Mein
liebes gutes Mädel!
29.2.44
Da haben wir ihn, den Schaltjahrestag. Es ist ja immerhin bemerkenswert, denn er kommt ja nur alle vier Jahre vor. Das geht aber auch bald vorbei. Es ist vielleicht noch insoweit von Bedeutung, als man mit seinem Geld einen Tag länger auskommen muß.
Kino habe ich in den letzten Tagen genug gesehen. Am Samstag war ich im Kino am Sonntag auch und gestern sogar zweimal. Ich habe mir nacheinander angesehen „Herz modern möbliert“, „Akrobat schön“, „Ein Mann mit Grundsätzen“ und „Die geheime Wandlung des Alex Roscher“. Beim ersten Film mußte ich feststellen, daß ich ihn vor längerer Zeit schon einmal gesehen hatte, doch ich war versöhnt, weil ich mir bei dieser Gelegenheit den bunten Zeichenfilm von Fischerkosen mit der Wespe ansehen konnte, der wirklich sehr gelungen ist. Die beiden letzten Filme waren ganz ordentlich; besonders der letzte hatte ganz nette Szenen mit kriminalistischem Einschlag. Es ist nur gut, daß nicht alle neuen Filme so sind, wie ich sie gerne habe, denn sonst würde ich mir mit der Zeit das Kinolaufen doch abgewöhnen. _ Nun will ich noch die unbeantworteten Fragen aus Deinen letzten Briefen erledigen. Du wunderst Dich über die Kleidung der griechischen Soldaten Für uns ist das auch ein ungewohntes Bild. Wir haben eine ganz andere Vorstellung vom Soldatischen. Ich muß sagen, und das wird auch immer allgemein bestätigt, daß sich diese Männer recht gut halten. Im Einsatz gegen die Banden haben sie sich wiederholt bewährt. Für uns und insbesondere für die griechische Regierung sind sie eine beachtliche Hilfe. Ganz abgesehen von den Blutopfern, die diese Einheit schon gebracht hat, sind sie auch so in der Gesamterscheinung recht straff. Die Evzonen sind gewissermaßen eine nationale Garde, das militärische Rückgrad der Regierung. Seit einiger Zeit veranstalten sie jeden Sonntag einen Parademarsch durch die Stadt. Vornweg die Fahne, eskortiert von 5 Evzonen, dann eine Fahnenwache mit einem Kommandeur, der recht wuchtig ausschaut. Diese Leute sind alle rein weiß gekleidet, dazu tagen sie schön gestickte bunte Umhänge. Das sieht alles sehr farbenprächtig aus. Der Führer von dieser Fahnengarde trägt ein Türkenschwert und dazu ein Par gestickte Stiefel, was die ganze Persönlichkeit noch mehr herausstellt. Die anderen sind dann einfacher gekleidet und dann folgt eine Kompanie, die hat dann eine kriegsmäßige Uniform. Aber immer diese engen Hosen und der weite Rock sind immer das Grundlegende für die Bekleidung. Wenn ich die Italiener dagegenstelle, dann ist doch ein wesentlicher Unterschied in der Straffung festzustellen.
Ich bin mit Dir auch einer Meinung, daß es nicht gerade notwendig ist, wenn Erna nun noch jemand mit angeschleift bringt. Ich würde an Deiner Stelle nichts weiter unternehmen. Du weißt ja, was man immer für Dank von solchen Besuchen hat. Erna wird eben auf dies Bekleidung verzichten müssen. Es ist ja dann auch wieder die Verpflegung und was sonst alles noch mit einem solchen Besuch zusammenhängt. Ich kenne doch die Sachsen und die Leipziger im besonderen. Wenn Erna mit dem Kind kommt, dann soll es mir recht sein, denn wir sind nicht so gestellt, daß wir uns solche jungen Gänschen , die uns fremd sind, ins Haus laden können. Wenn dann etwas gezahlt werden soll, dann ist es meist zuviel. Du weißt selbst, was wir schon für Erfahrungen gesammelt haben. Ich freue mich jedes mal, wenn ich lesen kann, daß Ihr Euch beim Baden immer so schön unterhaltet. Ihr gehört ja mit zu den Stammbesuchern. Bald kommt ja die Zeit, da könnt Ihr wieder im Freien baden, das wird unseren Beiden wieder recht sein, wenn sie sich im Freien tummeln können. Der Lehrgang für Springer wird unser Mädel sicher interessiert haben, denn das ist doch ihr Vergnügen.
