Mittwoch, 25. Januar 2017

Brief 221 vom 25.1.1942


Meine liebe Annie !                                                            25.1.42    
                   
Vorgestern und gestern habe ich Dir nicht geschrieben. Ich hoffe, daß Du mir das nicht übel nimmst. Aber ich habe nicht so den richtigen Schneid dazu gehabt. Es passiert einem ja selten, daß man in so einer Stimmung ist. Dafür möchte ich aber heute Deine vielen Briefe beantworten, die bis heute seit Freitagabend bei mir eingegangen sind.
Du wirst Dich wundern, aber ich habe seither 5 Briefe von Dir erhalten und zwar die vom 16. bis 20. Das ist doch allerhand. Eine Schweinerei ist nur, daß ich sie erst heute beantworte. Also man langsam, es kommt jeder dran. Und immer schön der Reihe nach.  Daß die Taucherarbeiten Euch interessiert haben, kann ich mir gut vorstellen. Wenn das Wetter nicht zu kalt ist, kann man da schon eine Weile zuschauen. Daß die Kinder etwas mit sehen konnten, war für sie die beste Anschauung.  Denn wenn man etwas gesehen hat, kann man sich etwas derartiges viel besser vorstellen, wie wenn man da stundenlang erzählt.
Mit dem Modellierbogen hast Du unserem Jungen sicher auch wieder eine Freude gemacht. Daß Helga sich nun auf eine so reichhaltige Art und Weise durch den eigenen Einkauf entschädigt hat, wird bei ihr nach dem erlittenen Schmerz wieder Freude ausgelöst haben.  Aber ich muß sagen, daß sie sehr ökonomisch mit dem Geld umgegangen ist, denn sie hat für das wenige Geld doch vielerlei erstanden.
Daß jetzt die Leute sogar auf Zeitungsdiebstahl ausgehen ist doch allerhand. Hat es den Leuten an Klosettpapier gefehlt, daß sie auf einmal alle 4 Zeitungen gestohlen haben.
Daß Du für Erna die Holzdose erstanden hast, wird Dir auch eine Beruhigung sei, nachdem Du Dich schon so lange nach etwas für sie umgesehen hast.
Daß Ihr keinen Unterschied zwischen deutschem und französischem Zucker festgestellt habt, ist mir doch eine gewisse Beruhigung.  Ich hatte Bedenken, ob Ihr ihn wohl werdet verwenden können.  Offenbar ist es aber der Fall.
Mit der Kälte ist es hier so gewesen, daß wir bis Freitag früh noch 10 Grad Frost hatten. Tags vorher waren bis 15 Grad. Dann fiel das Barometer und das Thermometer rapide. Tauwetter, Schneetreiben, Wind und zuletzt trat dann Regen ein. Das Wetter war alles andere als schön. Das kannst Du Dir denken. Da wurden mir auch meine festen Schuhe, die ich noch daheim stehen habe, einen guten Dienst erweisen. Aber es hat ja nicht lange angehalten. Der Wind hat bis heute so ziemlich alles abgetrocknet. Der Schneerest ist wohl noch an den Straßenrändern, aber man kann doch wieder einigermaßen laufen. Zur Abwechslung macht heute einmal unsere Dampfheizung nicht mehr mit. Das ist das Schöne bei uns hier im Hause, daß immer Abwechslung da und etwas kaputt ist. Das Wasser läuft gegenwärtig noch ab, aber man weiß ja nicht wie lang das in Ordnung ist. Darum freut man sich um jeden Tag, wo etwas in Ordnung ist und wo nichts vorkommt.
Du wolltest Dir sicherlich noch einen Spaß daraus machen, um mich auszulachen, wenn ich auf den von Dir fabrizierten Ski fahren will. Daß Du Dich nun halb totlachen willst, darauf will ich es nicht erst ankommen lassen. Ich werde darum Deinem Wunsch entsprechen und von diesem Versuch Abstand nehmen. 
Das mit den Päckchen ist ja Pech. Aber daß Kurt es jetzt bei sich so notwendig braucht, kann ich mir fast nicht vorstellen. Aber es läßt sich ja nun nicht ändern, daß Ihr die Sachen jetzt abschicken könnt. Er wird sich darum gedulden müssen.
Das finde ich nett von Dir, daß Du Deinem Vater öfter schreibst. Ich will ihm womöglich auch heute noch schreiben. Denn ich will ihm doch noch zu seinem Geburtstag gratulieren.
Vom Winter haben wir jetzt nun auch schon einiges gespürt. In der verschiedensten Form. Aber man nimmt alles hin, weil man weiß, daß man die Dinge nicht ändern kann. 
Damit hast Du recht getan, daß Du mit den Kindern in den Wald gegangen bist. Auch das Rodeln hat Dir sicherlich einige Ablenkung gegeben. Ich gebe zwar zu, daß die Sonne noch nicht sehr warm ist, aber ich glaube, daß Ihr Euch Bewegung geschafft habt.  Es ist dann schön, wenn man dann heimkommt und findet eine warme Stube vor. Ich kann mich von früher immer noch gut erinnern, wie das bei uns war, wenn man an so einem Sonntagnachmittags draußen war. Das war immer so wohlig und Du freutest Dich immer so sehr.  Doch auf so was muß man noch eine Weile warten, bis sich das wieder einmal so eingerenkt hat.
Das war ja nicht notwendig, daß sich unsere Helga das Knie aufgeschlagen hat.  Aber so was geht meist schnell und ehe man sich versieht. Wenn es nur nicht Ernsthaftes ist, dann will es noch angehen. Sie war ja schön brav, wie Du schreibst, als Du mit Jörg in der Stadt gewesen bist. 
Bei Euch ist der Winter auch sehr dauerhaft. Man bekommt dann bald genug davon, wenn er lange anhält. Jedenfalls hat man ihn eher über als den Sommer. Meist ist es ja so, daß man von dem am ehesten genug hat, was gerade da ist.
Unserem Jungen hat beim Schulanfang  die Flaggenhissung am meisten gefallen. Daß ihm mit seiner Ledermütze viel Bewunderung widerfährt, hebt  sicher seinen Stolz ungemein. Das sind ja noch alles billige Vergnügen, die man ihnen schon gönnen kann. 
Die Päckchen sind nun teilweise bei Dir angekommen. Neue sind zwar schon wieder unterwegs. Ich hoffe, daß die Früchte nicht zu sehr gelitten haben unter dem Frost. Ich glaube, ich muß damit jetzt erst etwas kurz treten. Die Schlittenfahrt in die Schule hat den Kindern sicherlich gefallen. Denn das kommt ja schließlich nicht alle Tage vor. Daß Du so Freude am Schaffen in der frischen Schneeluft gehabt hast, kann ich mir gut vorstellen. Weißt Du noch, wie wir früher in der Juliusstraße in Leipzig abends noch Schnee geschippt haben. Das hat uns immer Lust gemacht. Ich kann mich noch gut erinnern, daß Du fest dabei warst. Uns kann ja kein Schuhmacher mehr ins Trockene setzen. Wir stellen sie alle kalt, wenn sie nicht mehr wollen. Du kannst ja alles machen, sogar eigenes Nähzeug hast Du Dir jetzt zugelegt. Ich glaube, das hast Du von Deinem Vater. Der hat sich ja auch oft sonntags an die Schuhmacherei gesetzt. Ich weiß es jedenfalls noch gut, wenn er am Sonntagvormittag sagte, zeigt einmal die Schuhe her. Was ist nicht in Ordnung. 
Daß Du nun auch noch andere Sachen auf die gleiche Weise pflegst, ist ja praktisch, doch ich denke, daß das nach dem Kriege nicht mehr sein braucht. Denn ich weiß, wie das bei uns früher auch daheim war. Mein Vater hat das ja auch lange Jahre selbst gemacht. Das notwendige Handwerkszeug hat er sich nicht zugelegt, weil er zu knausrig war. Dann dauerte es immer stundenlang bis er soweit war und der ganze Sonntag war hin. 
Obwohl ich bei Dir solche Bedenken nicht habe, so möchte ich später nicht gern daran erinnert werden, wenn es sich anders ermöglichen läßt. Doch das sind jetzt wieder Zukunftsträume, die man sich für später aufheben muß.  Daß sich unser Junge nicht als Angsthase zeigt und sich nun eine Schleiferbahn den kleinen Buckel herunter angelegt hat, freut mich. Ich sah hier dieser Tage auch einige Jungen, die hatte sich eine Bahn angelegt. Der eine mit hohen Gummistiefeln, die ihm immer nur so um die Waden herumschlenkerten, rutschte nur so  über die Bahn hinweg. Die anderen machten auch fest mit. Nur ein Junge stand mit seinem Vater dabei und sah zu. Als ihn dann sein Vater aufforderte, auch einmal darüber zu schusseln, da wollte er erst nicht und dann ging er doch mit wackligen Knien darüber hinweg. Das sind doch Feiglinge.
Darum soll er nur fest mitmachen. Ich weiß, daß wir daheim immer Krach gehabt haben, weil die Schuhe kaputtgingen, ohne daß man Ersatz dafür schaffen konnte. Aber das verstanden wir doch noch nicht und das kümmerte uns auch sehr wenig, denn beim nächsten Mal haben wir es doch wieder mitgemacht.  Auf die Zeugnisse von unserem Jungen bin ich wohl etwas gespannt. Wir wollen einmal sehen, was er erreicht hat. Man kann ja noch nicht viel sagen. Daß sie nun einen festen Stundenplan bekommen, ist ja gut. Denn es wird nun Zeit, daß sie sich einmal um die Kinder ein wenig kümmern. Immer die wenigen Stunden Schule und die vielen Ferien, da kann ja nicht viel geschafft werden, auch wenn die Kinder noch so einen guten Kopf mitbringen. 
Jetzt mache ich aber Schluß, denn heute habe ich Dir wohl allerhand geschrieben.  Ich grüße und küsse Dich und auch die Kinder recht herzlich und hoffe, daß Ihr alle gesund seid, meine liebe Bande. Dir noch recht viele Grüße und Küsse von Deinem Ernst.

Brief 220 vom 21./22.1.1942


Mein liebes Mädel !                                                          21.1.42    

