Sonntag, 11. September 2016

Brief 174 vom 9./10.9.1941


Meine liebe Annie !                                                        9.9.41                        


Gestern bin ich nicht dazu gekommen, Dir zu schreiben, darum will ich Dir gleich heute früh auf Deine beiden Briefe vom 3.  und 4., die ich gestern und vorgestern erhielt, bestens danken.  Da war also bei Euch wieder einmal Fliegeralarm. Ja das gehört bei uns so mit zum Tagesprogramm, mindestens einmal am Tag Alarm zu haben. Manchmal passiert das drei Mal am Tag. Man macht sich fast nichts mehr daraus. Erstens besteht kein Zwang, daß die Leute die Luftschutzkeller aufsuchen müssen. Zweitens ist der Name Luftschutzkeller nur ein Begriff, denn es sind ja keine vorhanden.  Darum bleibt es also mehr oder weniger beim Alarm. Nach Deiner Mitteilung kommt ja Helga nicht schlecht weg zu ihrem Geburtstag.  Sie hat ihn ja bereits hinter sich wie Du nun auch. Ich kann mir ihre Spannung und auch ihre Vorfreude gut vorstellen. Das Bild hat Dir also gefallen, welches ich Dir von mir gesandt habe. Es ist nicht schlecht getroffen, glaube ich. Es sieht zwar sehr nach, ja wie soll man da gleich sagen, nach Urlaub sieht es aus. Der tropische Hintergrund täuscht eigentlich mehr vor, so daß es auf dem Bild schöner aussieht, als es in der Wirklichkeit ist. Ein bißchen Afrika haben wir zwar bei unserem Garten. Es sind immerhin etwa 8 Palmen, und da sind ganz stattliche Dinger von bis zu zweieinhalb Meter dabei. Es freut mich, daß das Bild gut angekommen ist und daß Du Gefallen dran hast.  Wegen eines Mantels für Dich habe ich auch das gleiche gedacht wie Du. Ich würde mich hier dann deswegen umsehen. Ich möchte aber gern noch wissen, was so ein Ding bei uns daheim kostet. Ich glaube, daß Größe 44 dann am besten wäre. Vielleicht hast Du gar etwas bestimmtes, was Du haben möchtest. Ich habe Dir ja auch nur Vorschläge gemacht und ich habe gedacht, daß Du Dich dann schon dazu äußern würdest.  Gestern wurde mir nun die Urkunde zur Ernennung zum Stadtassistenten durch den Kommandanten ausgehändigt. Diese Urkunde ist aber am 1.September ausgestellt und sie enthält keinen Hinweis, daß dies rückwirkend ab 25. April Gültigkeit hat. Ich werde nun nochmals an die Stadt schreiben müssen. Ich bitte Dich aber auf alle Fälle, mir das Originalschreiben vom 30.7. zu übersenden.  Hier werde ich dann die weiteren Schritte wegen meiner Beförderung unternehmen und an die Stadt werde ich nochmals wegen Richtigstellung bzw. um Bestätigung schreiben. Eine Vereidigung ist hier nicht erfolgt, sondern ich habe die Bescheinigung unterschrieben, daß der von mir geleistete Treueeid ebenso für den Beamteneid gilt.  Für heute sende ich Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.
Meine liebe Frau !                                         10.9.41

Die Nächte werden jetzt nun schon ziemlich kühl und man merkt, daß es recht stramm auf den Herbst zugeht. Sowie die Sonne weg ist, spürt man sofort ein Nachlassen der Wärme, obschon es am Tage nicht mehr übermäßig warm wird. Ja es wird ratsam sein, daß man sich langsam auf den Winter vorbereitet. Daß der Herbst eingetreten ist, merkt man schon daran, daß es jetzt ziemlich reichlich Früchte gibt. Ich halte mich meist an die Weintrauben.  Die sind verhältnismäßig billig, sie kosten 25 Pfennig das Pfund.  Abends halte ich mich an die Tomaten, denn man muß sich doch an die Früchte halten, solange es jetzt welche gibt. Vorgestern habe ich zum ersten Mal auch etwas gegessen, was ich zwar schon länger hätte leisten können, aber ich habe es bis jetzt immer unterlassen. Denke einmal an, ich habe Austern gegessen. Sie sind ja nicht so teuer. Das Dutzend kostet je nach Qualität 30 bis 60 Pfennig. Ich finde, daß man das Zeug schon essen kann. Hinsehen soll man dabei zwar nicht. Man muß dann entsprechend Zitronensaft darauf machen, aber das sind alles Nebenerscheinungen. Da staunst Du, an was man sich hier alles gewöhnt, aber ich denke, daß man auch solche Sachen einmal probieren muß, um mitreden zu können, vor allem, wo es einem günstig geboten wird. Übrigens muß in den nächsten Tagen der Zucker bei mir anrollen, ich hatte doch 25 kg bestellt. Sobald ich ihn habe, werde ich Päckchen fertig machen.  Käse habe ich auch wieder für Euch erstanden. Hoffentlich wird es Euch nicht zuviel, wenn ich soviel Käse schicke. Ich denke aber, daß es Dir und den Kindern eine willkommene Abwechslung sein wird. Ich werde dieser Tage hier einmal eine Melone für Euch erstehen und Euch dieses versuchshalber übersenden. Ich weiß zwar nicht, ob Euch diese schmecken wird. Wenn ich nun schon vom Essen erzähle, dann will ich Dir nur noch sagen, daß ich gestern Abend außer Rebhuhn noch Fasan gegessen habe. Das ist aber wirklich ein zartes Fleisch und schmeckt ganz fabelhaft. Um die Esserei voll zu machen, will ich noch mitteilen, daß ich das Päckchen 27 mit Käse auf den Weg gebracht habe.  Gestern bekam ich Deinen Brief vom 5. Ich habe mich über den Brief, sowie über das mit gesandte Bild von den Kindern aus Leipzig sehr gefreut. Ich danke Dir für beides recht herzlich. Helga ist an ihrem Geburtstag ja nicht schlecht weggekommen. das war für unsere Kinder selbstverständlich ein Vergnügen, ohne Anweisung etwas selbständig kaufen zu können. Denn das bedeutet doch für die beiden Stromer eine Freude, für Dich einmal etwas tun zu können. Aber wie ich so feststellen muß, haben sie sich ziemlich unabhängig gemacht. Ich habe mir gerade beim Betrachten des Bildes so Gedanken gemacht, wie hilflos sie noch vor einigen Jahren waren und mit der Zeit entgleiten sie einem ganz unversehens.  Dir und den Kindern sende ich viele herzliche Grüße und Küsse. Nimm Du selbst recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.  An Vater richte doch bitte aus, daß ich seine Schuhe schon längst geschickt hätte. Ich kann sie nur so schlecht verpacken, weil einer fast das zulässige Gewicht erreicht. Ich muß zusehen, wie ich das in der nächsten Zeit regeln kann.


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