Meine
liebe Annie! 7.6.41
Ich
danke Dir vielmals für Deinen lieben Brief vom 2.6. Weiterhin bekam ich von
Kurt einen Brief, der zwar nicht sehr inhaltsreich aber ganz nett gehalten war.
Doch nun zuerst zu Deinem Brief. Nach Deinem Schreiben muß es Dich diesmal aber
richtig gepackt haben. Aus Deinen anderen Mitteilungen konnte ich es nicht so
richtig ersehen, vor allem aus den ersten Mitteilungen. Nach und nach sickert
es aber doch so langsam durch, und ich muß feststellen, daß es schlimmer war
als man aus Deinen anfänglichen Feststellungen vermuten konnte. Das ist ja
schön von Vater, daß er sich so um Dich angenommen hat. Ich bitte Dich, ihm
meinen besten Dank auszusprechen für seine Mühe. Das, was er sich mit seinem
Garten geleistet hat, ist ja wieder typisch, aber man muß ihn dabei lassen, er
würde ja sonst nicht zufrieden sein. Das
Herausschneiden der Brombeeren hat ja keinen Zweck, denn die Wildlinge, die
Wurzel geschlagen haben, muß man ausgraben oder heraus hauen. Über unser
Pfingstwetter habe ich Dir schon geschrieben, es fällt mir ein, daß ich Dir
nicht mitgeteilt habe, daß ich nicht in das Theater gekommen bin, das kam aber
daher, daß Graser unterwegs war und nicht die Möglichkeit hatte, mir eine Karte
zu besorgen. Vielleicht ein andermal.
Wenn Jörg sich auf das fotografieren von Segelfliegern gelegt hat, so
ist er ja fein heraus, wenn er so viel Unterlagen dafür hat. Man sieht doch
auch hierbei wieder, daß das meist selbsterfundene Spielzeug viel mehr Spaß
macht, wie manches gekaufte. Insoweit es irgend möglich ist, ziehe nur die
Kinder mit zu den Gartenarbeiten heran. Ich glaube auch, daß das keine großen
Schwierigkeiten macht, denn sie sind ja sehr willig. Gestern habe ich meinen Zahn fertig machen lassen. Nachdem sich
nichts mehr gezeigt hat und keine Schwierigkeiten trotz des festen
provisorischen Verschlusses eingestellt haben, hat er ihn jetzt gefüllt. Nun
wird es sich zeigen, wie lange die Geschichte jetzt geht.
Das
Vergnügen hat 4,50 RM gekostet. Das exakte Arbeiten, wie ich es von Beck
gewohnt bin, ist es zwar nicht, aber wenn er hält, soll es auch gut sein. Heute
habe ich Dir einige Bilder beigefügt, die gemacht worden sind, als wir auf der
Vimy-Höhe und auf der Lorettohöhe waren. Sie sind zwar nicht überragend, aber
als Erinnerungsstücke gehen sie schon. Zur Erläuterung will ich noch
hinzufügen, der mit den langen Hosen bin ich.
Von einem evtl. bevorstehenden Umzug habe ich Dir gestern schon
angedeutet.
Diese
Angelegenheit hat sich nun insoweit verdichtet, daß ich den Befehl bekommen
habe, mit den anderen Kameraden zusammenzuziehen. Ich habe mir die Wohnung
angesehen.
Es
ist ein ordentliches Haus. Wir wären 4 Kameraden, evtl. kommt noch ein Fahrer
mit. Mein Zimmer ist zwar nicht überragend groß, doch es ist ja nur zum
Schlafen bestimmt, da genügt es. Die übrigen Räume befinden sich im Erdgeschoß
und dienen für uns zum Aufhalten. Auch die anderen Kameraden schlafen im ersten
Stock. Bis zum Dienstag soll die Einrichtung soweit fertig sein, so daß dann
umgezogen werden kann. Das eine Zimmer unseres Oberinspektors soll ich dann
später bekommen, weil dieser Mann nur vorübergehend hier bleibt und dann
wahrscheinlich woanders hinkommt.
Dieses
Zimmer ist ziemlich größer und heller. Ich hätte noch mit zu unsren
Mannschaften ziehen können und hatte dann die Wahl mit dem Zimmer unseres
Sonderführers gehabt. Das ist aber, wie ich finde, nicht so günstig. Ich habe
mich deshalb auch dazu entschlossen. Mit der Arbeit geht es so einigermaßen. Am
Anfang war ich noch nicht so drin.
Jetzt
habe ich mir so verschiedenes herangeholt und habe im Großen und Ganzen
ziemlich freie Hand. Dadurch, daß ich mir so verschiedene Arbeitsgebiete habe
zukommen lassen, wird es auch interessanter. Jetzt habe ich verschiedene
Transporte von Flüchtlingssachen gehabt, dann verschiedene
Unterstützungssachen, und zwar regelrechte Fürsorgefälle. Das ist ja mein Gebiet.
