Dienstag, 13. September 2016

Brief 176 vom 13./14.9.1941


Mein liebes Mädel !                                                        13.9.41         

Recht herzlichen Dank für Deine beiden Schreiben vom 7. und 8.9. Ich habe sie gestern erhalten. Deinen Geburtstag habe ich ja ziemlich ruhig verbracht. Das war recht, daß Ihr an diesem Tag noch etwas unternommen habt. Warum seid Ihr, als das Gewitter kam, nicht in ein Café gegangen. Läßt sich das bei Deinem jetzigen Vermögensstand nicht  machen, daß Du in solchen Fällen einmal einkehren kannst. Ich will Dir nur mitteilen, daß ich dagegen nichts einzuwenden habe, wenn Ihr Euch in dieser Beziehung einmal etwas leistet. Wenn also der Film „Stukas“ hierher kommt, dann werde ich ihn mir auch ansehen. Am vergangenen Dienstag war ich hier auch im Kino. Es wurde gespielt „Frauen im Vorzimmer“. Das war ein schlechter Film, doch ist auch der Inhalt nicht gerade überragend. So ein leichter Spielfilm. Man will ja meist auch weiter nichts, als sich unterhalten und der Zweck ist dann wohl auch erreicht. In der Gartenarbeit ist jetzt also eine Ruhepause eingetreten. Die kannst Du sicher gut gebrauchen, denn es ist wohl eine ziemliche Anspannung auf Dauer. Wenn Helga denkt, daß sie viel geschrieben hat, so stimmt das durchaus für ihre Begriffe, denn man kann von ihr ja nicht soviel verlangen. Ich freue mich auch, wenn es nur ein paar Zeilen sind. Originell war ja ihr letzter Brief, als sie schrieb, mit der Maschine machte man nicht soviel Kleckse. Ich habe doch so für mich lachen müssen. Es ist doch richtig kindlich die Art. Wenn beide wieder einmal Lust haben, denn ich bin nicht für das Gezwungene, sollen sie nur wieder etwas von sich hören lassen.  Mit Vaters Besuch beim Arbeitsamt und den nun daraus entstandenen Folgen ist es ja interessant. Ich bin gespannt, was sich nun entwickelt. Wenn sich die Kinder über das Obst hermachen, dann ist das ja ganz in Ordnung. Es ist aber bei Euch scheinbar so, daß nicht viel zu bekommen ist. Gut ist ja dabei, daß man einen Garten hat und dort verschiedenes ernten kann.  Gestern bekam ich wieder einen Brief von der Stadt. Es wurde mir bestätigt, daß meine Bezüge sich monatlich auf 188.94 errechnen. Dazu wird mir eine Ausgleichszulage von    66,74 gewährt. So daß ich als volles Gehalt wieder meine   255,68 bekomme.
Diesen Begriff Ausgleichszulage hat man nur gewählt, um irgendwie zu begründen. Man sieht aber, wie man auch da wieder etwas schaukeln kann. Dazu kommen dann selbstverständlich noch die Kinderzuschläge. Mein Gehaltsdienstalter ist ab 25.4. 1939 festgelegt.  Heute habe ich wieder ein Päckchen an Dich auf den Weg geschickt. Es ist das große Stück Leder. Ich hoffe, daß es gut ankommt. Denn das ist ein Artikel, den man sehr notwendig gebrauchen kann. Das Päckchen hat die Nummer 28. Heute und morgen werde ich wieder weitere fertigmachen.  Ich sende Dir recht herzliche Grüße und ebenso viele Küsse den Kindern ebenfalls Dein Ernst
Meine liebe kleine Annie!                                                   14.9.41

Vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 9.9., in dem Du auch den Eingang meines Päckchens für Helga bestätigst. Du findest die Strümpfe fein. Ja wenn Du meinst, Du brauchst noch welche, so kann ich hier schon noch welche ohne Bezugsschein bekommen. Das Paar kostet zwar auch gegen 2,-RM. Das größere Paar ist ja für Helga und das andere für Jörg bestimmt. Ich glaube, daß sie ziemlich haltbar sind. Gestern habe ich hier in einem Geschäft einen Regenmantel gesehen, wie ich ihn Dir letztes Jahr mitgebracht hatte. Weiß Du, was der jetzt hier kostet? Du wirst Dich wundern wie ich auch. 30,-RM. Ich habe doch für Deinen etwa die Hälfte bezahlt. In der Ausführung und wahrscheinlich in der Qualität ist Deiner sicher noch besser. Da kannst Du erst einmal sehen, wie sich die Verhältnisse in Bezug auf die Preise geändert haben.  Jörg hat ja wieder viel zu diktieren gehabt. Ich freue mich aber; vor allem über seine Art, wie er es schildert. Sein Selbstbewußtsein ist dann ja ziemlich gestiegen, wenn er schon die Tafel abstauben darf. Daß die Kreide aber so staubt, das muß man ja unbedingt abstellen. Kann er denn nicht den Staub vorher ein bißchen naß machen? Seine Schilderung ist aber ganz nett.  Helga hat sich ja auch wieder angestrengt, und ich muß ihr wie Jörg auch, für den Brief danken. Die Bonbons haben ihr geschmeckt. Ich dachte erst, ich schicke gar keine mehr, weil sie doch schon keine Schokolade essen. Weil nun Bonbons nicht so gut sind wie Schokolade, wollte ich diese hier behalten. Auf einmal essen sie unsere Schlawiner. Das Maschinenschreiben macht ihr wohl Spaß. Mir ist es aber fast lieber, wenn sie mit der Hand schreibt, auch wenn sie Kleckse macht. Ich nehme es ihr aber auch nicht krumm, wenn sie sich auch einmal an die Maschine macht. Ich denke aber, daß es auch für sie besser ist, wenn sie mit der Hand schreibt. Beiden werde ich bald wieder einmal persönlich antworten.  Gestern Nachmittag habe ich wiederum vergeblich versucht, Dich telefonisch zu erreichen. Ich habe aber die feste Überzeugung, daß ich doch einmal durchkomme. Ich habe, wie ich Dir ja gestern schon geschrieben habe, das Päckchen Nr. 28 mit einem großen Stück Leder an Dich ab gesandt. Ich hatte nun noch ein kleineres, vor allem dünneres Leder hier, das habe ich heute im Päckchen Nr. 29 an Dich ab gesandt. Hoffentlich kommt es in Deine Hände. Man ist immer etwas mißtrauisch und macht sich auch immer Gedanken, solange die Sachen unterwegs sind. Du siehst doch daraus, daß die Nummern laufend eingehen. Ich erhielt gestern auch meinen Zucker. Es sind 50 Pfund. Ich habe mich am Nachmittag gleich darüber hergemacht und das Zeug verpackt. Das war keine kleine Arbeit. Ich habe mir hier kleine Kartons erstanden, in denen sonst normalerweise Erbsen verpackt werden. Ich kam mir vor wie ein Tütenkleber, denn ich mußte etwas über 50 selbe Kartons kleben, füllen und fertigmachen. Nun kommt noch der zweite Arbeitsgang, die weitere Verpackerei. Es macht mir Spaß, Dir damit eine Freude zu bereiten. Ich weiß ja, welchen Wert Zucker bei uns in der Familie immer besessen hat. Ich werde dann in der nächsten Zeit jeden Tag einige Päckchen absenden, damit nicht alles auf einmal kommt. Ich möchte die Post nicht unbedingt mehr belasten als notwendig ist. Du mußt aber in den nächsten Wochen immer etwas Porto bereithalten. Du brauchst doch auch nur 20 Pfennig bezahlen oder hast Du schon mehr zahlen müssen. Ich denke, daß ich vielleicht später noch einmal Zucker kaufen werde. Ich will aber erst diesen an Dich heimbefördert haben, bevor ich an neue Taten herangehe. 
Morgen werden hier oder besser gesagt in Lille fünf Geiseln erschossen, weil zwei Sprengstoffanschläge auf Fronturlauberzüge verübt worden waren. Ja man muß jetzt schon durchgreifen.  Übrigens seit einigen Tagen habe ich hier von einem Kameraden einen Revolver zur Verfügung gestellt bekommen. Jetzt brauche ich doch wenigstens nicht ganz unbewaffnet herumzulaufen. Wichtig ist ja noch dabei, man weiß jetzt wenigstens bei mir, was vorn und was hinten ist. Es ist schon ein anderes Gefühl, wenn man eine Waffe bei sich trägt, als wenn man, wie bisher, immer ohne herum gelaufen ist.  Ich habe nun noch an Deine Eltern und an Kurt geschrieben. Meine Briefschulden bin ich wieder so ziemlich los.  Ich merke gerade, daß ich vergessen hatte, Dir zu schreiben, daß ich hier wieder Schritte unternommen habe, um den Führerschein zu machen. Hoffentlich erweist es sich nicht auch wieder als ein Trugschluß. Die Durchschläge meiner Schreiben habe ich wieder beigelegt zu Deiner Kenntnisnahme. Ich grüße recht herzlich und sende Dir und den Kindern recht viele Küsse Dein Ernst. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen