Meine liebe kleine Annie
! 14.6.41
Recht
vielen und herzlichen Dank für Deine beiden Briefe vom 7. und 8. 6 Leider muß
ich immer noch lesen, daß Du mit Deinem Katarrh sehr zu tun hast. Der
Gesundungsprozess geht langsam vonstatten, und du mußt schon sehr viel Geduld
aufbringen, damit Du wieder ganz in Ordnung kommst. Nimm Du Dich nur in acht
und schone Dich. Kurt hatte mir ja auch
geschrieben und wieder Antwort bekommen. Wenn Du nicht gesund bist, ist es
besser, wenn Du nicht so viel
schreibst. Die Eltern haben von mir auch wieder Nachricht bekommen.
Ich
glaube, das macht Freude, wenn an dem selbstgezogenen Stachelbeerbäumchen nun
schon einige Beeren sind. Bei Kindern
ist das einmal so, daß sie allein noch nicht die Ausdauer haben, selbständig
und ausdauernd im Garten zu schaffen.
Wenn jemand dabei ist, geht das schon eher. Als ich von der
Abtrocknungsgeschichte las, die Du mir mitteiltest, mußte ich an meine eigene
Kindheit denken. Wir haben es auch nie gern getan, und wir haben deshalb auch
immer Streit gehabt, wer abtrocknen muß. Mit einigem Gemaule haben wir es dann
doch getan, aber mit Widerwillen. Hauptsache war aber, daß wir es gemacht
haben. Auch Schuhe putzen war nicht meine Stärke, doch das brauche ich ja nicht
besonders bestätigen, das weißt du noch aus eigener Anschauung. Aber das läßt
sich nicht ändern, diese Arbeit muß gemacht werden. Im übrigen müssen sie sich
an die Arbeit gewöhnen. Daß Helga keinen Kuchen mehr essen will, mutet mich
komisch an. Wieso kommt dann das. Schokolade habe ich nochmals welche gekauft
und auch einige Pralinen. Für Vater etwas Tabak und Zigarren. Wenn er nach dem
Preis fragen sollte, und wenn er ihn bezahlen will, kannst Du ihm sagen, daß
der Tabak wohl teuer sei. Es sind 3
Päckchen und kosten 2,70, die Zigarren 3,50 RM. Die Kameraden sagen aber, denn
ich kann es nicht beurteilen, daß die Sachen gut sein sollen. Die Pralinen
schicke ich auch demnächst mit ab. Es sind wieder besondere Sachen dabei, die
Euch sicher schmecken werden. Unser
Kameradschaftsabend wird wahrscheinlich erst Anfang nächster Woche steigen.
Ebenso ist für unser neues Heim für Kameraden Donnerstag eine kleine Feier im
engen Kreis vorgesehen. Ich selbst will zusehen, daß ich heute nun einziehen
kann. Nach echt französischem Muster wird alles hinausgeschoben. Wenn man sich nicht überall dahinter stellt,
kommt es nicht zum Klappen. Die Leute haben eben viel mehr Zeit wie wir. Ich
habe das gestern wieder gut beobachten können. Ich war beim Friseur. Bei uns in Deutschland war ich auch in
Karlsruhe bei einem Friseur, der hatte mich innerhalb von 5 - 7 Minuten fertig
gemacht. Dafür war ich dann auch gleich 90 Pfennige los. Hier macht man das mit
der Ruhe und mit Ausdauer. Da wird man gefragt, wollen sie mit der Schere oder
mit der Maschine geschnitten haben. Die Maschine wird zwar auch mit der Hand
betrieben, doch das verlangt nicht so viel Fertigkeit und Geschick. Ich sage zu
ihm, daß mir das gleich sei. Er legt nun seine ganze Standesehre rein, fängt an
mit der Schere zu schneiden. Immer, wenn er ein Stückchen weiter gekommen ist,
sieht er es sich von der Seite an, rückt meinen Kopf gegen den Spiegel zu
zurecht und fragt mit einer bewunderungswürdigen Ruhe „Ist es so recht“ oder
„gut“.
Wenn
er dann weiter macht, lobt er seine Arbeit und fügt erklärend hinzu „Das ist weder lang noch kurz“. Kommt
er auf die andere Seite, fängt das ganze wieder von vorne an. Anschließend läßt
man sich den Kopf waschen. Da ist es notwendig, daß er da aufklärend wirkt und
sagt: „das ist Shampoon“, „gut“ Wieder geht es mit der gleichen Ausdauer los.
Erst schön eingeseift, durchmassiert, Wasser hinzu, durchgewaschen und dann
gespült. Das vollzieht sich mit einer Selbstverständlichkeit, die ist
bewunderungswert. Das Abtrocknen vollzieht sich auch mit einem bestimmten
Ritus. Dann fragt er, ob man Massage, Parfüm oder sonst was haben will. Doch
damit nicht genug. Mit dem Rasieren würde er die ganze Litanei wieder von
Anfang machen. Doch dazu lasse ich es nicht kommen. Das ganze Haarschneiden mit
Kopfwaschen kostet dann 60 Pfennig. Da hat man doch etwas für sein Geld, und
dafür kann man so eine halbe bis dreiviertel Stunde sitzen. Mit Geduld muß man
sich da wappnen und die Nerven darf man dabei nicht verlieren, denn sonst ist
man gleich verloren. Das habe ich Dir wieder einmal ausführlich
geschildert. Als ich vorgestern in
Lille war, hat ein Kamerad meinen Drehbleistift mit den 5 Farben gesehen. Er
hat mich darum gebeten, ihm auch einen zu beschaffen. Du kannst einmal zusehen,
ob Du ihn in Konstanz bekommst. Soviel ich weiß, habe ich ihn auf der
Marktstätte neben dem Zigarrengeschäft Haisch schon gesehen. Er kostet etwa
3,50 RM. Dazu möchte ich noch einen Satz Ersatzminen haben. Denke bitte einmal
daran.
Recht herzliche Grüße und
Küsse sende ich Dir heute und bitte Dich wieder, schone Dich und sieh Dich vor.
Völlige Besserung wünscht Dir heute
wiederum Dein Ernst
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