Samstag, 7. Januar 2017

Brief 215 vom 7./8.1.1942


Mein liebes Mädel !                                                          7.1.42                                
      
Ich habe Deinen lieben Brief vom 3. erhalten. Ich danke Dir wieder recht herzlich dafür. Du denkst immer so fleißig an mich, so daß mir das auch immer wieder ein Ansporn ist, Dir ziemlich regelmäßig zu schreiben. Es sind ja nur ganz wenige Tage, die ich auslasse. Aber ich denke, daß Du bis jetzt noch nicht zu kurz gekommen bist, oder hast Du zu klagen? 
Du hast also auch das Gefühl gehabt, daß es besser ist, daß die Feiertage vorbei sind.  Nun haben wir die  nächste Zeit nicht gleich wieder welche zu erwarten. Im alten Trott geht es nun weiter. Solange man regelmäßige und genügend Arbeit hat, ist es noch zu ertragen. Es sollten einem nur nicht immer so Schwierigkeiten gemacht werden, dann ginge ja alles gut. Es soll einem nicht zu wohl werden.  Darum lassen wir den Dingen ihren Lauf und tun die Arbeit, so wie es gerade sein muß.
Bei einer so zahlreichen Familie, wie sie Helga hat, kann es einem schon passieren, daß man sich einmal täuscht. Na, ich bin nur froh, daß man bei der Größeren gleich merkt, daß sie schon etwas mehr Erziehung genossen hat. Wenn das Baby noch nicht alles kann, muß eben die Puppenmutter etwas Geduld damit haben, denn alles kann sie noch nicht von ihren Kindern verlangen. Ich denke aber, daß sich das mit der Zeit noch geben wird. Gebt darum die Hoffnung nicht auf.
Wegen der Munition für Jörgs Kanonen will ich zusehen, daß ich noch etwas Vorrat bekommen kann. Außer der in einem meiner letzten Briefe erwähnten Seife habe ich nochmals ein Teil bekommen können. Das wird wohl so die letzte sein. Das sind noch Restbestände, die hier auf dem Bürgermeisteramt gelagert haben. Dieses Lager wird wohl in irgendeiner Form liquidiert, so daß es dann für uns Schluß ist.  Zwei Päckchen sind ja schon unterwegs, weitere will ich morgen wahrscheinlich mit fertig machen. Ich will mir hier nicht zu viele Sachen aufstapeln. Ich bin froh um alles, was bei Dir daheim ist.  Aber es ist alles gute Seife, um die du vielleicht noch mal froh sein wirst.  Für unsere Beiden ist die Schule nun auch wieder losgegangen. Sie werden sich nach diesen Feiertagen auch wieder hineinfinden. Wenn Jörg das Lesen heraus hat, wird er auch bald anfangen, sich über die Bücher herzumachen.
Etwas Tabak und einige Zigarren habe ich auch wieder zurückgelegt. Ein Paket mit Zucker und noch 2 kleinen Schachteln mit Mehl stehen auch noch da, die ich fertig machen werde. Sobald ich wieder etwas habe, wird es auf den Weg schickt.  Ich denke, daß ich dieser Tage auch noch an Deinen Vater schreiben werde. Was ich so noch an Post zu erledigen habe, muß dann auch demnächst heraus. Unter anderem an Dora.
Die verhält sich übrigens auch sehr reserviert.  Ich habe kürzlich wieder einmal eine Jacke gesehen, wie ich sie Dir mitgebracht hatte, die ist zwar Handarbeit, kostet aber etwa 45,- RM bis 50,- RM. Da staunst Du, was. Man kann fast nichts mehr kaufen. Ich bin darum froh, daß ich im letzten Jahre wenigstens noch einiges beschafft habe.  Nun aber viele herzliche Grüße und Küsse Dir und den Kindern, an Vater einen Gruß. Zeitungen, einige Briefe und die beiden Bilder sind wieder beigefügt. Dir nochmals viele feste Küsse und herzliche Grüße sendet Dein Ernst.

Meine liebste Frau !                                                         8.1.42                

