Mein
liebster Schatz ! 10.2.43
Es
geht wieder dem Abend zu. Die Karbidlampe steht auf meinem Schreibtisch und
meine Gedanken eilen zu Euch, meine Lieben. So langsam fängt man sich in diesen
Betrieb einzugewöhnen. Durch solch eine Wechsel wird man aus dem alltäglichen
Betrieb herausgerissen. Anfänglich geht es etwas durcheinander und bald geht
der Apparat auf alten Touren. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich umstellt
und in alles hineinfindet. Es renkt sich aber alles mit der Zeit ein und dann
geht es weiter wie es vorher war. Man
kann sagen, dass das ein Zeichen unserer deutschen Schule und unserer
Ausbildung ist, die sich dann immer wieder bewährt, wenn es darauf ankommt.
Jetzt, seit ich diesen Brief schreibe, hat sich schon wieder etwas
eingerichtet, wir haben unsere Karbidlampen ausmachen können, denn das
elektrische Licht ist nun intakt. Es
war auch nicht so einfach mit dieser Karbidlampe. Entweder hatte sie zu wenig
Wasser, dann spendete sie ein trübes Licht, bei dem man sich die Augen
verderben konnte. Ließ man dagegen das Wasser stark tropfen, dann lief man
Gefahr, daß einem das ganze Ding in die Luft flog. Dieser Zustand ist ja nun
auch behoben. Post ist uns wohl
zugesichert worden, doch es kann wohl noch eine Weile gehen, bis wir sie
bekommen. Ich bin ja sehr in Sorge, was sich nun nach unsrem Trauerfall ergeben
hat, denn ich weiß ja nichts weiter, als die kurze Nachricht, die ich noch von
Euch bekam. Seither ist ja alles wie abgeschnitten. Wie ich weiß, ist diese
Post wohl alle gerettet, aber bis sie zur Verteilung gelangt, vergeht schon
noch einige Zeit. Ich hoffe, daß Dich mein Luftpostbrief bald erreicht
hat. Wie ich Dir wohl schon mitteilte,
ist es sehr wahrscheinlich, daß wir uns hier nicht lange aufhalten werden. Es
kann sein, daß wir noch im Laufe dieser Woche hier weiterrücken. Wenn das der
Fall ist, dann wird es nach Kiew gehen. Zu gegebener Zeit werde ich Dir darüber
dann schreiben. Ich habe das in bestimmter Absicht geschrieben, damit Du Dir
keine Sorge machst und damit Du weißt, wo ich stecke. Ich nehme an, daß Ihr
über die Entwicklung der Lage immerhin einigermaßen unterrichtet seid. Weniger
angenehm ist, das „Aus dem Koffer leben“.
Alles, was man hat, befindet sich immer im Koffer. Jedes Stück, das man
braucht, muß man erst heraussuchen. Damit es nach dem Gebrauch nicht
herumliegt, packt man es wieder weg. Nach kurzer Zeit ist alles durcheinander.
Dann fängt das Aufräumen an, denn die Unordnung kann man nicht bleiben lassen.
Das geht ja schon seit Charkow her. Dort habe ich die meisten Sachen ja auch im
Koffer aufbewahrt, weil ich noch keinen Schrank hatte. Mit der Zeit bekommt man
einigermaßen Geschick. Aber es ist doch nicht das Richtige. Mit unserer Verpflegung kommen wir auch langsam
wieder in Ordnung. Die vergangenen Tage hatten wir reichlich Anlass zur Klage.
Heute bekommen wir sogar Bohnenkaffee und das Mittagessen war immerhin soviel,
daß man sich den Bauch voll schlagen konnte. Wenn der Magen beruhigt ist, kann
man über alle Dinge, die einem nicht angenehm sind hinwegsehen. Ich habe Dir heute nur so von den kleinen
Sorgen des Alltags berichtet. Ich denke, daß Du aber dadurch auch Anteil an dem
hast, was einem so am Tage begegnet und berührt. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bin der festen
Zuversicht, daß Ihr meine Liebe, alle gesund seid. Dir, mein liebes Mädel,
sende ich recht herzliche Küsse und bin mit viel Liebe Dein Ernst.
