Montag, 27. November 2017

Brief 344 vom 27./28.11.1942


Mein liebes Mädel !                                                                 27.11.42      
  
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 16. Ausserdem erhielt ich noch die rundschau. Es steht zwar nicht viel drin, man weiß aber, was daheim passiert. Man verliert nicht so ganz und gar die VERbindung. Was sich sonst draußen in der Welt ereignet, erfahren wir ja teilweise aus unserer Zeitung. Wenn du aber der Ansicht bist, ich hätte mich über das geärgert, weil Du mir die Zeitung nicht gesandt hast, dann stimmt das aber bestimmt nicht zu.  Ich bin auch restlos davon überzeugt, daß Du mir mit Absicht keinen Ärger bereiten würdest. Das mußt Du nicht so auslegen, denn Du weißt, daß ich keinen Grund zur Klage über Dich habe. Wenn das tatsächlich einmal der Fall sein sollte, dann würde ich es Dir schon schreiben. Ich glaube aber, daß Du mir nicht gleich Gelegenheit dazu geben wirst.  Für die mitgesandten Rasierklingen danke ich Dir vielmals. Im Augenblick bin ich nicht so knapp dran. Ich nehme den Abziehapparat Deines Vaters. Mit diesem ziehe ich die Klingen nochmals ab. Es hat den Anschein, als ob sie etwas besser schneiden würden, ob sie aber auch ohne Abziehen gehen würden, das habe ich noch nicht ausprobiert.  Ich bilde mir jedenfalls ein, daß es nutzt.  Inzwischen habe ich schon durch Luftpost Nachricht von Dir erhalten, daß Du meinen ersten Brief schon erhalten hast. Ich kann mir vorstellen, daß Du nun beruhigter bist, wenn Du weißt, daß ich an Ort und Stelle bin und meinen alten Trott weitermache. Gefreut habe ich mich, daß Kurt zum Obergefreiten befördert worden ist. Wenn es ihm auch nicht zum Unteroffizier gelangt hat, so ist es doch immerhin so, daß er jetzt wenigstens Wehrmachtsbesoldung bekommen kann und das ganz schön. Die „  Standard“ kann seine Steuerkarte nicht haben, denn Kurt ist doch jetzt dort nicht erwerbstätig. Du hast Dich ja nun selbst durchgefragt und nun kommt die Sache auch ohne meine Mithilfe zum Klappen.  Von den Rasiwerklingen habe ich vergessen zu schreiben, daß ich hier 20 Stück habe. Wahrscheinlich werde ich auch bei Gelegenheit welche erhalten. Du brauchst Dir deshalb nich die Füße wegzulaufen. Wenn Du durch Zufall welche bekommst, dann kannst Du sie mitnehmen, aber es ist nicht nötig, daß Du extra hinterherrrennst.  Unsere Kinder sehe ich über die Zeitungssendung Deines Vaters sitzen. Vor allem suchen sie sich den Blödsinn heraus, denn das interessiert sie ja am meisten. Für die Übersendung der „Koralle“ und der JZ bin ich Dir dankbar. Die anderen bekomme ich hier so schon zu sehen und zu lesen.  Es freut mich, wenn ich lese, daß Du Dich mit dem Einkellern von Möhren und Roten Beten für den Winter gesichert hast. Es ist schon gut, wenn man während des Winters von seinen Vorräten ab und zu etwas holen kann. Für die Grüße der Kinder danke ich vielmals. Ic h habe ihnen schon vorher persönlich zweimal geschrieben. Ich denke, daß sie mir bei Gelegenheit antworten werden. Der eine Brief hat mir ja viel Schweiß gekostet. Aber ich habe doch die bisherige Gewohnheit nicht unterbrechen wollen.  Hoffentlich findwet er die Aufnahme, die ich ihm wünsche.  Meinen angekündigten Theaterbesuch habe ich heute wieder gemacht.  Ich habe nur ein Urteil, es war sehr schön und ich würde mich freuen, wenn ich Dich dort hinführen könnte. Ich weiß, daß Du auch Deine Freude daran haben würdest. Wie ich schon schrieb, braucht man dabei von der Sprache nichts zu versehen. Das macht schon sehr viel aus. Aber alles in allem war es wirklich ausgezeichnet. Man kann wohl sagen, daß die Russen vom Ballett etwas verstehen. Da haben sie schon in der Zarenzeit großen Wert darauf gelegt. Wie es bei den Roten war, das weiß ich zwar nicht. Aber man bemüht sich, wieder etwas daraus zu machen. Bei uns nebenan spielt jetzt das Radie und es wird gerade unserem Jungen sein Lieblingslied „Heimat, Deine Sterne“ gespielt.  Zum Schluß recht herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.


Mein lieber, lieber Schatz !                                                            28.11.42 
        
Das war aber gestern eine schöne Überraschung. 4 Briefe erhielt ich von Dir. Es sind die Briefe vom 13., 14, 15., und 17. Die haben sich unterwegs gesammelt. Eine Frage habwe ich in dieser Beziehung noch an Dich, hast Du mir gleich am 7. einen Brief geschrieben oder nicht ? Ich habe es zum Teil aus Deinen anderen Schreiben entnommen. Nur interessiert es mich, ob dieser Brief evtl. verloren gegangen ist.  Deine Schilderung über den letzten Abend, den wir noch zusammen verbracht haben und auch die Erinnerung an den letzten Nachmittag ist mir schon wiederholt durch den Kopf gegangen. Es war nicht leicht. Aber was hilft es, man muß sich eben losreißen. Ich weiß, daß Du sehr müde warst. Wir waren doch die vorhergehenden Abende nicht richtig zur Ruhe gekommen.  Ich denke nur an den Donnerstag. Am Nachmittag waren wir baden und dann anschließend ins Kino. Von dort gingen wir doch noch in die Gastwirtschaft undf später in das Caf‘e. Da war es doch ziemlich spät geworden. Ich war am Nachmittag schon etwas gereizt, denn Du weißt ja, wie ich noch nach dem Cognac verlangte und gegen meine sonstige Gewohnheit mehrere getrunken hatte. Es war aber auch so, daß man sich ganz wohl daheim befunden hatte und nun hört mit einem Schlag alles auf. Es kostet schon Überwindung und Nerven, bis man sich darüber hinwegsetzt. Es kann auch sein, daß unser Junge aus dieser Spannung heraus am letzten Abend etwas mitbekommen hat. Wie Du mir aber schon mitgeteilt hast, ist er darüber hinweg und mir trägt er es nicht nach. Ich habe es nicht gern, daß ihm das in  der Erinnerung bleibt, daß der Vater nur nach hause kommt, um die Kinder zu vermöbeln. Was Dich selbst anbelangt, so brauchst Du Dir keine Vorwürfe machen, denn wir sind während der ganzen Urlaubstage gut miteinander ausgekommen.  Ich kann an mir selbst und aus Deinen Briefe immer wieder feststellen, daß wir alle mit den Tagen des Urlaubs zufrieden waren.
Wegen den Zeitungen hast Du auch nocht Ärger gehabt. Ich kann mir das Weib vorstellen, wie die wieder wild getan hat. Vielleicht gewöhnt die sich auch noch an die veränderten Verhältnisse. In Friedenszeiten ist die Gesellschaft froh, wenn man ihnen eine Zeitung abkauft. Für die Grüße von Resi danke ich. Du kannst sie ihr bei Gelegenheit erwidern. Wenn Fritz auch noch einmal hierherkäme, dann könnte ihm das auch nichts schaden. Er hat doch auch trotz allem bis jetzt noch Glück gehabt. Unsere Helga hat nun begründeten Stolz, daß sie mit wenigen Auserlesenen auf der Bühne singen darf. Wie war sie glücklich, als wir während meines Urlaubs mit ins Theater gingen, um sie mit zu bewundern. DAs ins aber kleine Freuden. Sie ist ja auch nicht anspruchsvoll und sehr leicht zufrieden zu stellen. Wenn sie meint, nun ein „Sonderling“ zu sein, so wollen wir ihr gerne das VERgnügen lassen. Sie hat ein stark ausgeprägtes Geltungs bedürfnis. Wenn man das in die richtige Bahn lenkt, ist das bestimmt nicht von Schaden.  Vorher bekam ich noch Deinen Brief vom 18. und das Päckchen mit dem Löffel und der Bürste, die ich vergessen hatte. Ich danke Dir für beide Sendungen. Über den Brief werde ich in diesen Tagen, wenn ich die anderen alle beantwortet habe, Bescheid geben.  Das ist doch lieb von unseren Lausern, wenn sie Dir einen Adventskalender gemacht haben. Ich denke, daß Du ihn fleißig benutzen wirst.  Morgen hat uns der Chef zu sich eingeladen, um zum 1. Advent zusammen mit ihm zu sein. Ich finde das ganz nett von ihm. Wenn auch der Kreis nicht gerade nach meinem Geschmack ist, aber solchen Anforderungen kann man sich nicht verschließen. Unsere Nachmittagstorte werden wir also bei unserem Chef diesmal einnehmen. Ich hatte gar nicht daran gedacht, daß schon erster Advent ist, wenn er nicht von sich aus daran gedacht hätte.  Du sitzst jetzt wahrscheinlich auch daheim und schreibst einen Brief. Ich höre wohl auch Radio, aber nicht im eigenen Zimmer, denn meine Nachbarn drehen so laut auf, daß ich mir einen Apparat sparen kann. Es gibt schon noch Menschenfreunde. Mein liebes Mädel sei recht herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Brief 343 vom 25.11.1942


Mein liebstes Mädel !                                                               25.11.42   
      
