Montag, 5. September 2016

Brief 172 vom 4./5.9.1941


Mein liebes Mädel !                                                           4.9.41  

Herzlich Danke ich Dir für Deine Briefe vom 29., 30. und 31.8., die ich gestern erhielt. Bevor ich jedoch auf diese Briefe eingehe, will ich noch einige Sachen berichten, die ich in meinen letzten Briefen nicht schreiben konnte, weil es da nicht hinein gepaßt hätte. Ich habe vorgestern für Helga ein Päckchen (24) abgeschickt mit ein Paar Strümpfen für sie und etwas Bonbons und Schokolade. Da Jörg zu seinem Geburtstag von mir nichts weiter bekommen hatte und damit er auch nicht so leer dasteht, habe ich ihm auch gleich noch ein Paar mitgekauft. Für Dich habe ich gestern ein Päckchen fertiggemacht und abgeschickt mit einer Bluse. Ich weiß zwar nicht, ob Dir diese Farbe steht und zusagen wird. Die Größe wird wohl stimmen. Auch da habe ich noch etwas Schokolade beigefügt, weil ich dachte, daß Du mir deshalb nicht böse sein wirst. Dieses Päckchen trägt die Nummer 25. Heute schicke ich mit dem Päckchen 26 wieder 2 Käse an Dich ab. Es ist diesmal anderer, der sich besser hält und darum auch verschicken läßt. Ich hoffe, daß alles gut ankommt. Das sind wieder erst einmal die Päckchen, über die ich zuerst berichten mußte, sonst kommen die Sachen an und Du weißt nicht, was Du damit anfangen sollst.  Jörg ist nun auch in der Schule und hat jetzt eine Lehrerin. Für den Anfang ist ihm selbstverständlich alles neu.  Helga, als die ältere, hat ja nun einen Stolz, daß sie ihm schon so vieles voraus hat, aber ich hoffe, daß sich unser Junge anstrengen wird, dann geht es schon vorwärts. Mit diesen verschiedenen Schulzeiten macht das Dir ja auch einige Schwierigkeiten, vor allem mit dem Mittagessen. Im Garten hast du auch immer ziemlich zu tun. Man muß ja auch bedenken, daß es ein großes Stück ist, was Du zu betreuen hast. Wegen der neuen Erdbeersetzlinge ist es schon in Ordnung. Das habe ich mir fast gedacht, daß Vater keine Lehre aus seiner Krankheit zieht. Man macht ihn eben nicht mehr anders. Für die Grüße von Frau Dietz danke ich. Ich lasse sie wieder grüßen, wenn Du ihr wieder schreiben solltest.
Das erste Käsepäckchen ist also angekommen. Habt Ihr ihn richtig verwerten können, oder war er nicht mehr gut.
Mit den Sabotagefällen hat es nun plötzlich nachgelassen, weil wir gleich scharf zugegriffen haben. Das Buch wird Helga sicher gefallen, denn dafür hat sie ja immer etwas übrig.  Mit dem Brief von Jörg hast Du mir eine Freude gemacht ebenso hat mir der Brief von Helga gefallen. Helgas Brief ist ja etwas kurz geraten, doch sie schreibt ja, sie hätte wohl viel zu erzählen, aber sie müßte dann soviel (geschrieben mit fünf Os) schreiben. Dann muß ich eben warten, bis ich auf Urlaub komme. Das Wetter war bei Euch wechselhaft. Seit einigen Tagen ist es hier etwas beständig geworden, aber dann ist es auch gleich schwül. Heute früh hatten wir hier den ersten Nebel. Die Vorzeichen für den Herbst. Ich sende Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe, daß es Euch gut geht und daß Ihr gesund seid. Dein Ernst
Meine liebe Frau !                                                                  5.9.41

Heute hat nun unsere kleine Helga, die ja inzwischen groß geworden ist, ihren Geburtstag. Man merkt eigentlich erst am Alter und am Wachsen der Kinder, wie die Zeit immer weitergeht; aber wie man auch altert. Bis jetzt fühlen wir beide uns aber noch nicht alt, im Übrigen haben wir, wenn alles gut geht, noch vieles im Leben vor.  Wenn die Wetterverhältnisse die gleichen sind wie bei uns hier, so hätte ich ja ganz schönes Urlaubswetter gehabt.  Mein Chef sagte mir aber auf meine wiederholten Vorstellungen, daß er mich ja nicht in Urlaub fahren lassen könnte, weil es im dienstlichen Interesse nicht vertretbar sei, mich fahren zu lassen. Wenn es mir aber zu lang dauert, muß ich einfach einmal einen Antrag an die Oberfeldkommandantur schreiben, sonst gucke ich in den Mond. Das ist ganz gut und ganz schön, wenn man so scheinbar unentbehrlich erscheint, aber das darf nicht solche Folgen annehmen, daß alles Persönliche darunter leidet. Hoffentlich läßt sich das bald regeln, sonst muß ich den Kranken markieren, doch das ist dann der letzte Weg.  Gestern erhielt ich ein Schreiben von meinem Vater. Er schreibt ja ziemlich belanglose Dinge, die ich ja alle schon kenne und die mich nicht außerordentlich interessieren. Ich habe mich zwar darüber gefreut, daß er sich die Mühe gegeben hat, mir zu schreiben. Von Dir erhielt ich gestern nichts. Ab heute bin in nun noch zu einem neuen Dienst gezogen worden. Als ich hierher kam, wurde ich einmal schon dazu eingeteilt, doch dann hielt mich der Kommandant nicht als dafür geeignet und hat mich bis jetzt in Ruhe gelassen.  Dieser Tage hieß es wieder, ich sollte mit „Offizier von Dienst“ tun. Ich habe mich bis jetzt ganz wohl dabei gefühlt, solange ich das nicht habe tun müssen. Wenn die Herren Offiziere etwa denken, sie haben mir damit einen Gefallen getan, so irren sie sich gewaltig. Ich habe es auch dem einen Hauptmann bei uns gesagt. Es ist an sich nicht so schlimm. Wesentlich ist, daß ich an dem betreffenden Tag hier  auf der Kommandantur schlafen muß für den Fall, wenn etwas passieren sollte. Ich habe nicht etwa Angst oder Minderwertigkeitskomplexe, denn das, was diese „Herren“ machen, kann ich auch und macht mir gar keine Schwierigkeiten. Lassen wir das, denn über so was braucht man sich ja nicht ärgern, da gibt es noch mehr Gelegenheiten, wo man das tun kann.  Ich sende Dir und den Kindern recht viele herzliche Grüße und Küsse. Richte an Vater bitte einen Gruß aus uns sage ihm, daß ich für seinen Brief bestens Danke. Dir nochmals herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

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