Vorhin habe ich Deinen lieben Brief vom 4. erhalten. Bis zum Nachrichtendienst habe ich Päckchen gepackt, die ich bei der nächsten Anlieferung mitschicken werde. Nun bin ich soweit, um Dir Deinen lieben Brief zu beantworten. Gerade hat man im Radio gespielt. „´s ist Feierabend.“ Ich habe dabei wieder besonders an Deine Mutter denken müssen.
Ich möchte aber meine Postverpflichtung Dir gegenüber  noch erfüllen. Nebenher verzehre ich noch das letzte Gebäck, das ich von Dir zum Weihnachtsfest erhalten habe.  Ich habe mich vorhin noch an etwas anderes erinnert, als man im Rundfunk den Schlager spielte „Man müßte Klavier spielen können“.  Das haben wir doch in meinem letzten Urlaub in einem Film gehört.  Das wird in letzter Zeit vielfach im Rundfunk gespielt. 
Gestern waren es, soviel ich mich entsinne, 10 Jahre her, seit ich das erste Mal zur Stadt kam. Weißt Du noch, wie es erst am Anfang hieß, es sei zur Aushilfe für 8 bis 14 Tage. Dann waren wir froh, als es dann länger ging und mit banger Sorge hat man dann sich immer gefragt, wie lange wird es wohl noch gehen. Mit einer Zwischenspanne von einem halben Jahr, sind jetzt nun schon 10 Jahre vorbei, seit ich meine Tätigkeit bei der Stadtverwaltung aufgenommen habe. An solchen Sachen merkt man immer, wie die Zeit vorübereilt. Wir können sie nicht aufhalten und es muß auch immer weitergehen, darum müssen wir ihr ihren Lauf lassen. Ja, bis zur Aufgabe Deiner Tätigkeit bei Strohmeyer, konnten wir, nachdem ich nun auch eine Arbeit hatte, verschiedene wichtige Anschaffungen machen. Ich weiß noch wie heute, wie froh wir waren. Deine Mutter sandte uns dann immer wieder etwas an Geld zu, um diese notwendigen Anschaffungen zu unterstützen. Es ging uns zwar nicht gerade rosig und glänzend, aber wir schafften doch verschiedenes an und man sah, daß es etwas vorwärts ging. Manche Schwierigkeiten hatten wir noch zu überwinden, bis wir soweit waren, was wir jetzt erreicht haben. Aber wir haben es gewagt und geschafft. 
Da kann ja Vater sich noch schön etwas zurücklegen, wenn er neben seinem Verdienst noch seine Rente hat. Die ist doch immerhin ganz nett. Wenn er zwar allein davon leben müßte, könnte er wohl keine großen Sprünge machen, aber immerhin geht es und ist eine der höchsten Invalidenrenten die ich in Erinnerung habe. Meist erhalten die Leute weniger. Dabei muß man berücksichtigen, daß er doch lange Zeit arbeitslos war.
Ich gönne es ihm von Herzen, daß er nochmals ein paar Mark in die Hand bekommt, denn das war doch immer mit sein großer Wunsch. 
Wenn aus dem einen herzhaften Kuß mehrere werden, werde ich mich wohl damit abfinden müssen. Aber ich werde mich auf das schlimmste vorbereiten. Das Baden geht eigentlich ziemlich selten bei Euch so vor sich. Im Monat einmal.  Ich habe heute auch wieder gebadet, aber wenn ich mich nicht in jeder Woche einmal ganz baden kann, komme ich mir schon dreckig vor. Unsere Soldaten im Osten wären bestimmt froh, wenn sie sich überhaupt einmal richtig baden könnten, aber solange man das hier noch haben kann, nimmt man das mit und nutzt es entsprechend aus.
Das muß sicher putzig ausgesehen haben, wenn Jörg mit dem Mantel, der ihm gerade noch so über den Bauch passte, herumgelaufen ist. Das war ja dann nur noch eine längere Jacke. Na, wenn Du durch die Weiter Vererbung an Helga bzw. von Helga an Jörg, für beide Teile wieder Hilfe geschaffen hast, so haben sich die Anschaffung nicht nur für Dich im vergangenen Jahre sondern auch für die Kinder gelohnt.  Ich freue mich jedenfalls, wenn ich lese, daß Du die Päckchen sowieso erhalten hast. Wenn die gesandten Sachen dann noch Anklang finden, bin ich dann doppelt froh. 
Daß sich die Kinder an den eßbaren Sachen, soweit sie ihnen schmecken, gleich hermachen wollen, ist mir schon verständlich.  Aber es ist so, wie Du schreibst, man muß alles etwas verteilen, denn die Beschaffung ist nicht immer so einfach. Denn in Friedenszeiten geht das alles anders. Dabei muß man noch bedenken, daß ein Großteil derartige Sendungen nicht erhalten kann. Es ist mir zwar durchaus klar, daß es auch noch Leute gibt, die auch noch mehr haben als wir. Doch wir sind mit dem zufrieden, was wir schaffen können.
Heute habe ich 4 Päckchen mit Seife fertiggemacht und wie ich gestern schon schrieb, das Päckchen mit Zucker und etwas Mehl. Sie sind von 3 bis 7 nummeriert. Es ist immerhin allerhand Arbeit, bis man wieder alles zusammengepackt hat. Man freut sich aber immer wieder, wenn man es geschafft hat.
Ich will noch einmal eine Kokosnuß kaufen, wenn es wieder welche gibt, die schön frisch ist. Mein Händler hat mir heute vom Kauf abgeraten, weil die, die er da hat, nicht frisch genug wäre.  Sobald ich wieder Mandarinen oder Apfelsinen erhalte, sende ich sie alsbald ab. Das wäre nun wieder einmal für heute alles.
Inzwischen ist es nun 11 Uhr geworden, und ich will mich zu Bett legen. Also schlafe Du gut und gute Nacht mein liebes Mädel.  Vielmals grüße ich Dich und die Kinder. Gib ihnen auf mein Konto einen kräftigen Kuß, Du selbst erhältst im Geist dafür ein paar mehr, weil es sich anders jetzt nicht machen läßt. Dein Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen