Samstag, 9. März 2019

Brief 530 vom 06.03.1944


 Mein gutes, liebes Mädel !                                                                 6.3.44  
      
Mit Deinem letzten Brief fragtest Du mich, wie Du es mit Deinem Luftschutzgepäck handhaben sollst. Wenn Du, wie Dur mir schreibst, die Ahnenpässe bei Dir hast, dann genügt das vollkommen. Auch mit Deinen übrigen Vorschlägen bin ich einverstanden. Nimm nur die wichtigsten Papiere an Dich, alles andere kannst Du Dir so hinlegen, daß es immerhin griffbereit ist. Du kannst Dich ja nicht über das Maß belasten, denn das erste ist und bleibt immer das Leben. Daß Ihr dann die Dinge, die Ihr für Euch braucht, auch haben müßt, ist ja verständlich, aber dafür müßte sich ein Weg finden. Ich sage mir, wenn eine Sprengbombe in unmittelbarer Nähe fällt, dann ist wohl alles vernichtet. Fallen dagegen Brandbomben, dann müßte es nach meiner Meinung noch möglich sein, wenn sich solch ein Brand nicht löschen läßt, daß man die verschiedenen Kisten in Sicherheit bringt. Alles andere ist ja dann Nebensache. Das käme ja immer auf die Umstände an. Wenn Du in Deine Kisten die Dinge alle unterbringst, die Du fürs erste nötig hast, dann hast Du schon ein ganz schönes Teil bei Dir, weil sich doch einiges darin verstauen läßt. Daß Du in einem Ernstfall auch einen Anzug in Sicherheit bringen willst, ist ja nett, aber wie ich schon sagte, das erst ist das Leben. Man muß darüber reden, denn es soll doch alles klargehen. Hoffen wir aber fest, daß Ihr und damit wir alle, nicht in eine solche Zwangslage kommen. Meine Ratschläge können zwar nicht von weittragender Bedeutung sein, aber ich hoffe, daß ich Dir mit der Bekanntgabe meiner Ansicht etwas geholfen habe. Es ist ja auch nicht so einfach, in diese Dinge entsprechend  eingreifen zu können, denn ich kenne mich daheim doch nicht mehr so aus wie es früher der Fall war. Das Paket, welches Dein Vater Dir übersandte, mußt Du nicht immer mit in den Keller schleifen, denn das könnte unter Umständen allerhand werden. Wenn Du es ebenfalls griffbereit hinstellst, dann hast Du Deine Pflicht getan. Wenn Dein Vater diese Vorsichtsmaßnahme ergreift, dann ist das zu verständlich. Hoffen wir, daß wir alles unversehrt wieder nach einige Zeit zurückgeben können. Ihr selbst habt ja in letzter Zeit auch oft in den Keller gemußt, doch auch ich bin froh, wenn alles noch so abläuft, wie es bisher der Fall war.
Die Ingrid und unsere Helga, sie sind doch recht verschiedene Temperamente und doch halten sie doch ganz gut zusammen. Daß es auch zu verschiedenen Meinungen kommt, das ist an sich kein Schade, wenn es nicht ausartet. Ich schrieb ja auch schon früher einmal, daß ich mit diesem Umgang zufrieden bin. Denn wenn man sich in der Nachbarschaft umsieht, dann gibt es wohl kam jemand, bei dem man den Umgang mit ihnen bejahen könnte. Wenn Ingrid auch in gewisser Weise einen Sprung hat, dann ist sie doch recht umgänglich. Es ist doch so, daß man unserem Mädel jemand zum Spielen beigeben muß, denn es ist ja meist so, daß unser Stromer Gesellschaft hat, dagegen Helga nicht. Deshalb bin ich ja froh, daß sie jemanden zum Spielen hat.  Das Gekicher kann ich mir gut vorstellen, als sie so Sprüche gemacht haben. Diese unbeschwerte Kindheit ist ja auch etwas Schönes, die man ihnen ja auch neidlos gönnt.  Wir haben es ja auch nicht anders gemacht. Ich entsinne mich, wie ich mit meinem Schulkameraden Döring einmal auch der Stadt gekommen bin und wie wir uns köstlich amüsiert haben, als wir die Geschäftsanschriften von verschiedenen Geschäften durcheinander gelesen haben. Mir ist dabei noch im Gedächtnis geblieben, “Schnürleiber Zigarren“. Da kamen wir an einem Korsettgeschäft und an einem Zigarrenladen vorbei, woraus sich dann diese Zusammenstellung ergab.
Das ist gut, daß unser Junge solchen Spaß am Schlittschuhlaufen gefunden hat. Bei uns in Leipzig hatte man so wenig Gelegenheit.  Im Winter mußte man bis in den Stinzer Park gehen und dann war es auch nicht sicher, ob dann die Möglichkeit zum Laufen bestand. Nachdem es bei uns doch recht günstig ist, soll er es nur ausnutzen. Unsere Helga kann das nichts schaden, wenn sie es auch könnte. Doch nun ist diese Jahreszeit bald wieder vorüber. Die Schuhe muß man ja jetzt auch schonen, aber auch ich habe das als einen schönen Sport betrachtet. Kurt war ja immer so begeistert, wenn er auf dem Untersee laufen konnte. Wie konnte er dann aus sich herausgehen. Daß nun unserem Jungen der Besuch auf dem Eisweiher gefallen hat, das ist ja in Ordnung. So lernt er es doch noch richtig, denn mit der Übung kommt man in diesen Sachen weiter. Mich freut das insbesondere, weil wir ihn doch kaum zum Turnen ran bekommen.
Mit vielen lieben und recht herzlichen Grüßen bin ich mit einem knallenden Kuß Dein Ernst.

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