Es ist nur gut, daß Du unserem Mädel ein bisschen auf die Finger sehen kannst, gerade in Bezug auf die fremde Sprache. Ich muß mich immer wieder wundern, wie gut die Leute hier Deutsch beherrschen. Ich komme doch öfter zu einem Jungen, der hat deutschen Unterricht in der deutsch griechischen Schule, aber er kann schon fast fehlerlos Briefe schreiben. Ich habe jetzt bei meinem Besuch in Saloniki sehen können, wie griechische Mädchen, die bei deutschen Dienststellen beschäftigt werden, flott deutsche Korrespondenz erledigen und deutsch sprechen, ohne irgendwelche fremdländische Beilaute. In dieser Beziehung haben uns diese Menschen hier etwas voraus. Bei einer Dienststelle, die ich dort aufsuchte, traf ich ein älteres Fräulein, die konnte sich in 7 Sprachen verständigen und sie sagte, daß sie bedauere, daß es nur 7 wäre. Es liegt hier auch viel mit daran, daß die Griechen immer Handel getrieben haben, sich viel im Ausland aufhalten mussten und daher auf die Fremdsprachen angewiesen waren, wenn sie sich durchsetzen wollten. Schön ist es, wenn man sich in fremder Sprache verständigen kann allerdings nur dann, wenn es notwendig ist. Ich bin schon immer froh, wenn ich mich mit meinem bruchstückhaften Französisch durchhelfen kann. Spaß macht es mit, wenn sich dann andere Leute unterhalten und man kann dem Gespräch folgen und sie sind der Meinung, man versteht nichts.
Daß Du an „Fidelio“ im Rundfunk so Gefallen gefunden hast, das ist ja schön. Du weißt ja, daß ich auch für schöne Musik etwas übrig habe. Ich hörte kürzlich einige Sachen aus „Madam Butterfly“, das hat mich so lebhaft an die Aufführungen in Charkow erinnert und hat mir das Erlebnis dieser Theaterbesuche wieder wachgerufen. Es gibt da so herrliche Melodien, die zu hören wirklich ein Genuss sind. Wenn Du Dir dazu die passenden Textbücher besorgst, dann hast Du bestimmt mehr davon. Aber auch die Musik als solche ist doch sehr schön. Was haben wir doch für große Tonkünstler gehabt. Es ist nur schade, daß unser Theater in Konstanz nicht so leistungsfähig sein kann. Wenn ich nur an die Ballettszenen denke, die uns in Rußland geboten wurden, und wenn man jetzt diese Hopserei im Film sieht, dann kann einem schon das Frieren ankommen. Ich verstehe nicht, daß man dieses klassische Ballett so in den Hintergrund drängt und dieses „moderne Tanzen“, wie man es so gern nennt, so hervorzieht. Ich glaube ja auch nicht, daß ich mich zu den altmodischen Menschen zählen brauche. aber diese Richtung, die jetzt angeschlagen wird, entspricht nicht meinem Geschmack. Von meiner Reise nach Saloniki habe ich wieder einige Zigaretten mitgebracht, die ich Dir jetzt mit verschicken werde. Damit das Gewicht etwas ausgeglichen wird, habe ich Dir noch zwei Tuben mit käse dazugepackt, die ich mir aufgespart habe, weil sie mir zu viel in der Marschverpflegung waren. Das Päckchen trägt die Nummer 33 und ich habe es heute abgesandt. Außerdem gingen heute wieder einige Heftchen an Dich ab, die ich ausgelesen habe. Ein Paket mit Rosinen muß ich erst noch umpacken, weil es zu schwer ist. Das wird aber schon bald erledigt sein, so daß ich das auch los werde.
Mit einem festen lieben Kuß und vielen herzlichen Grüßen an Dich und die Kinder, bin ich immer Dein Ernst.
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