Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 327 vom 29./30.9.1942


Meine liebe Annie !                                                           29.9,42            
Ich hatte erst dazu angesetzt, kam aber gestern wegen der vielen vorliegenden Arbeit nicht dazu, Dir zu schreiben. Am Abend war ich dann abgespannt, sodaß ich erst mich heute daran setzten kann. Am Sonntag war ich in einer Vorstellung im Theater. Das Programm liegt wieder bei. Die Aufführung war wieder zufriedenstellend, ich kann bald sagen, daß mich diese Vorstellung mehr befriedigt hat, wie die in der ich im letzten Jahr in Karlsruhe beigewohnt hatte. Die Kräfte sind in gesanglicher Hinsicht nicht schlecht und waren zum Teil besser wie dort in Karlsruhe. Es hat mir gut gefallen und ich habe mich wieder einmal nett unterhalten. Das ist schließlich die Hauptsache. Post bekomme ich schon wieder seit einigen Tagen nicht von Dir. Ich hoffe zwar, daß ich heute welche bekomme. Zu beantworten hätte ich also nichts weiter. Ich glaube aber nicht, daß ich Dir über unser Essen hier geschrieben habe. Über die Tischordnung und wie wir essen habe ich Dir schon berichtet. Im großen und ganzen bekommen wir zum Frühstück 3 Schnitten Brot und Butter. Die Brotzuteilung ist nicht überragend viel, aber man gewöhnt sich daran. Mittags gibt es mit meist nur zwei Ausnahmen in der Woche Suppe und einen Hauptgang. An den Ausnahmetagen gibt es dann Eintopf. Fleisch ist immer reichlich, vor allem wenn ich daran denke, was wir für Fleischportionen daheim verzehrt haben. Zum Abendessen haben wir sehr oft warme Kost. An den anderen Tagen gibt es dann kalte Platte, die fast immer Wurst, Käse und Gurke enthält. Die Wurst sind mehrere Scheiben verschiedener Sorten. Beim warmen Abendessen wird entweder Deutsches Beefsteak, Gulasch mit Kartoffeln oder Kartoffelbrei gereicht. Manchmal sind es aber auch zu Kartoffeln Nudeln. Mittags ist es im allgemeinen abwechslungsreich.  Die Suppe ist immer gut und kräftig. Davon kann man nehmen, soviel man will. Das andere erhält man gleich vorbereitet auf dem Teller. Da kann man nicht nachfassen. Ab und zu gibt es aber auch Gelegenheit, etwas nachzufassen. Wenn es abends Bratkartoffeln gibt, das ist manchmal der Fall, dann denke ich immer an die Zeit von zuhause. Da war das schon unsere Art und ich habe sie seither lange vermissen müssen. Wir bekommen dann immer noch etwas dazu.  Das ist dann gewissermaßen für mich Feiertag. An Sonntagen haben wir einige Zeit lang als Nachspeise Eis bekommen. Du siehst daraus, ich habe allen Grund zu schweigen, wenn Ihr von Eisessen berichtet und ich mokiere mich darüber. Im allgemeinen kann ich nicht sagen, daß ich hätte Hunger leiden müssen. Für Trinken ist soweit auch gesorgt. Am Anfang des Monats bekommt jeder, der im Kasino ißt, ein Gutscheinheft. In dem sind Gutscheine enthalten für Wein, Likör, Cognac und Zigarren und Zigaretten. Ich habe mir davon nichts gespart und habe diese Sachen bis jetzt aufgebraucht. Was mit nicht allein gelungen ist, habe ich mit Unterstützung der Kameraden geschafft. Für besondere Fälle habe ich mir einige Flaschen Sekt aufbewahrt, die mir auch zustanden.  DAß man dann keine großen Ersparnisse vom Wehrsold machen kann, das wirst Du Dir denken können. Das ist ja an sich auch nicht vorgesehen. Ich habe hier sonst außer meiner täglichen Tretmühle nichts weiter. Wenn es gut geht, dann kann man am Sonntag Nachmittag bei uns Kaffee trinken. Es gibt sogar Kuchen. Das ist aber so viel, daß man gerade Appetit davon bekommt. Das ist eine dünne Scheibe Fruchtrolle. Mehr gibt es nicht. Dazu kann man wohl Kaffee bekommen. Das ist wohl guter Kaffee, aber die Preise sind genau wo hoch wie in Deutschland. Du hast somit einen kleinen Einblick in unseren Speisezettel bekommen. Was wir so im einzelnen erhalten, kann man ja nicht aufzählen. Das ist schließlich auch nicht der Zweck.  Von den Ketten, die Du mir gesandt hast, kann ich Dir mitteilen, daß sie ihren Mann gefunden haben.  Der Kamerad hat für alle zusammen 18 RM erhalten. Soll ich Dir diese mit zusenden? Ich lege aber keinen Wert darauf, mich weiter mit solchen Geschäften abzugeben. Es liegt mir einfach nicht. Für heute wäre das alles. Ich sende Dir und allen daheim herzliche Grüße. An Vater richte bitte ebenfalls herzliche Grüße aus. Du selbst nimm aber recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                          30.9.42      
Drei Briefe erhielt ich gestern von Dir. Ich bin zwar nicht so ganz zufrieden, wenn Du mir die zusammengeklappten befriedigen mich auf die Größe ihre Inhalts nicht so ganz.  so steht es hier geschrieben  Ich nehme zwar Rücksicht darauf, daß Du während der Zeit eines Besuches nicht so viel Zeit hast und glaube, daß das von Dir aus auch nur für diese Zeit so gedacht ist. Was den Inhalt anbelangt, so hat mir eines Gedanken gemacht und das ist unser Helga. Du schreibst, daß sie so wächst, und daß sie deshalb immer sehr müde sei. Es macht mir vor allem darum Sorge, weil es bei Dir als Kind genau so gewesen ist. Wir wollen doch nicht, daß ihr das später irgendwie einmal anhängt. Ich dachte da zuerst an einen Erholungsaufenthalt in einem Heim. Ich weiß nicht, in welchem Maße Heime von unserer Krankenkasse noch im Betrieb sind.  Vielleicht kannst Du Dich einmal danach erkundigen. Wenn Du anschließend daran mit Dr. Bundschuh Rücksprache nehmen würdest, ob er seinen solche Antrag unterstützt. Da müßtest dabei aber erwähnen, daß Du durch Dein schnelles Wachsen Schwierigkeiten mit der Lunge bekamst. Die Kosten, die und dadurch entstehen würden, könnten wir jetzt ganz gut bestreiten. Nimm Dich einmal dieser Sache an und berichte mir bei Gelegenheit wieder darüber. Ich möchte nur nicht, daß man etwas versäumt.  Das erste Päckchen mit den Eiern ist bei Dir angekommen. Das war also nicht gerade sehr ergiebig für Dich, wenn von den zehn Eiern vier kaputt waren.  Hoffentlich ist es bei den weiteren mit dem Ausfall nicht ganz so schlimm. Es ist schade darum, aber man kann nur immer wieder versuchen. Ich will sehen, wie es mit den nächsten Päckchen ist, die bei Dir anlangen. Wenn andere Sendungen mit den gleichen beschädigten Eiern ankommen, dann wird es wohl nicht viel Zweck haben. Du kannst mir ruhig Deine Ansicht mitteilen. Wenn Du meinst, dann schicke ich sie gern wieder ab, soweit ich welche bekomme. Für den Rasierklingenschärfer von Deinem Vater danke ich Dir vielmals. Ich denke, daß ich mich damit zurechtfinden werde.  Ich will mein Heil damit versuchen. Für die Zusendung der Marmelade danke ich Dir heute schon vielmals. Das wird mir eine willkommene Abwechslung für mein Frühstück sein. Hoffen wir, daß die Päckchen gut ankommen. Die Brotzuteilung für Helga bedeutet schon etwas. Das macht bestimmt was aus. Wie hoch  wäre dann bei der Kürzung die wöchentliche Ration. Ich bin in Zweifel gekommen, weil Du schreibst von 2000 g und in der Zeitung bei uns stand 1500 g. Was ist denn davon richtig? Die Neuverteilung beträgt jetzt allgemein 2250 g.  Du schreibst immer, daß Dein Vater angeln war, aber nie hast Du erwähnt, daß er eigentlich etwas gefangen hat. Das ist zwar nicht das wesentliche, aber es würde mich interessieren. Aus dem Gruß, den Dein Vater beigefügt hat, entnehme ich, daß es ihm gut bei Dir zu gefallen scheint. Mir ist das zwar unverständlich, denn ich habe da wohl zu wenig Empfinden für solche Dinge. Ich könnte es jedenfalls nicht so lange bei Dir aushalten. Ich sage mir aber, schwieriger ist es , die ganze Zeit ohne Dich zu sein, darum würde ich es noch eher in Kauf nehmen, mit Dir zusammen zu sein. Das langt Dir wohl wieder für diesmal.  Die beiden Väter sind nun nach den langen Jahren endlich auch so weit gekommen, daß sie sich mit Du anreden. Da hat wohl für meinen Vater erst viel Überwindung gekostet. Daß aber die Alkoholmengen in dem Maße fließen, daß Du Deinen erst angefangenen Brief wieder aufgeben mußt, weil er vor Cognac wegschwimmt, das ist doch schon ein starkes Stück. Meinen schönen Cognac. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Du das wieder gutmachen kannst. Daß Du Dich mit Deinem Vater ausgesprochen hast, ist mir auch eine Beruhigung. Ich sehe wohl ein, daß das besser ist, wie alle Schreiberei. Eins steht aber fest, daß dieses Fräulein Ludwig eingesehen hat, daß sie ohne uns nicht fuhrwerken kann. Andererseits kann man aus dem Verhalten Deines Vaters entnehmen, daß es ihm nicht einerlei ist, mit uns zu brechen. Es war gut, daß wir gleich mit schwerem Geschütz aufgefahren sind. Wenn wir zu allem Ja und Amen gesagt hätten, wären wir die Eingewickelten gewesen.  Daß Du auf sein Bitten einen Gruß unter seinen Brief geschrieben hast, ist mir an sich gleichgültig. Wenn es ihm Freude macht, soll es mir sogar recht sein.  Jetzt möchte ich wieder schließen. Mein Maß ist wieder voll. Das ist in diesem Fall der Briefbogen. Ich denke, daß dies für einen Tag ausreichend ist. Herzliche grüße und küsse ich Dich und hoffe, daß Ihr alle gesund seid.  Dein Ernst.

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