Die Kälte hält auch bei uns hier an, sie hat sich sein gestern nun noch verschärft und ich nehme an, daß wir auch so 8 Grad Kälte haben. Bei unseren Unterbringungsverhältnissen an unserer Arbeitsstätte ist damit die Lage auch unhaltbar geworden. Wir haben wohl schöne große Büroräume aber keine passenden Heizungseinrichtungen. Die Öfen, die man da neu eingebaut hat, hält man für normale hiesige Verhältnisse für ausreichend. Nun hält aber die kalte Witterung länger an und es ist auch kälter als sonst. Da kommt dann so ein Ofen nicht mehr mit. Wahrscheinlich wird diese Witterung noch eine Weile andauern, denn inzwischen haben wir Mondwechsel gehabt und was mich nun an den See erinnert, Möwen haben sich jetzt eingestellt auf dem Kanal bei uns vor dem Haus. Darum hat man sich entschlossen, daß die Dampfheizung doch noch in Ordnung gebracht werden soll. Das wird bei dem hiesigen Arbeitstempo immerhin so lange dauern, bis unser Ofen es wieder alleine schaffen wird. Vorerst raucht unser Ofen, warm ist es im Zimmer auch nicht, deshalb bringen wir gegenwärtig einen Teil des Tages am Ofen zu. Den Mantel ziehen wir schon nicht mehr aus, weil man es sonst nicht aushalten kann. Am Abend ist man dann froh, wenn man dann daheim sein warmes Zimmer vorfindet. Das haben wir wenigstens wieder soweit, daß man sich neben der Dampfheizung hinsetzen und lesen oder schreiben kann. Schön ist es aber nicht, wenn man so den ganzen Tag im ungenügend geheizten Zimmer zubringen muß. Für heute habe ich es ja wieder geschafft. 
In meinem letzten Brief schrieb ich vom Kauf einer weiteren Kokosnuß. Ich habe aber nun etwas anderes erstanden. Es ist wieder etwas, was Ihr noch nicht kennt. Man sagt hier dazu Pampelmuse. Das ist etwa, wenn es sich überhaupt vergleichen läßt, so eine Mischung zwischen Apfelsine und Zitrone, ist dagegen aber viel größer und hat keine Kerne. Sie wird in der Mitte auseinandergeschnitten und mit Zucker bestreut. Dann ißt man die eine Hälfte aus mit einem Löffel etwa wie aus einer Eierschale.  Mir hat es nicht schlecht geschmeckt und ich denke, es wird Euch auch zusagen. Du brauchst den Kindern aber vorher nicht erst zu erzählen, weil sie sich sonst ganz andere Vorstellungen davon machen. Ich hoffe, daß es Euch zusagen wird.
Die Päckchen gehen erst wieder am Freitag ab. Einen Käse habe ich auch wieder für Euch erstanden. Es wird eben alles schwieriger. Aber solange ich für Euch noch etwas finde, kaufe ich es. Denn dies kommt Euch doch immer wieder zugute, weil doch die Ernährungslage daheim auch ziemlich einseitig geworden ist. Und reichhaltiger wird es ja auch nicht. 
Wie das mit der Aufhebung der verhängten Urlaubssperre wird, kann ich noch nicht sagen. Ich hoffe stark und zuversichtlich, daß dies bald der Fall sein wird. Ich will Dir keine allzu großen Hoffnungen machen. Du brauchst Dir aber keine Gedanken zu machen, denn es kann andererseits jeden Tag aufgehoben werden. Verliere darum bitte nicht die Geduld. Ich mache sowieso, was in meinen Kräften steht. Mit mir warten hier ja noch mehrere Kameraden, die auch in Urlaub fahren wollten und bei denen auch ein Strich durch die Rechnung gemacht worden ist.
Daß Du Dich noch genau unserer Verhältnisse von früher entsinnst, habe ich aus Deinem Brief ersehen. Es war manchmal auch nicht leicht und wir können mit Stolz sagen, wir haben es geschafft und gewonnen. Was hier das Baden anbelangt, so kann ich nur mitteilen, daß wir in der letzten Woche hier auch angeschmiert waren.  Heute ist es wieder gemacht worden. Ich hoffe, daß es morgen auch noch in Ordnung ist, wenn ich baden will.
Aber ich verkenne deshalb auch noch nicht die Lage, wie sie bei uns daheim herrscht. Oder denkst Du, ich habe alles vergessen. Wenn ich wieder einmal heimkomme, lebe ich doch in dieser Umgebung wieder mit. Daß ich also deshalb unsauber sein sollte, davon war ja keine Rede.  Daß unsere Beiden in ihrer Gesundheit übermütig sind und daß sie sich ihrer Jugend freuen und daß sich diese Freude in irgendeiner Form ausdrückt, läßt sich nicht immer vermeiden. Daß das sehr oft flegelhaft herauskommt liegt aber wohl daran, daß sie sich eben noch anders bewegen wie ein Erwachsener. Du hast das ja in Deinem anderen Brief auch in ähnlicher Weise empfunden. Darum mache ich mir auch nicht viel daraus, wenn Du mir wieder einmal eine ihrer Taten mitteilst, denn Jugend kennt keine Tugend, sagt man. Dies gibt sich dann alles noch viel zu früh, deshalb wollen wir ihnen ihre unbeschwerte Jugend gönnen. Daß man sie dabei an den Zügeln halten muß, um sie immer in die richtigen Bahnen zu lenken, versteht sich ja von selbst.
Ich würde Dir gern von dieser Erziehungsaufgabe einen Teil abnehmen, das kannst Du mir ruhig glauben. Doch ich weiß, daß ich Dir gegenüber dieses nicht besonders beteuern brauche, denn Du weißt ja selbst, wie gern ich bei Euch wäre.  Der Stoff für Helgas Kleid ist nach Deiner Ansicht zu teuer. Ich kaufe ja auch für Euch nicht mehr, es sei denn, daß sich etwas ganz besonders günstig ergeben sollte. Das schaffen wir aber auch noch.  Daß Jörg selbst auch so weitblickend war und sich selbst noch einige Schachteln reserviert hat, hätte ich ihm nicht einmal zugetraut.
Aber er braucht sich keine Sorgen zu machen, ich habe noch 25 Schachteln gekauft, die reichen dann ein Weilchen. 
Daß sich unsere Gartenwirtschaft auch über den Winter immerhin noch günstig auswirkte ist doch schön. Denn diese Anstellerei ist doch alles andere als schön. Denn das, was man zugeteilt erhält, reicht wohl gerade so hin. Ich denke, daß Du dann froh bist, wenn Du immer noch so einen kleinen Vorrat  mit etwas da hast, wozu  Du Deine Karten nicht in Anspruch nehmen brauchst. Wegen des Geburtstaggeschenks für Erna habe ich mich also doch getäuscht. Ich nehme diese Rüge hin und bekenne, daß ich nicht richtig aufgepaßt habe. Vor allem beweißt es, daß ich für diese Sachen kein großes Empfinden habe und mich in Frauenangelegenheiten nicht auskenne.
Es ist mir lieber, Siegfried sendet das Geld Dir und das Geld darf auch nicht in Kreditkassenschecks im Brief übersandt werden, weil das verboten ist. Das ist also schon so in Ordnung. Das sind jetzt Männersachen, davon verstehe ich jetzt mehr. Siehst Du, so geht es im Leben, die meisten Sachen kommen wieder zurück. So oder so. Na, Du weißt ja wie es gemeint ist. Aber für heute wollen wir es genug sein lassen.
Gestern und heute habe ich keine Post erhalten. Es bestehen offenbar Transportschwierigkeiten. Müssen wir eben warten. Nun gute Nacht mein liebes Mädel und sei wieder vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst

Meine liebe Annie !                                                         22.1.42       
 
Briefe habe ich wohl heute bekommen, aber nur nicht von Dir. Es war ein Brief von Kurt und eine Postkarte von einem Kameraden in Konstanz, Du kennst ihn sicher dem Namen nach, er heißt Bohmann.  Er war vorher  lange Zeit in Luxemburg und ist jetzt nach Mainz zur Wehrmacht einberufen worden. Ich habe mich darüber gefreut, wenn man wieder etwas so hört. Wie er mir schreibt, sei Pfluger, der auf dem Jugendamt auf 31.1. nicht mehr u.k. Ob eine Reklamation der Stadt etwas hilft, wird sich zeigen.  Dem ist es bis jetzt auch noch nicht ernstlich an den Kragen gegangen. 
Kurt teilt mir mit, daß er Dir und an Vater am gleichen Tage auch geschrieben hat. Er meint, daß er bald Luftveränderung bekommen würde. Auch er schreibt von Frost. Wir haben heute früh zwischen 12 und 15 Grad Kälte gehabt. Da hättest Du die Leute einmal sehen sollen, wie die eingepackt waren. Die waren überhaupt nicht mehr zu erkennen. Bei uns im Büro ist es bei der Verschärfung des Frostes auch nicht wärmer geworden. Wir sitzen nunmehr den ganzen Tag mit dem Mantel im Büro. Man sieht dabei wie ein Russe aus, doch das läßt sich nicht ändern. 
Gestern hatte ich noch vergessen, mich für die Briefe der Kinder zu bedanken, die mich übrigens sehr erfreut haben. Unser Junge strengt sich jetzt auch schon fest an, um seine Gedanken in Worte zu kleiden. Helga schreibt ganz anschaulich. Sie soll aber, damit sie sich besser eingewöhnt, möglichst mit richtigen Linien schreiben. Ich habe mich über beide Briefe sehr gefreut und ich muß feststellen, daß sie sich Mühe gegeben haben. Gleichzeitig war es für beide eine gute Übung. 
Vorhin war ich erst beim Baden und dann habe ich noch das Päckchen für Euch fertiggemacht. Ich habe die Früchte, von denen ich gestern schrieb, eingepackt. Außerdem habe ich noch Mandarinen dazugelegt und eine Zitrone. Ich nehme an, daß Du sie gebrauchen kannst. Das Päckchen trägt die Nummer 11. Hoffentlich trifft es auch gut bei Euch ein. 
Morgen soll bei uns hier ein Soldatenheim eingeweiht werden. Ansehen werde ich es mir auf alle Fälle einmal. Man muß ja erst feststellen, ob es dort gastlich ist oder ob man schon vom ersten Besuch genug hat. 
Ich sende Dir, meine liebe Annie, wieder herzliche und innige Grüße und küsse Dich ganz fest. Ich gedenke auch unserer Kinder und bitte Dich, ihnen in meinem Auftrag einen recht herzlichen Kuß zu verabfolgen. Vater richte von mir wieder einen herzlichen Gruß aus, doch Du selbst sollst nochmals mit Grüßen und Küssen besonders bedacht sein von Deinem Ernst.

Brief 219 vom 17./19.1.1942


Meine liebe Frau !                                                                            17.1.42        
                          
So wie ich es gestern gedacht habe, so ist heute ein Brief von Dir eingetroffen. Es ist der vom 12.1. Er hat länger wie die vorhergehenden auf sich warten lassen. Das hängt aber wahrscheinlich wieder einmal mit den schwierigen Transportverhältnissen zusammen, die jetzt im Winter herrschen. Ich habe mich aber immerhin gefreut, daß ich heute wenigstens einen Brief zum Wochenende habe. Die Kinder haben also weiterhin Urlaub bekommen.  Doch heute ist ja nun auch der letzte Tag. Morgen ist Sonntag, der zählt eigentlich nicht so mit. Dann werden sie sicherlich übermorgen mit der Schule anfangen. Ich kann mir vorstellen, daß es ihnen auch wieder Vergnügen bereiten wird, wenn sie ihren geregelten Schulgang haben. Die Ferien sind ja ganz schön aber so lange Zeit keine Betätigung, das kann man nicht aushalten, außer man hat es gelernt oder man ist es im Allgemeinen so gewohnt. Ich glaube für uns trifft beides nicht zu und uns steht es auch nicht.
Wenn nun Jörg sich auf die Flaggenhissung freut, so sucht jeder seine Freude auf dem Gebiet, wo sie ihm zusagt und wo er sie schließlich auch findet. Das ist ja eine Freude, die sich ihm im Leben noch öfter erfüllen wird.  Vater kommt, da er jetzt mit seiner Beschäftigung ziemlich lange in Anspruch genommen ist, offenbar öfter zu Dir rauf, damit Du ihm verschiedene Besorgungen erledigst. Wenn du das machen kannst, machst Du es ja gern und für ihn bedeutet es eine Erleichterung, wenn er nicht gleich springen muß. Das geht bei ihm ja auch nicht mehr so wie vor Jahren, wo er meinte, er müßte alles laufen. Da war es ihm doch noch gleich, wenn er dreimal am Tag in die Stadt lief. 
Daß unser Jörg so ein Dummerle ist und immer noch solchen Respekt vor dem Haare schneiden hat, will mir nicht einleuchten, so er doch sonst sich nicht so gleich vor etwas fürchtet. Da muß er sich aber noch richtig zusammennehmen, denn das geht ja nicht.  Womöglich hat er dann später noch Angst vor einem Haarschneider.  Also das soll bald einmal anders werden. Heute habe ich mich nochmals wegen des Stoffes für seinen Anzug umgesehen. Der Rest war nicht mehr da, dagegen hat er vom gleichen Stoff nur ein wenig dunkler, 2.20 m da. Die habe ich zurücklegen lassen. Anders kann er das nicht abgeben. Ich würde es auch noch gemacht bekommen. Aber ich habe die Maße nicht mehr da. Kannst Du sie vielleicht am anderen Anzug abnehmen und dann an ihm nochmals vergleichen. Es gibt dann wahrscheinlich 2 Größen, weil es genügend Stoff ist. Ich denke, daß er sie kaputt bekommen wird. Wenn ich ihn dann auch nicht gleich mitbringen kann, so bekommt er doch wenigstens noch etwas zum Anziehen.
Zum Zahnarzt wolltest Du mit unseren beiden auch bald wieder einmal. Ich könnte mir auch meine Zähne wieder einmal nachsehen lassen. Das kann man ja dann auch wieder einmal machen lassen.
Kalt ist es auch immer noch schön. Aber nichts dauert ewig. Auch diese Kälte hört einmal auf.  Dich und die Kinder grüße und küsse ich recht herzlich und fest Dein Ernst. Das Päckchen Nr. 10 geht mit gleicher Post ab. Es sind Mandarinen drin und ein Pfund Butter. Hoffentlich erhältst Du alles gut.

