Samstag, 18. Juni 2016

Brief 141 vom 18./19.6.1941


Mein liebes Mädel !                                                                 18.6.41     
  
Für Deine beiden Briefe vom 11. und 12. 6  13.6. danke ich Dir vielmals. Ich erhielt sie gestern Abend. Es war nicht meine Absicht, Dich etwa zu ärgern mit meiner Bemerkung wegen des Schießens, sondern ich wollte Dich nur auf den Arm nehmen. Ich sehe aber, daß ich dazu den falschen Zeitpunkt herausgesucht habe, denn wenn man krank ist, hat man nicht die  nötigen Spannkräfte.  Also darüber habe ich mich nicht geärgert. Die Pralinengeschichte habe ich so erledigt, daß ich nochmals welche gekauft habe. Diese sende ich Dir in den nächsten Tagen auch zu. Mit Deinem Brief sandtest Du mir auch den Abdruck Deines Fußes. Wie ich nun mit den Schuhen, die ich hier habe, vergleiche, passen Dir diese auch nicht. Diese sind zwar eine Nummer größer wie die, die ich Dir zuerst für Dich mit zugesandt habe. Ich glaube, daß ich diese nochmals umtauschen muß. Wie mir gesagt wurde, ist es Größe 4o. 
Daß Jörg solche Fortschritte in der Selbständigkeit macht, ist wirklich  schön. Es freut mich, wenn er sich ein bißchen anstrengt. Für ihn werden die wenigen Wochen der vollen Freiheit schnell genug vergehen, dann weht ein etwas anderer Wind. An den muß er sich schließlich auch gewöhnen, auch wenn er manchmal etwas stärker weht. Ich denke aber, daß er sich schon hineinfinden wird. Dann ist ja alles in Ordnung, wenn Du mich auf den mit gesandten Bildern erkannt hast. Es ist nur schade gewesen, daß der Amateur bei dem einen Bild unten Licht rein gelassen hat und daß das gewissermaßen nur ein Brustbild geworden ist. 
Die Sache mit Legler wegen meines Briefes ist doch ohne weiteres in Ordnung. Ich hatte ja auch keinen längeren Urlaub als drei Tage, denn die übrige Zeit war ich ja in Karlsruhe. In dieser Form, wie ich ihm geschrieben habe, glaube ich nicht zuviel gesagt zu haben, vor allem, weil ich die Frage der Zukunft offen gelassen habe.  Wegen den Gardinen werde ich sehen, was ich machen kann. Ebenso wegen den Socken für die Kinder. Was die Fotografie von den beiden Männern anbelangt, so kann ich Dir sagen, daß der Dicke auch bei mir, oder überhaupt bei uns immer als neureich angesehen wurde und sich auch immer entsprechend aufgeführt hat.
Der andere ist zwar der bessere von beiden, er ist aber auch so ein eigener Kopf. Bei uns ist hier auch wieder eine kleine Änderung eingetreten. Erstens auf dem Büro habe ich einen neuen Mann dazu bekommen, der uns als Schreiber zugeteilt worden ist. Dadurch ist diese Schreibangelegenheit endgültig für mich geregelt. Das ist ein junger Soldat mit 20 Jahren. Dafür kommt nun der Unteroffizier aus meinem Büro weg. Ich hatte immer so das Gefühl, daß hier eine Änderung kommen würde, denn gerade dieser Unteroffizier wollte sich mir nicht gern unterordnen, obwohl er genau wußte, daß er es muß. Ich habe ihm gegenüber auch nie den Vorgesetzten herausgestellt. Ich bin nun froh, daß ich das auf ein so gute Art und Weise habe regeln können. Weiter hat sich die "Antreten-Angelegenheit" geregelt. Ich brauche früh nicht mehr mit antreten, weil wir in unsere Wohnung gemeinsames Frühstück und Abendessen haben. Das Frühstück findet um 8 Uhr statt und das Abendessen um 19 Uhr. Da das Antreten schon früh 8 Uhr stattfindet, ist das im Einvernehmen mit dem Kommandanten zu meinen Gunsten geregelt worden.  Gestern war im Kino nicht „Der unsterbliche Walzer“ sondern „Kornblumenblau“. Ich habe schon manchen Schmarrn gesehen, aber so etwas selten. Aber ich habe schon zu dem Kameraden, der mit mir  dort war, gesagt, wir gehen nur aus Bosheit hinein. Es war nur gut, daß wir durch die Wochenschau entschädigt wurden. Außerdem war ich gestern noch ganz bei Euch in der Nähe. Es lief noch ein Kulturfilm „Dem Frühling entgegen“. Es war ein Film aus Baden. Es wurde darin gezeigt Heidelberg, Baden-Baden, Schwetzingen, Freiburg und zuletzt kam der Bodensee. Aber Konstanz ist nicht erwähnt worden. Dagegen Überlingen, Meersburg und noch schöne Bilder von der Mainau. Als ich die Bilder vom Hafen und von der Mole mit der Pappel sah, mußte ich an unsere Schwimmpartien denken, die wir immer im Sommer unternommen hatten bis in die Höhe dieser Mole mit der Pappel. Kannst Du Dich daran erinnern? Das war doch immer schön.  Das war gestern auf diese Weise ein feiner Abschluß des Tages. Es wäre mir zwar lieber, wenn ich alles in natura sehen könnte, aber in dieser Beziehung wird man ja bescheidener mit der Zeit.  Heute habe ich Dir wieder ausreichend berichtet, und ich will nunmehr schließen. Ich wünsche Dir recht baldige volle Genesung und hoffe, daß Du bald wieder auf dem Damm sein wirst. Es grüßt und küßt Dich recht herzlich Dein Ernst.

