Mein
liebster Schatz ! 8.2.43
Vor
zwei Tagen sind wir hier nun angelangt. Es war sehr windig und kalt. Wir waren
aber gut mit Kleidung versorgt, so daß es einigermaßen auszuhalten war. Ich
hatte mir noch einen Übermantel besorgt und dann ein Paar Filzschuhe, die dann
die Füße schön warmgehalten haben. Über die Einzelheiten dieses Rückmarsches
kann ich hier nicht viel schreiben. Es ist jedenfalls keine erhebende
Angelegenheit. Ob und wann wir nun hier im Ort bleiben, das ist noch nicht
klar. Wir richten uns jedenfalls nicht erst sehr groß ein, ausgepackt wird nur
das Notwendigste, denn wir sind ja erstens im Platz sehr beschränkt, und dann
zum zweiten müsste man das dann alles erst wieder verpacken. Mit der Arbeit
geht es so hin. Wir haben durch die Veränderung mancherlei andere Sachen zu
tun, was sonst nicht durch uns erledigt würde.
Nachtarbeit gehört zu den täglichen Dingen. Es wird oft nachts zwei Uhr,
dagegen haben wir am Tage nicht gerade viel Arbeit. Doch man muß immer hier sitzen und der Dinge warten, die da
kommen. Da ja die Feldpost von hier aus nicht weggeht, denn es sind vorerst
wichtigere Dinge zu erledigen, habe ich es unterlassen, die vergangenen zwei
Tage zu schreiben. Ich war auch tatsächlich durch die Ereignisse nicht in der
Stimmung, Dir etwas Ordentliches zu schreiben. Heute bin ich schon etwas
abgeklärter, und man sieht schon eher über die Vorkommnisse hinweg.
Gesundheitlich ist alles in Ordnung. Ich wohne zur Zeit auf meinem Büro. Daß
man da nicht zum Schlaf kommt, wird Dir wohl dadurch erklärlicher sein. Man muß
sich aber einrichten. Warm ist es zwar nicht sehr, doch dafür behält man eben
den Mantel an, wenn es einem mit der Wärme nicht ausreicht. Der Schreibtisch
ist Waschtisch, darauf wird gefrühstückt und gearbeitet. Es sind bald solche
Verhältnisse, wie wir seinerzeit in Kschen hatten. Den Vorteil haben wir hier
zwar, daß wir unser Bett mitgenommen hatten und daß wir Fensterscheiben in den
Räumen haben. Wie dem auch sei, man ordnet sich den Verhältnissen unter. Eine
andere Lösung bleibt einem ja nicht übrig. Durch die ? eines anderen
Postweges mußt Du Dich nicht beeinflussen lassen, denn meine Anschrift bleibt
wie bisher bestehen. Ich bin für heut
am Ende meiner Weisheit und bitte Dich, mit diesem verhältnismäßig kurzen Gruß
vorlieb zu nehmen, denn ich möchte Dich nicht solange ohne Lebenszeichen
lassen. Bleibe gesund und sei mit den Kindern vielmals gegrüßt und geküßt von
Deinem viel an Dich denkenden Ernst.
Schon wieder hat sich die Situation geändert. Ich kann
also doch diesen Brief über Feldpost an Dich auf den Weg bringen. Ich hoffe,
daß er Dich nun auch so erreichen wird. Zwei Päckchen habe ich an Dich
fertiggemacht. Eines enthält eine Büchse Fleisch und eines eine Büchse mit
Fisch. Ein paar Bonbons habe ich beigefügt. Die Päckchen haben die Nummer 16.
und 17. Ich hoffe, daß Euch die Sachen richtig erreichen und wünsche, daß Ihr
sie bei guter Gesundheit verzehren könnt. Nochmals recht herzliche Grüße und
viele Küsse sendet Dir Dein Ernst.
