Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 330 vom 6./7.10.1942


Mein liebes Mädel !                                                         6.10.42       
Mein Schnupfen hat nun wohl den Höhepunkt überschritten. Ich bemerke das deshalb, weil ich mich nicht entsinnen kann, daß ich ihn seit meiner Militärzeit jemals in so ausgiebigem Maße gehabt habe. Ich will fast sagen, daß mir die ganze Zeit eigentlich etwas gefehlt hat, denn zuhause bekam ich ihn doch mit ziemlicher Regelmäßigkeit. Man wird viele andere unangenehmen Sachen damit los, die dann nicht erst in Erscheinung treten. Darum ist sowas immer noch leichten und eher zu ertragen, wie etwas anderes, weil man doch hier immer wieder auf fremde Menschen angewiesen ist.  Nachdem ich seit einigen Tagen keine Post von Dir mehr bekommen hatte, traf heute Die Brief vom 24.9. ein, für den ich Dir viele Dank sage. Ich hatte auch daran gedacht, als der Todestag Deiner Mutter war. Gleichzeitig dachte ich aber auch daran, daß ich vor einem Jahr in Urlaub bei Euch war und vor zwei Jahren war das auch der Fall. Vor zwei Jahren waren wir noch einmal mit Kurt zusammen. Seither habe ich ihn nicht wieder gesehen. Ich habe ihm heute einen kurzen Brief geschrieben, denn ich hätte immer noch den Auszug hier über die Urlaubsregelung, die für ihn zutrifft.  Ich wollte immer erst abwarten, bis er mir auf meinen Brief vom 30.8. antwortet. Nun hat es mir zu lange gedauert. Ich habe ihm darum dies so zugesandt.  Aus dem beigefügten Schreiben Deines Vaters ersehe ich, daß es ihm ausnehmend gut bei Dir gefallen haben muß. Es kann ja sein, daß Du es auch besser verstehst wie Erna. Alles in allem ist ein einziges Lob, das auch mich letzten Endes freut. Ich will ja nicht sagen, daß das nur auf den guten Einfluß zurückzuführen ist, den ich immer auf Dich ausgeübt habe, aber Du hast Dir ja schon früher immer mühe gegeben, es mir recht zu machen. Wenn es auch ab und zu Dresche gegeben hat, so merke ich doch immer wieder, daß Du es mir nicht nachgetragen hast und daß alles seinen guten Einfluß auf Dich nicht verfehlt hat.  das ist lustig gemeint   Über Helga machte ich mir schon etwas Sorge. Daß Du ihr alles gibst, was Du zur Verfügung hast, das glaube ich Dir gern, aber ob Dir all das zur Verfügung steht, was für sie nun gerade notwendig ist, das ist doch fraglich. Ich gebe zu, daß ich mir vielleicht manchmal ein anderes Bild über Eure Ernährungslage mache, wie sie eigentlich ist. das wird Dir auch verständlich sein, denn wir essen doch im Verhältnis besser wie Ihr daheim. Dann legt man immer seinen Maßstab an das, was man hier erhält und vergleicht es mit dem, was Ihr daheim bekommt.  Dann erscheint einem das eben wenig. Man darf dabei nicht vergessen, daß das Brot nicht den Nährwert hat, wie in normalen Zeiten, weil es mit allen möglichen Sachen gestreckt wird. Mit vielen anderen Sachen ist es ebenso. Man würde doch sonst auch vieles kaufen, wenn man es bekommen könnte, aber man ist doch überall gebunden. Mit dem Lehrgang ist es ja nun nichts geworden. Was die Sicherheit vor Fliegern anbelangt, so kann man bald sagen, daß es hier sicherer ist wie dort, denn solange ich hier bin, habe ich außer deutschen Flugzeugen kein feindliches gehört geschweige denn gesehen.  Daß sich jemand bereit erklärt hat, Dir bei der Apfelernte mit zu helfen, das ist mir in gewisser Hinsicht eine Beruhigung.  Im Laufe dieser Woche werden wir ein neues Quartier beziehen und neue Büroräume erhalten wir auch. Unsere Unterkunft befindet sich jetzt hier im Rathaus. Wie es aussieht, weiß ich noch nicht. Mit unserem Sonderführer, der als Dolmetscher bei uns tätig ist, soll ich wahrscheinlich ein Zimmer beziehen. Mir macht das ja nichts aus, denn ich bin das ja von der FAK her noch gewohnt, da habe ich ja längere Zeit mit einem Kameraden zusammen gewohnt.  Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich. Hoffentlich seid Ihr mir alle gesund, das ist mit meine größte Sorge, denn Ihr sollt mir in keiner Beziehung Not leiden, ich sehe darum auch, was ich für Euch erhalten kann. Dir sende ich aber noch recht viele Küsse. Dein Ernst.