Meine liebste Annie !                                                          19.1.42      
       
Gestern habe ich Deinen lieben Brief vom 14. und heute den vom 15.1 erhalten. Für beide danke ich Dir vielmals, die ich aber jetzt beantworten will.
Gestern Abend ist uns hier das Feuer im Haus ausgegangen, so daß es ganz nett kühl im Zimmer wurde. Unser Heizer sagte mir vor wenigen Tagen, daß die Kohlen nur noch 10 Tage reichen würden. Das sollte bis fast Ende dieser Woche sein.  Ich habe mir unter Inrechnungstellung der Schlamperei der Franzosen gedacht, wahrscheinlich wird es nicht soweit reichen und tatsächlich war es auch so. Gestern waren sie schon alle. Heute war es nun den ganzen Tag auch noch kalt, etwa 5 bis 6 Grad warm im Zimmer. Wie ich heute Abend heimkomme, sagt die Frau, die hier alles in Ordnung halten muß, in einem Nebenkeller wären noch Kohlen für zwei Tage. Das hat dieser Held nicht gesehen, obwohl er schon seit Monaten im Keller tätig ist. Ja man kann sich das nicht vorstellen, wie gedankenlos die Leute hier manchmal sind. 
Im Sommer wurde in meinem Zimmer ein Waschbecken eingebaut. Damit nun nicht erst lange Leitungen verlegt werden mußten, hat man in die Mauer einfach ein Loch geschlagen und dann an das Abfallrohr der Dachrinne angeschlossen. Jetzt ist es aber nun kalt geworden und damit ist der Abfluß ebenfalls eingefroren. Doch ich halte mich an den mir von Dir gesandten Spruch und wundere mich nur noch, denn bei diesen Leuten hier ist man das schon gewöhnt. Im Büro hatten wir heute auch keine Kohlen mehr. Ich kann nur sagen, daß die Woche gut angefangen hat. Gespannt bin ich nur, was sie noch alles bringt. 
Daß ich nun gleich denke, Du bist schreibfaul geworden, ist nun nicht so. Wenn Du einmal nicht dazukommst oder wenn Du einmal nicht aufgelegt bist, so habe ich auch dafür Verständnis, denn ich weiß, daß Du trotzdem an mich denkst. Wenn Du nun Kopfschmerzen hast, so kann ich dann doppelt verstehen, wenn Du einmal nicht schreibst. 
Du erinnerst mich nun in Deinem Schreiben ernstlich daran, warum ich nichts mehr vom Urlaub schreibe. Ich habe Dich nicht enttäuschen wollen, da jetzt plötzlich eine Urlaubssperre eingetreten ist. In Paris ist eine Typhusepidemie ausgebrochen und zwar unter den Soldaten. Diese Epidemie ist auch schon bis in unsere Gegend gekommen, so daß man jetzt die Sache auf ihren Herd beschränken will. Man hat festgestellt, daß es sich dabei bei den Erkrankten um solche Leute handelt, die in einem Soldatenheim in Paris verpflegt worden sind. Wie ich nun gehört habe, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß in den nächsten Tagen die Sperre aufgehoben werden soll.  Sobald die Aufhebung bekannt gegeben worden ist, reiche ich gleich um Urlaub ein. Ich hoffe also fest, daß uns das Glück ein wenig hold ist. Doch ich möchte natürlich auch nicht haben, daß vielleicht jemand von Euch erkrankt durch eine solche Unvorsichtigkeit. Wollen wir also fest den Daumen halten.
Ich habe Dich scheinbar falsch verstanden, wenn ich glaubte, den Kindern hat die Kokosnuß nicht geschmeckt. Ob ich noch einmal eine bekomme, muß ich erst zusehen. Vielleicht ist es noch möglich.
Ich möchte für heute schließen, morgen werde ich Deine Briefe, soweit es notwendig ist, genau beantworten. Nimm darum viele herzliche Grüße und Küsse entgegen und küsse mir die Kinder vielmals von Deinem Ernst.

Montag, 16. Januar 2017

Briefe 218 vom 15./16.1.1942


Mein liebstes, bestes Mädel!                                              15.1.42            

Diese Zeitungssendung soll nicht abgehen, ohne daß ich einen Gruß dazu geschrieben habe. Nachdem nun die Päckchen wieder für uns zugelassen sind, will ich auch gleich die hier liegenden Zeitungen absenden, damit Du auch zu Deinem Lesestoff kommst. Ich habe gerade die Päckchen fertiggemacht. Für Dich das Päckchen Nr.  9 mit den Tabakwaren, die Du so verteilen kannst wie Du es für richtig findest. Dann das Päckchen für Siegfried mit der Bluse, damit ich dies auch aus dem Haus bekomme. Ich hatte heute ja schon einen Brief geschrieben, dem ich auch den Durchschlag von dem Brief an Siegfried beigelegt hatte. 
Vorhin war ich im Kino. Es hat einen sehr netten Film gegeben, der früher, d.h. also schon vor längerer Zeit, in Deutschland gelaufen ist, “Maria Ilona“ Er spielt in der letzten Österreichischen Monarchie. Er war wirklich ein guter Film, der mir selten gut gefallen hat.  Nun ist es inzwischen etwas spät geworden, darum möchte ich jetzt schließen und mich zu Bett legen. Schlafe gut, mein liebes Mädel und wache gesund auf. Gib unseren beiden Stromern einen herzlichen Kuß von ihrem Vater und Du selbst sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie !                                                     15.1.42       
            
Gestern habe ich Deine beiden Briefe vom 10.1. bekommen.  Für diese danke ich Dir wieder vielmals. Ich wollte sie Dir auch wieder gleich beantworten, aber es war mir zu kalt in der Wohnung, so daß ich erst noch etwas Wärmendes getrunken habe und dann bin ich anschließend ins Bett gegangen. Hier ist man nicht auf derartiges Wetter eingerichtet, darum sind auch die Wohnungen so kalt. Doppelfenster gibt es ja nicht. Wenn die Temperatur eine gewisse Grenze erreicht hat, weiß man sich nicht mehr zu helfen.  So auch bei uns. Die Heizung schafft es nicht mehr.
Bei uns im Büro ist es ähnlich und man kommt aus dem frostigen Zustand nicht heraus. Ich habe nun wie Du aus den beigefügten Durchschlägen siehst, die Mittagspause gleich wahrgenommen und noch an die Kinder und an Siegfried geschrieben. Wie ich vorhin erfahren habe, gilt die Päckchensperre nur von der Heimat zu uns her. Ich werde deshalb die notwendigen Verpackungen heute Abend vornehmen, damit ich diese Sachen wegbekomme. die Tabakwaren für Deinen Vater mache ich auch mit fertig. 
Die Kälte ist bei Euch also auch noch etwas schärfer wie bei uns, denn ich schätze, daß es etwa 5 Grad sein werden. Sehr lange wird das sicherlich nicht andauern. Schon vom Kohlenstandpunkt aus wäre es wünschenswert. 
Davon kann ja keine Rede sein, daß ich etwa nicht gern an Dich schreiben würde. Wenn ich einmal nicht schreibe, so nur dann, wenn ich wirklich nicht dazukomme, oder wenn es so ist wie gestern Abend war. Ich sehe weder eine lästige Pflicht noch ein Muß dahinter. Denn es ist mir nicht nur eine liebe Gewohnheit, sondern ein Bedürfnis, Dir täglich zu schreiben. Darüber brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen.
Daß Jörg schon solche Fortschritte im Lesen machte, freut mich sehr. Es scheint so zu sein, daß er fast in der gleichen Weise Interessen hat wie Helga. Er soll sich nur gut halten, dann wird es schon vorwärts gehen. 
Wegen des Radioapparats kann ich Dir nur sagen, daß es der gleiche Apparat ist, wie ich ihn hier nun schon seit Frühjahr zur Verfügung gestellt bekommen habe. Mit diesem war ich bis jetzt soweit zufrieden. Ich hoffe, daß der gekaufte sich ebenso bewähren wird.  Wegen der anderen Sachen habe ich Dir ja schon geschrieben.
Daß Vater nicht gern wieder abends weggeht, wenn es so kalt ist, kann ich mir gut vorstellen. Wenn ich aber an ½ 1 denke, dann meine ich immer, da muß er ja schon längst daheim sein, weil doch dann schon Sperrstunde wäre. Dies ist aber nur hier und nicht bei Euch. Zapfenstreich gibt es ja auch nicht, so daß er  ja in dieser Beziehung keine Schwierigkeiten bekommt.  Nun wieder viele Grüße und recht herzliche Küsse. Diese sendet Dir für heute wieder Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                                          16.1.42              

Wieder sitze ich einmal auf Posten. Du wirst denken, was ich wohl verbrochen habe, daß ich schon wieder dran bin. Aber wir sind jetzt zur Zeit so wenige, so daß ich also schon wieder dran glauben mußte. Ich habe mich nun heute Abend noch eine Weile in das Geschäftszimmer gesetzt, um Dir meinen Abendgruß zu senden.  Wenn dann nichts dazukommt, will ich mich dann gleich nach dem Nachrichtendienst ins Bett legen. Nebenher höre ich noch Radio und bis es dann soweit ist, lese ich noch Zeitung. Es geht auch dieser Abend herum.
Dieser Tag war nach langer Zeit wieder sehr nahrhaft. Heute Mittag hat es Hasenbraten gegeben, der gut zubereitet und reichlich war. Da bin ich wieder einmal richtig zu Mittag satt geworden. Heute Abend haben wir daheim Fasan gehabt.  Erst ist der Stifter nicht gekommen. Da habe ich erst ein Brot mit Käse gegessen. Dann habe ich mir zwei Eier braten lassen.  Dann kam der Spender, so daß wir also doch zu unserem Braten gekommen sind. Da hat dann jeder der vier Anwesenden je eine Fasanenhenne bekommen. Die habe ich dann auch noch verzehrt. Nach dieser Mahlzeit bin ich jetzt rechtschaffen satt. Dagegen könnte ich nicht sagen, daß es zuviel gewesen sei. Da sieht man erst, wie man es vertragen kann, wenn man so ein einseitiges Essen bekommt, wie man bei so einer Ausnahme reinhauen kann. Es ist aber immerhin soviel, daß es bis morgen früh vorhalten wird.

