Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 326 vom 26./27.9.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                 26.9.42          
Gestern war ich etwas erregt, als ich Dir über die Ablehnung meines Gesuches durch die Stadtverwaltung geschrieben habe. Wenn das so einen großen Raum eingenommen hat, dann mußt Du mir das nicht weiter übel nehmen. Ich habe mit meinem Chef darüber gesprochen und er ist auch der Ansicht, daß die Ablehnung ihm nicht begründet genug erscheint. Ich soll nach seinem Anraten ruhig Einspruch dagegen erheben. Er ist in Göttingen auch als Bürgermeister tätig und hat als Stadtkämmerer die persönlichen Sachen mit zu bearbeiten. Beim Abendessen sagte er so beiläufig, daß er es nicht wagen würde, einem Mann, der schon jahrelang Soldat ist, einen solchen Bescheid zu geben. Als ich das hörte, hat mir das genügt. An dem Diktatzeichen habe ich gleich erkennen können, daß mein Freund Sachbearbeiter dieses Briefes war. Auch das genügt. Meinst Du nicht auch. Ich will sehen, was ich mir wieder zusammentüftle.  Wenn das Baden zehren sollte, dann müßten ja daheim nur noch Garderobenständer herumlaufen. Ich habe mich entschlossen, für den, der das Schwimmen kann, eine Geldprämie auszusetzen. Wie viel meinst Du, daß ich ihnen geben soll? Ich dachte 3 bis 4 RM. Das paßt mir nicht, daß Jörg sich dabei so passiv verhält. Vielleicht spornt ihn das auch noch an. Ich habe nicht Lust, ihm das mit Gewalt zu diktieren, denn damit erreicht man weniger wie auf diesem Wege. Du kannst ihnen das einmal eröffnen. Helga wird sie sich bald verdient haben. Es dürfte aber ratsam sein, diese Vorausbelobigung auf eine bestimmte Zeit zu befristen. Das überlasse ich aber Dir. Wenn Du mit schilderst, wie unser Junge so über den Zaun geklettert ist und Du dazu bemerkst, daß man an solchen Sachen sieht, was sie in ihrer Entwicklung für Fortschritte machen, dann merkt man erst, was man in der Zeit alles versäumt. Immer ist man erst wieder erstaunt und wundert sich, was sich alles ereignet hat. Ich freue mich aber, daß er sich so herausmacht und kein Duckmäuser ist. DAß Helga in ihrer Art wieder anders ist, versteht sich aber von selbst. Sie ist ein Mädel und braucht nicht so draufgängerisch zu sein. DAß sie auch einen Willen hat und daß sie sich auf ihre Art durchsetzt, das sieht man schon, wie groß ihr Ehrgeiz ist, das Schwimmen zu lernen.  Die Post hat wieder einmal eine Rekordleistung vollbracht. Es ist schon gut, wenn man einmal per Feldluftpost schreibt. Dein Brief vom 5.7. ist nach bald dreimonatiger Laufzeit schon in meinen Besitz gekommen. Ist das nichts? Man kann aber nur abschließend feststellen, es geht nichts verloren.