Für mich kam gestern keine Post an. Ich will Dir heute aber gleich mit Luftpost schreiben, damit Du Dir über die eine Geschichte, die ich Dir kürzlich mitteilte, nicht allzulange Gedanken machst. Wie ich Dir also schon schrieb, bestand hier die Absicht, mich wieder auf das Land zu versetzen. Das hat sich nach meinen ERkundigungen wieder zerschlagen. Ein großer Personalaustausch war vorgesehen. Auf dem Konzept, das ich gesehen hatte, war ich auch mit vermerkt. Wie ich nun erfahren habe, war es nicht ganz klar, ob der Inspektor oder ob ich wegkommen sollte.  Die Entscheidung ist nun gefallen und der Inspektor muß wandern.  So sicher ist auch die Lage für mich nicht, aber Du weißt ja, daß ich die Dinge so nehme, wie sie sind, dann komme ich noch am besten damit durch. Man muß nur versuchen, jeder Lage die guten Seiten abzugewinnen, dann kann man sie am besten meistern. Ich bedauere nur, daß dr Inspektor wegkommt, denn mit dem bin ich noch am besten ausgekommen. Wie der Nachfolger ist, das weiß man meinst nicht. Ich werde ihn aber erst mit Vorsicht genießen. Wenn ich zum Frühjahr von hier wegkomme, dann soll es mir noch eher gleich sein. Bis dahin kennt man vielleicht auch noch jemand, zu dem man dann sich versetzen lassen könnte. Sollte sich aber trotzdem eine Änderung schon vorher ergeben, dann ist das auch nicht so tragisch. Ich habe Dir schon im vorhergehenden Schreiben geschildert.  Soeben erhalten ich Deinen Luftpostbrief vom 21.11., in dem Du mir den Eingang meines ersten Briefes bestätigst. Es freut mich, daß Du so schnell unterrichtet worden bist.  Ich wußte, daß Du mit Schmerzen auf eine Nachricht über meine Ankunft gewartet hast. Die andere Post bekommst Du nun auch wieder laufend. Wenn Du auch zwischen den ersten beiden Briefen und den folgenden warten mußtest. Es ist aber schon gut, wenn man eine Nachricht, die einem dringlicher erscheint, schneller nach hause befördern kann, wie auf dem normalen Weg.  Über die Brandsache habe ich Dir später ausführlicher berichtet. Weitere Erklärungen sind dazu wohl nicht mehr notwendig. Bis jetzt sind wir noch behelfsmäßig untergebracht. Es kann sein, daß wir noch länger so wohnen bleiben, wenn sich die maßgebenden Herren darüber nicht einig werden. Mir soll das aber gleichgültig sein, denn das Zimmer ist hell und sauber. Geheizt ist es auch, sodaß ich keinen Grund zur berechtigten Klage hätte. In den Betrieb habe ich mich wieder richtig eingewöhnt. Mit Wehmut denkt man an die Urlaubstage zurück. Wenn Du Dir etwa Gedanken deshalb Gedanken gemacht hast, daß Du mir soviel erzählt hast, so kann ich nur erwidern, daß mir das ebenso gegangen ist. Ich hätte noch viel mehr Möglichkeit gehabt, zu erzählen von all den Dingen, die ich während meiner Abwesenhet erlebt habe. Wichtig ist, daß wir beide die Überzeugung haben, daß wir uns beide Stärkung geholt haben für die kommende Zeit der Trennung. Ich weiß, man kommt nach hause mit übervollem Herzen und will wieter nicht wie erzählen und berichten. Das geht auch eine ganze Weile, aber dann kommt der Zeitpunkt, wo man in den Ablauf des Tages hineingewachsen ist und lebt zuhause wieder mit, wie wenn nichts dazwischen gewesen wäre. Ab und zu erinnert man sich wieder eines Ereignisses und erzählt so beiläufig davon. Aber diese Dinge gehen schon wieder unter in den täglichen Allerlei. Heißt es dann aber wieder abreisen, und man ist dann im Zuge, dann fallen einem tausenderlei Dinge ein, die man hat noch erledigen wollen. Man hat eben keine Zeit, um alles zu verarbeiten und zu verdauen, weil sich einem die Eindrücke von zuhause aufdrängen.  Hier schneit es Tag für Tag. Einmal ist es kälter und einmal wird es wärmer. Der Schnee bleibt aber liegen. Der Himmerl ist grau und es wird nicht mehr ganz hell am Tage. Bald nach dem Mittagessen wird es schon Nacht.  Früh dagegen ist es nach 6 Uhr hell, aber das kann man nicht ausnutzen, weil ja der Arbeitstag sich an die Tageszeiten hält wie sie daheim sind.  Gewundert hat es mich, daß Du der Frau Deines Vaters zum Weihnachtsfest etwas schenken willst. Ich weiß nicht, was uns mit dieser Frau verbindet. Wie das aussieht, das kann uns doch gleichgültig sein. Wenn Du anderer Ansicht sein solltest, dann kannst Du ihr es meinetwegen mitschicken, aber ich selbst halte es nicht für notwendig. Wenn Du das mit Erna machst, dann hat das eher eine Berechtigung. Ich bin der Meinung, daß sich die Frau an uns halten muß und nicht wir an sie. DAs ist nun einmal ein eigenartiges Verhältnis, das stimmt durchaus, aber wir können es ja nicht ändern. Mache Dir aber keine Gedanken, wenn Du das Päckchen schon abgesandt haben solltest. Wegen Siegfried brauchst Du nicht erst die Zigaretten  an Erna absenden, denn Zulassungsmarken braucht man nur für die Soldaten, die eine Feldpostnummer haben. Es ist ja nun auch nicht schlimm, wenn ihm diese Zigaretten von Erna aus zugehen.  Um die Weihnachtsgeschenke für die Kinder hast Du Dich rechtzeitig gekümmert. Da warst Du früher schon immer hinterher. Da habe ich mich nicht weiter viel darum kümmern müssen. Diese Einkäufe hast Du schon immer gerne gemacht. Jetzt ist es nicht anders möglich, denn da kann ich Dir nicht behilflich sein. Daß es bei den wenigen Anlieferungen schwer ist, einzkaufen, kann ich mir gut vorstellen. Ich habe es selbst erlebt, als ich zuhause war. Man muß bedenken, daß es durch die Länge des Krieges nicht leichter sondern immer schwerer wird. Aber ich glaube, daß sie zufrieden sein können.  Sie kommen bestimmt nicht zu kurz. Ich würde mich freuen, wieder einmal am Weihnachtsfest daheim sein zu können, doch da wird wohl längere Zeit nichts daraus werden. Besser wäre es, man könnte für immer daran denken und man müßte nicht nur mit einem Urlaub rechnen.  An den Nikolaustag hatte ich schon gedacht, wie Du an den Schreiben für die Kinder gesehen hast. Ihr seid also beim Theaterspielen. Da haben die Kinder auch ihre Freude. Ihren Eifer kann ich mir gut ausmalen, den sie wegen des Kartenkaufes an den Tag gelegt haben. Ich werde an Euch denken, wenn Ihr dort zusammen seid.  Froh bin ich, daß Helga jetzt ihre Schuhe noch bekommt. Es ist nicht schön, wenn man mit nassen Füßen laufen muß.  Es ist schon schlimm, wenn man kein Geld dafür hat, aber wenn man sie kaufen könnte und man bekommt keine, das ist doch noch ärgerlicher. Es geht eben nit mehr so wie im vergangenen Jahr, als ich noch welche beschaffen konnte. Da hattest Du keine Schwierigkeiten. Ich kann es aber nicht ändern.  Von Alfred bekam ich heute auch eine Postkarte, die ich Dir nächstens mit zugehen lasse. Er ist wieder auf der Insel Borkum. Er schreibt nicht Persönliches weiter, als daß er im Urlaub war.  Für heute habe ich wieder allerhand geschrieben. Ich sende Dir, mein lieber Schatz, recht viele, viele Grüße und Küsse Dich ganz fest. Dein Ernst.


Brief 342 vom 23./24.11.1942


Mein lieber, lieber Schatz !                                                          23.11.42    
    
Soeben komme ich aus dem Kasino vom Abendessen zurück. Es ist 9 Uhr. Jetzt möchte ich mich noch ans Briefeschreiben setzen, denn den TAg über bin ich wegen der vielen aufgelaufenen ARbeit nicht dazugekommen. Zuerst habe ich Deine beiden Briefe vom 11. und 12.  zu beantworten, die ich gestern und heute erhielt. Über beide habe ich mich wieder sehr gefreut und ich danke Dir recht schön dafür. In diesen Briefen lebst Du jetzt in Erinnerungen und Vermutungen für meine Fahrt. Es ist schon eine weite STrecke, und man merkt das erst wieder richtig, wenn man hinausfährt. Es ist doch sonst allgemeine so, daß einem ein Weg, den man zum zweiten Mal geht, oder fährt, viel kurzweiliger erscheint. Ich kann nur erwähnen, daß in diesem Fall das nicht zutraf. Durch die Fahrtunterbrechung in Kiew kam einem das noch länger vor. Wenn wir aber in Kiew pünktlich angekommen wären, dann hätte ich einen ganzen Tag gewonnen. Wie es nun auch sein mag, ich habe es wieder geschafft und bin auch noch gesund. Aus Deinen Briefe kann ich lesen, daß Du im GArten fest rangegangen bist. Ich, mit meinen gärtnerischen Kenntnissen, habe mich nur immer wieder gewundert, mit welcher Planmäßigkeit Du alles besorgst und fertiggemacht hast. An alles, was ich Dir aufgetragen hatte, hast Du gedacht.  Ich kann daraus entnehmen, daß ich durch Deine Geschicklichkeit bald ganz entbehrlich sein werde. Ich glaube zwar, dass das nicht Dein Bestreben ist. Froh bin ich nur, dass Du diese Dinge noch vor Eintritt der richtigen Kälte hast erledigen können. Dem Baum hast Du auch all das zukommen lassen, was man ihm geben kann. Ich freue mich jedesmal, wenn ich einen Apfel aus dem Koffer nehme.  daß sie aus aus der eigenen Kultur stammen. DAnk unserer Arbeit ist es uns gelungen, doch noch etwas aus ihm zu ziehen. Ich muß dann immer daran denken, daß sie oft auf Dich herabgeschaut haben, wenn Du den vergangenen Sommer über im GArten tätig warst.  Ihr wiederum habt Euch im Frühjahr an den Blüten des Baumes erfreut. Ich weiß, wie wir früher immer gespannt waren, wenn sich die ersten kleinen Äpfelchen zeigten. Später hat man dann das Wachstum verfolgt. GAb es dann einmal Hagel oder Sturm, dann hat man schon mit Bangen danach gesehen, ob nicht zuviel heruntergefallen ist. DAs Fallobst haben wir dann immer fleißig aufgesammelt. Ich konnte im Urlaub ja auch den Vorrat an getrockneten Äpfeln bewundern, den Du Dir gesammelt hast. Die größte Freude gab es aber immer dann, wenn es ans Ernten. So nimmt der Baum einen Raum des Interesses im Ablauf des Jahres ein, der je nach der Jahreszeit verschieden, aber unverkennbar ist.  Kurts Brief und meine Atwort habe ich Dir ja schon zugesandt. Ein Schreiben an Dich deckt sich so ziemlich mit dem, welche mir zuging. Ist schon unser Tagesablauf ziemlich eintönig und nicht übermäßig abwexhslungsreich, so ist das bei ihm noch viel weniger der Fall.  Bei Euch hat es fast zu der gleichen Zeit mit dem Kälteeinbruch angefangen. Hier hat es heute wieder den ganzen Tag geschneit.  Der Schnee ist aber ziemlich naß, er bleibt aber liegen. Die wenigen Bäume, die sich vor unserem Hause befinden, sind ganz und gar überzuckert. Fürs erste sieht das ganz lustig aus. Bald wird man es aber satt haben, wenn es lange genug gegangen ist. Froh wollen wir nur sein, daß er erst jetzt eintritt, der Winter, dadurch haben wir schon über einen Monat gewonnen. Mag nun kommen, was da will, wir werden unseren Dienst erfüllen und im Frühjahr werden wir ein Stück weiter sein.  Von Thomas bekam ich gestern auch einen Brief. ER schreibt, daß er wieder in Urlaub fährt. Gesundheitlich und dienstlich geht es ihm gut und er freut sich jedesmal, wenn er von mir etwas hört. Er fragt gleichzeitig, ob ich meine Dienststelle gewechselt habe, wegen meiner neuen Feldpostnummer. Ob er zwar durch die veränderten Verhältnisse in Frankreich hat fahren können, möchte ich fast noch bezweifeln.  Eines steht aber fest, daß dei im Westen teilweise dreimal im Urlaub waren in diesem Jahre. Wittenburg ja auch. Dich mein liebes Mädel grüße ich und gebe Dir fest viele viele Küsse und bin wie immer Dein Ernst.

Meine liebe Frau !                                                          24.11.42        
 
Ich habe sonst nicht so sehr darunter zu leiden, aber heute habe ich tüchtige Kopfschmerzen.
Ich hatte erst keine Lust, zu schreiben, Du sollst, nachdem ich am Vormittag allerhand geschrieben habe, nicht leer ausgehen. Ich habe erst an Nannie geschrieben. Durchschlag habe ich davon beigefügt, auch ihren Originalbrief. An die verschiedenen Pfarrämter habe ich auch wieder einmal geschrieben, damit die Ahnensache nicht ganz und gar einschläft. Die Erfolge sind jetzt nicht mehr gewaltig. Ich versuche aber trotzdem noch, die eine oder andere Auskunft zu erhalten. 7 Urkunden von Brose kann ich bekommen. Ich glaube aber, daß es nicht die sind, die ich benötige.  Ich habe deshalb nochmals Anfrage gehalten. Nach Müglingen (?) habe ich ebenfalls geschrieben. Ob ich aber dort eine Antwort erhalte, muß ich abwarten. Ich habe das Gefühl, daß diese Herren keine große Lust verspüren, solche Anfragen zu beantworten.  Von meinem Besuch im Theater vom vergangenen Sonntag habe ich Dir noch nicht geschrieben. Wie ich Dir wohl schon andeutete, habe ich im Stadttheater keinen Platz mehr bekommen. Wir haben uns dann für ein anderes Theater Karten besorgt. Ich kann aber sagen, daß wir für lange Zeit geheilt sind. Sowas hast Du auch noch nicht erlebt. Das Publikum setzt sich vorwiegend aus einheimischer Bevölkerung zusammen. Unbekümmert, ob da Pause oder Vorstellung ist, unterhalten sich diese Leute. Das ist schon nicht mehr schön. Die machen sich aber auch nichts daraus, wenn gezischt wird oder wenn jemand zur Ruhe ruft. Abgesehen davon war aber aicj das Programm derart schwach, daß man sich bald über das ausgegebene Geld hat ärgern können. Es ist nur gut, daß die Geschmäcker verschieden sind, denn sonst hätte einer der Kameraden nicht sagen können, das sei schön gewesen. Um mich etwas zu zerstreuen und mit der Absicht, meine Kopfschmerzen wieder los zu werden, bin ich heute in das Stadttheater gegangen. Dort gab es wieder Ballett. DAs Programm lage ich Dir wieder mit bei. Da konnte man aber den Unterschied sehen. Man kann bald sagen, wie Tag und Nacht. Ich bin gewi0ß kein Kunstkritiker, aber das sieht bestimmt jeder Laie. Ich dachte ein paarmal dabei, daß Dir dies auch gefallen würde. Bei Ballett veranstaltungen ist es gut, daß man nichts von der Sprache verstehen braucht wie bei den Opern, denn es wird kein Wort dabei gesprochen. Das hat mir jedenfalls ausgezeichnet gefallen und ich hoffe, daß ich mir im Laufe dieser Woche die letzte Ballettveranstalung ansehen kann.  Ich will heute mein Schreiben schließen, denn es geht doch nicht so, wie ich es will. Ich hoffe, daß sich bis morgen die Kopfschmerzen gelegt haben.  Dich und die Kinder grüße ich recht herzlich und Dir, mein liebes Mädel, sendet recht viele Küsse Dein Ernst.

Dienstag, 21. November 2017

Brief 341 vom 21./22.11.1942


Meine liebe, liebe Annie !                                                    21.11.42 
         
Jetzt sind schon wieder 14 Tage vergangen, seit ich von Euch daheim wegfahren mußte. Wenn man sich so zurückerinnert, dann merkt man erst, wie die Zeit vergeht. Beispielsweise waren vor wenigen Tagen 2 ½ Jahre vergangen, seit in einberufen wurde.  Ist das nicht eine lange Zeit? mit einer derartigen Länge des Krieges hatte man seinerzeit nicht gerechnet. DAs nützt aber alles nicht, denn man muß durchhalten, wie sich die Dinge auch entwickeln werden. Deine lieben Briefe habe ich wiederholt durchgelesen. Jedesmal habe ich mich über die Art Deines Schreibens gefreut. Es ist, als sprichst Du selbst daraus. Anscheinend hast Du Dir viel Sorge gemacht, ob ich auch richtig hier ankomme.  Wahrscheinlich mehr als ich selbst, der ich doch der Leidtragende war. Mir macht es auch große Freude, wenn Du an dem Blumenstock Deinen Spaß hast. Ist er doch ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit Dir gegenüber für alle schönen Stunden, die ich bei Euch verleben konnte. Es stimmt schon, daß diese Trennung anders war, wie eine der früheren, wenn ich nach Frankreich fuhr. Um alles besser überwinden zu können, hast Du Dich aber gleich fest in die GArtenarbeit gestürzt. Ich muß schon sagen, daß es bei Dir schneller ging mit dem großen Garten fertig zu werden, wie bei mir. Den großen GArten hattest Du erst einmal restlos fertig gemacht. DAs war auch ganz richtig. Denn dann sieht man, was eigentlich noch zu tun ist. Den GArten hinter dem Haus wirst Du wohl nun inzwischen auch ganz fertig haben, bis Du meinen Breif erhältst. An den Brombeeren hast Du Dich also auch noch verwundet. Ich bedauere, daß ich sie nicht ganz fertig gemacht hatte. Aber das Verschneiden hast Du wenigstens nicht noch gehabt, das ist doch auch ein schöner Teil arbeit gewesen, den ich Dir abgenommen habe. Ein klein wenig haben Dich die Kinder beim Abräumen mit unterstützt. Das können sie auch ohne weiteres machen. Ich glaube, daß sie Dir diese Arbeit wiederspruchslos abgenommen haben. Richtig hast Du gehandelt, wenn Du unserem Stromer einmal eine gewischt hast, wenn er nicht pariert.  Unseren beiden Strolchen habe ich gestern zum Nikolaustag geschrieben. Es hat mir manchen Tropfen Schweiß gekostet, bis ich das beieinander hatte. Hoffentlich haben sie ihre Freude daran.  Die mitgesandten 7,RM sollen sie sich teilen, die hatte ich noch bei mir. Das kleine Foto hatte ich aus einem Heft herausgenommen.  Ich finde es ganz schön und hebe es deshalb für sie mit auf. An Siegfried habe ich gestern abend auch noch geschrieben. Wenn ich so weitermache, komme ich bald mit der Beantwortung der zu erledigenden Briefe durch. Durchschlag lege ich Dir wieder mit bei, damit Du weißt, was ich geschrieben habwe. Auch Siegfries Brief ist mit beigefügt. Ein kleines Päckchen habe ich für Dich auch wieder zusammen. Ich habe hier bei meiner jetzigen Einheit noch Marketenderwaren bekommen, die ich Dir mit auf den Weihnachtstisch stellen möchte, wenn es es rechtzeitig ankommt. Es sind nur Kleinigkeiten, aber wir bekommen hier nichts weiter zu kaufen, so daß ich froh bin, wenn ich das machen kann.  Gestern abend war ich im Kino und habe mir den Film „Der große König“ angesehen, der mir in geschichtlicher Hinsicht sehr interessant war und auch gut gefallen hat. Seit mir bekannt wurde, daß ich wahrscheinlich bald von hier wegkommen werde, sehe ich zu, daß ich mir noch verschiedenes ansehe. Wie es dann werden wird, ist ja sehr unsicher. Ich nutze die Gelegenheit noch solange aus, wie das möglich ist.  Am Nachmittag hatte ich den Brief angefangen; jetzt nach dem Abendessen war ich noch eine Stunde an der frischen Luft. Man kommt hier sonst nicht aus dem Bau heraus, weil unsere Wohnungen sich im gleichen Haus befinden. Es ist aber wirklich notwendig, daß man frische Luft schnappt. Es wird nun Zeit, daß ich mich wieder ins Bett lege. Eine Woche ist wieder geschafft, wieviele werden noch folgen ? Ich sage Dir, mein liebes Mädel, eine recht gute Nacht  und bin im Geiste immer bei Euch daheim, Ihr Lieben.  Sei Du recht, recht vielmals gegrüßt und nimm Du und die Kinder viele liebe Küsse entgegen von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.


