Dienstag, 17. Oktober 2017

Brief 333 vom 13.10.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                    13.10.42       
      
Nun sind wir wieder einmal umgezogen. Der Start erfolgte nicht erst am Montag sonder wir haben uns bereits am Sonntag ins Zeug gelegt und haben es zum großen Teil geschafft. Es ist keine Kleinigkeit, wenn man so mit allem Drum und Dran abrückt. Wir haben einen eigenen LKW, auf den wir alle verladen hatten. Das hat zwar allerhand Wege gekostet, vor allem wenn man einziehen muß und es ist noch nichts fertig. Wie es bei uns der Fall ist.  Ich rege mich über diese Dinge nicht mehr weiter auf, aber die anderen waren alle aus dem Häuschen und sind es heute noch. Mir macht das so gut wie nichts mehr aus. Ich denke nur an unseren Umzug von Mirgorod nach Kschen. Das war doch noch ein größerer Unterschied. Hier ist es so, daß zwanzig Mann zu befehlen haben und keiner übernimmt die Verantwortung für etwas. Wie ich Dir schon mitteilte, sind wir im Rathaus untergekommen. Dort wohnen wir im 5.Stock. Höher geht es nicht mehr, kann man da sagen. Wenn auch in allernächster Nähe der Ausblick nicht besonders schön ist, so ist der Überblick als ganz schön zu bezeichnen. Er erinnert mich in mancher Beziehung an zuhause. Nur mit dem Unterschied, daß hier eine ausgedehnte Stadt vor einem liegt, was bei uns nicht der Fall ist. Ein großer Teil der Stadt liegt auf einem Höhenrücken. Die Stadt streckt sich dann weiter durch ein Tal und geht wieder auf den gegenüberliegenden Höhenrücken. Wenn man sich verschiedenes wegdenkt, kann man meinen, man sei zuhause. Vor allem sind es einige Dinge, die einem die Erinnerung daran wach halten lassen. Das ist an sich der gegenüberliegende Höhenrücken, denn bei entsprechender Beleuchtung sieht man das Leuchten der verfärbten Blätter des Waldes. Abends aber ist es die Sonne, die hinter diesem Berge zur Neige geht. Die verschiedenen Kirchtürme wirken zum Teil etwas fremdländisch, aber sie geben dem Stadtbild etwas Leben und ein besonderes Gepräge. Bauten, die in der Neuzeit geschaffen wurden, haben wohl etwas Modernes an sich, aber vieles ist zerstört und zeugen vom Krieg und den Kämpfen.  Die Unterkunft als solche teile ich noch mit einem Sonderführer, der wenig davon erbaut ist, ein Zimmer mit noch einem anderen teilen zu müssen. Ich bin in diesen Dingen nicht so kleinlich. Die Räume sind für uns alle sehr groß, so daß wir für die Zeit, wenn es kalt wird, allerhand Bedenken haben. Eine Dampfheizung ist wohl vorhanden, die ist aber von dem Elektrizitätswerk abhängig, weil es eine Fernheizung ist. Der Strom geht aber nicht immer, so daß wir auch mit der Wärme nicht ganz zurecht kommen werden. Vorsichtshalber sind schon kleine Kanonenofen eingebaut worden. Auf das müssen wir uns am meisten einstellen. Die Beleuchtung klappt auch noch nicht. Wasser haben wir auch noch keines. Man sieht an allem, daß noch alles im Bau begriffen ist und wir zu zeitig gekommen sind. An Schreiben ist abends nicht zu denken. Im Büro ist es das gleiche. Die Räume sind noch nicht sauber und im ganzen Haus wird noch gebaut, gestrichen, Leitungen gezogen, Lampen montiert und alles steht noch herum und macht einen unfertigen Eindruck. Im Büro ist es gleich kalt wie in der Wohnung.  Das ist alles andere, nur nicht gemütlich. Im Kasino kann man sich noch etwas aufwärmen. Das ist noch der einzige Aufenthaltsort, an dem man nicht gerade mit   ?  braucht. Wenn erst einmal alles in seinem Gleis ist, dann wird es auch gehen, aber es ist anzunehmen, daß das noch einige Tage dauern wird. Es ist immer dasselbe, man muß sich erst einrichten und wenn der Apparat angelaufen ist, dann findet man wieder alles in Ordnung. Da kann man erst sehen, was der Mensch die Gewohnheit nötig hat. Ich selbst habe mich, wie schon öfter habe feststellen müssen, vielmals in andere Verhältnisse gewöhnen müssen. Ich denke, daß mir das auch hier wieder gelingen wird. Die anderen maulen zwar immer, es wird ihnen aber nicht viel helfen.  Ich grüße Dich vielmals und sende Dir und den Kindern recht viele Küsse. Dein Ernst.