Mit der Sonntagspost werde ich mindestens ein Päckchen wieder fertig machen. Ich habe ein Pfund Butter übrig, die ich Dir zusenden will.  Mandarinen habe ich auch wieder welche da, die ich mit dazupacken werde.  Von Dir habe ich heute auch wieder keine Post erhalten.  Ich hoffe, daß ich morgen, bestimmt aber zum Sonntag welche bekommen werde.
Von Nannie habe ich bis jetzt auch noch keine Bestätigung erhalten, ob sie das Päckchen mit dem Kaffee bekommen hat. Auch auf meine beiden Briefe habe ich noch keine Antwort von ihr. Ich schreibe jetzt auch nicht gleich wieder, denn an der Nase lasse ich mich nicht herumführen. Die Kälte hat heute etwas nachgelassen, doch es ist immer noch ganz schön kalt. Man ist es eben nicht mehr gewohnt. Aber bei uns im Büro muß man immer das Feuer schüren, weil man es sonst nicht aushalten kann. Ich weiß nicht, wie die Wohnungen und die Häuser hier beschaffen sind, daß sich so ein bißchen Kälte so auswirken kann in den Räumen.  Dir sende ich heute recht herzliche Grüße und viele Küsse. Grüße auch Vater recht herzlich von mir. Unseren beiden Lausern gib einen recht herzlichen Kuß von mir und Du selbst nimm noch vielmals viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Freitag, 13. Januar 2017

Brief 217 vom 11./12./13.1.1942


Meine liebe Frau !                                                           11.1.42        
                                                  
Recht herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 8.1., den ich heute zum Sonntag erhalten habe. Wie ich Dir nun schon geschrieben habe, ist bei uns das Winterwetter inzwischen auch eingetreten. Ich bin vorhin draußen gewesen, um auch etwas vom Winter zu haben. Der Nordostwind hat mir schön um die Ohren gepfiffen, aber der Zweistundenspaziergang hat mir sehr gut getan. Ich bin ganz frisch heimgekommen. Habe aber auch einen kräftigen Hunger mitgebracht. Ich habe anschließend an meinen Spaziergang noch Kameraden aufgesucht, die gerade beim Kaffeetrinken waren, da habe ich gleich mitgemacht, so daß ich meinen guten Appetit etwas besänftigt habe.
Nun will ich Dir gleich wieder meine Antwort schreiben. Daß Du nun auch noch Skifabrikant geworden bist, ist ja direkt erstaunlich. Es legt aber davon Zeugnis ab, wie vielseitig Du bist. Daß nun Jörg die Brauchbarkeit gleich auf diese Art und Weise nachprüfen mußte, hat Dich wohl doch etwas ins Erstaunen gesetzt. Das ist doch ein richtiger Stromer. Muß er gleich den Buckel herunterfahren. Daß er dabei öfter hinfällt, beweist nur, daß eben aller Anfang schwer ist. Na, wenn ich heimkomme, mußt Du mir auch welche machen, damit ich auch mitfahren kann. Was meinst du dazu, wie ich mich dabei ausnehmen werde. 
Der Artikel über den Hödinger Tobel hat mich gefreut. Ich habe ihn ebenfalls mit großem Interesse gelesen. Ich werde ihn demnächst Kurt mitschicken, denn er hat sich dort herum auch viel und gern bewegt.
Wie sich der neue Radioapparat bewährt, kann ich ja noch nicht sagen, ich hoffe aber, auch wie Du, daß er uns nicht enttäuscht.  Den alten können wir ja noch aufheben, wenn Du Bedenken hast. 
Die Sache mit dem Ahnenpaß hat sich ja durch Dein Schreiben aufgeklärt. Das beruhigt mich wieder. Ich wußte selbst nicht mehr genau, wo er abgeblieben war. Wenn er sich nur gefunden hat, dann ist es schon recht. 
Heute Abend gibt es nach längerer Zeit wieder einmal Fasan. Das ist in dem täglichen Einerlei eine willkommene Abwechslung. Ich bin zwar immer noch meistens satt geworden, wenn ich zu der zugeteilten Ration immer noch feste dazukaufen muß. Das läßt sich aber nun einmal nicht ändern.  Solange das noch geht, kann man ja immer noch mitmachen. Wenn das aufhört, muß man zusehen, was man dann anstellt. 
Dein Schreiben vom 6. ist offenbar wo hängen geblieben, denn ich habe es bis jetzt noch nicht erhalten. Ich denke, daß es schon noch ankommen wird.  Für heute wiederum viele Grüße und Küsse Dir und den Kindern Dein Ernst.

Meine liebe Anni !                                                       12.1.42             

Deinen Brief vom 6.1. habe ich heute nun auch noch bekommen. Er hat etwas länger gebraucht wie die anderen. Wahrscheinlich ist er irgendwo hängen geblieben. Über alles habe ich mich gefreut. Also über die Bilder von der Hochzeit, das Gedicht von Deinem Vater und über die Karte von Alfred. Ich werde ihm wohl einmal schreiben müssen. Denn ich habe lange nichts mehr von mir hören lassen.  Seine Anschrift ist mir ja bisher auch nicht bekannt.
Daß Dein Vater auf den Bildern schlecht aussieht, kann ich nicht so ohne weiteres  feststellen, denn ich habe ihn vorher lange Zeit nicht gesehen. Er sieht sehr ernst aus, doch das ist wohl zu erklären.  Alice wirkt ja kolossal stark und Dora alt. Es sind ja nun auch schon wieder viele Jahre vergangen, seit wir oder besser gesagt ich, sie nicht mehr gesehen habe. Was machen denn die Kinder auf den Bildern nur für ein böses Gesicht. Haben sie Streit miteinander gehabt. So sieht es fast aus. 
Ich freue mich, daß die Päckchen, die ich im vergangenen Jahr abgeschickt hatte, alle restlos angekommen sind. Ich will hoffen, daß die, die ich in diesem Jahre absenden kann auch alle eintreffen. Briefumschläge habe ich ja kürzlich wieder mit gesandt, damit Du nicht in Verlegenheit kommst. 
Auf Deine Frage, ob ich in diesem Monat auf Urlaub kommen werde, möchte ich Dir nur antworten, daß ich es selbst fest hoffe. Es wird sich in diesen Tagen entscheiden, wann das nun werden wird. Du mußt Dich noch ein wenig gedulden. 
Daß Dich das Gedicht Deines Vaters so berührt hat, kann ich vollkommen nachfühlen. Denn es ist alles noch so frisch und man kann es dann nicht so recht fassen, daß einen die Mutter so plötzlich verlassen hat, aber wie ich Deine Mutter so auf dem letzten Bild gesehen habe, da habe ich nicht das Gefühle gehabt, daß sie nicht mehr da ist, denn sie sieht einen da so an wie auf den anderen Bildern auch. Die Wohnung in der Juliusstraße, in der ich sie immer gesehen habe, besteht nicht mehr. In der anderen Wohnung bin ich nie gewesen und habe sie auch dort nicht schaffen und wirken sehen, daher besteht eigentlich für mich immer noch der alte Zustand. Ich kann ihr auf diese Weise immer ein lebendes Andenken bewahren. Daß Deinen Vater der Tod sehr mitgenommen haben muß, kann ich wohl verstehen. Daß er nun nach all dem sich sehr einsam fühlt, ist ja zu begreifen und es wird für ihn sehr hart sein. Darum wollen wir, soweit es uns möglich ist, öfter schreiben, damit er nicht das Gefühl bekommt, daß ihn alle verlassen haben.
In diesen Tagen werde ich das Päckchen für ihn noch fertig machen und ihm selbst einen Brief schreiben. Dich grüße und küsse ich recht herzlich und bitte, den Kindern wieder einen Kuß zu geben. Sie müssen wohl wieder in die Schule gehen. Dir nochmals viele Grüße und Küsse Dein Ernst.


Meine liebe Anni !                                                           13.1.42                   

Ich habe gestern ganz vergessen Dir zu schreiben, daß es hier auch geschneit hat. Das sieht ganz lustig aus und der Schmutz und all das Elende war dadurch ziemlich verdeckt. Es hat zwar nicht lange gedauert und der Wind hat allerhand bis heute wieder weggeweht, aber in dem ewigen Einerlei war das eine schöne Abwechslung und man hat doch einmal ein anderes Bild gehabt. Bis jetzt ist es noch ganz schön kalt und der Wind pfeift nicht schlecht. Ich bin gespannt, wie lange das anhält. 
Doch nun will ich Dir erst für Deinen Brief vom 9. danken, den ich vorhin bekommen habe. Daß die Kokosnuß immerhin eine gewisse Enttäuschung hervorgerufen hat, verwundert mich nicht, denn bei der Übersendung von solchen Neuheiten muß man vorsichtig sein und abwarten, wie der Empfänger darauf reagiert. Daß unsere zwei Stromer nicht alles essen, weiß ich ja schon von der Schokoladenseite her. Ich bin deshalb froh, daß ich noch nicht mehr davon gekauft habe. Wenn sie wenigstens überhaupt noch eine Verwendung gefunden hat, so soll es mich nicht gerade reuen. Daß Du nicht der große Freund davon gewesen bist, konnte ich mich noch so blaß erinnern, darum habe ich sie Dir mit Absicht auch nicht besonders empfohlen. Na, unsere Beiden haben gesehen, was es ist und damit ist jetzt Schluß. Die anderen Sachen sind also gut angekommen. Das kann passieren, daß beim Transport die Sachen gequetscht werden. Es ist schade darum, läßt sich aber nicht immer ganz vermeiden.  Wie ich aus Deinem Schreiben sehe, ist aber der Omnibusverkehr stark eingeschränkt worden. Die längere Dauer des Krieges macht sich eben allenthalben bemerkbar. Daß Dir die Arbeit den Tag über reichlich langt, weiß ich nur zu gut, darum hätte ich es manchmal gern, wenn ich Dir einen Teil davon abnehmen könnte. Aber es geht ja nun einmal nicht, was ich bei diesen Feststellungen dann immer sehr bedauere.
Den Stolz  von unserem Jungen, als er den anderen Kindern die Nußschale, die nun aus Afrika kommt,  zeigen konnte, kann ich mir vorstellen, denn es sind wohl auch schon einige Jahre her, als man Kind war, aber ich kann mich noch gut entsinnen, wie es uns in einem solchen Fall gegangen ist.
Weil Du wieder von Kino schreibst. Ich war vorhin auch wieder im Kino. Ich habe mir nochmals den Film „Auf wiedersehen Franziska“ angesehen. Vor allem bin ich ja wegen der Wochenschau hineingegangen. Aber der Hauptfilm ist ja immerhin so, daß man ihn auch nochmals ansehen kann.
Nun ist es wieder an der Zeit. Eine betrübliche Mitteilung habe ich noch, daß ab heute Abend auch für uns Päckchensperre ist, es ist mir daher nicht möglich, die Sachen für Deinen Vater abzuschicken. Wie lange das wieder geht, weiß ich noch nicht. Das Päckchen für Siegfried muß darum auch liegen bleiben.  Dir mein liebes Mädel viele herzliche Grüße und viele Küsse dazu sendet Dir Dein Ernst.

Brief 216 vom 9./10.1.1942


Meine liebste Anni !                                                               9.1.42                                                                 
Heute ist wieder einmal ein Tag, an dem ich keine Post von Dir erhalten habe. Ich bin Dir deshalb nicht böse, denn ich weiß, daß Dich kein Verschulden trifft. Denn da bist Du zu gewissenhaft, als daß Du ohne triftigen Grund einmal mit dem Schreiben aussetzen würdest. Ich werde deshalb so aus dem Stegreif heraus schreiben, was mir gerade einfällt, denn besonders Wichtiges habe ich nicht gerade mitzuteilen.
Ich will zwar nicht lügen, ein Gruß von Dir ist heute doch eingetroffen, wofür ich Dir wieder herzlich danke. Ich werde es wieder zweckmäßig anwenden, damit wir alle etwas davon haben.
Morgen gehen nun meine fertig gestellten Päckchen ab. Es ist inzwischen noch ein weiteres dazugekommen und zwar mit Mandarinen. Es sind somit insgesamt 6 Päckchen, von denen ich wieder hoffe, daß sie wieder gut bei Euch ankommen.  Meine besten Wünsche begleiten sie jedenfalls.  Es ist noch nicht spät heute, ich will deshalb noch an Deinen Vater schreiben, denn ich denke, daß er auch wieder auf Antwort wartet, was ich nicht gern habe. 
Was machen denn unsere beiden Stromer. Wie geht es ihnen und was treiben sie denn so in ihrer Freizeit. Wie Du mir ja kürzlich schriebst, nutzen sie das Winterwetter tüchtig aus. Das schadet ihnen auch nichts im Gegenteil, es ist ihrer Gesundheit ohne weiteres förderlich. Helga wird sich über die Bücher hergemacht haben. Jörg fängt nun auch schon langsam an zu lesen. Ist er denn auch immer brav, oder muß man seinen Dickkopf öfter nach England schicken. Hoffentlich nimmt er sich ein bißchen zusammen, damit Du Dich nicht immer ärgern mußt. Ich möchte ja auch nicht, daß ich, wenn ich wieder einmal in Urlaub kommen könnte, daß ich gleich mit Erziehungsmaßnahmen anfangen müßte.  Ich glaube auch, daß er selbst keinen großen Wert darauf legt.  Wie benimmt sich unsere Helga, ist sie immer noch manchmal so ein bißchen ungeschickt oder hat sich das gegeben?
Du mir fällt gerade noch etwas ein, ich habe alles bei mir durchgekramt, ich finde die Abschrift des Ahnenpasses nicht mehr. Habe ich die nicht schon einmal wieder mit zurückgeschickt. Ich kann mich überhaupt nicht mehr besinnen, wo ich den gelassen habe. Gib mir doch bitte darüber einmal Antwort. Ich hätte gern in dieser Sache wieder einmal etwas getan, denn dazu finde ich immer wieder einmal Zeit.  Sei nun wieder, Du mein liebes Mädel, recht herzlich und kräftig geküßt, außerdem sende ich Dir und unseren Kindern viele Grüße, Dein Ernst.