Mein liebstes Mädel !                                                  7.10.42        
Am gestrigen Abend erhielt ich noch Deinen Brief vom 27.9. und zwei Sendungen mit Zeitungen. Für alles sage ich Dir wieder recht herzlichen Dank. Wie ich lese, bekommst Du ziemlich laufend meine Post, was mich im besonderen eine Beruhigung ist. Das ist ja nur die einzige Verbindung, die über die Lücke , die besteht, hinweg hilft. Man merkt immer erst dann richtig, was einem fehlt, wenn man einige Tage keine Post erhält. Sonst nimmt man das so selbstverständlich hin, daß die Briefe laufend eingehen müssen. Das läßt sich aber nicht immer so genau und regelmäßig durchführen.  Gut ist, daß man weiß, daß der andere Teil sich genau so an das tägliche Schreiben hält, es sei denn, daß etwas Äußerliches dazwischen kommt.  Du wunderst Dich also auch, daß hier ein Tiergarten besteht. Das ging mir auch so. Im letzten Winter war man dabei und wollte die Tiere schlachten, weil kein Futter vorhanden ist. Im Zusammenwirken mit den verschiedenen Dienststellen hat man es dann doch ermöglicht, den an sich nicht allzu großen Tierbestand zu erhalten. Im Laufe dieses Sommers haben sich nun viele Landser wieder dran erfreut und auf diese Weise hat sich der Einsatz wieder gelohnt. Wie es im kommenden Winter wird, das muß man erst wieder abwarten. Überfüttert sehen die Tiere sowieso nicht aus. Wie es mit unserer Freizeit steht, habe ich Dir ja schon wiederholt geschrieben. Das hat sich auch in der Zwischenzeit nicht gebessert. Du liest schon aus meinen Briefen, wie oft ich aus dem Bau herauskomme.  Die Röhrengeschichte für unseren Apparat lasse ich noch nicht aus dem Auge. Ich werde bei Gelegenheit nochmals mit anfragen. Es ist recht, daß Du mich daran erinnerst, aber wie gesagt, ich vergaß es nicht. Daß Du soviel Freude am Radioapparat hast, ist mir immer eine Genugtuung. So weiß ich doch, daß Du wenigstens in dieser Beziehung etwas Ordentliches hast. Bei uns ist es ja auch so, daß wir den Belgrader Sender nicht immer rein empfangen können, Wir nehmen dann entweder den Prager oder den Wiener Sender. Ärgerlich ist, wenn man abends die Nachrichten hört, daß dann einer immer dazwischenquatscht mit einem Störsender. Es sind hier die Russen, die anscheinend auf dem letzten Loch pfeifen.   Meine Bedenken wegen der Hereinnahme der Nähmaschine in die Küche haben nun Anlaß zu einer neuen Umräumung gegeben, die schon wieder mehr Platz in der Wohnung geschaffen hat. Ich getraue mir bald nichts mehr zu sagen, denn sonst muß ich damit rechnen, daß vor lauter Platzmachen eines Tages nicht mehr in der Wohnung ist. Das ist so neben dem Radiohören Dein einziges Vergnügen noch, das Du hast, darum will ich auch nichts hineinreden. Die Kinder haben nun auch wieder etwas Platz mit dem Regal, was Du ihnen erstanden hast.  Daß Du das Regal gekauft hast, wußte ich noch nicht. Ich denke aber, dass es schon praktisch ist. Da ist doch allerhand Zeug untergebracht. Bücher haben sie auch genügend, das kann man wohl sagen. Ihre Ersparnisse haben die Kinder in letzter Zeit ziemlich gesteigert. Man hofft, daß sie es später einmal gut verwenden können. Dein Vater hat es sich also nicht nehmen lassen, ihnen etwas zu geben, als Du eine Bezahlung abgelehnt hattest.  Seit längerer Zeit haben wir heute trübes Wetter und es regnet sogar etwas.  Aber bis jetzt kann man bald von einem ewigen blauen Himmel sprechen, wie er in Italien sein muß. Auch sonst ist es sehr herbstlich geworden. Die Blätter fallen von den Bäumen. Bald werden sie ganz kahl dastehen und aus ist es mit der ganzen Herrlichkeit. Aber jeder Sommer geht einmal zuende, so auch hier.  Du wartest auf schönes Wetter, damit Du Deine Gartenarbeiten abschließen kannst. Dann ist auch dieses Gartenjahr abgeschlossen. Es hat wieder allerhand Arbeit und viel Mühe gemacht, aber ich denke, daß der Erfolg doch nicht ganz unbedeutend war.  Das ist ja das, was einem dann die Freude an dieser Arbeit bringt.  Ich weiß jedenfalls, wie mir es früher gegangen ist.  Recht viele herzliche Grüße sende ich Dir und den Kindern  und bin immer Dein Ernst.

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