Meine
liebste Annie ! 9.2.43
Seit
über einer Woche habe ich von Dir keine Post bekommen. Wie lange dies noch
anhalten wird, ist nicht abzusehen. Es kann sein, daß es vielleicht schnell
geht, doch das Gegenteil kann auch der Fall sein. Am besten wird sein, ich
wappne mich mit Geduld und lass mich im Glücksfall überraschen. Ich sitze nun
wieder an meinem pompösen Schreibtisch aus Urvaters Zeiten, der durch den
langen Gebrauch etwas schwach auf den Füßen geworden ist. Er kommt mir vor wie
ein Storch, wenn er auf einem Bein müde geworden ist, zieht er es ein. Er
wackelt hin und her und es ist nicht leicht, in diesem Tempo mitzuwiegen. Mit
den Knien muß man immer etwas abbremsen und festhalten. Soweit man keine
Beschäftigung hat, ist das ja eine ganz nette Unterhaltung. Mit der Zeit wirkt
sie nur etwas einseitig. Wenn man ihn an ein anderes Möbelstück anlehnt, steht
er sogar von selbst. Aber auch gutes Zureden soll etwas helfen. Nach tagelang bewölktem Himmel, hat sich die
Sonne wieder durchgesetzt. Der frisch gefallene Schnee und der blaue Himmel
gäbe einen schönen Kontrast und es erweckt den Anschein, daß es nicht mehr weit
zum Frühjahr ist. Dieser Anschein wird ja auch durch den Kalender bestätigt.
Bald haben wir Mitte Februar und im Februar gibt es schon die ersten warmen
Tage. Soweit ich freie Zeit dazu hatte, habe ich wieder einmal ein größeres
Buch ausgelesen. Es handelt sich um das Schicksal eines jungen Menschen, der in
einem Jesuiteninternat erzogen wurde. Es war als solches, vor allem in Bezug
auf das Leben in diesem Internat, interessant zu lesen. Aber ich muß sagen, es
ist mir selten so oft vorgekommen, daß meine Gedanken abschweiften, wie gerade
in diesen Tagen. Immer und immer wieder mußte ich an das Schicksal unseres Kurt
denken, sobald sich in irgendeiner Beziehung eine Parallele ergab. Vielfach
ertappte ich mich dabei, wie ich wohl lese, aber mit meinen Gedanken beim
diesem traurigen Geschehen war. Es ist einfach zu hart, was einem damit
wiederfährt. Da wir nun schon solange keine Post mehr erhalten habe, bin ich
auch nicht im Bilde, was Ihr weiter zu diesem so in das Familienleben
einschneidenden Vorkommnis sagt. Ich komme hier auch vorerst nicht dazu, an die
Familie Frick zu schreiben. Vielleicht
es es schon von Euch geschehen. Ich werde noch etwas abwarten. Etwas anderes muß ich in diesem Zusammenhang
mit Dir besprechen. Vor längerer Zeit wurde bei uns, wie im letzten Jahre auch,
zusammengestellt, welche von den jungen Kriegsverpflichtungsbeamten für die
Truppe herausgezogen werden. Ich habe Dir mit Absicht davon nichts geschrieben.
um Dich nicht zu beunruhigen. Denn ich weiß, daß Du Dir bestimmt mehr Gedanken
gemacht hättest, als es erforderlich wäre. Bis vor wenigen Tagen wäre das auch
wirklich nicht notwendig gewesen, denn der Einsatz von Beamten hier im Osten,
die geeignet sind, stießen auf gewisse Schwierigkeiten, so daß man doch nur auf
die erfahrenen Kräfte zurückgreifen konnte. Durch die veränderte taktische Lage
kann es möglich gewesen sein, daß man uns jetzt doch herauszuziehen
beabsichtigt. Mit meinem Jahrgang schneidet es ja ab. Alles, was älter wie 08
ist, kommt dafür nicht mehr in Frage. Ich sehe aber gerade hier bei diesem
Stab, mit welchen Mitteln gearbeitet wird, sich aus allen diesen Dingen
herauszuhalten. Es werden Mittel angewendet, die einem lächerlich erscheinen
müssen, vor allem, wenn man dabei berücksichtigt, daß es sich teilweise um
junge Gesellen handelt und ähnlichen unglücklichen Figuren, die man immer noch
