebendig aussieht, dann glaube ich immer noch, daß es nicht möglich ist, daß er hat von uns gehen müssen. Es ist zu schade um ihn. Wir müssen uns aber mit diesem Gedanken abfinden, so hart es auch ist, daß er nicht mehr wiederkommt. In Poltawa habe ich noch verschiedenes für Dich, mein liebes Mädel, organisieren können.  Wir hatten Gelegenheit mit Frachtgut eine Kiste in die Heimat zu senden. Ich habe diese Gelegenheit wahrgenommen und ich hoffe, daß sie gut ankommt. Der Kiste habe ich ein Inhaltsverzeichnis beigefügt. Es ist etwas Mehl dabei. Es ist kein weißes Mehl, aber ich denke, wenn Du es mit anderem mischst, dann kannst Du es sicher noch gut verwenden. Eine kleine Flasche Öl hatte ich auch noch beigefügt. Ich glaube, daß Du für alles schon Verwendung finden wirst. Wie wir das organisiert haben, das muß ich Dir später einmal erzählen, denn das war wieder einmal ein ordentlicher Streich. Hier habe ich noch Butter und Öl, das ich alsbald auf den Weg bringen möchte, damit Du einige kleine Vorräte hast und nicht auf das angewiesen bist, was Euch nur zugeteilt wird.  Von unserer Marschverpflegung habe ich mir noch Speck aufgespart, den Ihr auch noch bekommt. Ich weiß, daß Ihr es brauchen könnt.  Ich will dafür zwar keine Lobeshymnen hören, Du sollst aber daran sehen, wie ich immer an Euch und für Euch denke. Zwei weitere Päckchen kann ich noch mit Mehl fertig machen. Das ist aber gutes Mehl. Dazu brauche ich wohl nicht weiter erwähnen wie oben. Ich muß nur noch abwarten, bis unser Waggon mit unserem Gepäck hier ankommt, dann geht es los. Auf Deine Briefe kann ich jetzt nicht weiter eingehen, denn die habe ich in meinem Koffer eingepackt, auf die ich auch noch warte.  Gesundheitlich geht es mir ganz ordentlich. Ich hoffe, daß Ihr alle auf der Höhe seid, denn ich hätte zu gern die nächste Post wieder von Dir in Händen. Man macht sich doch immer Gedanken, wie alles daheim steht. Ich grüße Dich, mein liebstes Mädel.  Du entschuldigst bitte, daß ich Dir die vergangenen Tage nicht schreiben konnte, aber in diesem Trubel war es bestimmt nicht möglich. Ich hoffe, daß ich es jetzt, wenn alles etwas abklingt, wieder eher kann. Voraussetzung dazu ist, daß wir nicht gleich weiter müssen.  Ich grüße und küsse Dich, mein liebster Schatz, vielmals herzlich und bitte Dich, den Kindern jedem einen Klaps von mir zu geben und sage zu ihnen, daß ich in Liebe an sie denke, wie auch an Dich. An Vater richte herzliche Grüße aus und denke Du an Deinen Ernst.

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