Freitag, 22. März 2019

Brief 533 vom 13.03.1944


Mein liebes gutes Mädel!                                                          13.3.44  
           
Nach langem Warten erhalte ich nun gleich drei Briefe von Dir.  Gefreut habe ich mich, als ich nach dieser verhältnismäßig langen Unterbrechung Deine Schreiben vom 1., 4.  und 8.3. bekam. Du siehst, daß es keine ungeteilte Freude ist, weil zwischendurch manches fehlt und zudem mußt Du mir von einigem Verdruß berichten, der Dir begegnet ist. Wenn ich zwar nichts mehr an den Tatsachen ändern kann, so tut es mir doch leid, daß es Dir nicht helfend zur Seite stehen kann. Aber recht ist mir auf alle Fälle, daß Du Deinem Herzen Luft gemacht hast, indem Du mir diese Dinge mitgeteilt hast, denn ich nehme an, daß es Dich erleichtert hat. Das ist schon etwas wert, denn mit dem anderen alltäglichen Kram wird man dann bald fertig. Darum bitte ich Dich, wenn Du irgendeine solche Sache auf dem Herzen hast, dann schreibe Dir dies herunter, denn ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie das über eine derartige Krise hinweghilft. Schließlich hast Du ja mich, dem Du so was anvertrauen kannst. Inzwischen ist ja dieses alles vorbei, aber man muß sich mit diesen Dingen vertraut machen, damit ein jeder die Ansicht des anderen kennt.  Es tut mir leid, daß Du mit Deinem Zahn so Schmerzen hast und daß es nicht so glattgegangen ist, wie Du es gern wünschst. Das ist klar, daß sich innerhalb des Kiefers manche Verschiebungen ergeben, wenn ein Zahn herausgezogen ist. Doch nach einiger Zeit wird sich das setzen und Du kannst dann die Überkronung des anderen defekten Zahns vornehmen lassen. Wieder mußt Du mir von einigen Fliegeralarmen berichten und gleichzeitig auch von einer Luftschutzübung, die so erbaulich verlief. Mädel, rege Dich über solche Dinge nicht auf und lasse die anderen machen. Es hat keinen Zweck, wenn sich so einige Herrschaften so superklug vorkommen, sich dazwischenzumischen, denn Du siehst aus dem Erfolg Deiner Zwischenrede, daß diese Brüder nicht wissen, wie sie sich helfen sollen. Am besten ist es, wenn man einen Stein nimmt und eine Lampe, die so hell brennt auslöscht. Anders kommt man doch nicht zum Ziel. Der kleine Mann wird immer wieder gedrückt werden können, das ist eine Lebenserfahrung, um die wir nicht herumkommen. Man muß nur zusehen, daß man diesen Druck so stark wie möglich abschwächt. Das ist eine Kunst, die einem manchmal mehr oder weniger gelingt, aber duch mancherlei Erfahrung gewitzigt, merkt man dann schon auf was es ankommt.
In einem Deiner Briefe kannst Du mir den Eingang des Päckchen Nr. 19 bestätigen, was mir wieder eine Freude und Beruhigung zugleich war. Ich hoffe zuversichtlich, daß die anderen auch noch ankommen. Daß Du jetzt ab und zu mit Resi das Kino besuchst, finde ich in Ordnung. Die Auswahl mit den Bekannten ist ja bei uns nicht groß und wie Du auch ganz richtig bemerkst, ist sie immer noch die beste von allen mit, die wir kennen. Fehler hat ein jeder von uns, darüber sind wir uns ja einige. Es fragt sich nur, wo die Fehler liegen und wie stark sie ausgebildet sind. Vieles läßt sich übersehen und das kann man ja in diesem Fall nach meiner Ansicht auch. Ich finde das sonderbar, das bei Euch fast die gleichen Filme zur gleichen Zeit laufen wie hier. Aber es ist insofern schön, weil man sich dann über den einen oder anderen Film aussprechen kann, soweit dafür Veranlassung vorliegt.
Das dicke Ende kommt meist zuletzt. Hier auch. Ich wollte Dir erst einmal mitteilen, daß Du Deinen Schriftverkehr mit mir für einige Tage einstellen kannst, weil ich in den nächsten Tagen nach hause komme. Ich rolle hier am 18. etwa ab und werde über Belgrad, Wien nach Konstanz kommen. Ich ließ das ja schon in meinem letzten Brief durchblicken. Das kommt Dir wohl überraschend. Hoffentlich stoße ich nicht auf Widerstand mit meiner Heimkunft. Wenn ich nun genau eintreffe, das kann ich von hier aus noch nicht beurteilen, aber wenn alles gut geht, dann bin ich hoffentlich Mitte nächster Woche bei Euch. Daß ich mich nun des Langen über einzelne Dinge verbreite, hat wohl keinen großen Wert, denn ich bin der Ansicht, daß sich das mündlich alles besser regeln läßt. Bleibt mir alle recht gesund, denn ich hoffe auf ein baldiges glückliches Wiedersehen mit Euch.
Nimm im Voraus einen recht herzlichen Kuss entgegen. Abdrücken werde ich Dich dann persönlich selbst. Aber bis dahin seid Ihr meine Liebe alle vielmals gegrüßt in treuem Gedenken von Deinem Ernst. 

Samstag, 9. März 2019

Brief 532 vom 08.03.1944


  Du mein liebes gutes Mädel !                                                                8.3.44             

Ich bin eigentlich nicht so in der richtigen Stimmung, um einen Brief zu schreiben, doch ich habe nicht Lust, Dich warten zu lassen, wenn es nicht nötig ist. Ich will gleich vermerken, daß wir heute auch keine Post erhalten haben und wahrscheinlich auch bis Sonntag warten müssen, bis wieder Post durchkommt, wenn wie uns mitgeteilt wird, sind auf der Strecke Schneeverwehungen, was den Verkehr und die Transportlage beeinträchtigt. Man kann sich das hier gegenwärtig nicht so vorstellen, nachdem hier schon der Frühling eingekehrt ist. Überall werden schon die schönsten Blumen feilgeboten. Blumen hat es zwar den ganzen Winter über auch gegeben, doch das Angebot ist jetzt weit größer und fällt mehr ins Auge. Veilchen, Hyazinthen, Levkojen und viele andere wohlriechenden Blumen gibt es schon auf dem Markt. Pfirsich, Mandel und Kirschblüten gibt es ebenfalls in großen Mengen. Das Wetter ist auch schon ganz und gar frühlingshaft, so daß einem schon wieder leichter wird, wenn man sich sagen kann, der Winter liegt nun hinter uns. Gerade wir Nordeuropäer empfinden die Sonne doch noch in stärkerem Maße wie die Einheimischen. Während hier nun schon das herrlichste Wetter herrscht, höchstens einmal von einen kleinen Regenschauer unterbrochen, seid Ihr womöglich noch im Schnee eingedeckt, aber bei Euch wird es nun nicht mehr allzu lange dauern und die schöne Jahreszeit bricht in unserer Heimat ebenfalls an.  Wie wäre das, wenn wir wieder einmal einige Tage während dieser Zeit verbringen könnten? Die Frühlingszeit ist doch eine recht schöne Zeit. Ich denke, wie wir früher, als unsere beiden Lauser noch kleiner waren, uns um diese Jahreszeit nach dem Mindelsee verzogen haben und dort die ersten sonnigen Tage auskosteten. Als wir sie noch im Wagen fuhren, gingen wir oft unterhalb des Tabors spazieren. Viele solche Ausflüge konnte ich noch aufführen, denn alle waren sie gleich schön. Auch unser damaliger Besuch auf dem Heiligenberg. Die Jahre gehen vorüber und wir verlieren so schöne Jahre. Doch es hat keinen Zweck zu klagen, weil wir unsere Lage dadurch nicht ändern noch bessern. Fügen wir uns in die gegebenen Verhältnisse und hoffen weiter, dass es bald zu einer für uns günstigen Entscheidung kommt.  Unser Kurt würde nun heute 29 Jahre alt werden. Ich entsinne mich noch unserer Kindheitsjahre. Ich glaube, er wurde damals 2 Jahre alt, da schickte mich meine Mutter zu einer Blumenhandlung, um einen kleinen Strauß mit Schneeglöckchen zu kaufen. Mit ist das recht lebhaft in Erinnerung geblieben, denn es schneite mächtig und ich bin mit meinen Holzpantoffeln durch die Eisenbahnstraße gesprungen , um meinen Auftrag auszuführen. Wenn er es auch nicht verstand, so hatte meine Mutter selbst Freude an Blumen und sie wollte damit doch symbolisch dieses Tages gedenken. Es ist doch sonderbar, wie manche Kleinigkeit im Gedächtnis haften bleibt. Nun liegt der gute Junge unter der Erde und mußte so plötzlich seine Erdenlaufbahn beenden, ohne doch eigentlich richtig gelebt zu haben.  Heute habe ich wieder ein Päckchen für Dich fertiggemacht, das getrocknetes Brot für Euch enthält. Ich schicke es morgen mit ab. Es trägt die Nummer 37. Für ein weiteres Päckchen habe ich nochmals soviel hier, das ich Euch mit fertig machen werde. Manchmal, das muß ich Dir immer wieder schreiben, tut es mir leid, daß ich nicht andere Sachen zur Ernährung schicken kann. Aber ich weiß ja, daß Ihr auch dafür Verwendung habt, und daß ich damit Dein Ernährungsbudget entlaste. Das ist ja auch immer wieder mein Bestreben und für Euch von Bedeutung. Ich habe in diesen Tagen Gelegenheit, wahrscheinlich hier wieder einige Sachen nach hause zu senden, die mir im Wege sind. Den Trainingsanzug und einiger anderer Kram, der mir im Koffer viel Platz verdrängt, werde ich absenden. Ich hoffe, daß diese Sachen gut daheim ankommen werden.
Bleibt mir alle gesund, denn ich hoffe doch einmal, Euch bald wiederzusehen, um mit Euch wieder zusammenzusitzen und mich mit Dir über verschiedene Dinge auszusprechen. Aber alles zu seiner Zeit.  Lasse Dich recht schön grüßen und vielmals lieb küssen von Deinem Ernst. 

