Mein
liebes Mädel ! 6.10.42
Mein
Schnupfen hat nun wohl den Höhepunkt überschritten. Ich bemerke das deshalb,
weil ich mich nicht entsinnen kann, daß ich ihn seit meiner Militärzeit jemals
in so ausgiebigem Maße gehabt habe. Ich will fast sagen, daß mir die ganze Zeit
eigentlich etwas gefehlt hat, denn zuhause bekam ich ihn doch mit ziemlicher
Regelmäßigkeit. Man wird viele andere unangenehmen Sachen damit los, die dann
nicht erst in Erscheinung treten. Darum ist sowas immer noch leichten und eher
zu ertragen, wie etwas anderes, weil man doch hier immer wieder auf fremde
Menschen angewiesen ist. Nachdem ich
seit einigen Tagen keine Post von Dir mehr bekommen hatte, traf heute Die Brief
vom 24.9. ein, für den ich Dir viele Dank sage. Ich hatte auch daran gedacht,
als der Todestag Deiner Mutter war. Gleichzeitig dachte ich aber auch daran,
daß ich vor einem Jahr in Urlaub bei Euch war und vor zwei Jahren war das auch
der Fall. Vor zwei Jahren waren wir noch einmal mit Kurt zusammen. Seither habe
ich ihn nicht wieder gesehen. Ich habe ihm heute einen kurzen Brief
geschrieben, denn ich hätte immer noch den Auszug hier über die
Urlaubsregelung, die für ihn zutrifft.
Ich wollte immer erst abwarten, bis er mir auf meinen Brief vom 30.8.
antwortet. Nun hat es mir zu lange gedauert. Ich habe ihm darum dies so
zugesandt. Aus dem beigefügten
Schreiben Deines Vaters ersehe ich, daß es ihm ausnehmend gut bei Dir gefallen
haben muß. Es kann ja sein, daß Du es auch besser verstehst wie Erna. Alles in allem
ist ein einziges Lob, das auch mich letzten Endes freut. Ich will ja nicht
sagen, daß das nur auf den guten Einfluß zurückzuführen ist, den ich immer auf
Dich ausgeübt habe, aber Du hast Dir ja schon früher immer mühe gegeben, es mir
recht zu machen. Wenn es auch ab und zu Dresche gegeben hat, so merke ich doch
immer wieder, daß Du es mir nicht nachgetragen hast und daß alles seinen guten
Einfluß auf Dich nicht verfehlt hat.
das ist lustig gemeint Über
Helga machte ich mir schon etwas Sorge. Daß Du ihr alles gibst, was Du zur
Verfügung hast, das glaube ich Dir gern, aber ob Dir all das zur Verfügung
steht, was für sie nun gerade notwendig ist, das ist doch fraglich. Ich gebe
zu, daß ich mir vielleicht manchmal ein anderes Bild über Eure Ernährungslage
mache, wie sie eigentlich ist. das wird Dir auch verständlich sein, denn wir
essen doch im Verhältnis besser wie Ihr daheim. Dann legt man immer seinen
Maßstab an das, was man hier erhält und vergleicht es mit dem, was Ihr daheim
bekommt. Dann erscheint einem das eben
wenig. Man darf dabei nicht vergessen, daß das Brot nicht den Nährwert hat, wie
in normalen Zeiten, weil es mit allen möglichen Sachen gestreckt wird. Mit
vielen anderen Sachen ist es ebenso. Man würde doch sonst auch vieles kaufen,
wenn man es bekommen könnte, aber man ist doch überall gebunden. Mit dem
Lehrgang ist es ja nun nichts geworden. Was die Sicherheit vor Fliegern
anbelangt, so kann man bald sagen, daß es hier sicherer ist wie dort, denn
solange ich hier bin, habe ich außer deutschen Flugzeugen kein feindliches
gehört geschweige denn gesehen. Daß
sich jemand bereit erklärt hat, Dir bei der Apfelernte mit zu helfen, das ist
mir in gewisser Hinsicht eine Beruhigung.
Im Laufe dieser Woche werden wir ein neues Quartier beziehen und neue
Büroräume erhalten wir auch. Unsere Unterkunft befindet sich jetzt hier im
Rathaus. Wie es aussieht, weiß ich noch nicht. Mit unserem Sonderführer, der
als Dolmetscher bei uns tätig ist, soll ich wahrscheinlich ein Zimmer beziehen.
Mir macht das ja nichts aus, denn ich bin das ja von der FAK her noch gewohnt,
da habe ich ja längere Zeit mit einem Kameraden zusammen gewohnt. Ich grüße Dich und die Kinder recht
herzlich. Hoffentlich seid Ihr mir alle gesund, das ist mit meine größte Sorge,
denn Ihr sollt mir in keiner Beziehung Not leiden, ich sehe darum auch, was ich
für Euch erhalten kann. Dir sende ich aber noch recht viele Küsse. Dein Ernst.
Mein
liebstes Mädel ! 7.10.42
Am
gestrigen Abend erhielt ich noch Deinen Brief vom 27.9. und zwei Sendungen mit
Zeitungen. Für alles sage ich Dir wieder recht herzlichen Dank. Wie ich lese,
bekommst Du ziemlich laufend meine Post, was mich im besonderen eine Beruhigung
ist. Das ist ja nur die einzige Verbindung, die über die Lücke , die besteht,
hinweg hilft. Man merkt immer erst dann richtig, was einem fehlt, wenn man
einige Tage keine Post erhält. Sonst nimmt man das so selbstverständlich hin,
daß die Briefe laufend eingehen müssen. Das läßt sich aber nicht immer so genau
und regelmäßig durchführen. Gut ist,
daß man weiß, daß der andere Teil sich genau so an das tägliche Schreiben hält,
es sei denn, daß etwas Äußerliches dazwischen kommt. Du wunderst Dich also auch, daß hier ein Tiergarten besteht. Das
ging mir auch so. Im letzten Winter war man dabei und wollte die Tiere
schlachten, weil kein Futter vorhanden ist. Im Zusammenwirken mit den
verschiedenen Dienststellen hat man es dann doch ermöglicht, den an sich nicht
allzu großen Tierbestand zu erhalten. Im Laufe dieses Sommers haben sich nun
viele Landser wieder dran erfreut und auf diese Weise hat sich der Einsatz
wieder gelohnt. Wie es im kommenden Winter wird, das muß man erst wieder
abwarten. Überfüttert sehen die Tiere sowieso nicht aus. Wie es mit unserer
Freizeit steht, habe ich Dir ja schon wiederholt geschrieben. Das hat sich auch
in der Zwischenzeit nicht gebessert. Du liest schon aus meinen Briefen, wie oft
ich aus dem Bau herauskomme. Die
Röhrengeschichte für unseren Apparat lasse ich noch nicht aus dem Auge. Ich
werde bei Gelegenheit nochmals mit anfragen. Es ist recht, daß Du mich daran
erinnerst, aber wie gesagt, ich vergaß es nicht. Daß Du soviel Freude am
Radioapparat hast, ist mir immer eine Genugtuung. So weiß ich doch, daß Du
wenigstens in dieser Beziehung etwas Ordentliches hast. Bei uns ist es ja auch
so, daß wir den Belgrader Sender nicht immer rein empfangen können, Wir nehmen
dann entweder den Prager oder den Wiener Sender. Ärgerlich ist, wenn man abends
die Nachrichten hört, daß dann einer immer dazwischenquatscht mit einem
Störsender. Es sind hier die Russen, die anscheinend auf dem letzten Loch
pfeifen. Meine Bedenken wegen der
Hereinnahme der Nähmaschine in die Küche haben nun Anlaß zu einer neuen
Umräumung gegeben, die schon wieder mehr Platz in der Wohnung geschaffen hat.
Ich getraue mir bald nichts mehr zu sagen, denn sonst muß ich damit rechnen,
daß vor lauter Platzmachen eines Tages nicht mehr in der Wohnung ist. Das ist
so neben dem Radiohören Dein einziges Vergnügen noch, das Du hast, darum will
ich auch nichts hineinreden. Die Kinder haben nun auch wieder etwas Platz mit
dem Regal, was Du ihnen erstanden hast.
Daß Du das Regal gekauft hast, wußte ich noch nicht. Ich denke aber,
dass es schon praktisch ist. Da ist doch allerhand Zeug untergebracht. Bücher haben
sie auch genügend, das kann man wohl sagen. Ihre Ersparnisse haben die Kinder
in letzter Zeit ziemlich gesteigert. Man hofft, daß sie es später einmal gut
verwenden können. Dein Vater hat es sich also nicht nehmen lassen, ihnen etwas
zu geben, als Du eine Bezahlung abgelehnt hattest. Seit längerer Zeit haben wir heute trübes Wetter und es regnet
sogar etwas. Aber bis jetzt kann man
bald von einem ewigen blauen Himmel sprechen, wie er in Italien sein muß. Auch
sonst ist es sehr herbstlich geworden. Die Blätter fallen von den Bäumen. Bald
werden sie ganz kahl dastehen und aus ist es mit der ganzen Herrlichkeit. Aber
jeder Sommer geht einmal zuende, so auch hier.
Du wartest auf schönes Wetter, damit Du Deine Gartenarbeiten abschließen
kannst. Dann ist auch dieses Gartenjahr abgeschlossen. Es hat wieder allerhand
Arbeit und viel Mühe gemacht, aber ich denke, daß der Erfolg doch nicht ganz
unbedeutend war. Das ist ja das, was
einem dann die Freude an dieser Arbeit bringt.
Ich weiß jedenfalls, wie mir es früher gegangen ist. Recht viele herzliche Grüße sende ich Dir
und den Kindern und bin immer Dein
Ernst.
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