Auch Familienunterstützungsfälle für einberufene Deutsche, deren Angehörige
sich noch hier befinden. Es ist dann sehr geschickt, wenn man da etwas Bescheid
weiß. Alles, was ich da gemacht und vorgeschlagen habe, ist auch anstandslos genehmigt
worden. Aber abgesehen davon kommt viel anderes vor, mit dem man früher nichts
zu tun hatte, und das ist dann immer wieder eine Befriedigung, wenn man so einen
Fall durchgepaukt hat. Nimm recht herzliche Grüße und Küsse entgegen und bleibe
gesund bzw. werde es wieder. Dies wünscht Dir von ganzem Herzen Dein Ernst
Mein
liebes kleines Mädel ! 8.6.41
Heute
ist bedecktes, regnerisches Wetter, da habe ich mit Briefschreibetag angesetzt.
An
Kurt, Nannie und Legler habe ich heute geantwortet. Die entsprechenden Briefe
und meine Antworten dazu lege ich Dir zur Kenntnisnahme bei. Jetzt bin ich
ziemlich wieder auf dem Laufenden. Ich habe es nicht gern, wenn ich noch
unbeantwortete Briefe hier liegen habe. Post ist von Dir gestern nicht
eingegangen. Ich bin dafür die vergangenen Tage nicht zu kurz weggekommen, so
daß ich Damit zufrieden sein muß. Es wird sich schon wieder etwas einstellen.
Ich hoffe nur, daß Du wieder ganz gesund bist, und ich bitte Dich wiederum,
halte Dich gut. Schuhe hätte ich dieser
Tage für Dich bekommen können, doch die hatten so Kreppgummisohle, und die
halte ich nicht für praktisch.
Es
war ein sehr schickes Modell. Ich glaube aber, daß ich auch etwas anderes noch
bekommen kann. Die Preislage ist aber fast die gleiche. Da fällt mir noch etwas
anderes ein. Ich habe mich zwar noch nicht erkundigt, aber es sind hier
verschiedene Gardinengeschäfte.
Ich
weiß nicht, ob es diese Sachen ohne Schein gibt, das läßt sich aber sicher auch
so machen. Es gibt also Gardinen und Stores. Du kannst mir ja einmal Vorschläge
machen und mir die entsprechende Größe angeben. Ich erkundige mich dann, wie
man die am günstigsten beschafft. Wie waren denn eigentlich die hellen Socken,
die ich letztes Jahr den Kindern mitgeschickt hatte. Lassen sich die gut
tragen. Wenn ja, dann gib mir Bescheid, dann würde ich nochmals welche
erstehen, wenn Du welche brauchen kannst.
Als ich hier beim Zahnarzt war, habe ich mir alle Zähne nochmals
nachsehen lassen, ob vielleicht irgendwelche Defekte vorhanden sind. Er hat
aber nichts finden können.
Er
sagte aber noch, daß man es in Deutschland viel bessere im Allgemeinen hätte,
wie in Frankreich. Auch zu meinen sagte er, daß sie sehr hart und fest
sind. Was hier die Streiklage
anbelangt, so hat nach anfänglicher kommunistischer Propaganda die Bewegung
abgeflaut, nachdem man einen Teil der Rädelsführer hinter Schloß und Riegel
gesetzt hat. Wie ich schon schrieb, ist es bedauerlich, daß sich Frauen an den
Zusammenrottungen beteiligen. Die sind dann aber Tatsächlich noch schlimmer wie
die Männer. Ich bin heute Vormittag im
Büro und habe jetzt meine Post fertiggemacht.
Trotz des trüben und teilweise regnerischen Wetters singt mit viel Eifer
und Kunst eine Gartengrasmücke, daß es nur so eine Freude ist, ihr zuzuhören.
Ich kann hier gerade beobachten, wie einer Kartoffeln und Bohnen gepflanzt hat.
Die Kartoffeln sind schon so weit, daß sie beim nächsten sonnigen Tag wahrscheinlich
anfangen mit blühen. Es sind zwar frühe, aber immerhin. Die Buschbohnen sind
etwa 15 cm hoch und machen sich ganz gut. Wenn ich das sehe, muß ich immer an
unsren Garten denken. Ich sende Dir und
den anderen recht viele und recht herzliche Grüße und Küsse.
Ich
bitte Dich nochmals, Dich zu schonen, Damit Du wieder voll zu Kräften kommst.
Es grüßt und küßt Dich mit den beste n Wünschen zur vollen Genesung Dein
Ernst.
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