Meine liebe Frau, meine liebste Anni !                                     10.1.42        

Abendbrot habe ich nun wieder gegessen, Deinen lieben Brief vom 7. habe ich gelesen, jetzt möchte ich ihn aber auch gleich beantworten. Doch zuerst vielen Dank für Dein Schreiben. Bei Euch herrscht immer noch winterliches Wetter. Das kann man ab heute auch einmal bei uns sagen. Ein scharfer Wind weht durch die Straßen und die kleinsten Pfützen sind gefroren. An den Straßenecken zieht es noch etwas mehr, aber es ist doch schöner, als das nasse und unfreundliche Wetter. Der Himmel hat aufgeklart und die Sonne hat sich heute Nachmittag sogar teilweise blicken lassen.  Zum Abend ist es nun ganz klar geworden und die Sterne sind herausgekommen. Das wird sicherlich eine kalte Nacht geben.  Solange noch genügend Kohlenvorräte da sind, läßt sich das ja auch ohne weiteres aushalten.
Am Nachmittag habe ich verschiedene Einkäufe wieder getätigt und ich war deshalb die ganze Zeit unterwegs und draußen. Mir hat das wieder einmal gut getan, vor allem, wenn man bedenkt, daß man so die ganze Woche im Bau drinsitzt, hat man das kleine bißchen Auslauf schon nötig. Schnee liegt noch nicht, aber in der Umgegend soll schon welcher gefallen sein, es kann also auch hier wieder passieren, daß wir welchen bekommen. Ihr seid, wie ich lese, wieder sehr reichlich für die dortigen Verhältnisse damit bedacht worden. Wenn ich nun schon einmal dabei bin, nur von hier zu schreiben, so will ich Euch gleich schreiben, was ich heute Nachmittag erledigt habe.  Ich habe also erst einmal einen Stoff für ein Kleid für Helga gekauft. Es ist ein Wollkrepp. Für das Stück, es hat sich noch um einen Rest gehandelt, der aber für Helga reichen sollte, habe ich 23,-RM bezahlt. In dem Geschäft sollen wohl in den nächsten Tagen neue Sachen hereinkommen, aber die werden dann schon wieder teurer sein. Ich habe mich auch aus diesem Grund dazu entschlossen, dieses Stück zu nehmen. Dann habe ich mich nach dem Stoff für Jörgs Anzug umgesehen. Der Lieferant hat ihn erst einmal nicht gefunden, da muß ich nochmals im Laufe der nächsten Woche vorbeigehen. Anschließend habe ich eine Bluse im Auftrag von Siegfried gekauft. Es handelt sich um eine Seidenbluse. Sie gefällt mir nicht schlecht. Aber die Preise sind ja gestiegen, daß einem die Haare zu Berge stehen. Dagegen habe ich noch billig gekauft. Zwischen 30 und 40 RM muß man schon bald zahlen. Mir hat sie 26,- RM gekostet. Ich mache morgen gleich ein Päckchen an Siegfried fertig. Denn er wollte es ja so haben. Das Geld soll er Dir dann schicken. Ich bin froh, daß ich diese Sache einmal erledigt habe. Denn sonst würde Siegfried denken, ich habe ihn angekohlt, das wäre mir unangenehm.
Daß Jörg seine Schießerei ein wenig einstellen mußte, wird Dir auch lieber sein, aber an die neue Munition muß ich noch einmal denken. Daß ein Teil der gesandten Schokolade gefüllt war, habe ich erst nicht gewußt.  Dafür ist sie dann schon teuer gewesen. Aber wenn sie Euch so geschmeckt hat, dann soll es auch recht sein. Vor allem wenn Ihr Eure Freude daran gehabt habt, will ich zufrieden sein. Wenn Dir der Pudding zur Ergänzung der Mahlzeiten dient, die nicht so ganz vollständig sind, dann erfüllt er ja seinen guten und vollen Zweck.
Ich hätte zu gern noch einmal ein Quantum Zucker gehabt, denn der, den ich geschickt habe, wird auch einmal alle und dann ist es wieder genau so wie vorher. Es ist nur schwer, ihn zu bekommen.
Daß ich mit der Kokosnuß solche Unruhe in die Familie gebracht habe, war beim Kauf zwar nicht beabsichtigt. Leider kann ich das aber nicht mehr ändern und Du mußt die Stürme über Dich ergehen lassen. Ich werde, damit Du nicht weiteren derartigen Gefahren ausgesetzt wirst, vom Kauf einer weiteren absehen.  Hoffentlich war die Freude nicht bald verflogen, als sie sich an das Essen machen mußten. Denn soviel ich weiß, haben sie das noch nicht gegessen. Meist ist das nur der Reiz der Neuheit und hinterher ist alle Begeisterung verflogen. Aber ich will hoffen, daß es ihnen zu der Überraschung hin auch noch schmecken wird. In nächster Zeit werde ich, wie ich ja schon schrieb, noch eine weitere kaufen. 
Bei der lieben Nachbarschaft war zur Abwechslung und Unterhaltung wieder einmal ein Krach. Ich kann Dir nicht sagen, wie froh ich bin, daß Du den Verkehr mit der Frau Bolz nicht angefangen hast, denn das hätte ja auch einmal eine Katastrophe gegeben. Am besten ist es, man hält sich aus allem heraus und wundert sich nur, warum und wie die Menschen sich so zurichten. Gespannt bin ich nur über soviel Initiative dieser Frau Bolz. Die hat doch immer den Eindruck gemacht, als sei sie so ein geduldiges Schaf. Die kann sich ja noch gut entwickeln. Na ja, wenn sie am Tage oder bei Nacht klatschen will, so lasse ihr nur das Vergnügen. Diese Leute sind jedenfalls nicht der Umgang für uns. Darum werden wir sie uns fernhalten. Du hast deshalb ganz recht, wenn Du sie nur am Fenster abfertigst. Wir wollen auf keinen Fall den Schutzmann dort spielen und uns dann zwischen zwei Stühle setzen.
Sage mal, ich glaube, Du irrst Dich, wenn Du der Erna auch etwas zum Geburtstag schenken willst, denn in diesem Monat ist doch nur Dein Vater dran. Es sei denn, daß ich Dich falsch verstanden habe. Für Deinen Vater habe ich hier noch einige Zigarren und die Tabakpfeife. Diese Sachen werde ich Dir mit zusenden. Ich denke, daß das auch etwas ist. Ich schicke es also noch rechtzeitig ab.  Nun möchte ich das Wochenende abschließen und ein wenig lesen und dann die Nachrichten wieder hören. Sei deshalb recht vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem so oft an Dich denkenden Ernst.

Samstag, 7. Januar 2017

Brief 215 vom 7./8.1.1942


Mein liebes Mädel !                                                          7.1.42                                
      
Ich habe Deinen lieben Brief vom 3. erhalten. Ich danke Dir wieder recht herzlich dafür. Du denkst immer so fleißig an mich, so daß mir das auch immer wieder ein Ansporn ist, Dir ziemlich regelmäßig zu schreiben. Es sind ja nur ganz wenige Tage, die ich auslasse. Aber ich denke, daß Du bis jetzt noch nicht zu kurz gekommen bist, oder hast Du zu klagen? 
Du hast also auch das Gefühl gehabt, daß es besser ist, daß die Feiertage vorbei sind.  Nun haben wir die  nächste Zeit nicht gleich wieder welche zu erwarten. Im alten Trott geht es nun weiter. Solange man regelmäßige und genügend Arbeit hat, ist es noch zu ertragen. Es sollten einem nur nicht immer so Schwierigkeiten gemacht werden, dann ginge ja alles gut. Es soll einem nicht zu wohl werden.  Darum lassen wir den Dingen ihren Lauf und tun die Arbeit, so wie es gerade sein muß.
Bei einer so zahlreichen Familie, wie sie Helga hat, kann es einem schon passieren, daß man sich einmal täuscht. Na, ich bin nur froh, daß man bei der Größeren gleich merkt, daß sie schon etwas mehr Erziehung genossen hat. Wenn das Baby noch nicht alles kann, muß eben die Puppenmutter etwas Geduld damit haben, denn alles kann sie noch nicht von ihren Kindern verlangen. Ich denke aber, daß sich das mit der Zeit noch geben wird. Gebt darum die Hoffnung nicht auf.
Wegen der Munition für Jörgs Kanonen will ich zusehen, daß ich noch etwas Vorrat bekommen kann. Außer der in einem meiner letzten Briefe erwähnten Seife habe ich nochmals ein Teil bekommen können. Das wird wohl so die letzte sein. Das sind noch Restbestände, die hier auf dem Bürgermeisteramt gelagert haben. Dieses Lager wird wohl in irgendeiner Form liquidiert, so daß es dann für uns Schluß ist.  Zwei Päckchen sind ja schon unterwegs, weitere will ich morgen wahrscheinlich mit fertig machen. Ich will mir hier nicht zu viele Sachen aufstapeln. Ich bin froh um alles, was bei Dir daheim ist.  Aber es ist alles gute Seife, um die du vielleicht noch mal froh sein wirst.  Für unsere Beiden ist die Schule nun auch wieder losgegangen. Sie werden sich nach diesen Feiertagen auch wieder hineinfinden. Wenn Jörg das Lesen heraus hat, wird er auch bald anfangen, sich über die Bücher herzumachen.
Etwas Tabak und einige Zigarren habe ich auch wieder zurückgelegt. Ein Paket mit Zucker und noch 2 kleinen Schachteln mit Mehl stehen auch noch da, die ich fertig machen werde. Sobald ich wieder etwas habe, wird es auf den Weg schickt.  Ich denke, daß ich dieser Tage auch noch an Deinen Vater schreiben werde. Was ich so noch an Post zu erledigen habe, muß dann auch demnächst heraus. Unter anderem an Dora.
Die verhält sich übrigens auch sehr reserviert.  Ich habe kürzlich wieder einmal eine Jacke gesehen, wie ich sie Dir mitgebracht hatte, die ist zwar Handarbeit, kostet aber etwa 45,- RM bis 50,- RM. Da staunst Du, was. Man kann fast nichts mehr kaufen. Ich bin darum froh, daß ich im letzten Jahre wenigstens noch einiges beschafft habe.  Nun aber viele herzliche Grüße und Küsse Dir und den Kindern, an Vater einen Gruß. Zeitungen, einige Briefe und die beiden Bilder sind wieder beigefügt. Dir nochmals viele feste Küsse und herzliche Grüße sendet Dein Ernst.