Brief 531 vom 07.03.1944


Herzlieber Schatz !                                                                                     7.3.44 

Es ist heute der dritte Tag, an dem ich von Dir keine Post erhalte. Zwar ist gestern und heute vorwiegend Päckchenpost eingetroffen, so daß damit zu rechnen ist, daß die Briefpost nun bald folgen wird. Ich könnte Dir heute erst einmal von meinem gestrigen Kinobesuch erzählen, bei dem ich mir „Die drei unheimlichen Wünsche“ angesehen habe. Neu kam mir dabei vor, daß man eine Geschichte von Honore‘ Balzac verwendet hat, die in gewisser Hinsicht in das Märchenhafte überwechselt.  Die Handlung ist recht flüssig, doch schwebt alles in einer anderen Atmosphäre wie man es meist bei den Alltagsfilmen gewöhnt ist. Ich habe das Empfinden, daß er Dir ganz gut gefallen würde. Deiner Auffassung, sich einmal zu entspannen und doch dabei zu unterhalten kommt dieser Film sehr entgegen. Dabei hat er aber etwas gesellschaftsmäßiges und auch etwas an sich, das zum Nachdenken anregt. Ich kann sagen, daß ich nicht unbefriedigt nach hause gegangen bin.
In meinem letzten Brief hatte ich erwähnt, daß ich meine griechischen Marken jetzt nach hause schicken will. Damit wir die Übersicht behalten, werde ich diese Sendungen mit Nummern versehen. Zweimal habe ich schon Marken mitgesandt, heute würde ich die dritte Sendung folgen lassen. Ich will diese Sachen hier so nach und nach aus der Hand bekommen, denn man weiß ja nicht, wie sie einem einmal im Wege sein können. Ich hoffe, daß alles ordentlich ankommt. Wie Du die Sachen aufhebst, das ist vorerst nicht maßgeblich, denn allzu viel Platz nehmen diese Sachen ja doch nicht weg. Ich habe mir heute wieder einige deutsche Sachen besorgen können, die meine Sammlung um einige nette Stücke bereichert. Es handelt sich meist um alte Sachen, die ja daheim auch sehr gefragt sind. Man kann sich diese Marken im Verhältnis günstiger kaufen wie die laufenden Marken, die sehr verlangt werden und dadurch auch besser im Kurs stehen. Die anderen Marken sind mehr oder weniger Ladenhüter, bei denen die Händler manchmal froh sind, sie an den Mann zu bringen. Wenn es gut geht, dann kann ich mir noch einige schöne Stücke beschaffen, doch das wird sich schon von selbst geben.
Dieser Tage hatte ich auch einmal Glück. Ich hatte von meiner Dienstreise einen Sack mit etwas Nüssen nach hier zurückgebracht. Als ich diese ablieferte, hat sich der Empfänger mächtig gefreut.  Wir unterhielten uns auch über Leipzig usw., das dieser Mann in Friedensjahren kennen gelernt hatte. Er erzählte mir auch von seinem Geschäft. Das war für mich ein Anlaß, von Briefmarken anzufangen. Er wollte mir gern behilflich sein, wenn er etwas hat. Das hatte mich schon gefreut. Als er sich bei mir verabschiedete, sagte er mir, daß er die Vertretung für optische Gläser usw. hätte und es würde ihm eine Freude machen, wenn ich für meine Briefmarken eine Lupe, die er zu Reklamezwecken hergebe, in Empfang nehmen würde. Erst wollte ich es nicht annehmen, doch er bat mich herzlich darum und ich sagte mir auch, daß dieser Mann damit mehr oder weniger einen Dank abstatten wollte und habe seiner Bitte nachgegeben. Das ist wirklich ein nettes Geschenk, was mir in den letzten Tagen schon ganz nützlich war.  Erlebnisse besonderer Art habe ich heute wieder nicht gehabt, wovon ich Dir erzählen könnte. Das Wetter wird schon recht warm. In der Sonne selbst ist es schon heiß. In wenigen Tagen kann man sich schon fast sonnen.
Ein Päckchen habe ich an Dich heute noch abgeschickt,. Nummer 37 trägt es. Etwas Schokolade, einige Zigaretten, Zitronen und Schnürsenkel habe ich zusammengepackt. Du wirst schon Verwendung dafür haben. Die Zigaretten kann Du Deinem Vater mit übersenden. Es sind hiesige und bulgarische. Man muß ihm ja auch wieder einmal eine Freude damit machen.
Mit vielen lieben Grüßen lasse mir mein heutiges Schreiben beenden. Einen recht herzlichen Kuß für jeden von Euch daheim füge ich bei. Dein Ernst, der soviel an Euch denkt.

Brief 530 vom 06.03.1944


 Mein gutes, liebes Mädel !                                                                 6.3.44  
      
Mit Deinem letzten Brief fragtest Du mich, wie Du es mit Deinem Luftschutzgepäck handhaben sollst. Wenn Du, wie Dur mir schreibst, die Ahnenpässe bei Dir hast, dann genügt das vollkommen. Auch mit Deinen übrigen Vorschlägen bin ich einverstanden. Nimm nur die wichtigsten Papiere an Dich, alles andere kannst Du Dir so hinlegen, daß es immerhin griffbereit ist. Du kannst Dich ja nicht über das Maß belasten, denn das erste ist und bleibt immer das Leben. Daß Ihr dann die Dinge, die Ihr für Euch braucht, auch haben müßt, ist ja verständlich, aber dafür müßte sich ein Weg finden. Ich sage mir, wenn eine Sprengbombe in unmittelbarer Nähe fällt, dann ist wohl alles vernichtet. Fallen dagegen Brandbomben, dann müßte es nach meiner Meinung noch möglich sein, wenn sich solch ein Brand nicht löschen läßt, daß man die verschiedenen Kisten in Sicherheit bringt. Alles andere ist ja dann Nebensache. Das käme ja immer auf die Umstände an. Wenn Du in Deine Kisten die Dinge alle unterbringst, die Du fürs erste nötig hast, dann hast Du schon ein ganz schönes Teil bei Dir, weil sich doch einiges darin verstauen läßt. Daß Du in einem Ernstfall auch einen Anzug in Sicherheit bringen willst, ist ja nett, aber wie ich schon sagte, das erst ist das Leben. Man muß darüber reden, denn es soll doch alles klargehen. Hoffen wir aber fest, daß Ihr und damit wir alle, nicht in eine solche Zwangslage kommen. Meine Ratschläge können zwar nicht von weittragender Bedeutung sein, aber ich hoffe, daß ich Dir mit der Bekanntgabe meiner Ansicht etwas geholfen habe. Es ist ja auch nicht so einfach, in diese Dinge entsprechend  eingreifen zu können, denn ich kenne mich daheim doch nicht mehr so aus wie es früher der Fall war. Das Paket, welches Dein Vater Dir übersandte, mußt Du nicht immer mit in den Keller schleifen, denn das könnte unter Umständen allerhand werden. Wenn Du es ebenfalls griffbereit hinstellst, dann hast Du Deine Pflicht getan. Wenn Dein Vater diese Vorsichtsmaßnahme ergreift, dann ist das zu verständlich. Hoffen wir, daß wir alles unversehrt wieder nach einige Zeit zurückgeben können. Ihr selbst habt ja in letzter Zeit auch oft in den Keller gemußt, doch auch ich bin froh, wenn alles noch so abläuft, wie es bisher der Fall war.
Die Ingrid und unsere Helga, sie sind doch recht verschiedene Temperamente und doch halten sie doch ganz gut zusammen. Daß es auch zu verschiedenen Meinungen kommt, das ist an sich kein Schade, wenn es nicht ausartet. Ich schrieb ja auch schon früher einmal, daß ich mit diesem Umgang zufrieden bin. Denn wenn man sich in der Nachbarschaft umsieht, dann gibt es wohl kam jemand, bei dem man den Umgang mit ihnen bejahen könnte. Wenn Ingrid auch in gewisser Weise einen Sprung hat, dann ist sie doch recht umgänglich. Es ist doch so, daß man unserem Mädel jemand zum Spielen beigeben muß, denn es ist ja meist so, daß unser Stromer Gesellschaft hat, dagegen Helga nicht. Deshalb bin ich ja froh, daß sie jemanden zum Spielen hat.  Das Gekicher kann ich mir gut vorstellen, als sie so Sprüche gemacht haben. Diese unbeschwerte Kindheit ist ja auch etwas Schönes, die man ihnen ja auch neidlos gönnt.  Wir haben es ja auch nicht anders gemacht. Ich entsinne mich, wie ich mit meinem Schulkameraden Döring einmal auch der Stadt gekommen bin und wie wir uns köstlich amüsiert haben, als wir die Geschäftsanschriften von verschiedenen Geschäften durcheinander gelesen haben. Mir ist dabei noch im Gedächtnis geblieben, “Schnürleiber Zigarren“. Da kamen wir an einem Korsettgeschäft und an einem Zigarrenladen vorbei, woraus sich dann diese Zusammenstellung ergab.
Das ist gut, daß unser Junge solchen Spaß am Schlittschuhlaufen gefunden hat. Bei uns in Leipzig hatte man so wenig Gelegenheit.  Im Winter mußte man bis in den Stinzer Park gehen und dann war es auch nicht sicher, ob dann die Möglichkeit zum Laufen bestand. Nachdem es bei uns doch recht günstig ist, soll er es nur ausnutzen. Unsere Helga kann das nichts schaden, wenn sie es auch könnte. Doch nun ist diese Jahreszeit bald wieder vorüber. Die Schuhe muß man ja jetzt auch schonen, aber auch ich habe das als einen schönen Sport betrachtet. Kurt war ja immer so begeistert, wenn er auf dem Untersee laufen konnte. Wie konnte er dann aus sich herausgehen. Daß nun unserem Jungen der Besuch auf dem Eisweiher gefallen hat, das ist ja in Ordnung. So lernt er es doch noch richtig, denn mit der Übung kommt man in diesen Sachen weiter. Mich freut das insbesondere, weil wir ihn doch kaum zum Turnen ran bekommen.
Mit vielen lieben und recht herzlichen Grüßen bin ich mit einem knallenden Kuß Dein Ernst.

