Dienstag, 7. Juni 2016

Brief 135 vom 5./6.6.1941


Meine liebe Tapfere Frau!                                                                             5.6.41     

Aus Deinem Brief vom 28.5. ersehe ich, daß es Dir so einigermaßen wieder gut geht, doch machst Du Dir selbst Vorwürfe, daß es noch nicht so geht wie Du willst. Das muß Du Dir abgewöhnen, zu denken, als ob das ein Zeichen von Faulheit sei, wenn man nach so einem Schwächezustand nicht so kann wie man gern möchte.  Ich kann gegenwärtig nichts anderes tun, als Dich zu bitten, daß Du Dich schonen sollst. Ich habe dir gestern schon geschrieben, daß es doch nicht so genau darauf ankommt und daß Du das alles wieder in Ordnung bringen kannst, wenn Du wieder vollkommen auf der Höhe bist.
Ich will darum nur nochmals wiederholen, halte Dich gut und fang nicht zu zeitig mit arbeiten an, denn wenn es einen Rückschlag gibt, ist es meist schlimmer, also sieh Dich bitte vor. 
Wie ich aus Deinem Schreiben ersehe, herrscht bei Euch scheinbar sehr fruchtbares Wetter. Wenn dann alles wächst hat man ja so Spaß an allem, was man selbst geschafft und gebaut hat. Der Regen, der nachts kommt ist ja genau so gut wie der vom Tage. Wenn dann dafür am Tage die Sonne scheint, ist man ja zufrieden.
Ich war gestern Abend hier wieder im Stadtpark mit einem Kameraden. Wir haben uns die blühenden und verblühenden Bäume angesehen. Der Goldregen sowie der  Rot- und Weißdorn  sind nun ziemlich fertig. Dagegen prangen die Kastanien, die roten wie die weißen mit ihren Kerzen, der Schneeball prahlt mit seinen weißen schönen Ballen. Blutbuchen und Blutahorn geben mit ihren schönen roten Blättern im allgemeinen Grün die wirkungsvolle Abwechslung. Einige Kiefern, Lärchen und andere Nadelhölzer erscheinen als schöner Rahmen zu diesem bunten Bild. So ein kleiner Spaziergang am Abend ist eben immer ganz nett, vor allem, wenn er so groß ist, wie es gestern der Fall war. Fast schien es so, als ob es zu einem Gewitter kommen wollte, doch es hat sich dann doch noch verzogen.  Was Deine Frage wegen der Wilhelm-Busch-Sachen anbelangt, so will ich sehen, ob ich die hier bekomme. Ich muß dieser Tage sowieso nach Lille hinüber und dabei will ich zusehen, ob ich diese Wünsche erfüllen kann.
Wenn es nicht möglich ist, werde ich Dir Bescheid geben.  Die mir gesandten Bilder werde ich Dir wieder mit zugehen lassen, weil Du sie Nannie besser übergeben kannst, wenn sie hinkommt, denn in ihrem Schreiben glaube ich zu entnehmen, daß sie in den nächsten Tagen dort eintreffen soll. Das  eine Bild von mir habe ich hier zurückbehalten. Dir und den Kindern sendet viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

Meine liebe Frau!                                                                                           6.6.41

Für Deine 3 Briefe vom 29.,30. und 31.5. Danke ich Dir vielmals.  Das war wieder einmal eine Entschädigung für die in den letzten Tagen ausgebliebene Post. Leider habe ich daraus feststellen müssen, daß es Dir immer noch nicht besser geht. Ich kann, wie in den letzten Briefen auch, Dich nur bitten, halte Dich gut und schone Dich möglichst. Ich wünsche Dir auch heute wieder recht gute und baldige Besserung und Gesundung. Ehe ich aber auf Deine Briefe weiter eingehe, will ich erst noch etwas von hier berichten. In einem meiner vorherigen Briefe schrieb ich Dir doch vom Streik, der hier unter den Bergarbeitern herrscht. In unserer Gegend hat es sich nun noch mehr verschärft, und von der Gesamtheit der Belegschaft sind jetzt über zwei Drittel nicht mehr auf der Arbeit erschienen. Das Schlimme ist hierbei wieder, daß sich hier noch die Frauen einmischen und anfangen, die Arbeiter, die die Arbeit aufnehmen wollen, mit Steinen zu bewerfen. Jetzt muß man sehen, wie sich die Lage weiter entwickelt.  Zu meinen Päckchen kann ich nur das eine bemerken, daß ich die Schuhe genau nach den Mustern beschafft habe. Auch das heutige Muster ist fast nicht größer wie das, welches ich schon hier habe. Ich werde versuchen, nochmals so etwas zu bekommen. Wenn ich in einem meiner Briefe von einer Überraschung gesprochen habe, so kann ich heute nur feststellen, daß mir dies daneben gelungen ist. Ich finde es jedenfalls ulkig, wenn Mutter und Tochter das gleiche Schuhmodell haben. Du findest scheinbar nichts dabei und vor allem, wenn sie Dir nicht passen ist das ja auch hinfällig. Was sagt Jörg zu seinen Schuhen, gefallen sie ihm? Die Absätze müßte man dann eben wegmachen, wenn er sie abgelaufen hat und durch Lederabsätze ersetzen. Man muß hier jetzt eben auch nehmen, was man bekommt. Wenn die anderen beiden Paar richtig passen, ist es auch recht und die, die Dir nicht passen, kannst Du ja aufheben für Helga.  Du schreibst, daß es Dich freut, daß ich beim Schießen doch noch gut abgeschnitten hatte. Worauf liegt da die Betonung, auf dem „doch noch“? Ich glaube zwar nicht, ich will es aber hinnehmen. Morgen ist wieder Schießen, da will ich sehen, ob Du mit Deiner Andeutung „doch noch“ recht hattest. Mein Apparat hat keine Antenne, und ich bin dann meist auf den Nachrichtenkrieg  angewiesen, den die Propaganda ausficht. Zwischendurch ist auch einmal Musik, aber man gewöhnt sich auch an das. Die Zeitungsausschnitte habe ich gelesen, sie haben mich interessiert. Den weiteren Ausschnitt vom Killenweiher, ein Weiher zwischen Unteruhldingen und Salem  werde ich Kurt noch mitschicken, denn er war ja sehr oft dort. Ich habe zwar von ihm bis jetzt noch keine Nachricht auf mein Schreiben bekommen.  Die Sache mit der Überraschung hatte ich ja schon geklärt. Der Karton war hier schon sehr mitgenommen, als ich ihn bekam und ich hatte ihn noch etwas zu Recht geflickt. Wenn aber alles angekommen ist und wie Du es bestätigt hast, dann ist es in Ordnung.  Wegen der Veröffentlichung der bestandenen Prüfung von Strobel ärgere ich mich bestimmt nicht. Ich sehe aber, daß das ganz in den Rahmen des bisherigen Verhältnisses der Stadt mir gegenüber hinein paßt. Die Bezahlung der halben Kosten werden selbstverständlich anerkannt, die für die Bücher für den Kurs von mir verlangt werden. Den Durchschlag von meinem Schreiben an die Stadt hast Du inzwischen wohl erhalten. 
Was das Verhalten meiner Wirtsleute anbelangt, so kann ich sagen, daß sie sich bisher immer rücksichtsvoll mir gegenüber benommen haben. Ich bin schließlich zu denen auch anständig, so daß normalerweise auch kein Grund zu irgendwelcher Verstimmung vorhanden wäre. Gestern haben wir nun den Befehl bekommen, daß unsere Verwaltungsabteilung zusammen ein Haus nehmen soll. Dazu gehören der Reihe nach unser Assessor, der Oberinspektor, der Sonderführer und ich.
Diese Sache wird nun nächste Woche steigen. Ich werde mir heute Nachmittag die Räume ansehen und einmal feststellen, wo ich hinkomme. Dies hängt vor allem auch jetzt mit unserer Verpflegung zusammen, damit die einigermaßen etwas günstiger gestaltet werden kann, wenn für mehrere zusammen gekocht wird.  Ich sende Dir heute viel herzliche Grüße und Küsse und bitte Dich, den Kindern auch einige Davon abzugeben.
In Verbundenheit Dein Ernst

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