Mein
liebes Mädel ! 9.6.41
Zum
Sonntag bekam ich Deine beiden lieben Brief vom 3. und 4.6., für die ich Dir
herzlich Danke. Die Feiertage seid Ihr zuhause gewesen. Das ist bei Deinem
Zustand auch das Beste, wenn Du daheim geblieben bist. Hier ist es zwar nicht
so schlecht mit dem Verkehr, aber in Lille staute sich der Verkehr nur in den
wenigen großen Straßen, und auf dem großen Platz, sonst herrschte aber
allgemeines Straßenleben. Die Entwicklung in unserem Garten geht ja nach Deiner
Schilderung gut vorwärts.
Ja
und Vater hat seine Feiertage wie üblich mit Backen verbracht. Das „ein bißchen
dunkel geworden“ gehört dann auch dazu, an diesem Programm ändert sich nichts.
Ich kann mich noch gut entsinnen, wie wir mit Kurt die Pfingstfahrt gemacht
hatten, und als wir heimkamen, hatte er sich einen Streuselkuchen von der
bekannten Art gebacken. Erst brummte er
uns an, und nachdem wir das Mittagessen verdrückt hatten, legte er uns von dem
bewußten Kuchen vor. Ich glaube, mit dem hat er immer Pech. Die Angelegenheit mit der Stadt ist ja für
mich ziemlich klar. Ich freue mich, daß Du mein Schreiben gutheißt. Der Brief
von Alice ist, entgegen den früheren, ziemlich ausführlich, und wenn man so
sagen soll, persönlich. Jedenfalls ist er einmal anders und nicht so
nichtssagend. wie das früher der Fall
war. Wenn Du sonst keine Wünsche für die beiden Scheiche hast, dann kann sie
ja, wenn sie unbedingt will, etwas für den Schulanfang auf das Sparbuch tun.
Das überlasse ich aber Dir, was Du da machen willst. Die Pralinen sind also schon verdrückt. Habt Ihr da kein Bauchweh
bekommen, wenn Ihr die so bald vertilgt habt. Wenn sie auch geschmeckt haben,
soll es mir recht sein. Ich weiß ja auch, daß Ihr lange Zeit keine guten mehr
bekommen habt. Die Sache mit dem Schulranzen hat sich nun auch geklärt. Wenn
Jörg den von Helga bekommt, wird sie sich dafür freuen, das kann ich mir ohne
weiteres denken. Man kann einem Kind mit einer Sache, die für uns Erwachsene
manchmal belanglos erscheint, eine große Freude bereiten. Umgekehrt ist es auch
manchmal so, daß man denkt, daß etwas gekauftes besser sei, als irgendetwas
Kleines oder Selbstgefertigtes. Salat gibt es bei uns schon seit einiger
Zeit zum Essen, nur nicht wie daheim mit Zucker. Man ißt ihn letzten Endes auch
so, wenn man sich daran gewöhnt hat. Meine Absicht ist es zwar nicht, ihn sich
zu entwöhnen. Die von den Eltern
geschickten 5,-RM hebe nur auf, und ich rate Dir, nimm sie und gehe an einem
der kommenden Sonntage entweder über den See oder sonst ein Stückchen hinaus,
wenn Du wieder ganz gesund bist. Dies schon mit Rücksicht darauf, daß Ihr über
Pfingsten daheim geblieben seid. Dir wird das auch einmal gut tun, Dich auf
diese Weise zu entspannen und abzulenken.
Nimm wieder viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst
Meine
liebe Frau ! 10.6.41
Am
Anfang steht immer die Frage des Posteingangs, die heute wieder mit „nichts“ zu
beantworten ist. Der unregelmäßige Eingang rührt jetzt daher, daß unsere Post
nur noch mit den übrigen Postzügen weitergeleitet wird und nicht wie die
vorhergehende Zeit, durch die Sonderzüge der Wehrmacht, an die immer Postwagen
angehängt waren. Unsere Post wird wohl bevorzugt befördert, doch bei den
verschiedenen Umladungen ergeben sich gewisse Stauungen, die sich nicht immer
vermeiden lassen. Aus Anlaß der
Wiederkehr des Jahrestags des Einrückens der Kommandantur soll hier am Samstag
ein Kameradschaftsabend abgehalten werden. Es wurde nun der Befehl
herausgegeben, daß jeder etwas machen soll. Ich habe mich nun mit den Kameraden
in unserer Abteilung zusammengesetzt. Wir haben uns ein politisch-satirisches
Stück zusammengesetzt, das wahrscheinlich einen ganz guten Erfolg haben wird.
Wie wir so beim Herumhorchen festgestellt haben, wollen die anderen kneifen. Es
ist aber meist so, die meiste Zeit haben die Kerle ein großes Maul, wenn es
aber einmal darauf ankommt, etwas zu machen, was außer der Reihe des täglichen
liegt, dann fehlt der Schneid.
Heute
wird nun der Umzug in das neue Heim steigen, und wie mir die anderen gesagt
haben, soll es ganz in Ordnung sein. Ich bin noch nicht wieder hingekommen. Ich
werde mich eben überraschen lassen.
Dieser Tage komme ich wieder dienstlich nach Lille, da werde ich wie
üblich bei Graser einkehren. Seit Sonntag herrscht hier regnerisches Wetter, es
ist wohl ziemlich warm dazu, was für das Wachstum sehr nützlich ist. Weiteres
hätte ich heute nicht zu berichten. Wenn es Dich noch interessiert, so kann ich
Dir noch mitteilen, daß der Streik nun fast wieder aufgehört hat. Von den
verschiedenen Gruppen in unsrem Bezirk werden noch zwei richtig bestreikt. Die
werden, dank dem kräftigen Zupacken, auch noch beigeben. Ich sende Dir recht viele Grüße und Küsse.
Unseren Kindern richte viele Grüße aus und sage ihnen, sie sollen sich nur brav
halten, damit Du Dich nicht so ärgern und anstrengen mußt. Gib jedem einen
herzlichen Kuß in meiner Vertretung.
Du
selbst nimm speziell viele Grüße und
Küsse entgegen von Deinem Ernst
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen