Freitag, 4. November 2016

Brief 188 vom 3./4.11.1941


Meine liebe Annie !                                                   3.11.41 

Unsere Fahrt auf das Land haben wir nun hinter uns. Es war eine ausgesprochene Freßfahrt. Es ist ja nicht sehr weit von hier entfernt. Wir haben den Zug genommen, denn mit dem Wagen ist es nicht mehr möglich, weil dafür kein Benzin zur Verfügung steht.  Wir wurden gleich an der Bahn abgeholt. Das Haus des Mannes macht von außen einen primitiven Eindruck. Innen sah es dann ganz wohnlich aus. Die Leute hatten sich große Mühe gegeben. Erst gab es eine Suppe, dann hatten sie Sardinen da. Als nächstes gab es dann Huhn und anderen Braten mit Fritten (Bratkartoffeln). Weiter hatten sie Pudding mit Himbeersaft da. Doch damit noch nicht genug, denn bald darauf wurde schon wieder Kaffee getrunken,  kein Malzkaffee, und dazu gab es Kuchen und den nicht zu knapp.  Alles wurde dann mit dem nötigen Alkohol untermischt. Auch das waren nicht wenige Sorten. Als wir dann mit dem Zug um 7 Uhr wieder heim mußten, war es höchste Zeit, denn ich habe wirklich nicht mehr gekonnt. Als ich dann heimkam, habe ich wie ein geprellter Frosch auf meinem Bett gelegen. Ich kann nur sagen, daß ich schon lange nicht soviel auf einmal und an einem Nachmittag gegessen habe. Bei diesem Mann ist das auch eher möglich, denn er hat eine Metzgerei und dazu noch einen kleinen Laden, dazu ist das noch auf dem Land. Man sieht, daß das Leben auf dem Land in Bezug auf das Essen eben doch nicht so schwierig ist, denn dort bekommt man immer noch einmal etwas, was in der Stadt nicht in diesem Maße möglich ist. Als „Beute“  habe ich noch eine Flasche Benedictine mit nach hause gebracht. Das ist ein Likör, den ich letztes Jahr zu Weihnachten mit heimgebracht hatte. Den werde ich auch aufheben und bei meinem nächsten Kommen mitbringen. Jetzt wirst Du von meiner Fressereischilderung direkt Hunger bekommen haben. Das war nicht meine Absicht, ich wollte Dir nur mitteilen, daß wir hier noch nicht umkommen, solange es uns noch so gut geht.  Post habe ich keine von Dir erhalten. Darum kann ich Dir heute auch nichts weiter beantworten. Wieder hat eine Woche angefangen. Auch diese wird wieder genau so schnell wie die anderen vergehen. So geht es Woche um Woche. Manchmal wundert man sich und fragt sich, ob man eigentlich alle Tage mitbekommen hat. Herzlich grüße und küsse ich Dich und die Kinder. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dein Ernst.

Liebste Annie !                                                             4.11.41

Du wirst sicher gedacht haben, mir könnte öfter der OvD verordnet werden, wenn ich so lange  Briefe schreibe, wie es das letzte Mal der Fall war. Wichtig ist, daß Du Deinen Spaß und Deine Freude gehabt hast und das war ja nach Deiner Schilderung der Fall.  Helga wird wohl ihre Wurmkur hinter sich haben. Ich glaube, daß sie dafür empfänglich ist, denn ich kann mich doch noch gut erinnern, wie sie früher schon welche gehabt hatte. Hoffentlich hat die Kur zu einem Erfolg geführt. Wenn ja, wird sie nun auch wieder ruhiger geworden sein. Das ist schon eine unangenehme Sache, wesentlich ist nur, daß sie nun wieder soweit hergestellt ist.  Was den Kriegsverwaltungsrat anbelangt, so meint dieser Herr, daß er Großmannsmanieren an den Tag legen kann. Du kennst mich ja, wie ich auf solche Flegel antworte. Daß man da bockbeinig wird, kann einem niemand verübeln. Ich bin jedenfalls nicht dazu geboren, daß man mich treten kann oder daß man etwa denkt, man könnte mit mir spielen. Da hat sich dieser Herr gewaltig getäuscht. Gewiß, es gibt manche Sachen, die ich ausführen muß, weil er mein Vorgesetzter ist, aber es wird eben nicht mehr gemacht, als unbedingt notwendig ist.
Nun fragst Du an, wie ich über das „Eiserne Sparen“ denke. Wesentlich ist, was Du jeden Monat freibekommen würdest. Wenn überhaupt daran zu denken ist, da das Geld wieder einmal kaputtgeht, so geht uns das mit langfristiger Kündigung und das mit kürzerer Frist verloren. Zu beachten ist dabei, daß das nun auf ein anderes Sparbuch kommt. Außerdem muß das Sparbuch in Deine Hand kommen.
Es ist dies nur eine andere Art wie Kriegsanleihe, die es im Weltkrieg gegeben hat. Wie hoch ist denn dabei die Verzinsung, Denn die muß doch höher sein, da nur jährlich gekündigt werden darf. Wenn Du irgendwelche Unterlagen über das Eiserne Sparen bekommst, so kannst Du mir sie einmal mitschicken, denn ich höre das durch Dich zum ersten Mal.  Was übrigens die Zurückzahlung aus der Zusatzversorgung anbelangt, so dachte ich in ähnlicher Weise wie Du, ich hatte nicht die Absicht, den größeren Betrag für mich zu beanspruchen. Wir waren uns also auch in dieser Beziehung wieder einig.  Das Urteil über den Lorenz in Lille ist bei mir auch gleich. Das hast Du ja auch schon aus meinem Schreiben gemerkt, als ich Dir schilderte, was der angestellt hatte.  Die Pistole ist noch nicht ganz fertig, aber ich werde sie mir im Laufe dieser Woche fertigmachen lassen und mir auch eine entsprechende Tasche dazu kaufen. Von Leipzig habe ich bis jetzt auch noch keine Nachricht. Wenn ich nicht durch Dich erfahren hätte, daß die Zwei geheiratet haben, wüßte ich es bis jetzt nicht.  Gestern Abend war ich im Kino und heute Abend werde ich wieder mit dem  Salzmann  zusammentreffen, der für einige Tage hier ist. Er hat mich freundlicherweise gleich aufgesucht, wußte auch von den Vorkommnissen beim Fürsorgeamt zu berichten. Ich denke, daß es doch manches zu erzählen gibt, denn er wußte immer etwas Bescheid, was so bei der Stadt vor sich ging.  Nimm wieder viele und herzliche Grüße und Küsse entgegen für Dich und die Kinder von Deinem Ernst.

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