Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 329 vom 3./5.10.1942


Mein liebster Schatz !                                                       3.10.42      
Das Wochenende ist wieder heraus gekommen und man merkt nicht weiter davon. Nur das eine kann man wieder machen, man kauft sich für den Sonntag eine Theaterkarte, dann weiß man, daß Sonntag ist. Morgen wird „La Traviata“ gegeben. Das sind alles Sachen, die ich noch nicht kenne. Man bekommt auf diese Weise wieder einmal etwas mit. Anfang der kommenden Woche ist hier ein Symphoniekonzert. Ob ich zwar dorthin gehen werde, weiß ich noch nicht, denn das ist hier immer die Frage, ist es möglich, daß man sich während des Dienstes freimacht. An sich könnte das schon vertreten werden, aber wenn man dann als einziger sich immer vom Dienst freifragt, so sieht das mit der Zeit eigenartig aus. Aber von früh bis spät abends sitzt man auf der Bude. Das schöne Wetter, das immer noch anhält, lockt manchmal dazu, dass man gern etwas ins Freie ginge, aber da wird nichts draus. Man findet sich mit der Zeit mit allem ab. Nach dem Mittagessen setzt man sich entweder hin und schreibt, oder man legt sich etwas um, damit man Zeitung liest und schläft etwas. Bis zum Feierabend ist es dann wieder Nacht. Man sieht und hört fast nichts. Wenn bei uns nicht ab und zu Leute durchkommen, die etwas von dem großen Leben von draußen mitbringen, dann käme man ganz und gar aus der Reihe. Die verschiedenartigsten Leute aus der Heimat und von den verschiedenen Kommandanturen geben sich hier immer von Zeit zu Zeit ein Treffen. Dadurch kommt man mit verschiedenen Dingen in Berührung, die zu erfahren ganz interessant sind. Aber man muß sich auch in das hineinfinden. Wichtig ist, daß man den bevorstehenden Winter wieder hinter sich bringt, denn dem sehe ich schon mit einigen Kümmernissen entgegen. Wenn es jetzt tagsüber auf der Straße auch noch sehr schön warm ist, so bleibt es bei uns auf dem Büro immer kalt. Was sollte das den Winter über werden. Es ist nur gut, daß wir andere Büroräume bekommen. Durch die Kälte, die bei uns auf dem Büro herrscht, habe ich jetzt meinen Schnupfen weg, der aber schon wieder im Abklingen ist. Die Kameraden, die bei der FAK gewesen sind, haben es aber in mancher Beziehung noch wesentlich schlechter. Wie sie mir mitteilen, haben sie sich auch schon auf den Winter eingerichtet und haben entsprechend Räume bezogen, die heizbar sind. Wegen Feuerholz brauchen sie sich zwar keine Sorge zu machen. Alte Häuser, die abgebrochen werden können, sind genügend da. Bäume stehen auch noch in der Gegend, die man verfeuern kann. Die Gegend selbst ist ja trostlos und Abwechslung haben die noch weniger als wir. Wenn man Vergleiche ziehen kann, dann merkt man doch, was man hat. Die eine Feststellung muß ich immer wieder treffen, daß keiner mit der Einheit zufrieden ist, bei der er sich befindet. Das ist eine Tatsache, die ich immer wieder feststellen muß.  Ich hoffe, daß Ihr auch noch solche schöne Herbsttage habt, dann kannst Du Deine Gartenarbeiten noch in aller Ruhe beenden. Ich will nun heute, oder morgen meinen Einspruch an die Stadt noch fertig machen. Ich habe zwr auch jetzt keine große Hoffnung, aber ich will mich nicht so bald geschlagen geben. Man muß sich rühren, damit man nicht vergessen wird. Durchschlag sende ich Dir wieder mit zu. Es ist immer wieder eine Arbeit. Für sich kann man viel schwerer ein Gesuch verfassen, wie wenn  es für jemand anders ist. Mir geht es jedenfalls so.  Herzlichen Gruß sende ich Dir und den Kindern zum Sonntag und Dich küsse ich vielmals Dein Ernst.

Mein lieber Schatz !                                                              5.10.42        
Verschiedenerlei Gründe ließen mich gestern nicht zum Schreiben kommen. Mein Schnupfen hat sich entgegen meiner Erwartung nicht gebessert, sondern verstärkt und er hat mir deshalb gestern viel zu schaffen gemacht. Jetzt ist er aber langsam im Abklingen, so daß Du Dir keine Gedanken weiter machen brauchst. DAs wäre an sich ja auch sonst nicht nötig, denn bis Dich der Brief erreicht, ist das alles schon wieder vorbei und vergessen. Aber nicht allein der Schnupfen, sondern die übliche Sonntagsarbeit, die auffallenderweise am Sonntag in verstärktem Maße auftritt wie in der Woche. Auch sie hat mich stark behindert. Für den Nachmittag hatte ich mir eine Karte für das Theater besorgt. Die wollte ich nicht verfallen lassen und am Abend, als ich dann heimkam war ich froh, daß ich mich zu Bett legen konnte, um meinen Schnupfen pflegen zu können. Das ist zwar viel auf einmal, was ich Dir da als Grund zu meiner Entschuldigung anzuführen habe.  Über den Postverkehr selbst kann ich berichten, daß ich Dir am Samstag 3 kleine Päckchen mit Briefpapier habe zugehen lassen. Heute habe ich nochmals Briefumschläge gekauft, die heute dem Papier gefolgt sind. Von Dir erhalte ich soeben Deine beiden Päckchen mit Marmelade. Ich habe sie noch nicht geöffnet. Ich denke aber, dass alles in Ordnung ist. Recht, recht vielen Dank dafür. Briefpost habe ich schon seit einigen Tagen nicht mehr bekommen. Weder von Dir noch von sonst jemand. Das Programm vom gestrigen Theaterbesuch lege ich Dir wieder bei. Demnächst werde ich mir noch die Oper „Aida“ ansehen, dann habe ich einen großen Teil der Opern von Verdi gesehen. Wenn man den Text auch nicht versteht, so bekommt man doch einmal einen Überblick über das Opernschaffen. Ich bin zwar keine Musikkenner, aber man lernt doch nach und nach Einiges kennen. Ich war zwar gestern nicht in der richtigen Stimmung, doch es hat mir ganz gut gefallen.  Heute habe ich mich nun daran gesetzt, die Antwort an die Stadtverwaltung zu schreiben. Im Entwurf habe ich sie schon einige Tage vorliegen, aber diese Sachen muß ich immer erst noch einmal verdauen. Wenn es mir dann einigermaßen geläufig erscheint, wenn ich es dann nochmals durchlese, dann glaube ich es absenden zu können. Ich denke, daß es so Hand und Fuß hat. Ich verspreche mir auch jetzt noch nicht viel von meinem Schritt, aber ich denke, daß es besser ist, man unternimmt etwas und läßt etwas von sich hören, als daß man sich hinsetzt und wartet, bis die Herren sich meiner entsinnen. Auch wenn man sich gleich beim ersten Versuch abweisen läßt, muß man nicht gleich klein beigeben. In diesem Sinne habe ich nun auch geschrieben. Durchschlag habe ich Dir beigefügt. Den Erfolg muß man nun wieder abwarten.  Das Wetter ist immer noch schön. Geregnet hat es immer noch nicht. Wenn es auch einmal so aussah. In der Sonne ist es so schön warm, daß man noch keinen Pullover anzuziehen braucht. Im Büro ist es aber immer sehr kühl, daß man am Tag nicht so richtig warm wird.  Von mir selbst habe ich nichts weiter zu berichten.  Ich bitte Dich, daß ich heute schon schließen darf. Sei Du recht herzlich gegrüßt. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Gib unseren beiden Lausern einen herzlichen Kuß und sage ihnen, daß ich mich freuen würde, wenn sie ihrem alten Vater wieder einmal schreiben würden. Du selbst nimm viele herzliche Küsse entgegen von Deinem soviel an Dich denkenden Ernst.

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