Mein
liebster Schatz ! 12.2.43
Ich
komme heute auch nicht so richtig zum Schreiben. Gestern hatte ich keine Zeit,
denn ich war dienstlich äußerst in Anspruch genommen. Ich bin wieder, wie die
meisten Nächte vorher, erst nach Mitternacht ins Bett gekommen. Soweit ich
zwischendurch Zeit dazu hatte, musste ich verschiedenes verpacken, das ich an
Dich abschicken will. Daß das alles viel aufhält, das kannst Du Dir wohl
denken. Was und wie ich das alles gemacht habe, das kann ich Dir erst
schreiben, wenn ich wieder eher dazukomme. Wie es scheint, werden wir bald
wieder hier aufbrechen, darum soll noch verschiedenes herauskommen. Bei dieser Gelegenheit will ich Dir gleich
noch mitteilen, daß es seit gestern wieder Post gibt. Die Enttäuschung war insoweit
groß, als ich gestern Abend einen Brief vom 4.1. erhielt. Heute wurde es aber
schon bedeutend besser, denn vorher kamen Deine Briefe vom 18. und 19. an. Der
Brief von Helga vom 19.1. und ein Brief Deines Vaters trafen auch ein. Eine
Stelle aus dem Brief Deines Vaters hat mich insofern tief berührt, als da von
unserem Kurt die Rede ist, der an diesem Tage schon nicht mehr unter uns
Lebenden weilte. Es ist doch etwas Großes um das Leben und gleichfalls auch um
den Tod. Jedes mal, wenn von ihm die Rede ist, muß ich mir immer wieder sagen,
was hat der arme Kerl eigentlich vom Leben gehabt. Viel Freude wurde ihm nie geschenkt. DAß er uns so verschlossen
war, darüber habe ich schon vor einiger Zeit geschrieben, und ich habe damals
auch gesagt, wie tief ich es bedauere, das dies der Fall ist. Vorhin wurde ich abgerufen, denn ich hatte
verschiedenes in der Stadt zu erledigen. Jetzt ist es Abend und es geht bald
auf Mitternacht zu. Ich habe nun noch mehr Post bekommen. Von Dir trafen noch die Briefe vom 23. und
24.1. ein und von Nannie erhielt ich ein Päckchen mit Kuchen und etwas
Wurst. Außerdem erhielt ich von Dir
noch die Zeitungen. Ich kann mich heute nun bestimmt nicht beklagen. Nannie
schreibt noch am 14. 1. zu ihrem
Päckchen, daß sie von Kurt nach seinem Urlaub einen Brief erhalten hätte und
sie hoffte, daß er nur gesund bleiben würde. Weißt Du, wenn man das ja so
liest, dann macht man sich immer so seine Gedanken. Man möchte das Schicksal
anklagen über die Härte und über die Unerbittlichkeit, doch hilflos steht man
dem gegenüber und kann nichts hindern und ändern. Aus einer Zeitung, die mir
heute in die Hände kam, habe ich wieder einen kleinen Artikel ausgeschnitten
über die Kämpfe. Ich habe die Stellen, die für uns in dieser Hinsicht etwas
wichtig sind, unterstrichen. Hebe sie bitte mit auf. Uns bleibt nichts weiter
übrig als mit Ausdauer unsere Pflicht zu erfüllen und zu verharren, bis uns das
Schicksal unsere Aufgabe stellt. Es wird noch eine Weile brauchen, bis ich über
diesen Verlust hinwegkomme. Was mich noch so betrübt ist die Tatsache, daß man
keine Möglichkeit hat, jemals dorthin zu kommen, denn gegenwärtig hält es ja
der Feind wieder besetzt. Ich kann nicht anders, aber ich muß immer wieder
darauf zurückkommen. Ich weiß, daß das mit der Zeit verebben wird, aber ich
kann dies ja doch nur mit Dir so bereden, wie mir ums Herz ist. Die Kameraden
nehmen wohl davon Notiz, denn es hat jeder seine eigenen Interessen. Ich weiß
aber auch, daß Du Verständnis dafür hast, wenn ich um meinen Bruder traure. ER
wird uns allen unvergessen sein. Ich hatte
erst keine große Lust noch zum Schreiben. Wie ich aber höre, geht morgen früh
die Post wieder weg. Ich habe doch Kameraden, die hier bei der Feldpost tätig
sind, die mich immer auf dem Laufenden halten und mir meine Briefe immer mit
wegbesorgen. Das ist immer sehr nützlich. Ich will Dich darum nicht länger
warten lassen mit der Bestätigung, daß ich wieder Verbindung mit Dir bekommen
habe. Lasse Dich, liebes Mädel, vielmals grüßen. Ich bin der festen Hoffnung,
daß Ihr alle gesund seid. Nimm Du recht viele Küsse entgegen von Deinem Dich
immer liebenden Ernst.
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