Freitag, 10. Juni 2016

Brief 137 vom 9./10.6.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                          9.6.41     

Zum Sonntag bekam ich Deine beiden lieben Brief vom 3. und 4.6., für die ich Dir herzlich Danke. Die Feiertage seid Ihr zuhause gewesen. Das ist bei Deinem Zustand auch das Beste, wenn Du daheim geblieben bist. Hier ist es zwar nicht so schlecht mit dem Verkehr, aber in Lille staute sich der Verkehr nur in den wenigen großen Straßen, und auf dem großen Platz, sonst herrschte aber allgemeines Straßenleben. Die Entwicklung in unserem Garten geht ja nach Deiner Schilderung gut vorwärts.
Ja und Vater hat seine Feiertage wie üblich mit Backen verbracht. Das „ein bißchen dunkel geworden“ gehört dann auch dazu, an diesem Programm ändert sich nichts. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie wir mit Kurt die Pfingstfahrt gemacht hatten, und als wir heimkamen, hatte er sich einen Streuselkuchen von der bekannten Art gebacken.  Erst brummte er uns an, und nachdem wir das Mittagessen verdrückt hatten, legte er uns von dem bewußten Kuchen vor. Ich glaube, mit dem hat er immer Pech.  Die Angelegenheit mit der Stadt ist ja für mich ziemlich klar. Ich freue mich, daß Du mein Schreiben gutheißt. Der Brief von Alice ist, entgegen den früheren, ziemlich ausführlich, und wenn man so sagen soll, persönlich. Jedenfalls ist er einmal anders und nicht so nichtssagend.  wie das früher der Fall war. Wenn Du sonst keine Wünsche für die beiden Scheiche hast, dann kann sie ja, wenn sie unbedingt will, etwas für den Schulanfang auf das Sparbuch tun. Das überlasse ich aber Dir, was Du da machen willst.  Die Pralinen sind also schon verdrückt. Habt Ihr da kein Bauchweh bekommen, wenn Ihr die so bald vertilgt habt. Wenn sie auch geschmeckt haben, soll es mir recht sein. Ich weiß ja auch, daß Ihr lange Zeit keine guten mehr bekommen habt. Die Sache mit dem Schulranzen hat sich nun auch geklärt. Wenn Jörg den von Helga bekommt, wird sie sich dafür freuen, das kann ich mir ohne weiteres denken. Man kann einem Kind mit einer Sache, die für uns Erwachsene manchmal belanglos erscheint, eine große Freude bereiten. Umgekehrt ist es auch manchmal so, daß man denkt, daß etwas gekauftes besser sei, als irgendetwas Kleines oder  Selbstgefertigtes.  Salat gibt es bei uns schon seit einiger Zeit zum Essen, nur nicht wie daheim mit Zucker. Man ißt ihn letzten Endes auch so, wenn man sich daran gewöhnt hat. Meine Absicht ist es zwar nicht, ihn sich zu entwöhnen.  Die von den Eltern geschickten 5,-RM hebe nur auf, und ich rate Dir, nimm sie und gehe an einem der kommenden Sonntage entweder über den See oder sonst ein Stückchen hinaus, wenn Du wieder ganz gesund bist. Dies schon mit Rücksicht darauf, daß Ihr über Pfingsten daheim geblieben seid. Dir wird das auch einmal gut tun, Dich auf diese Weise zu entspannen und abzulenken.  Nimm wieder viele herzliche Grüße und Küsse entgegen  von Deinem Ernst


Meine liebe Frau !                                                                                               10.6.41

Am Anfang steht immer die Frage des Posteingangs, die heute wieder mit „nichts“ zu beantworten ist. Der unregelmäßige Eingang rührt jetzt daher, daß unsere Post nur noch mit den übrigen Postzügen weitergeleitet wird und nicht wie die vorhergehende Zeit, durch die Sonderzüge der Wehrmacht, an die immer Postwagen angehängt waren. Unsere Post wird wohl bevorzugt befördert, doch bei den verschiedenen Umladungen ergeben sich gewisse Stauungen, die sich nicht immer vermeiden lassen.  Aus Anlaß der Wiederkehr des Jahrestags des Einrückens der Kommandantur soll hier am Samstag ein Kameradschaftsabend abgehalten werden. Es wurde nun der Befehl herausgegeben, daß jeder etwas machen soll. Ich habe mich nun mit den Kameraden in unserer Abteilung zusammengesetzt. Wir haben uns ein politisch-satirisches Stück zusammengesetzt, das wahrscheinlich einen ganz guten Erfolg haben wird. Wie wir so beim Herumhorchen festgestellt haben, wollen die anderen kneifen. Es ist aber meist so, die meiste Zeit haben die Kerle ein großes Maul, wenn es aber einmal darauf ankommt, etwas zu machen, was außer der Reihe des täglichen liegt, dann fehlt der Schneid.
Heute wird nun der Umzug in das neue Heim steigen, und wie mir die anderen gesagt haben, soll es ganz in Ordnung sein. Ich bin noch nicht wieder hingekommen. Ich werde mich eben überraschen lassen.  Dieser Tage komme ich wieder dienstlich nach Lille, da werde ich wie üblich bei Graser einkehren. Seit Sonntag herrscht hier regnerisches Wetter, es ist wohl ziemlich warm dazu, was für das Wachstum sehr nützlich ist. Weiteres hätte ich heute nicht zu berichten. Wenn es Dich noch interessiert, so kann ich Dir noch mitteilen, daß der Streik nun fast wieder aufgehört hat. Von den verschiedenen Gruppen in unsrem Bezirk werden noch zwei richtig bestreikt. Die werden, dank dem kräftigen Zupacken, auch noch beigeben.  Ich sende Dir recht viele Grüße und Küsse. Unseren Kindern richte viele Grüße aus und sage ihnen, sie sollen sich nur brav halten, damit Du Dich nicht so ärgern und anstrengen mußt. Gib jedem einen herzlichen Kuß in meiner Vertretung.
Du selbst nimm speziell viele  Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

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