Meine
liebste Frau, liebe Annie ! 3.2.43
Durch
das tragische Ende unseres Kurt sind wir noch enger zusammengerückt. Ich kann
es immer noch nicht fassen, daß ein solch junger Mensch ausgelöscht sein soll.
Wenn er auch in seinem Wesen sehr zurückhaltend war, so weißt Du, daß er mir
immer leid getan hat, weil er so wenig Glück hatte. Ich habe darum immer wieder
versucht, ihm nahe zu kommen, doch es ist nie so recht gelungen. Daß er aber
auch an uns hing, das haben seine Besuche bei uns und seine ganze Aussprüche
klargelegt. Daß wir ihm in gewisser Weise eine Heimstatt bieten konnten, das
ist mir immer noch tröstlich. Durch dieses bittere Ereignis und auch durch die
gegenwärtige starke Beanspruchung im Dienst, habe ich Tage härtester seelischer
Belastung hinter mir. Ich hoffe aber, alles durch die Arbeit wieder überwinden
zu können. Zu gern wäre ich jetzt mit Euch zusammen, aber man muß hier
aushalten und zusehen, wie man mit allem fertig wird. Es ist eine Belastung,
die auch an starken Nerven zerrt. Ich glaube, daß Ihr Euch gegenseitig doch
unterstützen könnt. Heute kann ich erst richtig nachspüren, was es beim Tod
Deiner lieben Mutter für Dich bedeutet hatte, wenn ich nicht zuhause gewesen
wäre. Wenn man mit allem allein fertig werden muß, das ist äußerst hart und
schmerzlich. Du brauchst Dich aber bestimmt nicht um mich sorgen, denn wie ich
schon schrieb, die Arbeit nimmt mich sehr stark in Anspruch, so daß ich nur
abends, wenn ich auf meinem Zimmer sitze, Zeit habe zum Nachdenken. Ich bleibe
aber auch nur solange munter, bis ich meinen Brief an Dich geschrieben habe.
Ich versuche mich in den Schlaf zu retten und dort zu vergessen, denn sonst
kommt man aus dem Nachdenken nicht heraus. Ich bin aber schon so müde, daß ich
bald einschlafe. Ich will noch an die
Einheit von Kurt schreiben, daß man mir ein Bild vom Grab unseres Kurt
beschafft. Wenn es durch die Einheit nicht gemacht werden kann, so soll es der
Gräberoffizier machen. Hoffentlich
erreiche ich etwas. Für Euch meine
Lieben, habe ich wieder ein Päckchen beieinander. Die Dose Fisch, die ich
mitgesandt habe, muß aber warm gegessen werden. Ein Glas Honig und einige
Bonbons füllen das Päckchen noch auf. Das Päckchen bekommt die Nummer 16. Jetzt
habe ich alle Kartons wieder zurück und alles, was mich irgendwie belastet,
habe ich auch aus der Hand Den Honig habe ich mir von der Verpflegung
aufgehoben. So brauche ich doch das Glas nicht leer nach hause schicken. Eine
Zahnbürste habe ich auch noch beigefügt. Wenn Du sie nicht brauchst, so kannst
Du sie ja noch aufheben. Vielleicht kann ich sie dann später wieder verwenden.
Ich hatte sie schon einmal in Benutzung, aber ich habe noch eine andere
bekommen, die ich nun erst noch aufbrauchen will. Du muß sie aber nicht für
mich aufheben, denn ich erhalte schon wieder etwas. In der festen Zuversicht, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund
seid, bin ich mit vielen herzlichen Grüßen und recht herzlichen Küssen Dein
Ernst.
Mein
liebstes Mädel ! 4.2.43
Ich
sitze heute nur noch auf Kisten, denn wir haben uns zum Rückmarsch vorbereitet.
Morgen geht es zurück. Post wird wohl nicht mehr angenommen, aber ich will Dir
diese Nachricht wenigstens soweit schreiben, damit ich sie dann gleich aufgeben
kann. Ich weiß ja nicht, wie ich dann gleich dazukomme. Wir ziehen uns an den
Ort zurück, an den ich vorher hätte kommen sollen. Er fängt mit P an. Wenn wir
von hier weggehen, so liegt da noch lange kein Anlass zu irgendwelchen
Befürchtungen vor, denn eine solche Verlegung hängt mit der Eigenart unserer
Dienststelle zusammen. Wie lang wir dort bleiben, hängt ganz und gar von der
weiteren Entwicklung der Lage ab. Ich bin froh, daß ich in der vergangenen Zeit
noch die verschiedenen Sachen nach haus gesandt habe, denn sie wären mir sonst
eine Belastung. Das Päckchen, das ist noch an Dich absenden wollte, konnte ich
nicht mehr aufgeben, weil die Annahme von hier aus gesperrt ist. Ich werde es
aber bald von der neuen Stelle aus absenden.
Durch den starken Betrieb habe ich wohl etwas Ablenkung, ich kann es
aber immer noch nicht fassen, daß Kurt nicht mehr sein soll. Trotzdem wir nicht
viel miteinander gesprochen hatten, ist mir sein Tod sehr nahe gegangen. Ich
kann es kaum glauben. Post bekommen wir
ja schon seit Tagen nicht mehr. Es werden auch noch einige Tage vergehen, bis
uns wieder welche zugestellt wird. Doch solange man gesund ist, kann man es
noch hinnehmen, denn man weiß, daß es jetzt nicht anders geht. Körperlich geht
es mir auch ganz gut, ich kann in dieser Hinsicht bestimmt nicht klagen. Nimm heute mit diesem kurzen Gruß vorlieb,
denn ich wollte Dich doch nicht längere Zeit ohne Nachricht sein lassen. Sei
Du, mein liebes Mädel, vielmals herzlich gegrüßt. Grüße auch Vater von mir und
sage ihm, daß ich gerne daheim wäre, um Euch allen die Stütze zu sein, die ich
sonst sein könnte, wenn ich zuhause wäre.
Lasse Dich und die Kinder vielmals küssen von Deinem so viel an Dich
denkenden Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen