Dienstag, 7. Juni 2016

Brief 136 vom 7./8.6.1941


Meine liebe Annie!                                                                                         7.6.41      

Ich danke Dir vielmals für Deinen lieben Brief vom 2.6. Weiterhin bekam ich von Kurt einen Brief, der zwar nicht sehr inhaltsreich aber ganz nett gehalten war. Doch nun zuerst zu Deinem Brief. Nach Deinem Schreiben muß es Dich diesmal aber richtig gepackt haben. Aus Deinen anderen Mitteilungen konnte ich es nicht so richtig ersehen, vor allem aus den ersten Mitteilungen. Nach und nach sickert es aber doch so langsam durch, und ich muß feststellen, daß es schlimmer war als man aus Deinen anfänglichen Feststellungen vermuten konnte. Das ist ja schön von Vater, daß er sich so um Dich angenommen hat. Ich bitte Dich, ihm meinen besten Dank auszusprechen für seine Mühe. Das, was er sich mit seinem Garten geleistet hat, ist ja wieder typisch, aber man muß ihn dabei lassen, er würde ja sonst nicht zufrieden sein.  Das Herausschneiden der Brombeeren hat ja keinen Zweck, denn die Wildlinge, die Wurzel geschlagen haben, muß man ausgraben oder heraus hauen. Über unser Pfingstwetter habe ich Dir schon geschrieben, es fällt mir ein, daß ich Dir nicht mitgeteilt habe, daß ich nicht in das Theater gekommen bin, das kam aber daher, daß Graser unterwegs war und nicht die Möglichkeit hatte, mir eine Karte zu besorgen. Vielleicht ein andermal.  Wenn Jörg sich auf das fotografieren von Segelfliegern gelegt hat, so ist er ja fein heraus, wenn er so viel Unterlagen dafür hat. Man sieht doch auch hierbei wieder, daß das meist selbsterfundene Spielzeug viel mehr Spaß macht, wie manches gekaufte. Insoweit es irgend möglich ist, ziehe nur die Kinder mit zu den Gartenarbeiten heran. Ich glaube auch, daß das keine großen Schwierigkeiten macht, denn sie sind ja sehr willig.  Gestern habe ich meinen Zahn fertig machen lassen. Nachdem sich nichts mehr gezeigt hat und keine Schwierigkeiten trotz des festen provisorischen Verschlusses eingestellt haben, hat er ihn jetzt gefüllt. Nun wird es sich zeigen, wie lange die Geschichte jetzt geht.
Das Vergnügen hat 4,50 RM gekostet. Das exakte Arbeiten, wie ich es von Beck gewohnt bin, ist es zwar nicht, aber wenn er hält, soll es auch gut sein. Heute habe ich Dir einige Bilder beigefügt, die gemacht worden sind, als wir auf der Vimy-Höhe und auf der Lorettohöhe waren. Sie sind zwar nicht überragend, aber als Erinnerungsstücke gehen sie schon. Zur Erläuterung will ich noch hinzufügen, der mit den langen Hosen bin ich.  Von einem evtl. bevorstehenden Umzug habe ich Dir gestern schon angedeutet.
Diese Angelegenheit hat sich nun insoweit verdichtet, daß ich den Befehl bekommen habe, mit den anderen Kameraden zusammenzuziehen. Ich habe mir die Wohnung angesehen.
Es ist ein ordentliches Haus. Wir wären 4 Kameraden, evtl. kommt noch ein Fahrer mit. Mein Zimmer ist zwar nicht überragend groß, doch es ist ja nur zum Schlafen bestimmt, da genügt es. Die übrigen Räume befinden sich im Erdgeschoß und dienen für uns zum Aufhalten. Auch die anderen Kameraden schlafen im ersten Stock. Bis zum Dienstag soll die Einrichtung soweit fertig sein, so daß dann umgezogen werden kann. Das eine Zimmer unseres Oberinspektors soll ich dann später bekommen, weil dieser Mann nur vorübergehend hier bleibt und dann wahrscheinlich woanders hinkommt.
Dieses Zimmer ist ziemlich größer und heller. Ich hätte noch mit zu unsren Mannschaften ziehen können und hatte dann die Wahl mit dem Zimmer unseres Sonderführers gehabt. Das ist aber, wie ich finde, nicht so günstig. Ich habe mich deshalb auch dazu entschlossen. Mit der Arbeit geht es so einigermaßen. Am Anfang war ich noch nicht so drin.
Jetzt habe ich mir so verschiedenes herangeholt und habe im Großen und Ganzen ziemlich freie Hand. Dadurch, daß ich mir so verschiedene Arbeitsgebiete habe zukommen lassen, wird es auch interessanter. Jetzt habe ich verschiedene Transporte von Flüchtlingssachen gehabt, dann verschiedene Unterstützungssachen, und zwar regelrechte Fürsorgefälle. Das ist ja mein Gebiet. Auch Familienunterstützungsfälle für einberufene Deutsche, deren Angehörige sich noch hier befinden. Es ist dann sehr geschickt, wenn man da etwas Bescheid weiß. Alles, was ich da gemacht und vorgeschlagen habe, ist auch anstandslos genehmigt worden. Aber abgesehen davon kommt viel anderes vor, mit dem man früher nichts zu tun hatte, und das ist dann immer wieder eine Befriedigung, wenn man so einen Fall durchgepaukt hat. Nimm recht herzliche Grüße und Küsse entgegen und bleibe gesund bzw. werde es wieder. Dies wünscht Dir von ganzem Herzen Dein Ernst

