Montag, 5. Februar 2018

Brief 377 vom 03./04.02.1943


Meine liebste Frau, liebe Annie !                                                           3.2.43  
       
Durch das tragische Ende unseres Kurt sind wir noch enger zusammengerückt. Ich kann es immer noch nicht fassen, daß ein solch junger Mensch ausgelöscht sein soll. Wenn er auch in seinem Wesen sehr zurückhaltend war, so weißt Du, daß er mir immer leid getan hat, weil er so wenig Glück hatte. Ich habe darum immer wieder versucht, ihm nahe zu kommen, doch es ist nie so recht gelungen. Daß er aber auch an uns hing, das haben seine Besuche bei uns und seine ganze Aussprüche klargelegt. Daß wir ihm in gewisser Weise eine Heimstatt bieten konnten, das ist mir immer noch tröstlich. Durch dieses bittere Ereignis und auch durch die gegenwärtige starke Beanspruchung im Dienst, habe ich Tage härtester seelischer Belastung hinter mir. Ich hoffe aber, alles durch die Arbeit wieder überwinden zu können. Zu gern wäre ich jetzt mit Euch zusammen, aber man muß hier aushalten und zusehen, wie man mit allem fertig wird. Es ist eine Belastung, die auch an starken Nerven zerrt. Ich glaube, daß Ihr Euch gegenseitig doch unterstützen könnt. Heute kann ich erst richtig nachspüren, was es beim Tod Deiner lieben Mutter für Dich bedeutet hatte, wenn ich nicht zuhause gewesen wäre. Wenn man mit allem allein fertig werden muß, das ist äußerst hart und schmerzlich. Du brauchst Dich aber bestimmt nicht um mich sorgen, denn wie ich schon schrieb, die Arbeit nimmt mich sehr stark in Anspruch, so daß ich nur abends, wenn ich auf meinem Zimmer sitze, Zeit habe zum Nachdenken. Ich bleibe aber auch nur solange munter, bis ich meinen Brief an Dich geschrieben habe. Ich versuche mich in den Schlaf zu retten und dort zu vergessen, denn sonst kommt man aus dem Nachdenken nicht heraus. Ich bin aber schon so müde, daß ich bald einschlafe.  Ich will noch an die Einheit von Kurt schreiben, daß man mir ein Bild vom Grab unseres Kurt beschafft. Wenn es durch die Einheit nicht gemacht werden kann, so soll es der Gräberoffizier machen.  Hoffentlich erreiche ich etwas.  Für Euch meine Lieben, habe ich wieder ein Päckchen beieinander. Die Dose Fisch, die ich mitgesandt habe, muß aber warm gegessen werden. Ein Glas Honig und einige Bonbons füllen das Päckchen noch auf. Das Päckchen bekommt die Nummer 16. Jetzt habe ich alle Kartons wieder zurück und alles, was mich irgendwie belastet, habe ich auch aus der Hand Den Honig habe ich mir von der Verpflegung aufgehoben. So brauche ich doch das Glas nicht leer nach hause schicken. Eine Zahnbürste habe ich auch noch beigefügt. Wenn Du sie nicht brauchst, so kannst Du sie ja noch aufheben. Vielleicht kann ich sie dann später wieder verwenden. Ich hatte sie schon einmal in Benutzung, aber ich habe noch eine andere bekommen, die ich nun erst noch aufbrauchen will. Du muß sie aber nicht für mich aufheben, denn ich erhalte schon wieder etwas.  In der festen Zuversicht, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid, bin ich mit vielen herzlichen Grüßen und recht herzlichen Küssen Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel !                                                                      4.2.43  
        
Ich sitze heute nur noch auf Kisten, denn wir haben uns zum Rückmarsch vorbereitet. Morgen geht es zurück. Post wird wohl nicht mehr angenommen, aber ich will Dir diese Nachricht wenigstens soweit schreiben, damit ich sie dann gleich aufgeben kann. Ich weiß ja nicht, wie ich dann gleich dazukomme. Wir ziehen uns an den Ort zurück, an den ich vorher hätte kommen sollen. Er fängt mit P an. Wenn wir von hier weggehen, so liegt da noch lange kein Anlass zu irgendwelchen Befürchtungen vor, denn eine solche Verlegung hängt mit der Eigenart unserer Dienststelle zusammen. Wie lang wir dort bleiben, hängt ganz und gar von der weiteren Entwicklung der Lage ab. Ich bin froh, daß ich in der vergangenen Zeit noch die verschiedenen Sachen nach haus gesandt habe, denn sie wären mir sonst eine Belastung. Das Päckchen, das ist noch an Dich absenden wollte, konnte ich nicht mehr aufgeben, weil die Annahme von hier aus gesperrt ist. Ich werde es aber bald von der neuen Stelle aus absenden.  Durch den starken Betrieb habe ich wohl etwas Ablenkung, ich kann es aber immer noch nicht fassen, daß Kurt nicht mehr sein soll. Trotzdem wir nicht viel miteinander gesprochen hatten, ist mir sein Tod sehr nahe gegangen. Ich kann es kaum glauben.  Post bekommen wir ja schon seit Tagen nicht mehr. Es werden auch noch einige Tage vergehen, bis uns wieder welche zugestellt wird. Doch solange man gesund ist, kann man es noch hinnehmen, denn man weiß, daß es jetzt nicht anders geht. Körperlich geht es mir auch ganz gut, ich kann in dieser Hinsicht bestimmt nicht klagen.  Nimm heute mit diesem kurzen Gruß vorlieb, denn ich wollte Dich doch nicht längere Zeit ohne Nachricht sein lassen. Sei Du, mein liebes Mädel, vielmals herzlich gegrüßt. Grüße auch Vater von mir und sage ihm, daß ich gerne daheim wäre, um Euch allen die Stütze zu sein, die ich sonst sein könnte, wenn ich zuhause wäre.  Lasse Dich und die Kinder vielmals küssen von Deinem so viel an Dich denkenden Ernst.

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