Meine liebe Frau!                                                   19.6.41

Für Dein Päckchen mit der Zahnbürste und der Zahnpasta sowie das Heft für Kurt Danke ich Dir sehr. Ich erhielt es gestern, dagegen bekam ich aber sonst keinen Brief. Das macht jedoch nichts aus, denn ich erhielt ja am Tage vorher zwei Briefe von Dir, die dann für zwei Tage ausreichen müssen.  Gestern war hier eine Art französischer Revue. Aber ich habe selten so etwas Flaues gesehen wie da.  Wenn ich an das Theater in Lille denke, so kann ich nur feststellen, daß dort ganz andere Sachen geboten werden. Man muß zwar berücksichtigen, daß wir eben doch in der Provinz wohnen. Weiter muß ich Dir noch eine bemerkenswerte Mitteilung machen. Bei meinem jetzigen Umzug bin  ich, wie ich Dir schon mitteilte, an dem Frühstücks und Abendtisch der übrigen Kameraden aufgenommen worden. Zum Frühstück haben wir ja unseren Kaffee, doch zum Abendessen gibt es nur Bier. Der Not gehorchend  muß ich jetzt dort mitmachen, denn ich habe sonst nichts zu trinken. Ich bin aber der festen Überzeugung, daß diese Angewohnheiten sich später wieder legen müssen, und ich glaube, daß das  schon aus wirtschaftlichen Gründen sich von selbst gibt.  Seit einigen Tagen hat hier sommerliches Wetter eingesetzt. Die Uniform wird einem jetzt wieder etwas lästig, und man hätte gern wieder einmal kurzen Wichs, doch solange man nicht zum Afrikacorps gehört, läßt sich das schlecht machen. Bis man sich wieder an das Kleben der Sachen gewöhnt hat, wird wohl wieder Winter sein. Gewiß, Opfer muß man eben bringen. Der Sommer hat auch sein Schönes, obwohl wir hier ja nicht viel davon merken. Ich bekomme zwar ab und zu ein paar Blumen auf den Tisch gestellt, und wie ich Dir kürzlich schon schrieb, haben wir etwas Grünes hinter dem Büro, und auch bei uns im Haus stehen ein paar Bäume. Aber es fehlt noch vieles, was man braucht, um das Gefühl zu haben, daß man daheim ist. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich und hoffe, daß Du bald wieder ganz gesund bist. Ich bitte Dich dann aber, fahre an einem Sonntag oder an einem anderen Tag, wenn Helga keine Schule hat, ein Stück hinaus, damit Du etwas vom Sommer hast. Das wird sicher auch zu Deiner völligen Genesung mit beitragen. Nochmals recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

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