Meine liebste Frau !                                                         8.1.42                

Vorhin habe ich Deinen lieben Brief vom 4. erhalten. Bis zum Nachrichtendienst habe ich Päckchen gepackt, die ich bei der nächsten Anlieferung mitschicken werde. Nun bin ich soweit, um Dir Deinen lieben Brief zu beantworten. Gerade hat man im Radio gespielt. „´s ist Feierabend.“ Ich habe dabei wieder besonders an Deine Mutter denken müssen.
Ich möchte aber meine Postverpflichtung Dir gegenüber  noch erfüllen. Nebenher verzehre ich noch das letzte Gebäck, das ich von Dir zum Weihnachtsfest erhalten habe.  Ich habe mich vorhin noch an etwas anderes erinnert, als man im Rundfunk den Schlager spielte „Man müßte Klavier spielen können“.  Das haben wir doch in meinem letzten Urlaub in einem Film gehört.  Das wird in letzter Zeit vielfach im Rundfunk gespielt. 
Gestern waren es, soviel ich mich entsinne, 10 Jahre her, seit ich das erste Mal zur Stadt kam. Weißt Du noch, wie es erst am Anfang hieß, es sei zur Aushilfe für 8 bis 14 Tage. Dann waren wir froh, als es dann länger ging und mit banger Sorge hat man dann sich immer gefragt, wie lange wird es wohl noch gehen. Mit einer Zwischenspanne von einem halben Jahr, sind jetzt nun schon 10 Jahre vorbei, seit ich meine Tätigkeit bei der Stadtverwaltung aufgenommen habe. An solchen Sachen merkt man immer, wie die Zeit vorübereilt. Wir können sie nicht aufhalten und es muß auch immer weitergehen, darum müssen wir ihr ihren Lauf lassen. Ja, bis zur Aufgabe Deiner Tätigkeit bei Strohmeyer, konnten wir, nachdem ich nun auch eine Arbeit hatte, verschiedene wichtige Anschaffungen machen. Ich weiß noch wie heute, wie froh wir waren. Deine Mutter sandte uns dann immer wieder etwas an Geld zu, um diese notwendigen Anschaffungen zu unterstützen. Es ging uns zwar nicht gerade rosig und glänzend, aber wir schafften doch verschiedenes an und man sah, daß es etwas vorwärts ging. Manche Schwierigkeiten hatten wir noch zu überwinden, bis wir soweit waren, was wir jetzt erreicht haben. Aber wir haben es gewagt und geschafft. 
Da kann ja Vater sich noch schön etwas zurücklegen, wenn er neben seinem Verdienst noch seine Rente hat. Die ist doch immerhin ganz nett. Wenn er zwar allein davon leben müßte, könnte er wohl keine großen Sprünge machen, aber immerhin geht es und ist eine der höchsten Invalidenrenten die ich in Erinnerung habe. Meist erhalten die Leute weniger. Dabei muß man berücksichtigen, daß er doch lange Zeit arbeitslos war.
Ich gönne es ihm von Herzen, daß er nochmals ein paar Mark in die Hand bekommt, denn das war doch immer mit sein großer Wunsch. 
Wenn aus dem einen herzhaften Kuß mehrere werden, werde ich mich wohl damit abfinden müssen. Aber ich werde mich auf das schlimmste vorbereiten. Das Baden geht eigentlich ziemlich selten bei Euch so vor sich. Im Monat einmal.  Ich habe heute auch wieder gebadet, aber wenn ich mich nicht in jeder Woche einmal ganz baden kann, komme ich mir schon dreckig vor. Unsere Soldaten im Osten wären bestimmt froh, wenn sie sich überhaupt einmal richtig baden könnten, aber solange man das hier noch haben kann, nimmt man das mit und nutzt es entsprechend aus.
Das muß sicher putzig ausgesehen haben, wenn Jörg mit dem Mantel, der ihm gerade noch so über den Bauch passte, herumgelaufen ist. Das war ja dann nur noch eine längere Jacke. Na, wenn Du durch die Weiter Vererbung an Helga bzw. von Helga an Jörg, für beide Teile wieder Hilfe geschaffen hast, so haben sich die Anschaffung nicht nur für Dich im vergangenen Jahre sondern auch für die Kinder gelohnt.  Ich freue mich jedenfalls, wenn ich lese, daß Du die Päckchen sowieso erhalten hast. Wenn die gesandten Sachen dann noch Anklang finden, bin ich dann doppelt froh. 
Daß sich die Kinder an den eßbaren Sachen, soweit sie ihnen schmecken, gleich hermachen wollen, ist mir schon verständlich.  Aber es ist so, wie Du schreibst, man muß alles etwas verteilen, denn die Beschaffung ist nicht immer so einfach. Denn in Friedenszeiten geht das alles anders. Dabei muß man noch bedenken, daß ein Großteil derartige Sendungen nicht erhalten kann. Es ist mir zwar durchaus klar, daß es auch noch Leute gibt, die auch noch mehr haben als wir. Doch wir sind mit dem zufrieden, was wir schaffen können.
Heute habe ich 4 Päckchen mit Seife fertiggemacht und wie ich gestern schon schrieb, das Päckchen mit Zucker und etwas Mehl. Sie sind von 3 bis 7 nummeriert. Es ist immerhin allerhand Arbeit, bis man wieder alles zusammengepackt hat. Man freut sich aber immer wieder, wenn man es geschafft hat.
Ich will noch einmal eine Kokosnuß kaufen, wenn es wieder welche gibt, die schön frisch ist. Mein Händler hat mir heute vom Kauf abgeraten, weil die, die er da hat, nicht frisch genug wäre.  Sobald ich wieder Mandarinen oder Apfelsinen erhalte, sende ich sie alsbald ab. Das wäre nun wieder einmal für heute alles.
Inzwischen ist es nun 11 Uhr geworden, und ich will mich zu Bett legen. Also schlafe Du gut und gute Nacht mein liebes Mädel.  Vielmals grüße ich Dich und die Kinder. Gib ihnen auf mein Konto einen kräftigen Kuß, Du selbst erhältst im Geist dafür ein paar mehr, weil es sich anders jetzt nicht machen läßt. Dein Ernst.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Brief 214 vom 5./6.1.1942


Mein liebes Mädel!                                                        5.1.42                                                  

Gestern bekam ich Deinen lieben Brief vom 31.12. Mit Bedauern habe ich davon Kenntnis genommen. daß Du von mir seit einiger Zeit keine Nachricht hast. Ich hoffe aber bestimmt, daß Du bald meine nächsten Briefe bekommst.  Wie ich gelesen habe, bist Du im Kino gewesen mit den Kindern. Das freut mich, denn Du solltest doch nicht so ganz aus der Reihe kommen, denn wenn man so die ganze Woche nur immer so seine Arbeit leistet, muß man sich auf der anderen Seite etwas entspannen, damit man wieder die Kraft zum Arbeiten für die übrige Zeit hat.
Die Kinder werden auch nicht böse gewesen sein, daß sie wieder etwas gesehen haben.  Den Silvester-Abend habt Ihr beide ja auch sehr ruhig verlebt. Du hast sicherlich inzwischen meinen Brief erhalten. Wie ich diesen Abend hinter mich gebracht habe. Es war ja auch ziemlich ruhig bei uns hier, denn ich hatte ja wieder Dienst. Dienst habe ich morgen auch schon wieder, weil ein großer Teil der Kameraden sich in Urlaub befindet. Dadurch kommt man jetzt etwas öfter dran. 
Von dem Winterwetter spüren wir hier ja sehr wenig. Es ist hier ein Tag wie der andere. Daß die Kinder bei dem Schnee große Freude haben, kann ich mir so richtig vorstellen. Sie werden beide nach Herzenslust herumtollen. Solange sie das noch tun, ist es ja recht. Denn im Grunde genommen ist das ja ein billiges Vergnügen. Es ist nur für die anderen angenehmer, wenn sie die Härte des Winters nicht so zu spüren bekommen. 
Gestern war auch Walters Geburtstag. Er wäre nun 37 Jahre geworden. Wenn dann so ein Tag wiederkommt, erinnert man sich dann wieder ganz besonders.  Vater danke ich auch für seine Neujahrsgrüße, die er mir gleich übermittelt hat und ich erwidere sie hiermit genauso herzlich. Doch das habe ich Dir ja auch schon in einem meiner Briefe mitgeteilt.  Ich bin heute etwas in Eile. Ich mache daher Schluß, denn ich habe noch viel zu tun. Es ist gegenwärtig überhaupt etwas mehr als in der letzten Zeit. Ich bin froh darum, dann geht die Zeit umso schneller vorbei. Sei für diesmal recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie !                                                          6.1.42     
        
Heute habe ich wieder 2 Briefe von Dir erhalten. Ich danke Dir wieder vielmals dafür. Da habe ich wieder einmal genügend zu lesen gehabt. Ich bin Dir aber nicht böse darum, wenn du mir einmal mehr schreibst. Ich habe mich aber gefreut, daß Du zum neuen Jahr wenigstens Post bekommen hast, nachdem Du vorher etliche Tage hast warten müssen. Ich kann mir wohl denken, daß Du gewartet hast und daß Du dann froh gewesen bist, gerade zum Neuen Jahr Post bekommen zu haben. Ich glaube, daß Vater stolz gewesen ist, daß er Dir sagen konnte „Da hast Du auch etwas, Du weißt doch, mir kommt es nicht so darauf an“. Denn so ungefähr wird er doch gesprochen haben. Das ist ja schon früher immer sein Wunsch gewesen, wieder einmal über etwas mehr Geld zu verfügen, um es ausgeben zu können, wie es ihm gefällt.
Mit den Mandarinen, das hat so schon seine Ordnung. Na und euch schmecken sie ja, wie ich lese. Mit den Sachen, die Dir Dein Vater geschickt hat, kommst Du schon sicherlich zurecht, das macht Dir keine Sorge, denn Deiner Erfindung sind ja keine Grenzen gesetzt. Wenn es dann nur noch für die Puppen reicht. 
Zur Sammlung hast Du ja in ziemlich reichlichem Maße für unsere Verhältnisse beigetragen. Dann kann ich mir schon denken, daß da viel zusammengekommen ist. Aber das wichtigste dabei ist, daß die Sachen noch brauchbar sind und ich weiß, daß Du Dich da nicht lumpen läßt. Wegen der Fausthandschuhe mach Dir nur keine Sorgen. Ich denke nicht, daß ich sie in diesem Winter noch brauche. Wegen des kleinen Weihnachtsgeschenks mache es nur so, wie wir nun übereingekommen sind. Hoffen wir, daß es mir gelingt, zum in Aussicht genommenen Zeitpunkt in Urlaub zu kommen. 
Na, wegen der Kinder sind wir uns ja auch wieder einig. Daß aber nur die Buben brav sein sollen, will mir doch noch  nicht ganz in den Kopf hinein. Seit wann hast du denn Deine Meinung so verändert. Ich kenne dich ja gar nicht wieder.  So kommt es, wenn man lange von zuhause weg ist, ergeben sich immer neue Methoden. Was sagst Du nun? Jetzt weißt Du bald selbst nicht mehr, was richtig ist und was nicht. Vor allem, was Du mir geschrieben hast.
Was den Verdruß anbelangt, so halte ich es auch für besser, wenn ich Dir das mündlich erzähle, als daß ich hier lange schreibe. Man kann es dann doch nicht darlegen, wie es gewesen ist und den Tonfall und das Gewichtige dabei kann man doch nicht so herausstellen. Ich habe hier schon viel heruntergeschluckt und soviel erlebt, daß ich das nun auch noch die kurze Zeitspanne aushalten werde. Jedenfalls muß man sich vor solchen Kameraden in Acht nehmen und ihnen soweit als möglich aus dem Wege gehen. Ich halte mir deshalb auch tagtäglich den gesandten Spruch vor Augen „Nicht ärgern, nur wundern“. Man kommt nur aus dem Wundern nicht mehr heraus. Doch später davon mehr. Denn ärgern soll ich mich ja nicht mehr.  
Wie zum SilvesterAbend, so habe ich auch heute wieder Dienst. Bei Euerer Silvesterfeier wäre ich gern dabei gewesen. Das war doch etwas anderes als bei mir hier. Heute muß ich in den Quartieren kontrollieren, ob die Mannschaften daheim sind. Um Mitternacht muß ich dann noch die Wachposten aufsuchen. Derartige Mätzchen haben ja noch gefehlt.  Wir haben hier aber einen neuen Offizier bekommen. Bekanntlich, neue Besen kehren gut. Nun soll es meinetwegen gehen wie es will.  Bis jetzt konnte man immerhin ungehindert schlafen. Auch um das wird man hier noch gebracht. Es ist ja nicht notwendig. Die Einheit ist nun über 1 ½ Jahre hier und es war bisher nicht nötig. Mir soll das gleich sein. Machen wir eben auch das noch mit. Man kann nur bei dieser Gelegenheit nochmals den Wunsch zum Ausdruck bringen, hoffentlich nimmt das alles wieder einmal ein Ende.  Im gestrigen Brief hatte ich vergessen, Dir die Abschriften von meinen Briefen zu senden, die ich an Kurt und an Siegfried geschrieben habe. Ich hatte keine Maschine zur Verfügung.  Du solltest aber doch im Bilde bleiben. So habe ich sie nochmals abgeschrieben. Siegfried ist doch sozusagen gut dran. Er hat doch immer einmal Urlaub. Wir dagegen müssen fast darum betteln gehen, bis wir einmal hier für die paar Tage wegkommen.
Für die mit gesandten Bilder danke ich Dir, ich werde sie demnächst wieder mit zusenden. Ich muß nur über unsere beiden Stromer lachen, wie sie so von der Seite reinschielen. Jörg hat es richtig frech, eine Hand in die Tasche gesteckt. Deine Mutter sieht auf dem Bild schon etwas mitgenommen aus. Wenn sie auch nicht ganz deutlich sind, so sind sie immerhin eine Erinnerung an den in Leipzig verlebten Urlaub.
Ja mit seinen Kindern hat man so seine Sorgen, auch wenn es Puppenkinder sind. Es fängt eben schon von klein auf an. Bei dem Zusammenbauen der Kanonen hast Du Dein ganzes technisches Können wieder verwerten können. Jörg soll sich nur Mühe geben, damit er allein die Kanonen zusammensetzen kann.
Ein Brief war also nicht dabei. Ich kann mich also auch geirrt haben. Daß Jörg stolz darauf ist, daß er sich allein fertig machen kann, ist ja bei den von Dir angeführten schlechten Beispielen der anderen Kinder durchaus verständlich. Daß er sich nun auch die Schuhe selbst zubinden kann, freut mich, denn das macht doch den meisten Kindern immer ein wenig Schwierigkeiten. Es ist aber auch ein Zeichen dafür, daß er anstellig ist. Na ich kann mir gut vorstellen, wie unser Junge aussieht, wenn er so im Schnee herumgetobt hat. Daß dann Hosen, Strümpfe und Schuhe durch und durch naß sind, ist ja ohne weiteres denkbar. Aber dann stimmt es ja, daß man mit den Jungen besser auskommen kann wie mit den Mädchen.  Ich muß darum Dir recht geben, wenn Du die Feststellung triffst, daß man mit den Buben besser auskommen kann. 
Mit der Familie Lotter auf der Reichenau ist es schon tragisch. Wenn es manchmal einreißt, dann läßt es aber auch nicht gleich locker. Daß Dir Vater einen Schnupfen dagelassen hat, war ja nicht notwendig. So jeden Tag ein bißchen davon werde ich auch nicht wieder los. Man braucht sich aber auch nicht wundern, bei diesen Witterungsverhältnissen. Heute früh war noch der schönste Mondschein, dann später schien die Sonne und heute Abend regnete und schneite es zusammen. Da kann man ja auch nicht gesund werden.  Für heute habe ich Dir wieder einmal etwas mehr als sonst geschrieben. Nimm nun viele Grüße und Küsse entgegen. Gib unseren beiden Strolchen auch jedem einen Kuß und sei Du nochmals gegrüßt von deinem Ernst.