Mein liebes Mädel !                                                             22.11.42   
      
Gestern ist allgemein keine Post eingegangen. Vielleicht bekommen wir heute welche. Heute zum Sonntag würde man sich besonders darüber freuen. Das Warten sind wir aber gewöhnt und das ist an sich nichts Neues mehr.  Ich war gestern wegen meiner Sache mit der Stadtverwaltung bei meinem Chef und habe dies nochmals mit ihm durchgesprochen. Ich habe mich vor allem erkundigt, ob er es für ratsam hält, wenn ich mich beim Minister des Inneren in Karlsruhe beschwere. Habe ihm gleichzeitig aber noch von dem Ergebnis meiner Verhandlungen mit der STadt selbst unterrichtet.  Er hat mir nun geraten, was an sich auch meine Absicht war, erst noch den Eingang des Heftes abzuwarten, das ich bestellt habe.  Dann soll ich meine Eingabe entwerfen. Er will sie dann bei seiner Heimatbehörde dem Personalsachbearbeiter vorlegen, der die Bestimmungen vollkommen beherrschen würde. Er will ihn dann bitten, ein Gutachten abzugeben, ob nach seiner Ansicht etwas zu machen sei oder nicht. Ich habe mich selbstverständlich bedankt, denn soviel Entgegenkommen hatte ich erst nicht erwartet. Er will mir auch sonst jede Unterstützung zuteil werden lassen, die sich bietet. Ich werde dann ja sehen, ob und wo ich in dieser Geschichte nachhaken kann. Mir ist es jetzt in erster Linie darum zu tun, diesem Quertreiber, diesem Lang, nach Möglichkeit Schwierigkeiten zu bereiten und ihm, wenn möglich, doch zu zeigen, daß es anders geht. DAs wäre mir ja die größte Freude. Ich will aber nicht zu früh jubeln. Wegen meiner Beurteilung ist von hier aus an die Stadt geschrieben worden, daß es nach den Bestimmungen nicht möglich ist. Als Nachsatz hat mein Chef hinzugefügt; „Es wird von hier  aus dankbar begrüßt, daß für Rosches Fortkommen solches Interesse gezeigt wird. „ Vorhin waren wir Kaffeetrinken.  Ich kann Dir nur erzählen, daß ich sowas im WEsten nicht bei meiner Verpflegung gehabt habe. Zwei Stückchen Torte mit Buttercreme und dann Kaffee, alos Bohnenkaffee, soviel man haben will, das kostet keinen Pfennig. Da bist Du doch auch ganz erstaunt.  Wir bekamen ja in Mirgorod sonntags auch Kuchen. Der war bestimmt nicht schlecht. Auch Bohnenkaffee, das ist aber nicht mit hier zu vergleichen. In der letzten Einheit, bei der wir verpflegt wurden, mußten wir ja dafür zahlen. Das ist gewissermaßen der ideale Zustand in der Vollendung. Man erzählt sich, dass das gerade im Sommer noch besser gewesen sei. Da hatte es Früchte gegeben. Man kann sich das nicht vorstellen, daß man im Krieg ist, wenn man diese VErpflegung sieht. Allgemein kann man sagen, daß sie, von solchen Spezialitäten abgesehen, wie ich sie eben geschildert habe, gut ist und mit den Verhältnissen aus dem ersten Weltkrieg nict zu vergleichen wäre. Mittagessen gibt es tatsächlich mehr wie reichlich. Das Essen wird in Schüsseln aufgetragen und jeder kann sich nehmen , was er will. Das Fleisch wird einem zwar zugeteilt. Mir reicht es reichlich und die anderen höre ich auch nicht klagen. Wenn es wieder einmal eine Besonderheit gibt, dann werde ich Dir einmal davon schreiben. Vielleicht ist für Euch daheim alles Besonderheit, wenn Ihr das sehen würdet. Aber wie ich früher schon einmal sagte, das ist ja noch das, was uns hier bei Stimmung behält.  Nachher will ich in eines der theater gehen. Es wird „Zigeunerliebe“ von Lehar gespielt. Ich verspreche mir nicht sehr viel davon, denn es findet nicht in dem Theater statt, wo ich sonst hingehe.  Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern in viel Liebe Dein Ernst.

Brief 340 vom 20.11.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                       20.11.42  
   
Ich habe mich sehr gefreut über Deinen Briiefe vom 8. und 9. und 10., die gestern alle eintrafen. Du hast diesmnal wirklich sehr nett und lieb geschrieben und ich kann nur sagen, daß auch Du einen Teil meiner Empfindungen ausgedrückt hast. Ich weiß sehr gut, daß es Dir nicht leicht gewesen ist, mich wieder hier hainausfahren zu lassen, aber wir ich feststellen kann, ist es Dir genau so wie mir gegangen, daß der plötzliche Abschied auf dem Bahnhof besser ist, wie wenn man noch lange herumläuft und sich damit quält. Man möchte sich noch manches liebe Wort sagen und alles erscheint einem dann nicht das auszudrücken, was man eigentlich auf dem Herzen hat. Doch was man auch tut, es ändert nichts an dem, daß man eben doch reisen muß. Wir wollen aber doch zufrieden sein, daß uns das Schicksal für einige Wochen wieder zusammengeführt hat, denn unter den hier sonst herrschenden Umständen, die als normal angesehen werden, kann ich nur von Glück reden, daß ich schon zuhause war. Wir haben es ja auch als Geschenk hingenommen und als solches bewertet. DAß es Dir schwergefallen ist, weiß ich , doch Du mußt deshalb keine Tränen mehr vergießen, wie Du es beim Schreiben Deiner ersten Briefe getan hast. Ich hoffe, daß Du Dich mit der Zeit wieder an den Alltag gewöhnst und in ihn hineinlebst. DAß Du mit der Betreuung der Kinder eine Aufgabe hast, das ist mir immer noch eine innerliche Beruhigung. Sie sind, jeder auf seine Art, Lausekerle geworden.  Eines steht aber fest, daß wir froh über sie sind und daß wir unseren Stolz mit ihnen haben können, das habe ich im Urlaub erst richtig wieder merken können. Sie sind gesund, frisch und nicht verschlagen, munter und lebhaft und im allgemeinen sehr aufmerksam. DAß sie nicht auf den Kopf gefallen sind, kann unseren Stolz auf sie nur noch bekräftigen. Wir wollen nur hoffen, daß sie uns gesund bleiben und daß Du mit ihnen gesund bist, wenn ich wieder einmal nach hause komme. Wie ich schon einmal erwähnte, tue ich letzten Endes meine Pflicht hier draußen doch für Euch. Wenn ich das Bestrechen habe, vorwärts zu kommen, so will ich dies doch in erster Linie für Euch tun, denn nur auf diese Weise ist es uns ja möglich, das durchzuführen, was wir noch vorhaben in Bezug auf Besserung unseres Lebensstandards und für die Ausbildung der Kinder. Wenn wir alle gesund und beieinander bleiben, dann werden wir das schon schaffen, was wir uns vorgenommen haben.  Die Art und Weise der Kinder, wie sie den vermantschten Nachmittag durch die Überfüllung des Kinos doch nocht richtig ausgewertet  haben, das hat mich sehr gefreut. Sie sollen sich nur sowas ansehen. Sie verstehen das noch nicht in der letzten Auswirkung, aber sie können schon ihren Geschmack bilden, wenn sie sich etwas ordentlich ansehen. Ich kann diese Art und Weise von ihnen nur begrüßen. Sie haben auch ganz recht getan, wenn sie sich ein Bild und den Führer durch die Ausstellung gekauft haben. Unter den Verhältnissen, die bei uns zuhause geherrscht haben, wäre das nicht möglich gewesen, doch das soll ihnen nicht zum Vorwurf dienen; im Gegenteil, ich bin froh, daß sie nicht in solchen Verhältnissen groß zu werden brauchen. Sie sollen allerdings den Wert des Geldes schätzen lernen, aber ich glaube, daß ihnen das schon noch von selbst eingehen wird. DAß sich Helga so gut ihres gegebenenen VErsprechens erinnert, hat mir auch wieder eine besondere Freude gemacht. DAß Du sie nicht über Gebühr in Anspruch nimmst, das weiß ich, und daß Du ihr noch genügend freie Zeit zum Spielen läßt, ist mir wie auch ihr bekannt. Interessant war mir, daß Du nun zwangsweise zum Briefmarkensammeln mit hineingezogen wirst, hättest Du wohl auch nicht gedacht. So geht es einer geplagten Mutter, zumal wenn der VAter so unverständig ist und die Kinder wohl dazu verleitet, aber es ihnen selbst nicht lern, wie sie es machen müssen. Hoffentlich nehmen sie Dir die Zeit nicht allzusehr in Anspruch damit.  Über den Zustand von Erna waren wir schon durch Deinen Vater unterrichtet. Ich wünsche Erna alles Gute und daß sie diese Zeit gut übersteht. An die Onkel und Tantegefühle müssen wir uns erst gewöhnen. Ich werde Ähnliches an Siegfried mit schreiben, wenn ich in diesen Tagen seinen Brief beantworte. An Deinen Vater habe ich gestern abend geschrieben.  An die Kinder ebenfalls und an meinen Vater. Warum ich Dir davon keine Durchschläge gemacht habe, erklärte ich Dir schon in einem meiner letzten Briefe. Ich will ihnen heute noch besonders zum Nikolaustag schreiben. Es ist nur schade, daß ich ihnen nichts dazu schicken kann, wie das im vergangenen Jahr noch möglich war.  Daran sieht man, wie sich so vieles geändert hat. Es ist aber nicht zu ändern und man muß es tragen, wie die tausende und abertausende anderer Kameraden.  Über den VErlauf meiner Fahrt bist Du wohl durch mein Schreiben so ziemlich unterrichtet. DAs das mit dem Schlafen nicht gerade so angenehm ist, wenn man im Zuge immer hin und hergerüttelt wird, das aknnst Du Dir ja ohne weitere Erklärungen verstehen. Die lange Fahrt hängt einem schon an, aber das ist nun alles überstanden bis zum nächsten Mal. Ich schließe für heute mein Schreiben und beantworte Dir den Rest der Briefe im nächsten Schreiben von mir. Dich grüße ich wieder ganz herzlich und sende Dir recht viele Küsse. In Liebe bin ich immer Dein Ernst.