Daß Du soviel Lauferei mit dem Nachttischlämpchen hast, hast Du nur mir zu verdanken. Wenn ich nicht in meinem Urlaub mit dem Händler Krach angefangen hätte, wäre dies doch nicht notwendig gewesen. Daß Vater im Geschäft solche Schwierigkeiten wegen seinen Verpflegungsmarken hat, ist schon ärgerlich. Mir scheint, daß aber die Firma keinen Zwang ausüben kann. , wenn er nicht mit essen will. Daß man so und solange arbeiten muß, das ist einen zwingende Vorschrift. Daß einem bestimmte Beträge vom Lohn abgezogen werden, ist gesetzlich festgelegt. Daß man aber gezwungen wird, an einem bestimmten Ort seine Mahlzeit einzunehmen, das geht meines Erachtens zu weit und erinnert stark an bolschewistische Methoden. Meines Erachtens hat niemand ein Recht, die Abschnitte einzubehalten. Darüber hat der Empfänger noch freies Verfügungsrecht. Er soll sich die Bestimmungen zeigen lassen, wenn sie tatsächlich bestehen sollten. Das kann er verlangen.  Daß Dich mein Lob bezüglich Deines Aussehens auf dem Foto gefreut hat, ist auch mir recht. Denn man muß ja zusehen in dieser schwierigen Zeit, dem anderen soviel wie möglich Freude zu bereiten. Ich kann es Dir aber nachfühlen, daß Die das gutgetan hat zu wissen, daß Du auf mich immer noch die gleiche Anziehung ausübst wie früher. Daß man die Bilder nicht immer so aufnehmen kann, wie man sie gern haben will, das ist klar. Aber wenn sie scharf genug sind, kann man ja Ausschnitte machen und dann entsprechend Vergrößerungen herstellen lassen. Ich muß nochmals abschließend sagen, die gut angezogene Frau mit der guten und neuen Frisur hat ein gutes Foto oder besser gesagt ein gutes Bild abgegeben.  Daß durch die Unterbringung des Schrankes die Wohnung nicht enger geworden ist, das kann ich mir nicht so richtig erklären. Du hast ganz recht gehabt, als Du die Mangelkarte genommen hast, denn mit dem Obst und was man so aus dem Garten kriegt, ist es nicht so wild. Andererseits wird Vater auch gern etwas nehmen, was Du für Dich nicht brauchst. DAß das Obst auch zuträglich ist und daß Ihr das holt, ist ganz in Ordnung. Es ist schon so, die anderen holen auch das, was wie bekommen, auch wenn sie ihren Bedarf teilweise aus dem eigenen Garten decken. Laß mich wieder schließen und Dich ganz fest grüßen und drücken. Ich sende Dir außerdem noch viele Küsse Dein Ernst.



Meine liebste, beste Frau !                                                            27.9.42       
Dem Wetter merkt man es noch nicht so an, daß es doch sehr stark auf den Herbst zugeht. Nach dem Wetter zu schließen könnte man meinen, man befände sich im Hochsommer. Wir haben hier gegenwärtig noch Tagestemperaturen von 24 Grad im Schatten. Das erinnert an die heißesten Tage. Man kann es fast nicht glauben, daß in wenigen Tagen bereits der Oktober anfängt. Bei den bis jetzt noch ungeklärten Kohlenverhältnissen ist das aber nur zu begrüßen.  Abgesehen von uns, die wir hier in der Stadt sitzen, ist für den weiteren Verlauf der Kampfhandlungen ist das noch ungemein wichtiger. Wir wünschen nur dazu, daß der Wettersturz nicht allzu plötzlich kommt, denn das wirkt dann genau so plötzlich auf den Gesundheitszustand ein. Wenn auch vieles an die schöne Jahreszeit erinnert, da läßt es sich doch nicht übersehen, daß es Herbst ist. Abends wird es zeitiger dunkel und wenn ich bei uns auf dem Essenstisch sehe, dann zeigt sich das ebenso deutlich. Bei uns daheim vor dem Haus stehen die kleinen Astern. Mit anderen Blumen gemischt stehen sie auf dem Tisch und sehen sehr schön aus. Sie erinnern mich aber nicht nur an den Herbst, sondern auch sehr stark an Euch und an unser gemeinsames Zuhause. Auch Dinge, die einem daheim unscheinbar vorkommen, gewinnen hier, wenn man fern von allem ist, viel mehr Bedeutung.  Siegfried schrieb mir gestern eine Karte aus Eilenburg. Wie es aussieht, wieder er noch eine Weile dort bleiben. Du kannst ihm ja einmal meine volle Anschrift mitteilen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß er, wenn er tatsächlich einmal nach dem Osten versetzt werden sollte, kann er mich einmal aufsuchen.  Hier kann man das schon in der Stadt finden, wenn er sich auf die Frontsammelstelle begibt. Für Siegfried und Erna bedeutet dr weitere Aufenthalt in Eilenburg immer noch die Möglichkeit des Wiedersehens. Sein angekündigter Brief, in dem er über die mit Deinem Vater getroffenen abreden schreiben wollte, hat er noch nicht geschrieben. Er macht es sich überhaupt etwas leicht. Bis jetzt hat er es immer sehr kurz gemacht. Ich muß ihm das einmal mitteilen.  Zu Deinen beiden Briefen, die ich gestern erhielt, hatte ich ja noch nichts geantwortet. Ihr habt also mit Deinem Vater auch eine Pfänderfahrt unternommen. Ich kann mir Deinen Vater dabei so richtig vorstellen. Ihn plagt eine ewige Unruhe. Das ist keine Lebhaftigkeit sondern mir ist dies auf die Dauer gesehen direkt lästig. Ich verstehe darum auch nicht, wie er es dann solange beim Angeln aushält. Es ist ja gut so, daß er das macht, denn bei seiner dauernden Hast kann ihm das nichts schaden. Zeit zum stillen Betrachten fehlt ihm vollkommen.  Aus Deinem Schreiben atmet direkt von dieser Unruhe heraus. Ich weiß nicht, ob sich das auf Dich so übertragen hat, oder hast Du das so plastisch geschildert. Mit dem Wetter habt Ihr ja Glück gehabt, das muß ich schon sagen. Daß unserem Jungen die Wellen auf der Heimfahrt so Spaß gemacht haben, kann ich mir denken. Ich glaubt, da hätte er sich am liebsten hineingestellt. Mit der Angelkarte hat es dann noch gut geklappt. Nach Deinem letzten Brief zu schließen, hast Du wieder gleich einige Briefe auf einmal bekommen. Helga wird sich bald ihre Prämie für das Schwimmenlernen geholt haben. Daß die Schwimmstöße noch etwas schnell gehen, das macht für den Anfang nichts aus. Wenn sie sich nur erst vorwärts bewegen kann. Das Langsame kommt dann von selbst.  Sie soll es mit dann aber selbst melden, wenn Du ihr es bestätigt hast. Wenn Du der Ansicht bist, daß es der Nähmaschine nichts ausmacht, wenn sie in der Küche steht, dann ist es ja gleich.  Vor allem, wenn Du aus Platzrücksichten diese Änderung vornehmen mußtest. Jörg hat mein Brief gefallen. Das freut mich. Wenn er während des Aufenthalts Deines Vaters keine Zeit hat, dann ist mir das vollkommen verständlich. Ich sehe Deinen Vater nach den Würmern wühlen. Das interessiert ihn auch nicht weiter, wenn man damit wieder Arbeit hat. Wenn er so wenig Erfolg gehabt hat, das hat ihm wohl nicht ganz in den Kram gepaßt.  Wenn Du Dir einen Hut kaufen willst, dann hatte ich Dir schon geschrieben, daß ich nicht dagegen einzuwenden habe.  Wir bekommen auch nicht immer den Belgrader Sender. Ab und zu hören wir ihn. Ich selbst habe ja keinen Apparat. Ich muß mich dann immer zu den Männern setzen.  Eine kleine Kiste mit Eiern habe ich wieder abgeschickt. Sie gehen heute mit weg. Das Päckchen hat die Nummer 45. Gute Wünsch begleiten sie wieder. Ich bin gespannt, wie die einzelnen Packungen ankommen.  Ich sende Dir einmal wieder einen Brief, von dem ich hoffe, daß er schneller ankommt und daß es Dir nicht geht wie mir.  Recht viele und herzliche Grüße sende ich Dir und den Kindern und für viele Küsse hinzu Dein Ernst.

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