Mein herzlieber Schatz !               14.10.42          211 
In unseren Umzugstagen haben wir ordentlich Betrieb gehabt. Für uns selbst wird es hoffentlich bald soweit sein, daß wir unseren alltäglichen Betrieb haben. Durch solche Änderungen kommt man ganz aus dem Geleise. Unseren Behelfsofen haben wir heute angezündet, weil es zu kalt zum längeren Sitzen ist. Ich habe Dir früher einmal geschrieben, daß wir beim Backen von Puffern bei meiner letzten Einheit so eine schöne Räucherbude hatten. Dieses Ofenanzünden  erinnerte mich sehr stark an dieses Intermezzo. Im Büro hatten wir gestern Abend kein Licht. Mit noch anderen Kameraden hatte ich die Gelegenheit wahrgenommen und bin mit ihnen ins Kino gegangen. Seit längerer Zeit wieder zum ersten Mal. Ich kannte den Film schon, denn ich sah ihn in Frankreich zweimal, aber es hat mir trotzdem gefallen. Er wurde schon von langen Jahren in Deutschland gespielt und heißt „Kora Terry“. Dann habe ich auch die Wochenschau gesehen in der von dem Landungsversuch in Tobruck die Rede war. Ich hoffe, in nächster Zeit ab und zu einmal hingehen zu können, denn das Kino ist nicht weit von uns.  Es hat mir sehr gut gefallen, vor allem, wenn man einige Wochen nichts gesehen hat. Im Anschluß an das Kino sind wir zum Essen gegangen. Als wir aber nach hause kamen, da war es aus mit dem Licht. Wo jetzt alles erst eingerichtet wird, da muß man mit Pannen immer rechnen. Es ist reichlich unangenehm, wenn man im dunklen fünf Stockwerke hinauftappen muß und dann ist im Zimmer auch alles dunkel.  Heute früh erhielt ich nun Deinen Brief vom 4.10 ausgehändigt, für den ich Dir recht herzlich danke. Wie ich lese, hast Du Dich über die Schuhe der Kinder wieder einmal hergemacht. Ich weiß, daß sie allerhand Zeug zusammenreißen. Ich bedauere nur, daß ich nichts mehr für sie kaufen kann. Das wäre doch immerhin eine Erleichterung für Dich, wenn ich diese Sachen gleich kaufen könnte.  Daß Du durch die Besuche und die Gartenarbeiten die ganze Schusterei aufschieben mußtest, das kann ich mir denken, denn da ist ja viel von Deiner Zeit darauf gegangen.  Aber ich bin froh, daß Du durch die Besuche einige Ablenkung hattest. Ich denke, daß sie Dich auch aus dem täglichen Einerlei herausgehoben haben, das ist für mich immerhin eine Beruhigung gewesen, denn Du hast damit eine Kleine Abwechslung gehabt, die Dir nichts schaden konnte. Vor allem, wenn ich noch lesen konnte, daß der Besuch Deines Vaters nicht ganz so aufregend verlief, wie wir alle anfänglich  dachten. Von Deinem Vater erhielt ich gestern einen Brief, den Du in Durchschrift ja auch erhalten hast.  Auch aus diesem, sowie aus dem Schreiben an Dich, das er mir im Durchschlag zugehen ließ, muß ich entnehmen, daß es ihm eine Freude und eine Erholung war, als er zu Besuch bei Dir weilte.  Mit Freude habe ich auch davon Kenntnis genommen, daß Helga in der Schule bei ihrer Lehrerin das Vertrauen genießt, daß sie ihr in der unteren Klasse mithelfen darf. Ich denke, daß es sie auch mit besonderem Stolz erfüllt. Daß es Helga gefällt, da mit behilflich zu sein, das kann ich  mit gut denken. Ich glaube auch, daß ihr das dann bei der neuen Lehrerin mehr Spaß macht, wenn sie auf diese Weise ausgezeichnet wird. Ich kann darum auch ihre Bitten verstehen, wenn sie gern dort mitmachen will. Ich kann nur eines sagen, daß die Lehrerin wohl sagt, sie will erst Deine Genehmigung haben, ob Helga länger in der Schule bleiben darf. Es ist aber so, es kann einem an diesem oder an jenem Ort etwas passieren. Hoffen wollen wir aber, daß weder dort  als auch zuhause etwas zustößt. Ich muß schon sagen, daß es auch mich gewundert hat, daß Ihr am hellen Mittag Alarm hattet. Man sollte es kaum glauben, aber es muß schon so sein. DAß daheim die Aussichten auf den Winter allgemein anders beurteilt werden, ist auch für uns hier alle eine Beruhigung. Man macht sich doch hier auch Sorge, wenn die Ernährung so knapp ist, daß es gerade für die heranwachsenden Kinder fast zu wenig ist. Hoffen wir, daß die angekündigte Besserung anhält und sich durchsetzt. Dir und den Kindern wünsche ich heute Gesundheit und ich hoffe, auch einmal persönlich die Grüße und Küsse übermitteln zu können. Bis dahin bin ich immer wieder Dein Ernst.


Durch die Umgruppierung haben wir eine neue Feldpostnummer bekommen, die ich zu berichtigen bitte.  E P Nr. 37 700

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