Mein liebes kleines Mädel !                                                                             8.6.41

Heute ist bedecktes, regnerisches Wetter, da habe ich mit Briefschreibetag angesetzt.
An Kurt, Nannie und Legler habe ich heute geantwortet. Die entsprechenden Briefe und meine Antworten dazu lege ich Dir zur Kenntnisnahme bei. Jetzt bin ich ziemlich wieder auf dem Laufenden. Ich habe es nicht gern, wenn ich noch unbeantwortete Briefe hier liegen habe. Post ist von Dir gestern nicht eingegangen. Ich bin dafür die vergangenen Tage nicht zu kurz weggekommen, so daß ich Damit zufrieden sein muß. Es wird sich schon wieder etwas einstellen. Ich hoffe nur, daß Du wieder ganz gesund bist, und ich bitte Dich wiederum, halte Dich gut.  Schuhe hätte ich dieser Tage für Dich bekommen können, doch die hatten so Kreppgummisohle, und die halte ich nicht für praktisch.
Es war ein sehr schickes Modell. Ich glaube aber, daß ich auch etwas anderes noch bekommen kann. Die Preislage ist aber fast die gleiche. Da fällt mir noch etwas anderes ein. Ich habe mich zwar noch nicht erkundigt, aber es sind hier verschiedene Gardinengeschäfte.
Ich weiß nicht, ob es diese Sachen ohne Schein gibt, das läßt sich aber sicher auch so machen. Es gibt also Gardinen und Stores. Du kannst mir ja einmal Vorschläge machen und mir die entsprechende Größe angeben. Ich erkundige mich dann, wie man die am günstigsten beschafft. Wie waren denn eigentlich die hellen Socken, die ich letztes Jahr den Kindern mitgeschickt hatte. Lassen sich die gut tragen. Wenn ja, dann gib mir Bescheid, dann würde ich nochmals welche erstehen, wenn Du welche brauchen kannst.  Als ich hier beim Zahnarzt war, habe ich mir alle Zähne nochmals nachsehen lassen, ob vielleicht irgendwelche Defekte vorhanden sind. Er hat aber nichts finden können.
Er sagte aber noch, daß man es in Deutschland viel bessere im Allgemeinen hätte, wie in Frankreich. Auch zu meinen sagte er, daß sie sehr hart und fest sind.  Was hier die Streiklage anbelangt, so hat nach anfänglicher kommunistischer Propaganda die Bewegung abgeflaut, nachdem man einen Teil der Rädelsführer hinter Schloß und Riegel gesetzt hat. Wie ich schon schrieb, ist es bedauerlich, daß sich Frauen an den Zusammenrottungen beteiligen. Die sind dann aber Tatsächlich noch schlimmer wie die Männer.  Ich bin heute Vormittag im Büro und habe jetzt meine Post fertiggemacht.  Trotz des trüben und teilweise regnerischen Wetters singt mit viel Eifer und Kunst eine Gartengrasmücke, daß es nur so eine Freude ist, ihr zuzuhören. Ich kann hier gerade beobachten, wie einer Kartoffeln und Bohnen gepflanzt hat. Die Kartoffeln sind schon so weit, daß sie beim nächsten sonnigen Tag wahrscheinlich anfangen mit blühen. Es sind zwar frühe, aber immerhin. Die Buschbohnen sind etwa 15 cm hoch und machen sich ganz gut. Wenn ich das sehe, muß ich immer an unsren Garten denken.  Ich sende Dir und den anderen recht viele und recht herzliche Grüße und Küsse.
Ich bitte Dich nochmals, Dich zu schonen, Damit Du wieder voll zu Kräften kommst. Es grüßt und küßt Dich mit den beste n Wünschen zur vollen Genesung Dein Ernst. 

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