Brief 529 vom 05.03.1944


Du mein liebstes Fraule !                                                                          5.3.44        
  
Obwohl ich gestern von Dir die beiden Briefe vom 26. und 27.3.  erhielt, hätte hatte ich doch keine so richtige Schreibstimmung, so daß ich einmal mit Schreiben ausgesetzt hatte. Nachdem ich sonst immer recht regelmäßig schreibe, wirst Du wohl diesen einen Brief verschmerzen können. Es hatte sich auch nichts weiter von Bedeutung ereignet, so daß ich auch nicht recht in Schwung gekommen wäre. Aber zuerst einmal vielen Dank für Deine beiden Schreiben und für den Brief, den mir unsere Helga geschrieben hat, bedanke ich mich auch. Ich war schon überrascht, daß sie mir wieder einmal schrieb, denn es ist doch lange Zeit vergangen, seit ich das letzte persönliche Schreiben von unseren beiden Lausern erhielt. Ich werde ihr in diesen Tagen mit antworten, damit sie merkt, daß ihr Vater sich auch nicht vergessen hat. Vermerken will ich aber erst noch, daß ich die beiden Päckchen Nummer 35/36 mit Brot und Rosinen an Dich abgesandt habe. Ein weiteres Päckchen mit verschiedenen Kleinigkeiten habe in in Vorbereitung. Ich kann es gleich zu Anfang der Woche mit absenden. Man freut sich immer wieder, wenn man etwas erhält, aber liegen lassen kann man diese Sachen nicht, denn es sammelt sich so schnell verschiedenes Zeut an, was einem dann immer im Wege ist. Heute habe ich Deinem Vater laut beiliegenden Durchschlag geschrieben, denn ich bekam von ihm heute einen Brief, den ich ihm gleich wieder beantworten wollte. Mit meinem nächsten Päckchen schicke ich wieder einige gesammelten Zigaretten mit, die Du ihm dann wieder mit zugehen lassen kannst.
Doch nun zu Deinen Briefen. Nun hast Du doch den einen Zahn opfern müssen, nachdem er Dir wieder Schmerzen bereitet hat. Ich hoffe, daß Du nun inzwischen wieder Ruhe bekommen hast damit. Ich bin nur froh, daß Du bei Dir und den Kindern so Obacht gibst, daß mit den Zähnen alles in Ordnung geht. Es ist ja auch viel wert, dau Du unsere beiden Stromer rechtzeitig daran gewöhnt hast, daß sie mit zum Zahnarzt gehen. Durch die dauernde Beobachtung sind doch immerhin die Voraussetzungen geschaffen worden, daß sie jetzt die bleibenden Zähne in Schuß haben. Daß sich von Zeit zu Zeit ein Defektein stellen wird, das läßt sich bei der weiten Verbreitung der Zahnkrankheiten nicht vermeiden. Aber eins kann man gleich von Anfang an vermeiden, das ist, daß sich die Schäden nicht so vergrößern, daß man sie nicht mehr beseitigen kann.
Das Päckchen Nummer 31 ist aber schnell zu Dir gekommen. Es hat ja nur 12 Tage gebraucht. Das ist schon eine Rekordleistung. Nachdem Du dort selbst erst Zwiebeln erhältst, denke ich aber, daß Du trotzdem Verwendung dafür hast.
Mit Deinem Brief vom 24. kommst Du nochmals auf die Filme zu sprechen. Ich habe ja allgemein gesehen die Feststellung treffen müssen, daß man sich über Kunst und Geschmack streiten kann. Es ist ja schließlich auch mit einem Buch so. Nachdem aber jetzt bei Euch fast die gleichen Filme laufen, die uns hier geboten werden, so ist dies jetzt die einzige Möglichkeit, sich einmal über diese Dinge zu unterhalten. Ich muß dabei feststellen, daß es dabei allerhand Anregungen geben kann. Für Dich ist es auch nicht so leicht, ein vollkommen klares Urteil zu bilden, weil Du ja nicht, wie ich, die Möglichkeit hast, auch einmal mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Gerade deshalb nehme ich diesen Anlaß wahr, um Dich auch in meine Gedankenkreise einzuspannen, denn wie gesagt, das sind Dinge, die man gleicher Weise sehen kann. Daß Du nicht ganz ohne Kritik bist, das hast Du mir ja mit Deiner Ansicht über den Film „Gabriele Dampon“ gezeigt. Ich habe Dir ja auch in manchen Dingen zugestimmt, Weil Du damit recht hattest, doch ich konnte mir gleichzeitig erklären, warum es mir gefiel. Du schreibst, daß Du einmal auf einen besonderen Film wartest, von dem Du sagen könntest, es hat sich gelohnt, daß man hineingegangen ist. Das ist nich so leicht. Das könnte ich nur von dem Film „Altes Herz wird wieder jung“ sagen, der in feiner Weise verschiedene Dinge des Lebens berührte. Auch der Film, „Wenn die Sonne wieder scheint“ war recht lohnenswert. Daß Du Dir jetzt von Resi die Trilogie des Paracelsus geholt hast, das hast Du recht getan. Das ist ein Buch, das man nun nicht so ohne weiteres verschlingen kann, das aber Dir sicherlich viel bieten wird, was Menschlichkeit und vieles andere anbelangt. Ich selbst kenne es noch nicht, doch ich würde mich sehr dafür interessieren. Ich kann zwar nicht im gleichen Atemzuge weitersprechen, wenn ich von dem Buch rede, was Ihr mir zum Weihnachtsfest sandet „Der Chirurg von Narvik“. Das soldatische Leben und die Einblicke, in in das Leben der anderen Völker gegeben werden, in diesem Falle besonders die Leute aus Norwegen, sind recht interessant, und ich finde es äußerst treffend. Mit hat das Buch recht zugesagt, wenn das Äußere auch nicht mehr viel verspricht. Doch das ist ja heute nicht maßgebend. Ja, man könnte über vieles reden, wenn man beieinander wäre. Vor allem auch über schöne Musik. Wenn ich auch kein Musikästhet bin, so bin ich doch ein großer Freund davon. Für manches möchte ich mich begeistern, doch dies muß man einmal für spätere Tage aufheben. Ich lege wieder einige Marken bei, die Dur mir bitte wieder mit aufheben willst. Nacheinander werde ich die Sätze von Griechenland nach hause senden, die ich komplett habe. Hoffentlich kommt alles richtig an. Laßt Euch , meine Lieben, nacheinander jeder einen kräftigen Schmatz geben und seid allesamt recht herzlich und lieb gegrüßt von Deinem Ernst.

Brief 528 vom 03.03.1944


Du mein gutes Mädel, Du !                                                                        3.3.44 

Recht frühlingshaft ist es geworden. Man könnte glaube, es sei schon Mitte April. Bei uns auf dem Esstisch stehen schön Hyazinthen und Mandelblüten. Das läßt auf manchen anderen Mangel hinwegsehen. Das macht alle gleich viel freundlicher und angenehmer. Der Himmel zeigt sich schon viel mehr von der blauen Seite wie in der vergangenen Zeit. Es ist auch schon recht ordentlich warm, wenn man sich im Freien aufhält. Zwar wenn der Wind aufkommt, dann wird es wieder frischer, aber das ist ja bei uns daheim auch nicht anders. Man spürt es aber schon tüchtig, daß wir den südlichen Winter hinter uns haben. Wenn man nicht gerade in Kriegszeiten leben würde, könnte man sich darüber freuen, doch so hat man nichts vom Sommer und nichts vom Winter. Die Zeit, die man in der Kälte zugebracht hat, ist ja nun vorüber.  Für Deine lieben Briefe vom 19. und 22.2. muß ich Dir heute wieder recht herzlich danken, denn ich habe mich sehr über alles freuen können. Du schreibst, daß Du Dich eingehend mit meinen Marken beschäftigt hattest und erst ziemlich spät zum Schreiben gekommen bist. Das nimmt schon oft recht viele Zeit weg. Einen Teil hast Du mir von meinen doppelten Marken wieder herausgesucht. Einige sind ja schon angekommen. Ich habe davon schon einige an den Mann gebracht. Man muß nur zusehen, daß man dabei nicht übers Ohr gehauen wird. Aber Interessenten finden sich bald, wenn man sie nur recht schmackhaft anbietet. Wenn sie der eine nicht haben will, dann freut sich womöglich ein anderer darüber. Du schreibst mir davon, daß ich von dem Kameradschaftsblock die zweierlei Marken habe. Ich wußte es selbst nicht und ich wollte schon einmal anfragen deshalb. Anscheinend habe ich dann alle von diesen Marken. Das stimmt, daß die Aufschläge bei der zweiten Auflage bedeutend höher waren.  Ich Beringmarken hast Du mir zwar schon ungestempelt zugeschickt, doch wenn es mehrere Stücke sind, die aneinander hängen, die Du noch daheim hast, dann hebe sie mit auf. Andernfalls kannst Du sie mir ja mit zusenden.
Den Kalender von mir hast Du, wie Du mir in Deinem Brief mitteilst, auch erhalten. Da dieser Kalender anders anfängt wie sonst, ist mir nicht aufgefallen, doch das hat ja weniger Bedeutung. Wie mir scheint, hast Du auch einen anderen Kalender schon da. Das Papier ist aber für unsere beiden Maler gut zu verwenden.
Bei Euch war es wohl auch recht kalt, und ich muß feststellen, daß das zur gleichen Zeit, in der ich in Saloniki war, war. Dort habe ich es ja auch nicht besonders warm gehabt. Daß unsere Helga die Kälte bei Eurem Gang in die Stadt dadurch hat besonders zu spüren bekommen, daß sie in ihrer Eitelkeit auf das Anziehen der langen Hosen verzichtet hat, das ist ja ihr eigener Schade gewesen. Sie hat es ja am eigenen Leibe selbst gespürt und vielleicht hat sie es sich nun auch gemerkt. Von Deinem Kuchenbacken hast Du mir gerade geschrieben, daß Du mit dem Fett sparen mußtest und außer den Rosinen nichts weiter hineintun konntest. Sage einmal, geht denn das nicht, wenn Du etwas Öl hineinmengst? Das ist nur eine Anregung von mir, deren Auswirkung ich nicht kenne. Ich habe weiterhin keine Ah nung, ob Du genügend Öl da hast, um davon zum Backen dann verwenden zu können. Wie klappt es denn mit dem Backpulver? Stimmt es mit den angegebenen Mengen, die Du dafür verwenden kannst, die ich Dir erst angab?  Was Du mir so schreibst, was unsere Tochter zur Abendmahlzeit verdrückt, dann kann ich mir schon vorstellen, daß Du es nicht leicht hast, sie immer satt zu bekommen. Es ist nur gut, daß Du bisher immer noch das zusammengebracht hast, was für unsre beiden hungrigen Schnäbel notwendig war. Ich muß schon sagen, daß das, was Du mir da mitteilst, für mich schon eine Leistung wäre, das während einer Mahlzeit aufzuessen. Ich weiß aber noch zu gut, wie man mir während meiner Kindheit immer sagte, Junge, wo frißt Du das alles hin. Manchmal habe ich auch gedacht, ich bin verfressen, aber wenn ich mir das später immer wieder einmal vor Augen gehalten habe, dann mußte ich mir immer sagen, daß die Nahrungsmittel keinen Nährwert hatten. Das ist ja heute auch wieder soweit. Der Körper muß größere Massen verarbeiten, wie wenn der Nährgehalt wie zu Friedenszeiten ist.
Du willst mir nun suggerieren, daß ich auch einmal träumen soll. Du kennst ja meinen Schwächezustand in dieser Beziehung. Du bist ja damit besser dran wie ich. Das wäre an sich nicht zu verwerfen, doch, wie Du ja selbst weißt, wäre alles Bemühen fruchtlos. Ich habe auch keine Hoffnung, daß sich dieser Zustand jetzt bei mir ändern wird. Ich kann dagegen aber sagen, daß ich sonst einen gesunden Schlaf habe und das ist ja recht viel wert. Während der ersten Nacht in Saloniki, da hatte ich unruhig geschlagen und dort hatte ich mich mit irgendwelchen Dingen beschäftigt. Ich muß aber sagen, daß ich nicht so ganz mit mir zufrieden war, denn ich war nicht so ausgeruht, wie sonst. Deine Absicht liegt ja nun nicht darin, mir den Schlaf zu stören, vielmehr wolltest Du ja, daß ich etwas Angenehmes erlebe. Für mich ist es aber besser, wenn wir den bisherigen Zustand belassen.
Für heute einen lieben und herzlichen Kuß für Euch alle; dazu aber auch einen innigen Gruß von Deinem Ernst. .  So nach und nach werde ich Dir meine griechischen Marken mit heim senden. Heute folgen zwei Serien. Hebe sie bitte mit auf. 

Brief 527 vom 02.03.1944


Mein liebster Schatz!                                                                             2.3.44     
      
Nun habe ich noch zwei Deiner restlichen Briefe zu beantworten, was ich jetzt nachholen will. Du bist also auch der Ansicht, daß Dein Vater nicht ganz mit mir zufrieden war, weil ich meine Zustimmung nicht für eine Reise nach Leipzig gab. Nun muß ich aber in seinem letzten Bericht lesen, daß er selbst zu der Überzeugung gekommen ist, daß es so besser wäre. Denn er meint ja auch, daß er sich Vorwürfe machen würde, wenn dann mit Eingeladenen etwas zustoßen würde. Es ist mir gewissermaßen eine Genugtuung, daß sich meine Meinung ohne großen Streit durchgesetzt hat.
Daß unserer Helga die 2,RM Freude gemacht haben, ist richtig. Man kann aber auch einmal Pech habe. Ich nehme es jedenfalls an, daß es wirklich eine Ausnahme war. Wenn ich von ihr auch nicht verlange, daß sie immer eine Eins schreibt, aber wenn sie sich in dieser Nähe hält, dann kann sie damit rechnen, daß es hin und wieder eine kleine Belohnung gibt. Wie ich so sehe, kommst Du auf allerhand Einfälle. Mit dem Brot bist Du nun soweit, daß Du es frisch auflackiert hergeben kannst. Das ist ein ganz origineller Gedanke und wird wohl bei unseren Kindern mehr An klang finden wie das harte Brot. Ich habe wieder ein Päckchen, das ich in diesen Tagen an Dich absenden kann. Gestern habe ich ja zwei Päckchen an Dich abgesandt. Ich weiß nicht, habe ich es schon erwähnt oder vergaß ich es. Es ist die zweite Sendung Zigaretten und Käse und einmal Rosinen. Die Päckchen haben die Nummern 32 und 34, mein Wunsch über guten Empfang begleiten sie jedenfalls wieder.
Daß sich unsere Beiden den Film „Wunschkonzert“ nochmals angesehen haben, hat ja nach Deiner Schilderung seine Begründung gehabt. Die Sportaufnahmen sind ja auch sehr gut. Ich habe hier kürzlich wieder einige Ausschnitte von der Olympiade gesehen. Einmal vom Laufen und dann Kurz und Langstreckenläufer. Das waren sehr nette Sachen, die immer wieder anziehend wirken.
Du schreibst, daß die Entfernung doch ziemlich weit sei von hier bis Saloniki.  Ich teilte es Dir ja in einem meiner letzten Schreiben mit. Da fällt mir im Zusammenhang damit etwas ein, was mir in Rußland noch in den Sinn kam. Ich erhielt von einem Kameraden dort eine Landkarte von Europa, in der er seine sämtlichen Fahrten während des Krieges eingezeichnet hatte. Da war auch die Strecke bis hierher drin.  Ich dachte mir damals, das ist doch eine ganz schöne Strecke, bis man hier unten ist.  Das muß doch ganz interessant sein, war mein nächster Gedanke. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, daß mir eine solche KdF Reise auch noch beschert würde. Nun ist es schon über ein halbes Jahr, daß ich mich hier unten aufhalte. Wenn man es so bedenkt, es hat mich auch schon ziemlich auf unserem Erdteil herumgetrieben. Was einem noch alles bevorsteht, liegt ja noch im Dunkel. Vielleicht ist es gut so, wenn man es nicht weiß, aber Angst braucht man ja deshalb nicht haben, denn ich sage mir, daß man seinem Schicksal nicht entgehen kann.  Ich muß schon sagen, daß Du mir eine ordentliche Standpauke gehalten hast auf meine schüchternen Einwände, die ich mir gewagt hatte, als Du mir die Absendung eines Päckchen ankündigtest. Ich bin mir nun im Zweifel, was ich machen soll. Soll ich das nächste Mal alles ruhig und ohne Widerspruch hinnehmen oder soll ich gleich von vornherein mit stärkerem Kaliber auffahren, um Dir gleich die Möglichkeit einer Einrede wegzunehmen. Befohlen hast Du mir zwar, ich soll ganz ruhig sein, inwieweit das nun klappt, das muß ich erst einmal sehen. Vorbeugend will ich versuchen, mich doch noch im Laufe der Zeit zu bessern. Habe also bitte noch ein wenig Geduld mit mir, es wird schon werden.
Ich freue mich, daß ich Dir heute mitteilen kann, daß ich wieder etwas Öl bekommen werde. Ich weiß ja nicht, wie weit Deine Ölvorräte zusammengeschmolzen sind, aber ich denke, daß eine Auffrischung keinen Schaden anrichten wird. Ich kann Dir gar nicht sagen, was mir das immer für eine Beruhigung bedeutet, wenn ich wieder etwas Fettung für Euch heranbringen kann. Das Wichtigste ist nun noch, daß ich das nun richtig zu Dir besorgen kann. Aber da wird sich sicherlich auch ein Weg finden. Bis man so die einzelnen Etappen dieser Beschaffungskriterien durchschritten hat, gibt es immer verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden, doch das ist ja nicht weiter von Bedeutung. Es braucht ja immer erst einiger Vorarbeit, bis man solch eine Quelle erschließt, manchmal ist es fraglich, ob sie überhaupt ergiebig ist, denn manchmal werden einem nur leere Versprechungen gemacht und man sieht dann hierher in die Röhre. Darum kann man nur über das verfügen, was man tatsächlich in der Hand hat.
Lasse Dich und die Kinder bestens grüßen und nehmt jeder von mir einen recht herzlichen Kuß entgegen. In Liebe zu Euch bin ich immer Dein Ernst.

Brief 526 vom 01.03.1944


Du meine Liebste!                                                                                       1.3.44 

Ich kann ja wieder recht zufrieden sein, denn ich habe vier Briefe gestern von Dir erhalten, die mich recht gefreut haben. Es waren die vom 21.  zwei Stück, 22. und 23.2. Vielen und herzlichen Dank muß ich Dir dafür sagen. Du warst recht in Sorge um unsere Angehörigen in Leipzig, doch nun hat sich ja herausgestellt, daß sie alles glücklich überstanden haben. Ich erhielt auch den Bericht Deines Vaters, in dem er die Bombardierung schildert. Auf der Herfahrt kam ich schon im Zug mit einem Leipziger zusammen, bei dem ich mir insofern einige Beruhigung holen konnte, indem er mir mitteilte, daß vorwiegend der Süden angegriffen worden sei. Das hat sich ja auch nach dem Bericht Deines Vaters alles bestätigt. _ Daß unser Junge das Gedicht vom Büblein auf dem Eise praktisch ausprobieren mußte, das wäre ja nicht unbedingt erforderlich. Es war nur gut, daß es nach der Schule passiert ist, denn sonst hätte er doch dort auch noch Schwierigkeiten bekommen. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß der Bach so tief sein soll, daß er hat schwimmen müssen. Ob er sich da nicht geirrt hat? Immerhin war es ja gut, daß er schwimmen kann, denn es hätte ja leicht Schwierigkeiten geben können für ihn. Sein Freund Richard ist doch immer noch ein spaßiger Geselle, der ja auch bei diesem Streich dabei war. Hat er sich nicht etwa an einem der Ziegeleitümpel aufgehalten? Die ausgestandene Angst wird ihm hoffentlich eine Lehre gewesen sein,. Zweck hat es ja nicht, wenn man des Langen und Breiten redet, denn diese Bengels wollen doch alles erst am eigenen Leib verspüren, bis sie sich von der Rechtmäßigkeit solcher Lehren überzeugen lassen. Ich muß schon sagen, daß Du an dem einen Tag recht fleißig warst und mir gleich zwei Briefe geschrieben hat test. Aber andererseits war es ja auch eine Entschädigung für den ausgefallenen Brief vom Vortag. Dein Besuch beim Zahnarzt hast Du ja nun hinter Dir, und, wie ich lese, hast Du einige Schäden, die beseitigt werden müssen. Was soll dann die Krone kosten, die Du machen lassen mußt? Wenn Dir damit der Zahn erhalten bleibt, dann man zu.
Das hat mich gewundert, daß Dich Resi bat, mit ihr ins Kino zu gehen. Wie es scheint, hat sie jetzt wenig Umgang. Aber wie Familie Bautz auch sein mag, im großen und ganzen gesehen waren sie immer noch die nettesten zu uns. Wenn wir auch mit manchen Eigenheiten nicht konform gehen und wir manches ablehnen, so haben sie doch eine Linie und Art zu leben, die wir für uns selbst auch in Anspruch nehmen. Für Resi selbst ist es ja so, daß ihre Mutter noch stark ihr Wesen beeinflußt. Ich glaube, daß sie sich in mancher Hinsicht anders geben würde, wenn sich ihre Mutter nicht immer in ihrer Nähe aufhalten würde. Doch das sind ja eigentlich keine Sorgen für uns, doch solche Gedanken kommen einem manchmal, wenn man gerade solche Fragen miteinander bespricht. Was nun Deine Kritik an dem Film „Gabriele„ betrifft, so hast Du nicht ganz unrecht. Aber schauspielerisch ist er ganz beachtlich, das läßt sich nicht abstreiten. Auch verschiedene ethische Dinge wurden in diesem Film behandelt, die zum Nachdenken Anlaß geben. Was die Folgerichtigkeit dieses Stoffs selbst anbelangt, so gibt es manche Lücken, die unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich wirken. Daß Du aber einen künstlerisch wertvollen Film auch gern siehst und bevorzugst, das beruhigt mich, denn ich hatte ja von Dir nicht erwartet, daß Du nun mit einem Mal den amerikanischen Kitsch für schön befinden könntest. Daß die Schlittschuhlauferei etwas für sich hat, das kann ich ja nicht verkennen. Aber ich habe hier reine Eislauffilme gesehen, die zum Teil eben weil sie nur Eislauf allein brachten, wirkungsvoller waren.  In diesem Zusammenhang schrieb ich Dir doch kürzlich von Sonja Hennie. Dieser Tage las ich in der Zeitung, daß sie tödlich verunglückt sei. Was nutzen ihr alle diese Weltmeistertitel. Sie hat doch ein ziemlich kurzes Leben gehabt. Wenn jetzt so viele Menschen gewaltsamen Todes sterben, dann fällt das zwar nicht mehr entscheidend ins Gewicht. 
Ich werde nun an die Bausparkasse schreiben, daß die Überschreibung auf beide Namen erfolgen soll, dann sind wir diese Geschichte los. Von mir aus kann es auch auf einen Namen laufen, denn praktisch ist es ja gegenwärtig weiter nichts wie eine Sparkasse. Aber vielleicht ist es doch am besten, wenn wir es so machen. Mir selbst ist das gleichgültig. Was Du jetzt an Geld dafür verwendest, das schreibe doch bitte einmal auf ein besonderes Konto. Es ist nur später einmal wegen der Übersicht. Denn im Lauf der Zeit vergißt man es ja sonst doch. Ich habe ja auch jetzt für die Ahnenforschung wieder nach Polenz ,60 RM bezahlt. Das kannst Du auch in der betreffenden Aufstellung noch eintragen, damit diese auch ihre Vollständigkeit hat. Ich habe mir hier notiert 6.12.43 ,75RM Pfarramt Neusalza, 7.12.43 Standesamt Neusalza ,60RM, 23.1.44 Pfarramt Bautzen Bautzen 7,8oRM, das hat aber nur 7,20 RM gekostet, weil ich 0,60 RM zurückerstattet erhielt. Überprüfe doch bitte unsere Nachweisung und ergänze sie dann bitte entsprechend.
Ich habe hier neue deutsche Luftpostmarken gesehen, die es bei Euch wahrscheinlich noch geben wird, doch nur bis 15. März. Kaufe mir doch bitte von jeder Marke auf mein Konto je ein Viererblock, wenn möglich Eckstücke. Ich lege Dir heute wieder einige Kleinigkeiten von Marken bei, die Du bei Gelegenheit mit einsortieren kannst. Du meinst, ich hätte wieder Glück gehabt, daß ich mir wieder einen Soldaten aufgegabelt habe wegen der Briefmarken. Das kann man wohl sagen, doch jetzt hat sich schon wieder etwas ergeben. Zu uns ist ein Schreiber kommandiert, der anscheinend eine recht bedeutende Markensammlung haben muß, wenn er mir nichts vorgeflunkert. Der will ich Sachen von daheim zum Tauschen schicken lassen. Ich habe mich bei ihm schon angemeldet, damit ich erst einmal abgrasen kann, was er unter seinen Doppelten hat. Ich bin ja gespannt, ob er mich nur angekohlt hat oder ob das Tatsache ist, was er erzählt hat. Dagegen wäre ich ja mit meiner Sammlung nur ein kleiner Pimpf. Den Soldaten habe ich ja schon ausgefleddert, bei dem kann ich nichts mehr erben. Doch mit dem Erfolg kann ich wirklich zufrieden sein.  Es freut mich sehr, daß Du mir die Versicherung abgegeben hast, daß Du mir später mein Album wieder geben willst und daß ich deshalb nicht erst einen Kampf mit Dir ausfechten muß. Schade ist es ja, daß wir um diese Kappelei herumkommen. Du findest ja auch, daß es lustig wäre. Du denkst wohl, daß ich den Kürzeren ziehen werde? Wenn ich mich aber besonders anstrenge, dann würde ja meine Niederlage nicht gar zu schlimm ausfallen.
Heute hatten wir ganz warmes Wetter wie im schönsten Frühling. Man muß sich aber mächtig vorsehen, daß man sich nicht wieder erkältet. Mein letzter Schnupfen hat sich immer noch nicht ganz ausgetobt. Ich kann wohl ohne Übertreibung feststellen, daß ich seit Jahren nicht mehr solch einen Schnupfen aufzuweisen hatte wie heuer. Meine Reise nach Saloniki im kalten Zug und der Aufenthalt während der kalten Tage in der Stadt und im kalten Hotelzimmer haben wesentlich zur Förderung und Entwicklung dieses Prachtschnupfens beigetragen. Ich denke aber, daß ich nun das Dickste doch überstanden habe.
Auf meiner Rückfahrt von Saloniki konnte ich schon beobachten, daß gleich hinter den Thermopylen das Klima freundlicher wurde und daß auch die Natur schon weiter voran war in allem. Das Schönste war aber, daß schon die Aprikosen und die Mandelbäumchen blühen. Im vergangenen Jahr sah ich das, als ich Ostern nach Dnjepropetrowsk reiste und  in diesem Jahr ist es schon im Februar. Man merkt doch, daß ein wesentlicher Unterschied besteht. Heute wurden nun diese Blüten in Massen angeboten. Es ist doch recht erfreulich, aber nicht nur das, sondern schön sind sie auch.
Nun habe ich aber für heute wieder genug geklönt. Grüße Vater recht herzlich von mir und auch die Kinder. Bleibt Ihr alle recht gesund und nimm viele Küsse von mir entgegen. Dein Ernst.

Mittwoch, 6. März 2019

Brief 525 vom 29.02.1944


Mein liebes gutes Mädel!                                                                           29.2.44   
      
Da haben wir ihn, den Schaltjahrestag. Es ist ja immerhin bemerkenswert, denn er kommt ja nur alle vier Jahre vor. Das geht aber auch bald vorbei.  Es ist vielleicht noch insoweit von Bedeutung, als man mit seinem Geld einen Tag länger auskommen muß.
Kino habe ich in den letzten Tagen genug gesehen. Am Samstag war ich im Kino am Sonntag auch und gestern sogar zweimal. Ich habe mir nacheinander angesehen „Herz modern möbliert“, „Akrobat schön“, „Ein Mann mit Grundsätzen“ und „Die geheime Wandlung des Alex Roscher“. Beim ersten Film mußte ich feststellen, daß ich ihn vor längerer Zeit schon einmal gesehen hatte, doch ich war versöhnt, weil ich mir bei dieser Gelegenheit den bunten Zeichenfilm von Fischerkosen mit der Wespe ansehen konnte, der wirklich sehr gelungen ist. Die beiden letzten Filme waren ganz ordentlich; besonders der letzte hatte ganz nette Szenen mit kriminalistischem Einschlag. Es ist nur gut, daß nicht alle neuen Filme so sind, wie ich sie gerne habe, denn sonst würde ich mir mit der Zeit das Kinolaufen doch abgewöhnen. _ Nun will ich noch die unbeantworteten Fragen aus Deinen letzten Briefen erledigen. Du wunderst Dich über die Kleidung der griechischen Soldaten Für uns ist das auch ein ungewohntes Bild. Wir haben eine ganz andere Vorstellung vom Soldatischen. Ich muß sagen, und das wird auch immer allgemein bestätigt, daß sich diese Männer recht gut halten. Im Einsatz gegen die Banden haben sie sich wiederholt bewährt. Für uns und insbesondere für die griechische Regierung sind sie eine beachtliche Hilfe. Ganz abgesehen von den Blutopfern, die diese Einheit schon gebracht hat, sind sie auch so in der Gesamterscheinung recht straff. Die Evzonen sind gewissermaßen eine nationale Garde, das militärische Rückgrad der Regierung. Seit einiger Zeit veranstalten sie jeden Sonntag einen Parademarsch durch die Stadt. Vornweg die Fahne, eskortiert von 5 Evzonen, dann eine Fahnenwache mit einem Kommandeur, der recht wuchtig ausschaut. Diese Leute sind alle rein weiß gekleidet, dazu tagen sie schön gestickte bunte Umhänge. Das sieht alles sehr farbenprächtig aus. Der Führer von dieser Fahnengarde trägt ein Türkenschwert und dazu ein Par gestickte Stiefel, was die ganze Persönlichkeit noch mehr herausstellt. Die anderen sind dann einfacher gekleidet und dann folgt eine Kompanie, die hat dann eine kriegsmäßige Uniform. Aber immer diese engen Hosen und der weite Rock sind immer das Grundlegende für die Bekleidung. Wenn ich die Italiener dagegenstelle, dann ist doch ein wesentlicher Unterschied in der Straffung festzustellen.
Ich bin mit Dir auch einer Meinung, daß es nicht gerade notwendig ist, wenn Erna nun noch jemand mit angeschleift bringt. Ich würde an Deiner Stelle nichts weiter unternehmen. Du weißt ja, was man immer für Dank von solchen Besuchen hat. Erna wird eben auf dies Bekleidung verzichten müssen. Es ist ja dann auch wieder die Verpflegung und was sonst alles noch mit einem solchen Besuch zusammenhängt. Ich kenne doch die Sachsen und die Leipziger im besonderen. Wenn Erna mit dem Kind kommt, dann soll es mir recht sein, denn wir sind nicht so gestellt, daß wir uns solche jungen Gänschen , die uns fremd sind, ins Haus laden können. Wenn dann etwas gezahlt werden soll, dann ist es meist zuviel. Du weißt selbst, was wir schon für Erfahrungen gesammelt haben.  Ich freue mich jedes mal, wenn ich lesen kann, daß Ihr Euch beim Baden immer so schön unterhaltet. Ihr gehört ja mit zu den Stammbesuchern. Bald kommt ja die Zeit, da könnt Ihr wieder im Freien baden, das wird unseren Beiden wieder recht sein, wenn sie sich im Freien tummeln können. Der Lehrgang für Springer wird unser Mädel sicher interessiert haben, denn das ist doch ihr Vergnügen.
Es ist nur gut, daß Du unserem Mädel ein bisschen auf die Finger sehen kannst, gerade in Bezug auf die fremde Sprache. Ich muß mich immer wieder wundern, wie gut die Leute hier Deutsch beherrschen.  Ich komme doch öfter zu einem Jungen, der hat deutschen Unterricht in der deutsch griechischen Schule, aber er kann schon fast fehlerlos Briefe schreiben. Ich habe jetzt bei meinem Besuch in Saloniki sehen können, wie griechische Mädchen, die bei deutschen Dienststellen beschäftigt werden, flott deutsche Korrespondenz erledigen und deutsch sprechen, ohne irgendwelche fremdländische Beilaute. In dieser Beziehung haben uns diese Menschen hier etwas voraus. Bei einer Dienststelle, die ich dort aufsuchte, traf ich ein älteres Fräulein, die konnte sich in 7 Sprachen verständigen und sie sagte, daß sie bedauere, daß es nur 7 wäre. Es liegt hier auch viel mit daran, daß die Griechen immer Handel getrieben haben, sich viel im Ausland aufhalten mussten und daher auf die Fremdsprachen angewiesen waren, wenn sie sich durchsetzen wollten. Schön ist es, wenn man sich in fremder Sprache verständigen kann allerdings nur dann, wenn es notwendig ist. Ich bin schon immer froh, wenn ich mich mit meinem bruchstückhaften Französisch durchhelfen kann. Spaß macht es mit, wenn sich dann andere Leute unterhalten und man kann dem Gespräch folgen und sie sind der Meinung, man versteht nichts.
Daß Du an „Fidelio“ im Rundfunk so Gefallen gefunden hast, das ist ja schön. Du weißt ja, daß ich auch für schöne Musik etwas übrig habe. Ich hörte kürzlich einige Sachen aus „Madam Butterfly“, das hat mich so lebhaft an die Aufführungen in Charkow erinnert und hat mir das Erlebnis dieser Theaterbesuche wieder wachgerufen. Es gibt da so herrliche Melodien, die zu hören wirklich ein Genuss sind.  Wenn Du Dir dazu die passenden Textbücher besorgst, dann hast Du bestimmt mehr davon. Aber auch die Musik als solche ist doch sehr schön. Was haben wir doch für große Tonkünstler gehabt. Es ist nur schade, daß unser Theater in Konstanz nicht so leistungsfähig sein kann. Wenn ich nur an die Ballettszenen denke, die uns in Rußland geboten wurden, und wenn man jetzt diese Hopserei im Film sieht, dann kann einem schon das Frieren ankommen. Ich verstehe nicht, daß man dieses klassische Ballett so in den Hintergrund drängt und dieses „moderne Tanzen“, wie man es so gern nennt, so hervorzieht. Ich glaube ja auch nicht, daß ich mich zu den altmodischen Menschen zählen brauche.  aber diese Richtung, die jetzt angeschlagen wird, entspricht nicht meinem Geschmack. Von meiner Reise nach Saloniki habe ich wieder einige Zigaretten mitgebracht, die ich Dir jetzt mit verschicken werde. Damit das Gewicht etwas ausgeglichen wird, habe ich Dir noch zwei Tuben mit käse dazugepackt, die ich mir aufgespart habe, weil sie mir zu viel in der Marschverpflegung waren. Das Päckchen trägt die Nummer 33 und ich habe es heute abgesandt. Außerdem gingen heute wieder einige Heftchen an Dich ab, die ich ausgelesen habe. Ein Paket mit Rosinen muß ich erst noch umpacken, weil es zu schwer ist. Das wird aber schon bald erledigt sein, so daß ich das auch los werde.
Mit einem festen lieben Kuß und vielen herzlichen Grüßen an Dich und die Kinder, bin ich immer Dein Ernst.

Brief 524 vom 28.02.1944


Mein lieber guter Schatz!                                                                        28.2.44   
     
Wir haben wieder einmal Wochenanfang, doch ich bin gegenwärtig ohne fest Tätigkeit. Ich brauche aber nicht weiter böse darum sein, denn ich kann mich ja auch einmal mit der Arbeit von Weitem beschäftigen. Von mir und vom Sonntag habe ich nichts besonderes zu berichten, aber ich kann mich ja noch auf die Beantwortung Deiner restlichen Briefe beschränken.  Mit der Kinogeschichte hat ja alles seine Erledigung gefunden, nachdem ich kürzlich ausführlich Stellung zu verschiedenen Filmen genommen habe, bist Du doch mit meiner Auffassung bekannt geworden, Ich war gestern auch im Kino und habe mir den Film „Akrobat Schön“ angesehen. Ich finde, dass meine Feststellung, daß wir in Bezug auf Kunst einen Weg gehen, der vor nicht allzu langer Zeit restlos abgelehnt wurde, mit dem Schlagwort „amerikanisches Jahrhundert“ nur immer wieder unterstrichen wird. Da wird eine Tanzkunst gezeigt, die ich wirklich nicht als schön bezeichnen kann. Wenn ich zwar öfter Sachen finde, die mir nicht so gefallen, so kann ich doch immer sehen, wie es nach meiner Ansicht nicht sein soll. Für mich lag ja kein Anlass vor, mich über unsere Auffassung zu ärgern. In dieser Richtung mußt Du Dir keine Gedanken machen.  Wenn Du schreibst, daß die Kinder soviel Hunger haben, so ist das ja ganz erklärlich. Ich kann mich immer noch an die Zeit unserer Kindheit erinnern. Die Nahrungsmittel haben doch nicht mehr den Nährwert wie zu anderen Zeiten. Der Körper selbst ist auch nicht in der Lage von sich aus zuzuschießen, so daß immer ein Hungergefühl vorhanden ist. Das, was auf die Marken abgegeben wird, das ist schon richtig, wenn man damit ein oder zwei Jahre auskommen muß. Aber ganz ohne Zuschuss von anderer Seite durchsteht man diese Zeit nicht, ohne daß der Körper Schaden nimmt. Bei uns Erwachsenen ist das nicht ganz so schlimm aber bei den Kindern, deren Körper noch im Aufbau beschaffen ist, da liegen die Dinge schon wesentlich anders. Gerade aus diesem Grund sehe ich es immer als eine meiner ersten Pflichten an, für Euch daheim zu sorgen, soweit mir das hier unter den jeweiligen Umständen möglich ist. Ich möchte gern manchmal mehr tun, aber es bestehen nun einmal gewisse Grenzen, in denen man sich halten muß. Bei Paula will es jetzt auch nicht klappen. Die Zur-Ruhe-Setzung von Albert und jetzt ein Aufenthalt im Krankenhaus. Auch mit ihrem Kurt muß es anscheinend nicht ordentlich gehen, denn sonst würde er ja nicht vom Wehrdienst entlassen. Wir haben uns nicht in ihre Verhältnisse gemischt, als es ihnen gut ging, wir haben auch keine Veranlassung, uns jetzt ungefragt darum zu kümmern. Ja früher war der Junge bei Häusler. Es kann ja sein, daß die Firma Pintsch irgendwie damit zusammenhängt, oder hat Paula dirt wieder vorgearbeitet? Doch lassen wir das.  Ich habe auch schon daran gedacht, für Vater noch eine Tabakpfeife zu erwerben. Das werde ich in den nächsten Tagen besorgen. Die ich Dir inzwischen schon zugesandt habe, die schickst Du ja Deinem Vater bei Gelegenheit mit zu. Dazu reicht mir das Geld immer noch. Daß das in der Heimat jetzt Schwierigkeiten macht, solche Artikel zu bekommen, das kann ich mir wohl vorstellen.
Du hast Dich ja recht juristisch ausgedrückt, als Du mir klarmachtest, daß die Schuld an mir liegt, wenn die Flasche Moselkirsch ausgetrunken ist. Aber da läßt sich nun leider nichts mehr daran ändern, wenn zwei solche Säufer wie wir beieinander sind, dann wird das Zeug mit der Zeit schon alle. Aber wir haben uns ja dann nichts vorzuwerfen, wenn es nun einmal so ist. Wenn Du auch schreibst, daß Du die Flasche wieder weggestellt hast, nachdem Dein Halsweh vorbei war, so ist mir das keine reine Beruhigung, denn ich überlege mir, ob Du sie nun leer hast oder ob noch die Hälfte drin ist, denn verdächtig ist mir, daß Du mir weiter mitteilst, daß ich mir keine Gewissenbisse machen muß. Wie meinst Du das nun wieder? Daß Du Dich mir nun vollkommen angeglichen hast oder ist etwa doch noch etwas in der Flasche drin? Ja, ich denke, ich werde von Dir darüber noch hören. Jetzt muß ich Dich aber mächtig in die Enge getrieben haben. Ja, das ist nicht so einfach, wenn ich wieder einmal anfange, die verschiedenen Dinge zu zerpflücken.
Ich kann verstehen, daß Du Dich ein zweites Mal hast erweichen lassen und noch einmal Einquartierung angenommen hast. Es ist nicht einfach für die Leute, bei einer solchen Massenbelegung irgendwo unterzukommen. Du hast ja nun für Deinen Teil geholfen, vielleicht ist man auch einmal froh, wenn man irgendwo Entgegenkommen findet. Es kann ja wieder eine ganze Weile dauern, bis ein solcher Fall eintritt, nachdem die Soldaten Euch jetzt wieder verlassen haben.
Vater erhält jetzt zu seiner Rente eine Zusatzunterstützung. Es ist ja zwecklos und es wäre dumm, wenn er diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen würde. Es ist ja eine Sache, die gerade für diese Leute gedacht ist. Wie kommt er dann mit dem Betrag aus? Was macht er jetzt überhaupt, wo er über seine ganze Zeit verfügen kann? Hat er schon versucht, sich eine neue Beschäftigung zu verschaffen? Ich weiß ja nicht, wie es ihm sonst geht. Ich glaube ja, daß die Beschwerden besser geworden sind, seit er das Bruchband trägt.
Ich muß Dir schon meine Bewunderung und Anerkennung aussprechen, wie Du Dir den Widerstand zurechtgeflickt hast. Du mußt aber Obacht geben, daß der Draht nicht zu kurz wird. Gut wäre es ja, wenn man einen gleichen Draht dazu bekäme. Daß bei dieser Gelegenheit alles andere auch mit auseinandergefallen ist, das ist ja weniger erfreulich gewesen. Das ist schon weniger schön, wenn man ohne Radio daheim sitzen soll. Aber bei Dir kleinem Rundfunkfachmann klappt es ja ohne große Schwierigkeiten.
Ich muß mich schon selbst wundern, daß ich mit meinen Zähnen noch keine Schwierigkeiten weiter gehabt habe. Bis jetzt ist anscheinend noch alles in Ordnung. Ich kann Dir nachfühlen, daß das kein Vergnügen ost, wenn man zum Zahnarzt gehen muß, wenn man schon im Vorgefühl sich sagen muß, es gibt mehr zu machen und es geht nicht ohne Schmerzen ab. Gut ist ja, daß Du die Kinder immer anhältst, daß ihre Zähne immer in Ordnung sind. Auf diese Weise werden ihnen doch die Zähne immerhin länger erhalten, wenn man von Anfang an so aufpaßt, wie es notwendig ist.
Das ist ja interessant, wie sich unser Töchting zusammenreißt, weil sie in Gesellschaft von Jungens kommt bei dem Besuch des Chors.  Es ist nur gut, daß man sich auf sie verlassen kann und man weiß, daß sie sich in allen diesen Dingen vertrauensvoll an Dich wendet. So nach und nach kommt sie nun in das Alter, in dem man aufpassen muß auf sie. Es ist ja kein Schade, wenn sie auf sich hält, weil sich das für ein Mädchen gehört. Sie ist ja auch ein ordentliches und sauberes Mädel und hat wohl Veranlassung, darauf zu sehen, daß sie es auch bleibt. Soweit ist es ja noch nicht, daß man schon weiter denken muß, denn es kommt alles zu seiner Zeit, aber wie schnell vergeht die Zeit. Wenn nicht gerade die Kriegsjahre so hart zeichnen würden, dann könnte man fast meinen, es sei erst vor kurzer Zeit gewesen, als sie noch in der Wiege lag. Als sie ihre ersten Gehversuche unternahm, als sie noch bei Deiner Mutter auf dem Arm war und alle die anderen Besonderheiten, an die man sich so erinnert. Ich muß immer an das graue gestrickte Kleid denken, wie sie damit herumstolziert ist, als wir mit ihr zum Tabor hinübergelaufen sind. Beim Bach bereitete es ihr einen unendlichen Spaß, Steine hineinzuwerfen. Wie im Fluge sind diese Jahre vergangen. Am Anfang ihrer Lebenszeit hat man die Tage halten wollen, weil sich immer wieder etwas Besonderes ergab.
Fein ist es ja, daß Dir unsere Helga schon beim Handschuhstricken behilflich sein kann. Ich weiß ja, daß Du solche Arbeiten gern machst, doch hast Du ja immer nach kurzer Zeit über Kreuzschmerzen zu klagen, weil Du es auf längere Dauer nicht verträgst. Ganz abgesehen davon, wirst Du ja auch schneller fertig.
Das Geld habe ich richtig erhalten, das will ich Dir zur Beruhigung und als Bestätigung noch mitteilen. Sonst habe ich heute weiter nicht zu berichten. Morgen geht es wieder weiter. Recht viele liebe und herzliche Grüße und einen lieben Schmatz dazu sendet Dir Dein Ernst.