Brief 339 vom 19.11.1942


Mein liebster Schatz !                                                             19.11.42   
  
Zum Schreiben bin ich gestern leider nicht gekommen. Es war an sich auch nicht viel zu berichten. Inzwischen hat sich etwas Stoff ergeben. Vom Montag kann ich noch schreiben, daß ich im Theater war und habe mir wieder ein Ballett angesehen, wie Du aus beiliegendem Programm ersiehst. Es war bestimmt sehr nett und es hat mir sehr schön gefallen.   Das zweite Päckchen, welches die Nummer 49 trägt, habe ich gestern abgeschickt. Es enthält verschiedene Kleinigkeiten, die Du für Dich verwenden kannst. Ich dachte mir das für Weihnachten mit. Hoffentlich kommt alles gut an. Du weißt ja, daß das immer meine Sorge ist, s olange ich nicht weiß, ob es gut in Deine Hände gekommen ist. Bei uns wird es nun auch Winter. Die ganze vergangene Nacht hat es geschneit und es hat auch bis jetzt nicht aufgehört. Froh muß man sein, daß es solange gehalten hat, denn schon allein an Brennmaterial hat man allerhand gespart. Der Wunsch aller geht ja dahin, daß er nicht so streng werden möge, wie der vergangene Winter. Hast du eigentlich nun Nachricht bekommen, was mit den Schuhen für Helga wird? Lasse Dich nur nicht abschütteln, wenn Du eine Ablehnung bekommen haben sollstest. Von hier muß ich Dir eine Neuigkeit schreiben, die ich teils mit lachendem und teil wieder mit tränendem Auge hinnehme. Zwar ist die ganze Geschichte noch nicht offiziell, aber durch verschiedene Dinge, wie wir hier gesehen haben, wissen wir schon davon Bescheid. Mein Arbeitskamerad und ich werden demnächst mit einer Versetzung rechnen müssen. Was der Grund dazu ist, ist uns nicht bekannt, denn wir haben uns hier nicht zuschulde kommen lassen. Als ich vom Urlaub zurückkam, sagte mir schon unser Inspektor, daß er versetzt werden würde, denn er hatte schon indirekt davon gehört. Gestern sahen wir, daß auch ich auf dem Austauschzettel mit stand. Wahrscheinlich komme ich in die Gegend von Kursk und zwar nach Objen (?), genau südlich davon. DAs steht nach meinen Informierungen noch nicht ganz fest. DAß mir hier die arbeit nicht so ganz zugesagt hat, das weißt Du ja. Wenn ich nun wieder zu einer Feldkommandantur kommen sollte, so besteht wahrscheinlich die Möglichkeit. dasß ich etwas anderes zu tun bekomme. Unangenehm ist dabei nur, daß diese ganze Sache so in den Winter hineinkommt. Aber ich denke, daß sich alles schon finden wird. Bei allem habe ich mich gefreut, daß ich jetzt noch meinen Urlaub bekommen habe, denn wenn ich bei dem alten Verein gewesen wäre, hätte ich noch keinen Urlaub erhalten und bei einer neue Einheit kommt man im allgemeinen dann immer zuletzt dran. DAs ist es auch noch, was mich dabei freut. Bei dieser Nachricht wirst Du wohl der gleichen Ansicht sein. Wie sich alles auch entwickeln mag, ich werde versuchen, dieser ganzen Angelegenheit die gute Seite abzugewinnen, denn nur dann kommt man über alles richtig hinweg.  Für die SAchen, die ich mitgenommen habe, werde ich eine ganz erkleckliche Summe bekommen, so daß ich diese SAchen nicht umsonst mitgeschleppt habe. Du hättest daheim auch nicht mehr viel damit anfangen können. Wegen der Weiterentwicklung der Dinge brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen, denn da muß man erst abwarten, was daraus wird. Du schreibst in der alten Form wie bisher weiter, da ändert sich vorerst nichts, bis ich Dir endgültige Nachricht gebe.  Wie bist Du mit dem Garten fertig geworden. Hoffentlich hat Dich die Kälte nicht dabei überrascht. Du hast ja vielerlei zu tun gehabt. Ich hoffe weiterhin, daß Du Dir nicht zuviel auf einmal vorgenommen hast.  Ich werde dieser Tage an unsere Helga schreiben, der ich einige Aufträge für Weihnachten geben will. Ich denke, daß sie das schon machen kann. Du mußt deshalb nicht böse sein, wenn ich Dir keinen Durchschlag davon übersende. Wir waren verhältnismäßig so sorglos während der ganzen Urlaubstage, daß wir an nichts weiter gedacht haben. ERst meint man, sie nehmen kein Ende und dann ist das Ende plötzlich da. Es wird an sich schwerfallen, in diesem Jahr etwas zu bekommen. Aber wir wollen es versuchen und die Hoffnung nicht aufgeben.  Herzlich grüße und küsse ich Dich, mein liebes Mädel, und bitte Dich, den Kindern einen herzlichen Kuß zu geben. Richte auch anVater Grüße von mir aus. Dein Ernst.
Unter den sich anbahnenden Umständen wird es gut sein, wenn Du mir bald meinen Löffel zuschickst, damit ich dann nicht in Verlegenheit komme, wenn ich wo anders hinkomme. Mit solchen Sachen ist es immer dann etwas schwierig. Kannst Du mir vielleicht eine Hülle für meine BEstecks machen? Ich dachte mir, wo man alles einzeln hineinsteckt und dann zusammenbindet. Das überlasse ich aber Deiner Findigkeit. DAs kannst Du besser wie ich.


Brief 338 vom 16./17.11.1942


Mein liebes, liebes Mädel !                                                16.11.42     
     
Vor einer Woche, da ratterte ich mit dem Zug durch die Weite des Ostens. Den ersten Sonntag nach dem Urlaub habe ich schon hinter mir und mit vollen Zügen geht es in die erste volle Woche hinein.  Es ist doch eine ziemliche Ecke von uns zuhause bis hierher. Das hätte man sich früher nicht träumen lassen, daß man so durch Europa gondeln würde. Aus der früheren Lust am Reisen wurde jetzt ein Zwang, dem man manchmal nicht immer mit einem vollen Ja zustimmen würde, wenn nicht das eiserne Muß dahinter stünde.
Aber was heißen bei den großen Entscheidungen, die nun doch einmal heranreifen werden, unsere kleinen persönlichen Wünsche. Daß alles Persönliche hintangestellt werden muß, das ist ein Erfordernis der Zeit, dem wir Folge leisten müssen. Wenn sich auch manchmal Rückschläge einstellen, wie es jetzt anscheinend der Fall ist, so können wir unsere innere Größe nur mit einer entschlossenen Haltung bekräftigen. Denn wir waren bis jetzt eigentlich nur das Siegen gewohnt und glaubten, bei uns muß es nur vorwärts gehen. Daß in einem Krieg Rückschläge eintreten können, kann von Anfang an nicht außer Acht gelassen werden. Wir haben aber den festen Glauben und das Vertrauen in uns, daß wir es schaffen werden, denn es sind trotz allem noch allerhand  Sachen  vorhanden, die zur gegebenen Zeit zum Einsatz kommen.  Wir werden und wir müssen es schaffen, da hilft alles nichts. Es ist bedauerlich, daß diese schweren Opfer gebracht werden müssen, die wir später so notwendig gebrauchen können.
Vielleicht nimmt der Großeinsatz unserer Gegner in Nordafrika doch nicht für uns so einen tragischen Verlauf, wie es im gegenwärtigen Augenblick scheinen will.  Vom abgelaufenen Sonntag kann ich nachtragen, daß ich erst ins Theater gehen wollte. Es hieß aber, es sei nicht geheizt, so daß ich keine große Lust verspürte, mich in die kalten Bänke zu quetschen und dann zähneklappernd mich dem Kunstgenuß widmen, während hier bei uns im Kasino schön Kaffee getrunken wird und wo es sogar kostenlos Torte gibt.
Da siehst Du erst einmal, was ich für ein Kunstbanause bin. Nicht einmal für die Kunst, die hohe, werden Opfer gebracht. Ich habe aber erfahren, daß seit einigen Tagen geheizt wird. Das geht schon eher. Wie gesagt, wir bekamen gestern Nachmittag einen schönen Kaffee und Torte gab es auch. Bei der vorhergehenden Einheit mußten wir etwas dafür bezahlen. Das ist hier nicht der Fall. Ich habe deshalb aber auch nicht reklamiert. Zum Abend hatten sich zwei Künstlerinnen, die hier vom KdF eingesetzt sind, für den Abend angesagt. Das war dann am Abend auch ganz nett. Die eine war Vortragskünstlerin und die andere Sängerin, die dann nach meiner Meinung gut gesungen hat. Es war interessant, wie nachher die Meinungen auseinander gingen über den Wert und den Unwert des Gesanges. Sie sang erst einige Sachen aus Opern und dann einige Stücke aus Operetten und Tonfilmen. Ich habe selten so auseinandergehende Meinungen gehört wie bei diesem Anlaß.  Ich getraue mir ja noch nicht daran zu denken, Post von Dir zu erhalten. Zwar sehr lang kann es nun nicht mehr dauern. Ich sende Dir und den Kindern herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.


Mein liebes Mädel !                                                          17.11.42      

Mit der Arbeit geht es augenblicklich. Unser Chef ist gegenwärtig viel unterwegs, so daß eine gewisse Stockung eingetreten ist. Ich habe ihn seit meiner Ankunft am Samstag zweimal beim Essen gesehen, seither nicht mehr. Trotz allem komme ich aber nicht recht dazu, andere Sachen zu erledigen, wie das, was sich täglich gerade ergibt. Heute habe ich über die Mittagszeit einen Brief an Kurt geschrieben und den Antrag auf Rückerstattung der von ihm entrichteten Wehrsteuer. Er hat bis jetzt am längsten auf Antwort warten müssen. Seine Schreiben und auch den Durchschlag lege ich bei.  An Dich habe ich heute ein Päckchen abgesandt. Es trägt die Nummer 48. Es enthält verschiedene Bonbons und Pralinen, die wir hier bekommen haben  und die Du für Weihnachten mit verwenden kannst. Ich hoffe, daß das noch rechtzeitig ankommt und daß es überhaupt gut ankommt. Für Dich habe ich auch noch etwas hier, was ich in diesen Tagen absende. Ich hoffe, daß Du Dich über die Kleinigkeit freuen wirst.
Post ist von Dir immer noch nicht eingegangen. Nachdem ich schon eine Woche bald hier bin, wäre ich nicht böse, nunmehr ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten. Ich denke, daß Du nun inzwischen im Besitz meiner Luftpostbriefe bist. Heute will ich versuchen, mit meinem Arbeitskameraden in das Kino oder in das Theater zu gehen. Ich weiß zwar noch nicht, ob etwas daraus wird.  Mit den Tageszeiten kommt man hier noch ganz durcheinander. Gegen 15 Uhr wird es schon dunkel. Von da ab muß man Licht haben. Dagegen ist es schon früh um 5 Uhr Tag. Man sollte fast um diese Zeit anfangen zu arbeiten und dann früher aufhören. Das geht aber deshalb nicht, weil wir doch mit den anderen Dienststellen zusammenarbeiten müssen, die weiter westlich liegen. Auch mit denen, die in Deutschland sich befinden, müssen wir telefonieren, dadurch würde dann alles durcheinander geworfen werden.  Mit dem bestellten Heft von Gass ist es wohl noch nicht soweit. Sende mir das bitte umgehend zu, damit ich meine Sache weiter verfolgen kann, denn allzu lang will ich es nicht hinausschieben.
Was schenken wir denn unseren Gören zu Weihnachten? Ich dachte schon, man würde einmal ein Inserat in der Zeitung aufgeben wegen eines Fahrrads für einen der Beiden.  Ich dachte an ein Kinderfahrrad. Was meinst du dazu. Hatten nicht Webers auch eins. Oder willst Du dort nicht gerne fragen. Es geht doch so vieles durch Anzeige. Schreibe mir, was Du denkst, kannst selbstverständlich auch die Anzeige aufgeben, wenn Du meine Anregung für richtig hältst. 
Ich lege Dir noch eine Aufstellung der Kosten, die ich bis jetzt mit der Ahnensache gehabt habe.  Ergänze doch die Aufstellung, die ich daheim habe. Dann kannst Du diesen Zettel vernichten. Ob ich noch viel erreichen werden in dieser Sache, erscheint fraglich, aber ich will versuchen, ob ich die eine oder andere noch bekommen kann. Auf zwei Schreiben habe ich trotz zwei Schreiben keine Antwort erhalten.  Neuigkeiten habe ich keine zu berichten. Ich schließe darum und grüße Dich recht herzlich und sende Dir viele, viele Küsse. Dein Ernst.

Mittwoch, 15. November 2017

Brief 337 vom 14./15.11.1942


Meine liebste Annie !                                                               14.11.42     
 
Drei Nächte bin ich nun hier und dreimal habe ich woanders geschlafen. Die erste Nacht im Bett von einem Schreiber, der sich im Urlaub befindet. Die zweite Nacht habe ich ein Bett gehabt, das ich in unser Arbeitszimmer gestellt habe, weil ich keine Unterkunft hatte. Die vergangene Nacht habe ich nun behelfsmäßig ein Zimmer zugewiesen bekommen, in dem ich mich für die nächsten Tage aufhalten kann, bis wir eine neue Unterkunft haben. Es ist aber alles sauber, wenn zwar auch sehr einfach, aber man kann es aushalten und ich bin auch damit zufrieden. In meine Arbeit habe ich mich auch wieder hineingefunden und es läuft so, wie es vorher war. Ich bin froh, daß alles seine Ordnung hat, denn Du weißt ja, wie ich es nicht vertragen kann, wenn alles so nebeneinander herläuft und wenn man dann am Ende des Tages sieht, daß man nichts geschafft hat. Das ist jetzt nicht mehr der Fall und das beruhigt mich wieder. 
Deine Briefe habe ich nun, nachdem ich sie am ersten Tag gelesen hatte, nochmals darauf durchgesehen, ob noch etwas zu beantworten ist. Im Großen und Ganzen haben wir ziemlich alles daheim besprochen. Was die Gläserringe für Deine Einweckgläser anbelangt, so behalte das nur im Auge. Im nächsten Jahr mußt Du dann zusehen, daß Du welche bekommst im Umtausch.  Für die mitgesandten Briefmarken danke ich Dir. Ich werde sie mit verwenden, wenn ich an Dich etwas abzuschicken habe. Ich denke, daß das bald der Fall sein kann, wahrscheinlich werde ich nochmals Butter bekommen, für die Du mir nicht böse sein wirst. Ich freue mich, daß es mir möglich sein wird, für Deinen Fett-Topf etwas zu tun. Die Bilder habe ich auch erhalten. Sie sind nicht so schlecht, wie Du sie machen willst. Sie sind auf jeden Fall eine ganz nette Erinnerung. Vor allem sind die beiden Großväter darauf. Euch Drei habe ich dabei auch noch einmal im Bild. Sie sind ziemlich wirklichkeitsnahe.
Das Päckchen mit den Pralinen lag schon lange Zeit hier. Durch den Transport waren sie etwas trocken geworden und von der Holzwolle hatten sie leider etwas Geschmack angenommen. Ich habe sie aber gern gegessen. Du kannst mir glauben, daß sie mir trotz allem geschmeckt haben. In einem Deiner Briefe schreibst Du vom Mistholen. Ich habe lachen müssen, wie Du „die fette Ware“ lobst. Wenn es Dir möglich sein sollte, ihn ab und zu zu güllen, dann könnte das nichts schaden. Er erfüllt aber auch so seinen Zweck. Du hast aber auch schon so Deine Arbeit mit dem Garten. Vor allem, da es auch bei Euch mit dem Winter bald soweit sein wird.  Das Jahr war bislang so schön, daß man mit einem plötzlichen Einbruch der kalten Jahreszeit rechnen muß. Ich denke, daß ich die wesentlichen Dinge, die noch zu berühren waren, erledigt sind.  Ich habe noch andere Post hier vorliegen, die ich von Wittenburg, Siegfried, Nannie und Kurt erhalten hatte, die nun noch zu beantworten ist. Außerdem auch von einem Pfarramt, dem ich noch schreibe. Das gibt wieder Beschäftigung für die kommenden freien Stunden.  Heute lege ich Dir die hier für mich aufbewahrt gewesenen Briefe bei. Ebenfalls noch einige Bilder zum Aufheben. Die von mir gekauften Briefmarken lege ich gleichfalls bei. Ich bitte Dich, diese mit aufzuheben.
S ei recht herzlich für heute gegrüßt und nimm ebenso viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie !                                                                 15.11.42         

Schon ist der erste Sonntag angebrochen, den ich bei meiner Einheit verlebe. Man merkt so richtig, wie man mit zuhause zusammenhängt, obwohl schließlich ein Tag hier wie der andere verläuft. War es doch während der Urlaubstage so nett bei Dir. Das werde ich die kommende Zeit wieder entbehren. Wie ich Dir gleich in meinem ersten Brief schrieb, ist ja unsere Bude abgebrannt.  Wenn es auch nicht fürstlich war, hatte man doch eine feste Unterkunft. Die Notwohnung, wenn man sie so nennen soll, richtet man schon gar nicht ein, weil das doch nur vorübergehend ist.  Wenn wir unser festes Unterkommen haben, dann ist das schon etwas anderes. Daß meine Stimmung gehoben wurde, als ich an meinem Ankunftstage vor der verbrannten Bude stand, kannst Du Dir wohl vorstellen. Ich hatte Dir aber noch nicht geschrieben, wie es zum Brand kam und wie ich alles vorfand. Mein Kamerad und die Übrigen befanden sich alle zuhause in ihrer Wohnung. Es war schon Nacht und im Bett hörte er so ein Rieseln und Rascheln in der Wand. Er holte einen anderen hinzu, der meinte aber, das sind Mäuse oder Ratten, die über den Speicher laufen und legt sich wieder zu Bett. Dem Ersteren läßt das aber keine Ruhe und er sieht auf dem Dachboden nach, der sich gleich über unsren Zimmern befand. Dort entdeckt er, daß alles voller Rauch ist. Da merkte er, dass es höchste Zeit ist, daß unsere Zimmer geräumt werden und ruft Alarm. Daraufhin wurde der Bau lebendig. Jeder, der zuhause war, hat gerettet, was möglich war, denn inzwischen hatte sich der Brand ausgedehnt und kam auf dem Flur durch die Decke. Was jeder zum persönlichen Eigentum hatte, das ist fast alles weggebracht worden. Was sich sonst in den Zimmern befand, ist bald alles verbrannt. Später ist dann der Dachstock heruntergefallen und auch unser Stockwerk fiel dann durch. Das ganze Haus ist durch diese Sache in Mitleidenschaft gezogen. Ich komme nun hier nichtsahnend an, versorge mein Gepäck auf dem Bahnhof. Es ist stockdunkle Nacht. Der Wind pfeift ziemlich, vor allem um die Ecken. Mein Stiefel macht mir Beschwerden, denn da waren die Nägel durchgekommen. Ich war also froh, endlich in ein Bett zu kommen. Als ich in die Nähe unseres Hauses komme, höre ich Wasser rauschen. Ich denke, das wird wohl ein Wasserrohrbruch sein. Als ich die Straße zu unserem Haus überqueren will, ist vom vielen Wasserlaufen alles vereist. An der Haustüre finde ich alles so vor, wie ich es von früher her kannte, nur daß die Türe verschlossen war. Die habe ich mit Gewalt geöffnet, weil mir auf mein Klopfen niemand aufgemacht hatte. Das war eine ziemliche Arbeit.
Bei allem bekam ich einen gelinden Zorn, was man sich ganz gut vorstellen kann. Ich bin dann mit meiner Taschenlampenbeleuchtung hinaufgestiegen bis in den 5. Stock. Im 1. und 2. Stock standen Schreibtische auf dem Flur. Es roch wohl nach Brand, aber ich dachte mir, da kann dort unten wohl etwas passiert sein und ging weiterhin ahnungslos hinauf. Als ich oben ankam, sah ich die Bescherung. Da wurde mir plötzlich alles klar. Ich habe dann schleunigst kehrtgemacht, denn das war mir doch nicht ganz geheuer. Im Nachbarhaus fand ich dann Schlafgelegenheit, wie ich Dir schon schrieb. Das ist die Geschichte vom Brand, den ich glücklicherweise nicht habe mitmachen müssen. Der bietet gegenwärtig noch allerhand Stoff für Gespräche. Denn diese Angelegenheit wird nun von allen möglichen und unmöglichen Seiten beleuchtet. Ich kenne mich dabei aus, wie wenn ich selbst dabei gewesen bin. 
Gestern bekam ich noch von Dir den Brief vom 18.10., der als Nachzügler eintraf. Mir fiel das bei der Post auf, als ich sie alle nochmals durchlas, daß da eine Lücke war. Dies hat sich nun von selbst geklärt durch das Eintreffen dieses Briefes. Momentan habe ich nichts weiter zu berichten. Ich schließe darum für heute und bitte Dich, recht viele herzliche Küsse und Grüße entgegenzunehmen. Grüße auch unsere Borzels von mir und gib ihnen einen herzlichen Kuß von Deinem Ernst.

Brief 336 vom 13.11.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                  13.11.42    
   
Den ersten Tag habe ich hinter mich gebracht und heute versuche ich, mich in den Betrieb einzuleben. Bevor ich aber weiter arbeite, will ich Dir noch schreiben. 
Von meiner Fahrt hätte ich noch nachzutragen: In Kowel kamen wir mit einigen Verspätungen an. Es war bereits Mittag, so daß die allgemeine Wartezeit für uns abgekürzt erschien. Als wir eintrafen, stand auf dem anderen Geleise schon ein Zug, der nach Kiew fuhr. Da war dann der Aufenthalt nicht so lang wie es erst aussah, denn nach Verlauf einer Viertelstunde rollte er schon. Fahrplanmäßig sollte der Zug gegen 20 Uhr dort eintreffen. Bis wir aber ankamen, war es Mitternacht 12 Uhr.
Unser Anschlußzug, der 22,20 abfuhr, hat auf uns nicht solange gewartet. So saßen wir da und machten lange Gesichter.  Mit noch einigen Offizieren haben wir uns dann Quartier geben lassen und haben dann in Kiew übernachtet. Als wir so in der Nacht auf die Straße mußten, war es empfindlich kalt und ein scharfer Ostwind verstärkte die Kälte ziemlich. Nach einem Marsch von einer halben Stunde sind wir dann in unserem Quartier angekommen. Die Unterkunft war so einigermaßen, daß man es für eine Nacht hat aushalten können.
Von zuhause aus war man schon noch etwas verwöhnt. Es nutzt aber alles nichts, man muß sich wieder umstellen. Mein Zug fuhr dann erst wieder 22,20 Uhr. Ich hatte dann am nächsten Morgen Zeit. In dem Offiziersheim war ein Friseur, dort habe ich mir die Haare schneiden lassen. Anschließend habe ich noch einen Spaziergang durch die Stadt unternommen, bin dort auch auf das Postamt gekommen und habe mir zwei Sätze Briefmarken mit Überdruck gekauft., die ich Dir in den nächsten Tagen mitsenden werde.
Die Stadt macht einen sehr zerstörten Eindruck.  Sie dehnt sich sehr weit und man muß schon tüchtig laufen. Die Stadt muß für russische Verhältnisse früher ordentlich ausgesehen haben. Man muß aber bedenken, daß ein großer Teil noch aus der Zarenzeit gestammt hat. Es wird ja hier schon so zeitig dunkel, so daß man mit dem Tag ganz aus der Reihe kommt.  Ich bin dann als es dunkel wurde, in ein deutsches Restaurant gegangen, was mir empfohlen wurde. Dort waren die Preise nicht ganz so gepfeffert wie in den anderen Lokalen, aber es gibt einfach nichts, wenn man keine Marken hat. Auch die Leute, die mit Marken gegessen haben, bekommen nichts für ihr Geld. Ich war aber froh, daß ich mich irgendwo aufhalten konnte, weil man in solch einer Stadt nicht weiß, was man anfangen soll.
Ich bin dann später auf den Bahnhof gegangen, um mir Verpflegung zu holen und um mich noch etwas aufzuwärmen. Dort habe ich dann die Zeit verbracht bis mein Zug abgehen sollte. Unser Zug wurde auch zur Zeit eingesetzt, aber der unfreiwillige Aufenthalt sollte noch nicht so schnell beendet sein. Wir haben auf dem Geleise mit unserem Zug bis am anderen Morgen gegen 4 Uhr gestanden, ehe der Zug abgefahren ist. Gefroren haben wir wie die Schneider, denn die Heizung ging nicht durch. Dieser Zustand hat dann angehalten bis am folgenden Abend, als wir in Lubeni ankamen. Dort wurde dann der Schaden behoben.
Von unterwegs kann ich noch berichten, daß ich in Kowel noch den Schäfer traf, den ich doch in Konstanz schon gesprochen hatte. Er war auch wieder auf der Fahrt nach seiner Dienststelle. Wie ich den (Schäfer) anstoße bekomme ich von der Seite einen Boxer und wie ich mich umdrehe, treffe ich einen Kameraden, der mit bei der Feldkommandantur in Mirgorod war. Ich erzählte Dir wohl davon, daß er nach Afrika gegangen sei. Er ist inzwischen krank geworden und mußte wieder in die Heimat zurück.  Dort erhielt er den Befehl, daß er wieder zur alten Einheit kommandiert ist. Daß das eine ziemliche Überraschung war, kannst Du Dir wohl vorstellen. Wir hatten uns so allerhand zu erzählen, und ich muß sagen, es war ziemlich kurzweilig auf der Fahrt.  Durch die verspätete Abfahrt kamen wir auch mit entsprechender Verspätung hier an. Fahrplanmäßig sollte dieser Zug abends gegen 6 Uhr hier eintreffen. Wie ich Dir gestern schon mitteilte, war es Mitternacht geworden. Ich habe es jetzt wieder überstanden und nach dem ich nun nicht zuhause sein kann, bin ich froh, daß ich wieder bei meinem Haufen bin, denn das in der Welt Herumgondeln macht auf die Dauer kein Vergnügen. 
Die Gegend bietet an sich wenig Abwechslung. Das ist nicht wie im Schwarzwald. Als wir dort durchfuhren, wie war das so abwechslungsreich. Der Laubwald noch so schön gefärbt und die vielen Ausblicke. Man kennt durch das frühere verschieden Reisen schon einiges und sieht es immer wieder gern. Hier war schon alles kahl und eintönig. Man hat keine rechte Lust, zum Fenster hinauszusehen. Zudem ist man sowieso nicht in der besten Stimmung, wenn man von zuhause wegfahren mußte. Wie gesagt, ich bin froh, daß ich es geschafft habe.  In wenigen Tagen werde ich mich auch hier in den Kram hineingefunden haben. Von der weniger erfreulichen Überraschung habe ich Dir schon berichtet. Die Kameraden hatten mir alles mitgenommen, so daß mir kein Schade entstanden ist. Für Deinen Gruß, den Du mir auf die Zeitung geschrieben hattest, danken ich Dir noch Ich habe ihn unterwegs zwischen Berlin und Warschau entdeckt und ich habe mich tatsächlich sehr darüber gefreut und danke Dir nochmals dafür. 
Einige Kleinigkeiten habe ich vergessen, die aber jetzt an sich nicht so wichtig sind und die Du mir nicht unbedingt nachschicken mußt. Das ist erst einmal mein Löffel und die eine Handbürste. Dagegen wäre es kein Schaden, wenn Du mir bei Gelegenheit einen Kopfschützer machen kannst. Wenn es jetzt dann kälter wird. wäre dies ganz nützlich, denn wir werden nichts weiter bekommen. Wünsche habe ich keine weiter mehr. Ich kann Dir noch mitteilen, daß die Kameraden für mich gut gesorgt haben. Ich habe meine Luftpostmarken erhalten obwohl mir diese im Urlaub nicht zustanden. Darum kann ich Dir auch heute wieder schreiben.
Dann haben die Kameraden für mich die Marketenderwaren in Empfang genommen. Da ist eine große Flasche Martell-Cognac dabei und verschiedene Kleinigkeiten, die ich für Euch aufhebe und Dir mit zuschicken werde. Ich denke, daß Du Dich darüber freuen wirst. Du kannst sie gut für Weihnachten mit verwenden, wenn sie noch rechtzeitig ankommen. Ich habe auch noch einmal Butter in Aussicht, damit Du Deinen anderen Topf noch füllen kannst. Ich sehe zu, daß ich für Euch wieder etwas beiseite bringe, denn es ist mir doch eine große Beruhigung, wenn Ihr nicht mangelt daheim.  Auch sonst ist gesorgt, daß ich mit dem Essen ordentlich versorgt bin. Ich kann nur sagen, daß nach dem ersten Eindruck, den ich bis jetzt gewonnen habe, das Essen noch besser ist, wie bei der letzten Verpflegungseinheit. Bei Gelegenheit werde ich Dir einmal darüber berichten. Mir fehlt also tatsächlich nichts.
Die mir mitgegebenen Marke lege ich Dir wieder mit bei. Wie ich Dir schon sagte, ich habe sie nicht gebraucht. Belegte Brötchen habe ich in Berlin auf dem Bahnhof auch noch nicht gesehen. Ich kann mich übrigens hier wieder so herausfuttern, wenn mir auf der Fahrt tatsächlich etwas abgegangen sein konnte. Ein Bild, das einmal hier früher gemacht worden ist, lege ich Dir noch mit bei. Andere folgen bei Gelegenheit.  Das wäre so das Notwendigste, was ich jetzt für heute zu berichten hätte. Ich schreibe dann morgen wieder mit der normalen Post. Du wirst dann auf die laufenden Briefe noch einige Tage warten müssen. Ich bin darum froh, daß ich Dir das Nötigste habe noch so schnell mitteilen können. Sei Du recht herzlich gegrüßt und recht fest geküßt von Deinem Ernst.

Sonntag, 12. November 2017

Brief 335 vom 12.11.1942


Mein liebster, bester Schatz !                                                         12.11.42       
 
Diesmal hast Du schon einige Tage warten müssen, aber es ging beim besten Willen nicht anders. Doch warum ich Dir nicht schreiben konnte, das bitte ich Dich aus dem weiteren Inhalt zu entnehmen.
Als erstes, Mittwoch Nacht 11,30 Uhr bin ich nun hier eingetroffen. Ich hatte noch mein Gepäck auf dem Bahnhof zu versorgen. Einen Kraftwagen konnte ich von uns nicht mehr herbeirufen, so daß ich mich zu Fuß auf den Nachhauseweg machen mußte.  Nach Mitternacht traf ich im Rathaus ein und wollte zum Tor hinein, da war alles verrammelt. Ich gehe um das Haus herum, da ist alles überschwemmt. Wasserschläuche liegen auf der Straße herum und sind eingefroren. Mit Gewalt habe ich dann die Haustüren geöffnet und bin die 5 Stockwerke hinaufgestiegen. Dort erlebte ich eine richtige Überraschung. Unsere Bude war die vorhergehende Nacht abgebrannt. Du kannst Dir denken, daß das weniger angenehm war. Erstens ist man hundemüde und so nach Mitternacht, wo soll man hingehen. Ich wußte zufällig noch, wo einige Männer unserer Einheit wohnten. Dort habe ich den Spieß herausgetrommelt, der mir dann für diese Nacht wenigstens ein Bett gab. Heute morgen habe ich mich einmal nach meinem Verein umgesehen, der mir dann auch den ganzen Vorgang offenbarte. Die erste Überraschung war alles andere, nur nicht gerade angenehm. Im allgemeinen wurde ich wieder freudig empfangen, und ich muß sagen, die Kameraden waren alle bis jetzt sehr nett. Meine Sachen, die ich noch hier gelassen hatte, sind alle gerettet worden, so daß ich keinen Schaden erlitten habe. Ich habe sie zwar noch nicht durchgesehen, aber es wird alles in Ordnung sein.
Hier fand ich einen ganzen Schwung Briefe vor. Die meisten stammten aber von Dir, die ich nun erst alle gelesen habe mit dem schönen Gefühl der Erinnerung an unser Zuhause. Im Hinblick darauf möchte ich Dir noch einmal für all die schönen Tage und für die Liebe, die Du mir während meines Aufenthaltes entgegengebracht hast, meinen tiefsten Dank sagen. Es waren so schöne Tage, die ich jetzt umso mehr empfinde, als ich mich hier in dieser elenden und blöden Gegen wieder aufhalten muß. Es war während diese Urlaubs so schön und ungetrübt, und wir haben es diesmal beide so gut verstanden, uns fast bis zum letzten Tag durchzumogeln ohne an das Abfahren zu denken oder dies wenigstens in Erinnerung zu bringen. Allgemein gesehen fühle ich, daß ich mich während meines Besuchs daheim gut erholt habe und daß ich den Anforderungen für den Winter wieder gewachsen sein werde.  Wenn ich auch körperlich nicht so weit heruntergekommen war, wie ich es ja bei meinen verschiedenen Besuchen immer hören konnte, so hat man eine Ausspannung aus dieser Tretmühle schon einmal notwendig .
Dies habe ich einmal während dieser Tage richtig tun können. Daß Du Deinen redlichen Teil dazu beigetragen hast, das möchte ich Dir hiermit nochmals versichern. Daß wir am letzten Abend noch so eine weniger angenehme Angelegenheit mit unserem Sohn zu regeln hatten, das bitte ich Dich zu entschuldigen. Vielleicht war auch ich etwas erregt und in einem anderen Fall würde ich das nicht so tragisch genommen haben. Ich hoffe, daß der Junge das auch wieder überstanden hat und daß er es nicht gar zu sehr  nachträgt. Ich weiß zwar, daß er das im allgemeinen nicht tut.  Heute ist nun wieder Dienstag und Ihr seid sicherlich beim Baden. Wenn es so kalt ist wie hier, dann seht Euch nur vor. Als ich in Kowel ankam. da pfiff ein ziemlich kalter Wind und in Kiew da war es bei meiner Ankunft in der Nacht empfindlich kalt. Es werden etwa 6 Grad gewesen sein.  Hier weht vor allem ein kalter Wind bei dem man den Unterschied von zuhause und hier doppelt so sehr spürt, wie wenn es daheim auch schon so kalt gewesen wäre.
Das Wetter auf der Fahrt war bis Karlsruhe angenehm. Von Karlsruhe bin ich dann weitergefahren und kam auch über Blankenloch bei Kurts früheren Quartierleuten vorbei. Die Fahrt ging dann weiter über Mannheim, Frankfurt, Darmstadt Eschwege, Nordhausen, Berlin. In Berlin bin ich dann nicht bis zum Bahnhof Friedrichstraße gefahren, sondern schon am Bahnhof Zoo ausgestiegen und dann wieder zurückgefahren nach Charlottenburg, denn das wäre die erste Station gewesen in Berlin, in der der Zug nach Kowel ankam. Dort konnte ich dann 8,13 Uhr den Zug erreichen und ich muß sagen, daß ich froh war, daß ich zurückgefahren bin. Denn als der Zug durch die verschiedenen Bahnhöfe von Berlin fuhr, war der Zug einfach überfüllt. Von Glück konnte ich ja reden, daß ich 2.Klasse hatte, denn wenn ich 3. Klasse gehabt hätte, wäre ich die ganze Fahrt gestanden. Das war nun in diesem Fall nicht notwendig.
Von Berlin an hatte es dann geregnet und alles war dort so unfreundlich, daß man keine Lust hatte, sich noch länger in Berlin aufzuhalten. Über Küstrin, Schneidemühl, Posen, Thorn fuhren wir weiter nach Warschau und von dort ging es dann die gleiche Strecke zurück, wie ich sie gekommen war. Deblin, Lublin waren die wichtigsten Orte bis Kolw.
Das Wetter war sehr unterschiedlich, wie Du schon aus den Zeilen vorher gesehen hast. In Konstanz war es noch schön. Als man am See lang fuhr, hatte   man nochmals den schönen Blick bis Konstanz hinter. Das Münster und der Turm der Stefanskirche grüßten zum letzten Mal. Dann war so gewissermaßen der Urlaub abgeschlossen. Der Abschied ging diesmal etwas plötzlich, aber vielleicht war es besser so, wie wenn man sich die letzten Minuten noch so auf dem Bahnsteig herumquält. Ich hoffe, daß Ihr Euch am Tage etwas Ablenkung verschafft habt, denn ich weiß, daß es auch Dir nicht einerlei war. Mir war es jedenfalls auch so. Es scheint mir, als sei es mir diesmal besonders schwer gefallen. 
Bis Berlin konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Ich war regelrecht benommen. Als ich dann wieder Soldaten traf, dann ging es wieder einigermaßen. Überstanden hatte ich diesen Druck noch nicht ganz, aber immerhin nahm ich schon wieder mehr an den Dingen teil. Nachdem ich nun beim Haufen gelandet bin, geht es wieder eher, aber die Gedanken an zuhause, die stehen immer noch im Vordergrund, dazu sind die Eindrücke des Urlaubs noch zu nahe.  Da haben mir auch die vielen Briefe nicht darüber hinweggeholfen, die ich hier vorfand. Im Gegenteil, alle die Dinge habe ich noch mal so wirklichkeitsnah erlebt, weil Du mir all das Geschriebene vorher erzählt hast, und weil wir so viele Dinge haben wieder einmal mündlich versprechen und regeln können. Wie viel besser ist das, wenn man die verschiedenen Sachen persönlich regeln kann.
Das haben wir wieder tun können und wenn wir dabei berücksichtigen, daß dieser Urlaub so unverhofft kam und Du noch weniger Ahnung hattest wie ich. Alles in allem kann ich Dir nur nochmals bestätigen, daß es recht schöne Tage waren und ich sehr gern daran zurückdenken werde. Ich bin davon überzeugt, daß es Dir genau so gehen wird und hoffe, daß es den Kindern auch so gegangen ist.  Ich bin nun seit meiner Abfahrt noch nicht so richtig zur Ruhe gekommen, und ich hoffe, daß ich heute einigermaßen schlafen kann, obwohl ich nur ein Notquartier habe, bis ich endgültig irgendwo schlafen kann. Es ist möglich, daß ich morgen nochmals mit Luftpost schreibe, damit Du nicht allzu lange jetzt warten mußt. Für heute will ich jetzt schließen und gebe Euch allen daheim recht viele Küsse und Dich, mein liebes Mädel, grüße und küsse ich besonders herzlich und bin für immer Dein Ernst.

Mittwoch, 8. November 2017

Brief 334 vom 8.11.1942


Mein liebes herzensgutes Mädel !  5.oo Uhr    8.11.42       

Wie schnell sind die schönen unverhofften Urlaubstage vergangen.  Ich bin wieder auf der Fahrt nach draußen. Bis Karlsruhe hatte ich meinen schönen Platz. In Karlsruhe kam der Fronturlauberzug, der an sich überfüllt war, in dem ich aber doch noch gut Platz bekam, weil ich 2. Klasse hatte. Mit diesem Zug bin ich nun gleich bis Berlin gefahren. Hier muß ich noch einige Stunden im zugigen und übervollen Wartesaal sitzen, bis mein Zug nach dem Osten weitergeht. Ich hoffe, daß alles so vonstatten geht, wie bis jetzt.
Wie habt Ihr nun den gestrigen Tag verbracht. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, daß Ihr es nicht zu hart wieder hinnehmt. Ihr wißt, daß es auch für mich diesmal nicht so einerlei war. Ich möchte es mir nicht so anmerken lassen. Ich war in einer Beziehung froh, daß es schnell gegangen  ist mit dem Abschiednehmen. Wie haben es die Kinder empfunden, daß ich nun wieder fort bin. 
Lasse mich bitte für jetzt schließen, denn ich bin von allem abgespannt, was in den letzten Tagen so vor sich ging und nun die Fahrt, die mich auch etwas angestrengt hat.  Dir mein liebstes Mädel und den Kindern recht viele Grüße und Küsse, wie ich sie Dir immer gebe von Deinem Ernst.