Brief 213 vom 2./3.1.1942


Mein liebstes Mädel !                                                        2.1.42                                                                

Das letzte Jahr ist nun abgetan. Ich habe es im Dienst verlebt, das neue Jahr habe ich im Dienst angetreten. Ich hatte Dir ja das alles mitgeteilt. Gegen 3 Uhr bin ich dann zu Bett gegangen. In meinem Bett habe ich dann noch bis Mittag gelegen. Ich hatte erst noch Sorgen um den Wachwechsel. Als ich diese kontrollierte, waren sie nicht auf dem Posten. Die hatten sich auch über den Wein hergemacht, waren sich auch ihrer Pflicht nicht mehr ganz bewußt.  Ich habe sie dann erst wieder einmal in Trab bringen lassen.  Meldung habe ich nicht machen wollen, weil ich den Leuten den Jahreswechsel auch nicht verderben wollte. Das hat dann, nachdem ich hinterher den Posten nochmals aufsuchte und ihm eingeschärft hatte, was er zu tun hat, auch geholfen. Es ist dann auch nichts mehr passiert. Ich war dann auch beruhigt, als dann der Morgen kam.
Um Mitternacht habe ich dann an Euch gedacht und habe dann einen Schluck genommen auf Eure Gesundheit und auf gesundes Wiedersehen. Im Geiste habe ich mit Dir angestoßen. Wir haben nun schon wieder den zweiten Tag hinter uns und ich hätte Dir gestern gern geschrieben oder heute im Laufe des Tages. Aber gestern bin ich ja erst spät aufgestanden und dann war ich einfach nicht in Stimmung dazu. Heute im Laufe des Tages kam ich dienstlich nicht dazu.
Gestern Abend bekam ich Deine Briefe vom 27. und 28., für welche ich Dir wieder vielmals danke. Einen Brief von meinem Vater erhielt ich ebenfalls. Heute erhielt ich nun noch Deinen lieben Brief vom 29. Ihr habt meiner wieder in reichem Maße gedacht. Nun muß ich Dir aber auch auf Deine viele Post antworten, damit Du mir jetzt nicht zu lange warten mußt. 
Bei Euch ist es also ziemlich winterlich geworden. Das kann man bei uns schon wieder nicht mehr sagen. Nebel und unfreundlich , wie alles hier. Man darf aber den Kopf nicht verlieren und muß eben aushalten. Inzwischen sind meine Päckchen auch wieder eingegangen. Wie ich lese, haben diese Sendungen auch wieder Euren Beifall gefunden. Für alles hast Du wieder Verwendung sogar für den Lesestoff. Daß auch die Mandarinen  sich Eures Zuspruchs erfreuen ist ganz und gar in Ordnung. Ich freue mich nur, daß ich noch welche bekomme und daß sie sich so gut verschicken lassen. Ich freue mich nicht nur über den Kalender Deines Vaters sondern auch genauso über den von Dir gesandten, den ich nun schon in Betrieb genommen habe. Ich kann ja nur einen verwenden. Deiner ist sehr praktisch im Format und ich werde wohl Deinen weiter verwenden. 
Unsere Beiden haben ja schon eine ganz stattliche Größe erreicht.  Man muß nur staunen, wie die wachsen. Wenn sie dazu noch gesund sind, dann kann man nur immer wieder zufrieden sein.  Das hat unser Stromer nun auch herausgefunden, daß man mit den Granaten schießen kann. Ich hatte das wohl gleich gesehen, vergaß es aber mitzuteilen. So ist es ja auch recht. Daß ihm das Spaß macht, Krach zu machen, kann ich mir wohl denken. Man liest das ja aus seinen Zeilen, daß Du darüber erschrocken bist. Ja, so sind nun einmal die Jungens. Helga hat ja nun auch ihre Beschäftigung entweder mit den Büchern oder mit ihren Puppen. Mit so vielen Neuheiten fällt es schon schwer, sich an die Arbeit zu erinnern.  Aber sie sollen nur etwas tun, damit sie nicht ganz herauskommen.
Mit der Schokolade war es nicht so ganz einfach diese zu bekommen. Ich hatte mich aber sehr gefreut, nochmals welche zu erhalten. Die in der einfachen Packung war zwar ziemlich teuer. Ich hatte sie zwar bestellt, doch hatte ich vorher nicht gefragt, was sie kostet. Hinterher konnte ich sie dann schlecht wieder zurückgeben. Aber das ist nun auch wieder verschmerzt. Dir habe ich, wie ich lesen konnte, eine große Freude damit bereitet. Das ist mir dabei sehr von Bedeutung. Daß sich die Kinder an die Bonbons halten, kann ich mir denken, denn von Schokolade wollen sie ja nicht viel wissen. 
Dein Verhalten Vater gegenüber bezüglich des Schreibens kann ich nur billigen. Ich weiß, daß es noch mehrere Leute gibt, die ziemlich genau soviel Post bekommen und schreiben. Deshalb mache ich mir auch keine Gewissensbisse. Da bin ich immer noch der Meinung, daß das jeder so halten muß wie er es für richtig findet Andere nutzen den Päckchenverkehr dafür noch in viel stärkerem Maße aus wie wir. Ich finde, daß diese Belastung ungleich stärker ist. Also lassen wir es vorerst bei dieser Gepflogenheit.
Was nun Deine Maßnahmen den Kindern gegenüber anbetrifft, so hast Du schon ganz richtig gehandelt. So schlecht, wie mein Vater meine Mutter hinstellt war es bei uns ja auch nicht. Weißt Du noch, wie er manchmal sich dazwischengemischt hat, wenn ich die Kinder bezüglich des Ausziehens angefahren habe. Du kannst es ihm doch nicht recht machen. Darum bleibe bei Deinen Anordnungen, die Du getroffen hast. Du hast das ja mit Überlegung getan und schließlich mußt Du es ja mit ihnen aushalten. Bis jetzt habe ich noch nie  etwas an Deinen Maßnahmen auszusetzen gehabt und ich glaube, daß ich auch keine Veranlassung dazu haben würde. Mache nur so weiter und so ist es richtig.  Du findest jedenfalls meine volle Zustimmung.
Der Pudding hat Euch also auch geschmeckt. Das ist ja in Ordnung. Du kannst ihn Dir ja zwischendurch mit hinein nehmen. Du kannst doch immer wieder strecken. Weiter will ich ja nichts erreichen.  Ja, Du mußt Dich immer wieder einmal ausruhen, sonst erschöpfen sich Deine Kräfte zu schnell. Auch mit Deinem Herzen mußt Du Dich vorsehen. Ich habe Dir schon wiederholt mitgeteilt, daß Du Dir Deine Tätigkeit einteilen kannst. Wichtiger ist, daß Du Dich gesund erhältst. Ich hoffe darum ganz fest, daß Du Dich daran hältst. 
Jetzt möchte ich noch das erste Päckchen fertig machen.  Ich habe etwas gekauft, an was Du gewiss nicht denkst. Ich packe es zu den Mandarinen, die ich ebenfalls erstanden habe. Na, was denkst Du, was das ist, was ich gekauft habe. Es nimmt mir zwar ziemlich Platz weg, aber ich denke, daß diese Sendung Euch ebenfalls  gefallen wird. Na, ich will es schon sagen, es ist eine Kokosnuß.
Hoffentlich könnt Ihr sie essen und hoffentlich wird sie nicht schlecht. Laßt Euch also alles gut schmecken. Es ist das erste Päckchen in diesem Jahr, darum muß es auch etwas besonderes sein.  Bleibt mir gesund und seid vielmals herzlich gegrüßt und geküßt. Dies sendet Dir heute wieder Dein Ernst.  Über den Brief unseres Jungen habe ich mich fest gefreut. Er hat sich wieder große Mühe gegeben. Ich werde bald wieder antworten.

