Meine liebe Annie ! 1.9.41
Vorgestern bekam ich Deine beiden Briefe vom 26. und 27.8.
und heute wurde mir Dein Brief vom 28.6. ausgehändigt. Für alle Danke ich Dir
vielmals . Daß ich immer wieder einmal eine neue Sache hier dazu bekomme, das
ist nicht so schlimm, bis jetzt habe ich es immer noch bewältigen können. Wenn
ich die Ausstellung von Kleiderkarten bzw. von Bezugscheinen jetzt noch
mitmache, so mußt Du Dir das nun nicht so vorstellen, daß das nun so geht wie in der Heimat. Daß ich jetzt weiter nichts zu tun hätte als
Bezugsscheine auszustellen. Die Leute
müssen eben warten, bis ich dazu komme, weil ich meistens anders beschäftigt
bin. Aber das wird so zwischendrin immer wieder einmal geschaukelt. Ja, die
Kommune macht uns gegenwärtig viel Arbeit, doch jetzt ist hier ein
Sonderkommando eingesetzt, das die ganze Bande ausheben wird. Ich nehme an, daß es dann wahrscheinlich
hier ein bißchen mehr Ruhe geben wird. Die Schläge nutzen schon etwas bei dem
Hund. Der ist eben noch jung und muß auch lernen, wie man sich im Zusammensein
mit Menschen benehmen muß. Den Hausschuh kann ich schon noch benutzen, schöner
sah er zwar noch aus, als er noch richtig in Ordnung war. Die Sache mit der Stadt hast Du ja nun auch
schon erledigt. Das ist ja prompt gegangen. Ich kann mir denken, daß der
Mettenberger sich gefreut hat, daß Du alles so schön ordentlich beieinander
hattest. Nun muß ich sehen, wie das dann hier weitergeht. Mit Vater geht es
also wieder einigermaßen. Wenn er noch nicht so mitmachen kann, dann soll er
langsam tun. Der helle Pullover von
Jörg will nun scheinbar nicht mehr mitmachen.
Er hat ja auch wirklich lange gehalten. Ich weiß noch, wie er ihn
seinerzeit bei unserer Fahrt nach Leipzig angezogen hatte. Inzwischen hat er ihn
doch viel getragen, und bevor Du ihn umgeändert hattest, war er doch auch nicht
gerade neu. Ich glaube, er hat nun ausgedient. Wenn Du willst, kann ich mich ja
hier wegen eines Mantelstoffs für Dich umsehen. Du mußt mir nur schreiben,
welche Farbe Du bevorzugst. Das ist mir vielleicht leichter hier etwas Derartiges
zu bekommen als vielleicht bei Euch. Unter Umständen könnte ich versuchen, auch
einen ganzen Mantel zu kaufen. Teile mir deshalb bitte Deine Ansicht mit. Die Aussprüche von unserem Jungen sind ja
wieder blendend. Helga hat nun auch eine neue Lehrerin. Ja jetzt macht sie nun schon das 3. Schuljahr mit.
Sie wird sich auch an die neue Lehrerin gewöhnen jetzt, wo sie schon
vernünftiger ist, wird ihr das auch leichter fallen, wie schließlich am Anfang.
Der weite Schulweg macht ihr aber sicher zu schaffen, ich habe mich hier ja
auch dran gewöhnen müssen. Heute mache ich noch einen Brief und ein kleines
Päckchen für unsere Helga fertig. Ob es zwar noch rechtzeitig ankommt, kann ich
nicht mit Bestimmtheit sagen. Pflaumenkuchen würde ich auch ganz gern wieder
einmal essen, Da bekommt man direkt Appetit. Heute ist nun unser 10jähriger
Hochzeitstag. Meinen Brief dazu wirst Du inzwischen sicher bekommen haben. Für heute sende ich Dir recht viele Grüße und
Küsse. Den Kindern ebenfalls Dein Ernst
Meine liebe Annie ! 2.9.41
Gestern bekam ich kein Schreiben von Dir, dagegen traf ein Brief Deinen Eltern ein, der mit einer Durchschrift auch an Dich gekommen ist. Ich habe es als sehr nett und aufmerksam empfunden, daß sie in dieser Weise an uns gedachten. Wenn Du zwar auch weißt, daß mir dieser Ton, der in diesem Schreiben angeschlagen wird, nicht gerade zusagt, so muß ich immerhin anerkennen, daß es sehr freundlich gemeint ist. Man muß ja schließlich auch berücksichtigen, daß Deine Eltern aus einer anderen Schule stammen, wie wir sie durchgemacht haben. Wir kennen aber die Eltern und ihre Art, wir wissen, wie sie sind und sehen über diese Eigenarten hinweg. Letzten Endes hat ja jeder von uns seine Eigenarten, die die anderen Menschen, die mit uns umgehen müssen, auch mehr oder weniger wider Willen hinnehmen müssen. Für Euch habe ich wieder etwas Käse organisiert. Diesmal ist es Schmelzkäse, der sich länger hält und besser verschicken läßt. Ich glaube, daß Du ihn gut gebrauchen kannst. Ich werde künftig mehr darauf sehen, daß es möglich ist, in dieser Hinsicht gerade im Hinblick auf den kommenden Winter zu tun. Ich selbst sehe natürlich auch zu, dass ich für mich immer noch etwas erhalte. Du brauchst nicht etwa zu denken, daß ich hier dann immer Hunger leide. Die Kost, die uns zur Verfügung gestellt wird, kann ja nicht immer als blendend bezeichnet werden, da muß man versuchen, sich diese in irgendeiner Form zu verbessern. So sorgt beispielsweise unser Sonderführer, der unser Jäger ist, in Zukunft für Geflügel und Wild. Am Sonntag hatten wir jeder ein Rebhuhn. Was in nächster Zeit wahrscheinlich
öfter
einmal der Fall sein wird. Das ist ja eine ausgezeichnete Abwechslung. Ich kann
Dir mitteilen, daß mir das sehr gut geschmeckt hat. Später gibt es auch wieder
Hasen, Fasan oder ähnliche Sachen.
Heute weiß ich zwar nicht mehr viel zu berichten. Ich sende Dir noch
recht viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst
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