mit aushalten muß. Wenn sich schon diese Herrschaften unbegründeter Weise von
ihren Pflichten drücken wollen und wie ich sie kenne auch drücken werden, so
halte ich es Euch allen gegenüber als meine Pflicht, meine Gesundheit so weit
es möglich ist, für Euch und vor allem für später zu erhalten. Ich betrachte
dies im weiteren Sinn als den Erhalt des großen Opfers, das Kurt uns allen
gebracht hat, wenn ich jetzt auf den Führerbefehl abheben werde, wenn die Sache
wegen des Austausches an mich herantreten wird. In diesem Befehl ist davon die
Rede, daß letzte Söhne aus einer Familie, die bei zwei Söhnen einen in diesem
Kriege verloren haben, aus der kämpfenden Truppe herauszuziehen und zum
Ersatzheer zu versetzen sind. Dies soll nicht erst auf besonderen Antrag geschehen,
sondern die Einheitsführer sollen schon von sich aus diese Aussonderung
vornehmen. Dieser Fall trifft ja bei uns nun zu. Du weißt, daß ich kein
größerer Held wie die anderen bin, ich bin aber auch noch nie ein Feigling
gewesen. Ich habe mich bisher ohne irgendwelche Gegenmaßnahmen zu ergreifen,
immer in das hineingeschickt, was sich gerade ergab. Aber, wie ich Dir schon in
meinen vorliegenden Zeilen erklärt habe, werden Dir die Gründe verständlich
erscheinen, die ich im Interesse der Familie zu unternehmen gedenke. Ich weiß
zwar nicht, ob Du dies mit Vater besprechen willst. Diese Entscheidung liegt ja
zuletzt bei uns. Wenn Du es aber von
Dir aus für notwendig hältst, dann überlasse ich es vollkommen Dir, diese
Unterrichtung vorzunehmen. Wie gesagt, ich werde erst abwarten, denn die
Meldung ist vor einiger Zeit herausgegangen. Ich bin kv geschrieben wie die
anderen Herren auch, aber ich kenne diese Brüder alle, sie wehren und stemmen
sich dagegen, wenn es dann darauf ankommt, und wenn es dann hart auf hart geht.
Wenn ich also von hier weggenommen würde, dann müsste ich beim Ersatzheer
verwendet werden. Dies ist zwar noch nicht dem gleichbedeutend wie meine
augenblickliche Tätigkeit. Ich habe auch das Empfinden, daß ich hier nützlicher
eingesetzt bin, wie gerade beim Ersatzheer, wo ich dann vielleicht auf eine
Schreibstube gesteckt würde. Im Endeffekt käme ein Minus dabei heraus. Schreibe
mir bitte umgehend Deine Ansicht darüber, damit ich sehe, ob wir uns einig
sind. Mit der Beleuchtung ist es im wahrsten
Sinne des Wortes sehr trüb. Wir haben, wie es bei vornehmen Leuten üblich ist,
elektrisches Licht. Das brennt aber so hell, daß es kaum Helligkeit einer Kerze
ausmacht. Auf dem Tisch steht eine Karbidlampe, die ihre Macken hat. Lässt man
zuviel Wasser hinein, dann fliegt sie einem bald in die Luft und Flammen
schlagen aus allen Löchern entgegen, das geradezu gefährlich ist, daneben zu
sitzen. Das sicherste ist immer noch die Kerze. Wenn da der Wind nicht gerade dazwischenbläst, dann brennt sie in einer
regelmäßigen Stärke, die gerade zum Schreiben ausreicht. Denn die Karbidlampe
ist so launisch und verbreitet nicht die Helle, die wünschenswert wäre. Es geht
sehr kriegsmäßig zu, aber damit hat man sich schon längst abgefunden.
Einen dicken Schnupfen habe ich wieder einmal im
Gesicht, das ist zwar weniger schön, doch bei mir gehört das sonst
normalerweise zu den Erscheinungen des Winters. Das kennst du ja schon zur
Genüge an mir. Ich hoffe, daß er bald abklingen wird, dann geht es auch wieder. Wichtiges habe ich nicht weiter zu erwähnen.
Ich möchte darum meinen heutigen Brief abschließen. Sei recht herzlich gegrüßt
und vielmals geküßt von Deinem Dich fest liebenden Ernst.
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