Mein liebes Mädel !                                                             3.1.42             

Ich danke Dir wieder vielmals für Deinen Brief vom 30.12., den ich heute bekommen habe. Bei Euch muß es ja ziemlich kalt geworden sein. Das ist fast wie im vergangenen Jahr. Wir haben davon nicht viel gemerkt. Bei uns ist ziemlich die gleiche Temperatur.  Von Schnee ist nichts zu sehen. Die Nächte sind stockdunkel. Am Tage wird es auch kaum richtig hell. Es sieht immer nach Regen aus. Zur Zeit ist es sehr windig, doch das ist alles. Nachdem wir nun in das Neue Jahr eingetreten sind, hofft man, daß die Tage nun wieder zunehmen. Das erfüllt ja die Menschen auch wieder mit neuem Glauben und neuer Hoffnung. Doch wie bald ist es wieder soweit, daß die Tage abnehmen werden. Das geht alles so schnell.  Man muß nur immer zusehen, daß man in dieser Zeit auch richtig etwas schafft und zuwege bringt.
Daß die Kinder die wenigen Tage ausnützen, an denen Schnee liegt, kann ich mir wohl vorstellen.  Das ist ja eines der größten Wintervergnügen. Vor allem wo doch die Möglichkeit vorhanden ist, verschiedene kleine Buckel herunterzurutschen. Bald wird es schon wieder weg sein und damit ist dann auch diese Herrlichkeit vorbei. Vor allem, wenn sie dann wieder in die Schule müssen, ist ihnen doch ein Teil des Tages schon verloren. Das ist nun einmal der Ernst des Lebens, der auch schon an sie herantritt. Sie haben ja soweit immer noch schöne Tage und viel Freiheit gehabt. Die konnten sie immerhin bei unserer Wohnlage genießen. Das hat ja ohne Zweifel auch viel auf ihren Gesundheitszustand eingewirkt. Wenn ich mir so vorstelle, wie die Kinder in den Städten eingeengt sind und wie schwer es ist, einmal ein Stückchen heraus zu kommen. Das ist doch bei uns schon wesentlich anders.
Mit der Sparerei geht es scheinbar nun auch bei Dir wieder vorwärts. Das wird Dich auch wieder freuen, wenn Du einige Mark zurücklegen kannst. Daß Du das Geld für mich eingezahlt hast, freut mich. Ich habe heute hier einen Radioapparat zurücklegen lassen für Dich. Den will ich, wenn möglich, fertig bezahlen, ehe ich in Urlaub fahre, denn ich möchte ihn doch dann mitbringen. Mir liegt ja auch wenig daran, Schulden zu haben. Ganz läßt es sich nicht immer vermeiden. Aber so leidlich ist es mir immer gelungen. 
Ich muß nun auch wieder verschiedene Briefe beantworten. Das werde ich wohl morgen machen.  Eine Maschine steht mir z.Zt. nicht zur Verfügung, da geht es nun einmal nicht anders, ich muß mich auf das Handschriftliche besinnen. Es ist mir zwar nicht mehr so leicht, aber es wird schon noch gehen. Es ist aber wie mit den übrigen Schulden, Briefschulden habe ich auch nicht gern. 
Für heute sende ich Dir recht viele Grüße und recht herzliche Küsse. Gib unseren Stromern auch wieder einige davon und grüße sie von Deinem Ernst.


Sonntag, 1. Januar 2017

Brief 212 vom 30./31.12.1941


Mein liebes Mädel !                                                                 30.12.41                   

Deinen lieben Brief vom 26. habe ich vorhin erhalten. Ich danke Dir wieder vielmals dafür. Die Feiertage sind ja nun so ziemlich vorbei. Nur noch morgen bzw. übermorgen. Dann haben wir es glücklicherweise geschafft. Ich habe ja morgen Dienst. Ich werde in Gedanken wieder ganz fest bei Euch sein. Das ist nun auch der erste Jahreswechsel, an dem wir seit unserer Verheiratung nicht beieinander sind.
Man muß auf manche Annehmlichkeiten des Lebens verzichten und auch auf die des Zusammenseins anläßlich dieser Jahresereignisse. Die Geburtstage sowie die Hochzeitstage haben wir ja schon die letzten beiden Male hergegeben. Nun auch noch diese Feiertage. Es wird einem so nach und nach eines nach dem anderen entzogen. Man gewöhnt sich so langsam an das Verzichten und ist nur gespannt, was als nächstes drankommt. Ausgeschlossen ist es nicht, daß man noch manches Opfer bringen muß. Daß Du über die Feiertage auch nicht einmal Post bekommen hast, tut mir außerordentlich leid, doch es liegt bestimmt nicht an mir. Hoffentlich bist Du dann etwas mehr in den nächsten Tagen entschädigt worden.
An das Apfelmus habe ich erst wieder gedacht, als Du mir davon schriebst. Wenn es geschmeckt hat, so war das außerdem noch eine Erinnerung an den letzten Urlaub. Ich weiß noch gut, wie ich mich dahinter gesetzt hatte, damit die Äpfel nicht verdarben. So haben sie doch ihren Nutzen gehabt.  Bei dem wechselhaften Wetter,  es ist schon wieder neblig geworden, obwohl es noch kalt geblieben ist,  ist man viel eher Erkältungen ausgesetzt wie bei gleichbleibendem Wetter. Ich glaube, zum Schnupfen hat es mir gelangt, in der Nase macht es sich jedenfalls unangenehm bemerkbar. Ich hoffe, daß es nicht so stark zum Ausbruch kommen wird. Ich werde zusehen, daß es sich durch gute Haltung und etwas Alkohol eindämmen läßt. Bis jetzt trinke ich einmal nur den Wein. 
Von Kurt habe ich auch einen Brief heute erhalten. Ich will bald wieder an alle schreiben, damit ich meine Briefschulden los bekomme. Es lastet immer unangenehm auf mir, wenn ich weiß, ich habe jemandem noch zu schreiben. Doch heute Abend komme ich nicht mehr dazu.
Ich will noch 3 Päckchen mit Seife fertig machen, die ich noch kaufen konnte. Ich denke, daß Du Verwendung dafür hast. Außerdem will ich noch die 50 Päckchen in diesem Jahr fertig machen, Ich hoffe, daß alles gut ankommt und daß Du auch Verwendung, wenn auch nicht gleich, so doch im Laufe der Zeit, dafür hast. Denn das ist ja ein Artikel, den man ganz gut gebrauchen kann. Vor allem, wenn man sich seine Sachen nicht verderben will. Mit den jetzt zur Ausgabe gebrachten Waren ist ja verständlicherweise nicht mehr so, wie vor dem Kriege. Morgen wirst Du sicher mit Vater beieinander sein. Wie lange Ihr das aushaltet, weiß ich nicht. Ich werde jedenfalls in Gedanken bei Euch weilen. Ich sitze hier auf Posten und begründe somit eine gewisse Notwendigkeit meines Daseins.  Na, ich will nicht hadern und froh sein, daß ich noch gesund bin. Man weiß ja noch nicht, was einem das neue, kommende Jahr bringt, hoffen wir, mehr Segen wie das nun scheidende.
Sei Du, mein liebes Mädel, recht fest geküßt. Viele Grüße sendet Dir und den Kindern noch Dein Ernst

Mein liebstes Mädel, meine liebe Annie !                                   31.12.41      

Nun geht dieses Jahr zu Ende. Ich will es aber nicht vorbeigehen lassen, ohne auch in den letzten Stunden noch an Dich gedacht zu haben. Es hat uns wieder vieles gebracht, wenn auch manches, was uns betrüben mußte. Aber im Leben muß man immer damit rechnen, daß einem manches nicht so geht, wie man es gern wünscht. Heute vor einem Jahr saßen wir mit Vater beieinander. Wir hatten noch die Kerzen angezündet und der Weihnachtsbaum war uns nochmals eine Freude. Helga sang mit heller Stimme und unser Junge wollte nicht gern mitmachen. Ich weiß es noch wie heute, als er dann ganz brav war, als er dann im Bett lag. Wir haben uns dann noch über eine Flasche Sekt hergemacht, um wenigstens etwas auf den Anfang des Neuen Jahres zu gießen. Wir wußten ja da bereits an meine Abfahrt denken. Das ist alles schon wieder ein Jahr her.  Wir waren ja so froh, daß ich diese Feiertage daheim sein konnte.  Es waren an jenem Urlaub auch schöne Tage. Wir dachten und wünschten uns damals gegenseitig, daß wir uns gesund wiedersehen und daß der Krieg bald ein Ende nehmen soll.
Im vergangenen Jahr ist in dieser Hinsicht viel getan worden. Gewaltige Fortschritte haben sich geweitet und gestärkt. Diese Entwicklung hat man vor einem Jahr wohl nicht geahnt. Wir sind heute vielleicht genau so weit vom glücklichen Ende entfernt wie wir es uns im letzten Jahre gedacht haben. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß das Ziel jetzt noch etwas weiter liegt. Die Dinge haben sich ohne Zweifel sehr verschärft und der Kampf hat eine Härte angenommen, wie man das nicht für erklärlich gehalten hatte. Doch trotz allem hegen wir heute noch die gleiche Zuversicht und haben solchen Glauben wie vor einem Jahr. Wir hoffen und wünschen, daß uns das Neue Jahr wieder gesund zusammen kommen läßt. Wir haben den festen Glauben, daß wir gesund aus diesem Ringen nach Hause kommen. Doch mag es kommen wie es kommen muß, wir werden es ertragen und werden uns trotz aller Widerstände nicht beugen lassen. Darum gehen heute nicht nur die Gedanken zurück, sondern gehen ebenso voraus und sie lassen die gleichen Wünsche zur Geltung kommen, die wir immer im Stillen verborgen haben. Wir wollen dabei aber keinen Wehmut aufkommen lassen, sondern uns im stolzen Glauben auf unsere Führung verlassen. Doch dies tut es ja nicht allein. 
Ich wünsche deshalb Dir und unseren Kindern recht viel Gesundheit im kommenden Jahr. Wenn man dies nicht hat, ist man doch nicht mehr so leistungsfähig wie man es braucht. Man ist aber ja ganz und gar darauf angewiesen, um seiner Aufgabe vorstehen zu können.  Was noch alles von einem verlangt wird, weiß man ja nicht. Zurückstehen will man ja nicht, darum soll man sich immer so halten, daß man jederzeit einsatzbereit ist. Den Kindern wünsche ich außerdem viel Erfolg in der Schule, denn ich kann mir denken, daß sie selbst Freude an ihren Fortschritten haben. Vater wünsche ich, daß er gesund bleibt, um seinen Beruf noch lange Zeit ausfüllen zu können. Denn ich weiß, daß er selbst zufrieden ist, wenn er jetzt noch tätig sein kann. Vor allem, wenn er wieder eine Tätigkeit hat, die ihn voll und ganz beansprucht. Er ist zwar auch nicht mehr der Jüngste und muß sich entsprechend danach halten. Darum bitte ich ihn, sich zu schonen und lieber etwas weniger herumzuspringen. Das muß er einsehen, daß das notwendig ist.
Übrigens letzthin las ich in einem Deiner Schreiben, daß er jetzt seine Rente bezieht. Bekommt er sie denn jetzt regelmäßig.  Du kannst ihn ruhig fragen, daß es mich interessiert, was er eigentlich monatlich erhält. Das soll keine Neugier sein.
Soeben war wieder der Wachposten aufgezogen. Ich sitze hier nun auch auf Posten mit meinem Fahrer vom Dienst und meinem Unteroffizier zusammen. Wir halten hier nun die Wache. Ich könnte mich wohl zu Bett legen, doch ich möchte mich mit diesen Kameraden solange munter halten. Wir sind wohl in Bezug auf Alkohol sehr kurz gehalten. Ich habe aber nicht umhin können, etwas Wein zu organisieren. Für jeden der Kameraden habe ich 2 Flaschen Wein besorgt, damit wir nicht so ganz trocken in das neue Jahr hinüberwechseln.  Wir sind aber im Dienst und müssen deshalb ein wenig Obacht geben. Doch wir hoffen, zuversichtlich, daß wir nicht so sehr viel Arbeit bekommen und uns dann in die Falle hauen können. Aber wir geben uns Mühe, das Neue Jahr den Umständen entsprechend so gut wie möglich zu empfangen. Du kannst gewiß sein, daß ich Eurer und besonders wieder Deiner gedenke. 
Wir sind jetzt in einer Viertelstunde soweit, daß wir das alte Jahr erledigt haben. Das neue fange ich gewissermaßen auch wieder im Dienst an, hoffen wir, daß es ein gutes Zeichen ist. Ich hoffe, daß ich auch im kommenden Jahr immer mit vollen Kräften tätig sein kann. Ich wünsche auch Dir das mit ganzem und vollem Herzen. Tritt gut ins Neue Jahr hinein und bleib mir vor allem gesund, damit ich Dich, wenn ich ja im Laufe des kommenden Monats Urlaub bekomme, gesund wieder antreffe. Da wünsche ich mir einen festen und herzhaften Kuß von Dir genau so wie ich ihn Dir jetzt im Geiste gebe. Nimm noch dazu viele herzliche Grüße entgegen und küsse unsere Kinder von Deinem Ernst.