Donnerstag, 14. Februar 2019

Brief 519 vom 11./12.02.1944

Mein liebster Schatz!                                                                                 11.2.44  

Heute habe ich wieder einen Brief von Dir erhalten, wofür ich Dir vielmals Dank sage. Dein Brief vom 2. hat eigentlich nicht lange gebraucht. Wie ich aus diesem Schreiben lese, hast Du nun nach einigen Verwicklungen doch noch Deine Einquartierung bekommen. Wo Du die Leute untergebracht hast, das konnte ich zwar aus Deinen Zeilen nicht ersehen, doch es würde mich, wie ich schon vor einigen Tagen schrieb, interessieren, wie Du es eingerichtet hattest. Wegen der paar Mark brauchst Du ja nicht diese Vermieterei vornehmen. Wenn es Dir nicht darum zu tun wäre, daß Du den Leuten damit geholfen hast, so lege ich keinen besonderen Wert darauf auf Einquartierung. Wir sind nun einmal in dieser Beziehung etwas sehr Einzelgänger, die in ihren Wänden gern allein hausen. Du selbst mußt es Dir auch immer erst überlegen, ob Di einmal eine Ausnahme machen sollst. Wie dem auch sei, Du hast es ja nun gelernt, wie Du mit solchen Leuten auskommst und kannst Dich dann danach richten, wie Du es in künftigen Fällen halten willst.
In Deinem letzten Brief nimmst Du wieder einmal Gelegenheit, mir ein Loblied zu singen. Du weißt ja, daß ich recht wenige auf das Gerede der Nachbarn Sei es nun, daß sie im schlechten oder guten Sinne sprechen.  Wichtiger dagegen ist mir schon, was Du mir zu sagen hast. Es stimmt. die Verhältnisse sind in allen Familien nicht so, wie es immer notwendig sein sollte. Gerade ich hatte ja in meiner früheren Tätigkeit reichlich Gelegenheit, die
Familienzwistigkeiten und andere Missstände zu beobachten. Wie hat man immer wieder gesehen, daß die Kinder schlechte erzogen werden, wie Väter sich ihren Pflichten ihrer Familie gegenüber entzogen und vieles mehr. Daß wir so harmonieren ist aber schließlich nicht allein mein Verdienst. Denn glaube mir, wenn Du nicht mit dazu beitragen würdest, aber alles in allem gesehen, wollen wir froh sein, daß es bei uns bis jetzt immer so geklappt hat, willen wir hoffen und auch dafür arbeiten, daß es so bleiben möge.
Daß Du der Ansicht bist, daß Vater unter den jetzt veränderten Verhältnissen doch besser allein kocht, kann ich verstehen und auch zustimmen. Wenn er eine Tätigkeit erhalten würde, die ihn halbtags in Anspruch nimmt, dann wäre ja der Fall wieder anders. Ich weiß, Vater ist immer streng darauf bedacht gewesen, mit seiner Mark selbst zu wirtschaften, weil er es auch besser einteilt, wie er immer sagt. Aber wenn es soweit kommt, wie er es z.Zt. gemacht hat, daß er überhaupt nichts kocht, dann muß