Brief 523 vom 27.02.1944


Du mein liebstes Mädel !                                                                          27.2.44         
    
Gestern Nachmittag bin ich, wie vorgesehen wieder hier gelandet.  Es ist alles gut gegangen, nachdem ich einige Unstimmigkeiten vorher noch geradebiegen konnte. Ich habe während dieser Tage einiges gesehen und auch manches hinzugelernt. Was mir nun sehr wichtig war, ich finde von Dir fünf Briefe vor, auf die ich mich schon mächtig gefreut hatte. Sie stammen vom 12. 13. 14. 16. und 17.2. Von Deinem Vater waren inzwischen einige Hefte wieder eingegangen und von Amelshain bekam ich noch einen Auszug aus dem Geburtsregister über Jubisch. Das war alles, was ich an Post vorfand. Das ist doch ganz nett. Interessant ist, daß dieser Jubisch am gleichen Tag geboren wurde wie unsere Helga. Den Auszug sende ich Dir gleich wieder mit, nachdem ich schon meine Unterlagen entsprechend ergänzt habe. Doch nun will ich erst einmal schön der Reihe nach Deine Briefe beantworten.
Gefreut habe ich mich, daß Du mit wieder von Eintreffen verschiedener Päckchen berichten konntest. Das ist immer fein, wenn die Sachen bei Dir richtig ankommen. Wie ich lese, hast Du für diese Sachen immer wieder laufend Verwendung. Daß Dir das getrocknete Brot bei der Fütterung der Kinder zustatten kommt, das freut mich ganz besonders. Ich habe hier und vor allem von meiner Reise her einiges ersparen können, das gibt nun etwas für Euch. Ich kann in diesen Tagen schon etwas zusammenpacken und das geht dann gleich auf den Weg. Daß Du in der letzten Zeit mit Deinem Geld so in Anspruch genommen warst und daher keine Ersparnisse machen konntest, das läßt sich nun einmal nicht ändern. Ich hoffe aber, daß Du doch nicht genötigt bist, Einschränkungen in Eurem Leben vornehmen zu müssen, weil Du Geld auf der Bank liegen hast und Ihr müßtet etwa hungern. Du weißt, ich lasse Dir in diesen Dingen immer freie Hand, denn ich bin davon überzeugt, daß Du keine Ausgabe machen wirst, die nicht notwendig ist. Bei passender Gelegenheit kann man ja wieder etwas einzahlen, doch das gebe ich Dir wieder bekannt. Es ist ja schon ein ganz ansehnlicher Betrag, den wir in den letzten Jahren zusammengespart haben. Wenn ich zwar sehe, was andere Kameraden anstellen, dann hätten wir während dieser Jahre eigentlich nichts erreicht. Aber ich bin kein Freund von dieser Art, das Geld zu erwerben. Ich habe gesehen, wie Soldaten im Zug 50 RM und mehr innerhalb kurzer Zeit mit Karten verspielt haben.  Ich habe mir erzählen lassen, daß Soldaten zehntausend Mark während eines Urlaubs einkassiert haben aus verschiedenen Geschäften, die sie gemacht haben. Aber das soll mich nicht sonderlich kümmern. So, wie wir bis jetzt gelebt haben, werden wir durchkommen und ich hoffe, daß wir es auch in Zukunft schaffen werden.
Ich hatte hier einige Eier durch einen glücklichen Umstand erhalten. Wie ich nun lese, daß Ihr schon länger keine bekommen hattet, da habe ich bedauert, daß ich sie Euch nicht schicken kann. Aber es ist ja ein großes Risiko, von hier aus welche nach hause zu senden, denn der Transportweg ist doch recht weit. Es ist schade, daß man immer nur so wenig von manchen Sachen hat. So auch von der Hirse. Das freut mich, daß sie den Kindern geschmeckt hat. Aber wenn es auch nicht viel ist, so helfen doch die verschiedenen Wenig zu einem Ganzen. _ Mich freut es dann außerdem noch, wie ich von Dir hörte, daß unser Sprößling sich nun über das Schlittschuhlaufen hergemacht hat. Daß unser Mädel dabei Pech hatte und auf den Steiß gefallen ist, das ist schade. Ich weiß, das ist sehr schmerzhaft. Inzwischen hat sich das wohl wieder gegeben und ist sicher schon vergessen.
So intensiv brauchst Du Dich nun nicht mit den Briefmarken zu beschäftigen, daß Du gleich Kopfschmerzen bekommst. Ich kann mir das zwar nicht vor stellen, aber es muß es schon geben, wenn Du davon Schreibst. Mir persönlich macht das nichts aus. Ich bin zwar auch keiner von denen, der nun stundenlang über eine Abart oder irgendeine Änderung an einer Marke diskutieren kann, aber was das Sammeln so im landläufigen Sinn anbelangt, so habe ich einige Kenntnisse. Wenn ich hier zu jemand komme und fange an mit zu sprechen, dann legt man mir schon entsprechende Sachen vor. Habe ich einmal die Absicht, mir etwas anderes anzusehen, was so an die große Masse verkauft wird, dann  heißt es, das sei doch nichts für mich. Ich muß dazu lächeln, denn mich interessieren auch einmal diese Marken. Zu den Landkarten für unseren Sohn bin ich noch nicht gekommen. Ich hoffe aber, daß ich es in diesen Tagen möglich machen kann. Das ist ja ein billiges Vergnügen, das man ihm bereiten kann. Du fragst mich, für wie viel Male das Backpulver ist. Das kann ich nicht genau sagen, denn ich habe doch zwei Sorten geschickt. Das eine ist meines Wissens für 3 und das andere für 4 Pfund Mehl. Ist das nur auf griechisch darauf geschrieben?  Ich glaube, daß Jörg genau so fleißig oder faul in der Schule ist wie ich. Soweit ich mich entsinne, habe ich immer nur das gelernt, was mir ohne große Anstrengung von selbst zugeflogen ist. Dieser Herr macht es wie sein Vater. Aber mit dem Ergebnis kann man trotzdem zufrieden sein. Wenn er sich dann später, wenn es mehr darauf ankommt, in die Dinge hinein kniet, dann kann er schon noch etwas schaffen. Wenn man nur wüßte, wie man seinen Ehrgeiz anspornen könnte. Er frisst eben nicht mehr als er gerade für den täglichen Bedarf braucht, wenn man es einmal grob ausdrücken soll. Daß unser Mädel einmal Pech gehabt hat im Rechnen, das kann sehr schnell passieren. Aber ich will ihr eines raten. Sie soll, wenn sie bei solchen Arbeiten noch Zeit dazu hat, ihre Aufgaben noch einmal richtig ansehen und durchdenken, dann kann sie sich manchen Fehler ersparen. Das ist zwar nicht notwendig, daß man sich nach negativen Beispielen richtet und sagt, andere Kinder haben den gleichen Fehler gemacht. Aber immerhin, ich hoffe, daß dies eine Ausnahme war. Aufpassen ist eben alles in der Schule und besonders in einigen bestimmten Fächern. Daß sie Dir davon erzählt, ist auch richtig, denn so kann man ihr doch nur helfen, wenn es irgendwo fehlt.  Einige Marken, die ich in Saloniki erworben habe, lege ich wieder für meine Sammlung mit bei. Dir und den Kindern viele liebe Grüße und recht herzliche Küsse. Bleibt gesund und denkt an Euer Vaterle. Dein Ernst.