Dienstag, 13. Februar 2018

Brief 379 vom 10./12.02.1943


Mein liebster Schatz !                                            10.2.43   
    
Es geht wieder dem Abend zu. Die Karbidlampe steht auf meinem Schreibtisch und meine Gedanken eilen zu Euch, meine Lieben. So langsam fängt man sich in diesen Betrieb einzugewöhnen. Durch solch eine Wechsel wird man aus dem alltäglichen Betrieb herausgerissen. Anfänglich geht es etwas durcheinander und bald geht der Apparat auf alten Touren. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich umstellt und in alles hineinfindet. Es renkt sich aber alles mit der Zeit ein und dann geht es weiter wie es vorher war.  Man kann sagen, dass das ein Zeichen unserer deutschen Schule und unserer Ausbildung ist, die sich dann immer wieder bewährt, wenn es darauf ankommt. Jetzt, seit ich diesen Brief schreibe, hat sich schon wieder etwas eingerichtet, wir haben unsere Karbidlampen ausmachen können, denn das elektrische Licht ist nun intakt.  Es war auch nicht so einfach mit dieser Karbidlampe. Entweder hatte sie zu wenig Wasser, dann spendete sie ein trübes Licht, bei dem man sich die Augen verderben konnte. Ließ man dagegen das Wasser stark tropfen, dann lief man Gefahr, daß einem das ganze Ding in die Luft flog. Dieser Zustand ist ja nun auch behoben.  Post ist uns wohl zugesichert worden, doch es kann wohl noch eine Weile gehen, bis wir sie bekommen. Ich bin ja sehr in Sorge, was sich nun nach unsrem Trauerfall ergeben hat, denn ich weiß ja nichts weiter, als die kurze Nachricht, die ich noch von Euch bekam. Seither ist ja alles wie abgeschnitten. Wie ich weiß, ist diese Post wohl alle gerettet, aber bis sie zur Verteilung gelangt, vergeht schon noch einige Zeit. Ich hoffe, daß Dich mein Luftpostbrief bald erreicht hat.  Wie ich Dir wohl schon mitteilte, ist es sehr wahrscheinlich, daß wir uns hier nicht lange aufhalten werden. Es kann sein, daß wir noch im Laufe dieser Woche hier weiterrücken. Wenn das der Fall ist, dann wird es nach Kiew gehen. Zu gegebener Zeit werde ich Dir darüber dann schreiben. Ich habe das in bestimmter Absicht geschrieben, damit Du Dir keine Sorge machst und damit Du weißt, wo ich stecke. Ich nehme an, daß Ihr über die Entwicklung der Lage immerhin einigermaßen unterrichtet seid. Weniger angenehm ist, das „Aus dem Koffer leben“.  Alles, was man hat, befindet sich immer im Koffer. Jedes Stück, das man braucht, muß man erst heraussuchen. Damit es nach dem Gebrauch nicht herumliegt, packt man es wieder weg. Nach kurzer Zeit ist alles durcheinander. Dann fängt das Aufräumen an, denn die Unordnung kann man nicht bleiben lassen. Das geht ja schon seit Charkow her. Dort habe ich die meisten Sachen ja auch im Koffer aufbewahrt, weil ich noch keinen Schrank hatte. Mit der Zeit bekommt man einigermaßen Geschick. Aber es ist doch nicht das Richtige.  Mit unserer Verpflegung kommen wir auch langsam wieder in Ordnung. Die vergangenen Tage hatten wir reichlich Anlass zur Klage. Heute bekommen wir sogar Bohnenkaffee und das Mittagessen war immerhin soviel, daß man sich den Bauch voll schlagen konnte. Wenn der Magen beruhigt ist, kann man über alle Dinge, die einem nicht angenehm sind hinwegsehen.  Ich habe Dir heute nur so von den kleinen Sorgen des Alltags berichtet. Ich denke, daß Du aber dadurch auch Anteil an dem hast, was einem so am Tage begegnet und berührt.  Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bin der festen Zuversicht, daß Ihr meine Liebe, alle gesund seid. Dir, mein liebes Mädel, sende ich recht herzliche Küsse und bin mit viel Liebe Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                             12.2.43   
      