man von sich aus etwas dagegen unternehmen. Daß Helga in die Malschule geht, wäre ja nicht unbedingt erforderlich. Vor allem, wenn es so ist, daß sie dort treiben können, was sie selbst Lust haben. Daß man dafür noch Geld ausgibt, ist dann nicht notwendig. Man muß ja schließlich wissen, wofür man etwas zahlt, ihm übrigen ist sie, wie Du es feststellst und wie ich das auch schon einmal betonte, durch ihre anderen Sachen ziemlich in Anspruch genommen, so daß es gut ist, wenn wie etwas Spielraum hat, um sich einmal auf sich selbst zu besinnen.
Mit der Schwimmerei hat es sich nun so entwickelt, wie es sich im letzten Sommer schon andeutete. Helga war beim Springen recht eifrig, während unser Junge weniger Geschmack daran hatte. Dagegen schwimmt er nun recht ausdauernd. Ich erinnere mich dabei an den Nachmittag, als ich ihm sagte, er soll einmal versuchen, die Strecke zwischen den beiden Pontons in einem Zug zu schwimmen. Dann hat er sich ins Wasser gestürzt und ist statt einmal viermal geschwommen. Ich freue mich immer wieder, daß sie sich so gut hineingefunden haben. Vor allem ist es ja so, daß sie selbst große Freude daran haben. Wie schön wäre das erst, wenn wir alle beieinander wären und das ausnutzen könnten. Doch weichen Gedanken kann man jetzt nicht nachhängen, denn das ist für keinen der Beteiligten gut.
Mit meinem Schnupfen ist es so, daß es am besten wäre, ich würde mir einen Tropfenfänger unter die Nase binden. Ich kann schon sagen, daß bei mir allen Brünnlein fließen. Aber solange eine Erkältung noch so herauskommt, will ich recht zufrieden sein. Ich glaube aber, daß er langsam im Abklingen ist, so daß ich dies auch wieder hinter mir habe, denn Kranksein beim Militär ist doch keine angenehme Angelegenheit, weil man doch recht allein ist und es kümmert sich doch niemand um einem in dem Maß, wie es daheim sonst möglich ist. _ Heute hätte ich nun Anlass, mit Dir wieder einmal zu schimpfen. Nun hast Du wieder ein Päckchen fertiggemacht mit Gebackenem, wo Ihr doch selbst gerade soviel habt, daß es für Euch reicht. Aber es ist immer eine zweischneidige Angelegenheit, wenn ich wegen dieser Dinge schimpfen will, denn Du wirst mir dann dagegenhalten, daß ich ja auch schicke. Doch es ist ja schon ein kleiner Unterschied dabei. Diese Sachen habe ich hier übrig, während Du von der Substanz nimmst. Ich will Dir aber Deine Freude nicht verderben, denn ich weiß, daß Du auch gerne einmal etwas Besonderes senden willst. Ich danke Dir darum schon im voraus recht herzlich für Deine Gabe. Nun schließe ich meinen heutigen Brief mit recht lieben und herzlichen Grüßen und vielen Küssen für Euch Drei. Dein Ernst. 

Du mein gutes Mädel!                                                                            12.2.44   
         
Herzlichen und vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 3./4. und 8.2., die ich heute erhielt. Ich habe mich sehr darüber freuen können. Die gesandten Marken sind alle richtig angekommen, ich werde sie hier entsprechend verwenden können. Gefreut habe ich mich aber auch, die Bestätigung über den Eingang von 8 Päckchen. Das ist ja so, daß man immer eine Sorge darum hat, ob auch alles das, was man so besorgt hat, auch richtig ankommt. Bei diesen Sachen war es ja wieder der Fall und das ist ja schließlich auch ein Anlass zur Freude. Ich habe heute die restlichen  ? aus meinem letzten Pack nachmittags abgesandt. Es sind die Päckchen 28 und 29, die Maismehl und Rosinen enthalten. Zwei weitere habe ich heute mit fertiggemacht, die gleich Anfang der kommenden Woche weggehen. So kommt doch eins zum anderen.
Von Deinem Vater erhielt ich heute den Rundbrief. Er ist anscheinend einmal nicht ganz zufrieden mit mir, nachdem ich Dir von einer Reise nach Leipzig abgeraten habe. Die Argumente, die er anführt, kann ich aber alle nicht gutheißen, denn wie man immer wieder hört, richtet der Engländer seine Angriffe auf die großen Städte Mitteldeutschlands und vor allem in das Rhein-Maingebiet. Zwar sicher ist man heute wohl kaum irgendwo in Deutschland, doch unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist die Gefahr in diesen Gebieten größer wie bei uns daheim. Das muß er verstehen, daß ich meine Familie nicht wissend einer Gefahr aussetzen will, die ich besser vermeiden kann. Zudem ist es doch so, daß Du wahrscheinlich auch keinen allzu großen Wert darauf legst, die Frau kennen zulernen. Außerdem ist doch nicht die Zeit dazu, lediglich nach Leipzig zu fahren, um die Trümmer anzusehen. Dein Vater mache im vergangenen Jahr soviel Theater, als er zu Besuch zu Dir kommen sollte. Ich verstehe nicht, warum es nun im umgekehrten Fall einfacher sein soll. Aber lassen wir das, denn bei diesen Sachen kommt ja doch nichts heraus, wenn man anfängt, sie zu zerpflücken. Auch von meinem Kameraden Finessen aus Rußland, der doch zur Dolmetscherkompanie zurückging, erhielt ich wieder einen Brief. Er ist jetzt mit einem Kosakenverband in Dalmatien eingesetzt worden. Man hat ihm aber den Offiziersdienstgrad genommen. Er ist jetzt als Unteroffizier eingesetzt. Er fühlt sich anscheinend nicht ganz wohl bei der Sache. Er beabsichtigt, sich jetzt eine Frontbewerbung zu holen und dann die Reservelaufbahn einzuschlagen Er ist bis jetzt von allen der fleißigste Schreiber und wenn ich alles noch einmal zurückdenke, so war er der Selbstloseste von allen, mit denen ich bis jetzt zusammen war. Zwar war er das nicht allen gegenüber, aber in besonderem Maße hat er sich mir gegenüber recht selbstlos gezeigt. Auch sonst war er in jeder Beziehung ein freundlicher Kerl. In diesen Tagen ist es ein Jahr her, seit wir uns anlässlich unseres weiteren Rückzuges von Poltawa nach Kiew tiefer kennen lernten. Es war damals auch keine rosige Stimmung, die uns leitete, aber die Lage war doch bei weitem nicht so schwierig, wie sie zum Beispiel jetzt ist. Sie ist zwar noch nicht zum Verzweifeln, denn man könnte fast von einer verdächtigen Ruhe unsererseits sprechen, wie wir jetzt diesen Dingen gegenüberstehen, doch hoffen wir, daß sich unsere Mutmaßungen bestätigen werden und daß wir in nächster Zeit wieder mit einigen Erfolgen aufwarten können.
Heute habe ich wieder einmal Glück gehabt. Auf der Straße traf ich bei einem fliegenden Händler einen Soldaten, der deutsche gegen griechische Marken umtauschte. Der Soldat hatte verschiedene Sachen dabei, für die ich Verwendung hatte.  Also habe ich ihn mit gleich gekapert und mit in mein Hotelzimmer gelotst. Dort habe ich ihm einige von meinen griechischen Doppelten vermacht. Was mir dann einige andere Marken einbrachte.  die meine Sammlung wieder mit bereichern werden. Ich habe dann noch einige vom Protektorat gekauft, die ich auch mit beifüge. Ich hoffe, demnächst noch einige zu bekommen, so daß sich wieder einige Lücken schließen. Man muß ja nicht alles satzweise kaufen, denn so kann man sich jedes mal wieder darüber freuen, wenn man etwas dazu erworben hat. Ich füge sie zum Einordnen wieder mit bei. Ich glaube, daß Du an meiner Stelle weitersammelst, wenn ich einmal mein Album hier haben will. Oder würdest Du es mit doch überlassen? Ja? Das wäre ja recht lieb von Dir.
Wo Du Deine Einquartierung untergebracht hast, glaube ich aus Deinem Brief vom 3. zu lesen, der zwischen den anderen gefehlt hatte. Nun ist diese Sache ja auch wieder überstanden. Wenn Du den Leuten damit geholfen hast, dann soll ja alles recht sein. Gefreut hat es mich, daß die ersten Apfelsinensendung ziemlich unbeschädigt angekommen ist. Ich werde ja nun auch bald erfahren, wie die anderen die Reise überstanden haben werden. Meine Bedenken waren jedenfalls recht groß, doch ich sagte mir, daß man es versuchen muß. Wenn alles ordentlich ankommt, dann ist ja alles gut. Ist dagegen etwas kaputtgegangen, dann ist der Verlust den Wert nicht gar so groß.
Ich schließe mit recht lieben und herzlichen Grüßen und Küssen. Küsse auch die Kinder vielmals von Deinem Ernst.

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