Meine liebe Annie ! 6.9.41
Ich danke Dir wiederum recht herzlich für Deinen Brief vom 1.9. Ich habe mich recht darüber gefreut. Wenn Du auch nicht in der Weise zum Hochzeitstag geschrieben hast, so habe ich gewußt, daß Du dieses Tages in besonderer Weise gedacht hast. Gefreut hat mich auch, daß mein Brief durch die Post ordnungsgemäß befördert wurde. Man kann manchmal nicht so genau ausrechnen, aber diesmal hat es richtig geklappt. Wenn dir das Schreiben gefallen hat, dann bin ich zufrieden. Du drückst ja in Deinem Schreiben auch das aus, was ich Dir mit meinem Brief habe sagen wollen. Morgen schließt nun unsere Familienwoche mit Deinem Geburtstag, nachdem heute unser zweiter Hochzeitstag ist. Auch dieser liegt nun schon 10 Jahre hinter uns. Mit Mühe kriegten wir damals das Fahrgeld für die Reise nach Freiburg, weil doch noch viele Anschaffungen zu machen waren und die wollten wir doch auch alle ordnungsgemäß machen. Aber geschafft haben wir es doch. Von gestern auf heute hatte ich offizielle zum ersten Mal meinen O.v.D. (Offizier vom Dienst) Dies ist ja nur für den Fall, daß etwas Besonderes eintritt und daß dann jemand da ist, der verantwortlich die Dinge hier einleiten kann bis der Kommandant da ist.
Man muß hier in der Kommandantur schlafen, doch das ist ja nicht so wesentlich, weil das so einigermaßen in Ordnung ist. Ich sage mir, daß es Tausende von Soldaten gibt, die nicht so ein Nachtquartier haben. Zufällig war der Gefreite, der bei mir auf dem Büro mitarbeitet, Unteroffizier vom Dienst. Mit diesem habe ich mich so bis gegen ein Uhr nachts unterhalten. Vorwiegend über den Bodensee. Ich hatte das Buch vom Bodensee mitgebracht, das Du mir geschickt hattest. Wir sind dann vor lauter Erzählen nicht durch gekommen. Es war in dieser Hinsicht ganz nett und vor allem unterhaltend. Den Wintervorrat an Brikett hast Du scheinbar nun beieinander. Hoffentlich reichst Du damit aus, was Du so jetzt im Keller hast. Pflaumen hast du also auch sterilisiert. Ich habe übrigens 25 kg Zucker bestellt. Sobald ich ihn erhalte, werde ich ihn Dir in zulässiger Weise verschicken. Daß ich Vaters Brief erhalten habe, teilte ich Dir in meinem gestrigen Schreiben schon mit. Nun kommt eine heikle Geschichte, das ist die Geldangelegenheit. Ein Kamerad hat mich hier um Geld angegangen. Ich kann mir doch monatlich 65,-RM schicken lassen. Nun bat er mich, da er nicht soviel sich schicken lassen kann, daß ich mir mein volles Kontingent schicken lasse und er läßt durch seine Frau Dir das wieder überweisen. Ich bitte dich nun, mache das in dieser Weise und schicke mir diesmal den vollen Betrag. Schreibe mir aber gleichzeitig, was Du davon mir zugedacht hast, damit ich hier Anweisung geben kann, was der Kamerad Dir überweisen muß. Für heute sende ich Dir recht viele herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst
Mein liebes Mädel ! 7.9.41
Wiederum danke ich Dir herzlich für Deinen Brief vom 2.9., den ich gestern erhalten habe und heute beantworte. Ich hoffe daß Du heute zu Deinem Geburtstag meinen Brief , den ich besonders dafür geschrieben habe, erhalten hast. Man kann ja jetzt die Geburtstage nicht so feiern, wie wir es sonst immer getan haben. Das liegt ja im Wesentlichen schon daran, daß man nicht zusammen ist. Man lebt ja doch nur in Gedanken miteinander und durch die Briefe, die man sich schreibt. Es ist ja schön, daß man sich schreiben kann, aber besser wäre es, wenn man sein geordnetes Leben hätte, damit man wieder dort ist, wo man hingehört. Machen kann man ja jetzt nichts, doch es gibt manchmal Tage, wo man es satt hat. Ich bin zwar nicht der Kerl, der sich nicht zu helfen wüßte in solcher Situation, aber es wird schon alles in Ordnung gehen und wieder so werden wie es früher war. Ich kann Vater wohl verstehen, wenn er bei Rieter nicht wieder unter den gegenwärtigen Umständen anfangen will. Ich glaube zwar, daß dieser Verdienst höher ist, als was er jetzt bekommt, aber ein vollwertiger Lohn für einen Facharbeiter ist das ja nicht. Im Übrigen braucht er ja jetzt nur für sich sorgen und soviel verdient er ja allemal. Die Päckchen bis 22 hast Du erhalten. Wenn unsere Kerle nicht an die Schokolade rangehen, dann weiß ich ja, daß sie auch so nicht schlecht wird. Du wirst hoffentlich auch damit fertig werden. Ich denke, daß sie nahrhaft ist, so daß es an einem Abend, wenn Du so allein bist, Dir eine ganz willkommene Abwechslung ist. Bonbons essen sie aber unsere beiden. Dann muß ich also von diesen noch einmal welche besorgen. Vielleicht bekomme ich auch nochmals Kekse. Daß Jörg so eifrig in der Schule ist, freut mich sehr. Ich hoffe, daß das nicht nur am Anfang so bleibt, sondern weiter anhalten wird. Ich denke, daß er am besten bei seinem Ehrgeiz zu packen ist. Vor allem, wo Helga ihm ja ein Vorbild ist, hat er ja genug Gelegenheit, ihr in dieser Beziehung nachzueifern. Wenn er schon wieder einen neuen Buchstaben lernt, dann kann er mir ja bald auch einen Brief schreiben. Übrigens Helgas Schreibmaschinenbrief hat mich amüsiert, als sie schreibt, daß sie mit der Maschine nicht soviel Kleckse macht. Macht sie denn sonst soviel. Ich glaube es fast gar nicht. Du kannst aber beiden sagen, daß sie nur so weiter machen sollen und daß ich mich immer wieder über ihre Leistungen in der Schule freue. Ob alle Leistungen, das heißt auch was sie sich sonst daheim leisten, immer erfreulich sind, möchte ich noch dahingestellt lassen. Wie wir aber immer schon festgestellt haben, sind unsere beiden schon in Ordnung. Heute früh habe ich gleich bei uns ein Bad genommen. Das wird so fast jede Woche gemacht. Es kann höchstens einmal passieren, daß ich nicht dazu komme, weil ich irgendwie dienstlich verhindert bin, oder daß das Bad in der freien Zeit besetzt ist. Jetzt habe ich gegessen und nun warte ich noch bis ½ 2 Uhr die Post kommt. Am Nachmittag lege ich mich hin, so daß der Tag zum großen Teil wieder abgeschlossen ist. Anschließend lese ich noch etwas bis es eben Zeit zum Abendessen ist. Manchmal geht man mit den Kameraden noch etwas aus. Ich habe mir das in letzter Zeit schon öfter vorgenommen, bin aber jetzt schlecht dazu gekommen, entweder nach Lille oder Bethune zu fahren. Ich denke, daß ich es schon wieder einmal schaffen werde. Also der Gloger ist jetzt in Rußland. Ich glaube zwar nicht, daß sein Truppenteil im direkten Einsatz ist. Aber ich kann mir denken, daß es auch so noch reicht. Von Legler erhielt ich wieder einen „langen inhaltsreichen“ Brief. Man schreibt sich und nur damit man sich schreibt. So kommt es mir manchmal so vor. Machen wir also weiter so mit. Ich hoffe, daß Ihr soweit gesund seid und daß unsere beiden Stromer brav sind. Dir sende ich viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.
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