Ich komme heute auch nicht so richtig zum Schreiben. Gestern hatte ich keine Zeit, denn ich war dienstlich äußerst in Anspruch genommen. Ich bin wieder, wie die meisten Nächte vorher, erst nach Mitternacht ins Bett gekommen. Soweit ich zwischendurch Zeit dazu hatte, musste ich verschiedenes verpacken, das ich an Dich abschicken will. Daß das alles viel aufhält, das kannst Du Dir wohl denken. Was und wie ich das alles gemacht habe, das kann ich Dir erst schreiben, wenn ich wieder eher dazukomme. Wie es scheint, werden wir bald wieder hier aufbrechen, darum soll noch verschiedenes herauskommen.  Bei dieser Gelegenheit will ich Dir gleich noch mitteilen, daß es seit gestern wieder Post gibt. Die Enttäuschung war insoweit groß, als ich gestern Abend einen Brief vom 4.1. erhielt. Heute wurde es aber schon bedeutend besser, denn vorher kamen Deine Briefe vom 18. und 19. an. Der Brief von Helga vom 19.1. und ein Brief Deines Vaters trafen auch ein. Eine Stelle aus dem Brief Deines Vaters hat mich insofern tief berührt, als da von unserem Kurt die Rede ist, der an diesem Tage schon nicht mehr unter uns Lebenden weilte. Es ist doch etwas Großes um das Leben und gleichfalls auch um den Tod. Jedes mal, wenn von ihm die Rede ist, muß ich mir immer wieder sagen, was hat der arme Kerl eigentlich vom Leben gehabt.  Viel Freude wurde ihm nie geschenkt. DAß er uns so verschlossen war, darüber habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben, und ich habe damals auch gesagt, wie tief ich es bedauere, das dies der Fall ist.  Vorhin wurde ich abgerufen, denn ich hatte verschiedenes in der Stadt zu erledigen. Jetzt ist es Abend und es geht bald auf Mitternacht zu. Ich habe nun noch mehr Post bekommen.  Von Dir trafen noch die Briefe vom 23. und 24.1. ein und von Nannie erhielt ich ein Päckchen mit Kuchen und etwas Wurst.  Außerdem erhielt ich von Dir noch die Zeitungen. Ich kann mich heute nun bestimmt nicht beklagen. Nannie schreibt noch am 14. 1.  zu ihrem Päckchen, daß sie von Kurt nach seinem Urlaub einen Brief erhalten hätte und sie hoffte, daß er nur gesund bleiben würde. Weißt Du, wenn man das ja so liest, dann macht man sich immer so seine Gedanken. Man möchte das Schicksal anklagen über die Härte und über die Unerbittlichkeit, doch hilflos steht man dem gegenüber und kann nichts hindern und ändern. Aus einer Zeitung, die mir heute in die Hände kam, habe ich wieder einen kleinen Artikel ausgeschnitten über die Kämpfe. Ich habe die Stellen, die für uns in dieser Hinsicht etwas wichtig sind, unterstrichen. Hebe sie bitte mit auf. Uns bleibt nichts weiter übrig als mit Ausdauer unsere Pflicht zu erfüllen und zu verharren, bis uns das Schicksal unsere Aufgabe stellt. Es wird noch eine Weile brauchen, bis ich über diesen Verlust hinwegkomme. Was mich noch so betrübt ist die Tatsache, daß man keine Möglichkeit hat, jemals dorthin zu kommen, denn gegenwärtig hält es ja der Feind wieder besetzt. Ich kann nicht anders, aber ich muß immer wieder darauf zurückkommen. Ich weiß, daß das mit der Zeit verebben wird, aber ich kann dies ja doch nur mit Dir so bereden, wie mir ums Herz ist. Die Kameraden nehmen wohl davon Notiz, denn es hat jeder seine eigenen Interessen. Ich weiß aber auch, daß Du Verständnis dafür hast, wenn ich um meinen Bruder traure. ER wird uns allen unvergessen sein.  Ich hatte erst keine große Lust noch zum Schreiben. Wie ich aber höre, geht morgen früh die Post wieder weg. Ich habe doch Kameraden, die hier bei der Feldpost tätig sind, die mich immer auf dem Laufenden halten und mir meine Briefe immer mit wegbesorgen. Das ist immer sehr nützlich. Ich will Dich darum nicht länger warten lassen mit der Bestätigung, daß ich wieder Verbindung mit Dir bekommen habe. Lasse Dich, liebes Mädel, vielmals grüßen. Ich bin der festen Hoffnung, daß Ihr alle gesund seid. Nimm Du recht viele Küsse entgegen von Deinem Dich immer liebenden Ernst.

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