Sonntag, 10. Februar 2019

Brief 518 vom 09./10.02.1944

Meine liebste Annie!                                                                              9.2.44          

Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 2.2., der mir heute zugegangen ist. Ich freue mich jedesmal, von Dir die täglichen Ereignisse zu erfahren , um dann auch gleichzeitig zu wissen, wie es Euch so geht. Die letzten Auszüge aus den Registern des Pfarramtes Bautzen hast du nun auch bekommen. Es ist doch schon eine ganz nette Ergänzung unserer bisherigen Unterlagen. Wenn man so Stück für Stück heranbekommt, so macht das schon Spaß. Ich habe inzwischen wieder in Amelsheim angemahnt, weil die nicht von sich hören lassen. Aus Dietersbach bekam ich Bescheid, das sämtliche Register ab 1810 bombensicher verpackt sind und daß ich wohl keine Aussicht hätte, in der gegenwärtigen Zeit über dieses Datum hinaus etwas zu bekommen. Das zuständige Pfarramt wurde mir auch mitgeteilt. Trotz dieser Mahnung habe ich es doch noch einmal versucht, und bei dem ordentlich zustehenden Pfarramt meine Frage wiederholt. Eine neue Anfrage habe ich nach Dobriilak  ?  gerichtet wegen der Familie Kobert. Das zuständige Pfarramt habe in inzwischen erfragt. Dieses Mosaik läßt sich doch nach und nach mit jedem Stein vervollständigen. Weitere Urkunden sind ja wieder unterwegs, wie ich annehme, so daß alles noch schön im Fluß ist. Daß ich dieses Geld schon von hier aus überwiesen habe, das braucht Dich nicht gleich zu erbosen, denn ich kan das machen. Wir bekommen doch nur die Hälfte unseres Geldes in Landeswährung, die wir für unsere Käufe hier verwenden können. Die andere Hälfte erhalten wir in Behelfsgeld, für das wir uns nichts kaufen können. Aus dieser Rücklage habe ich nun dieses Geld entnommen, so daß das bestimmt nicht wehtut. _ Wie Du nun mit Deiner Einquartierung zurecht gekommen bist, darauf bin ich gespannt.  Bei uns ist das nun einmal so, daß wir nicht gern andere Leute bei uns in der Wohnung haben, doch für die Kinder ist das nun eine Abwechslung, die ihnen aus dem alltäglichen heraus recht willkommen ist. Doch eine Sorge hat man dabei immer, daß die Leute anständig sind. Um die 2,RM muß man ha heutzutage nicht weiter froh sein, denn die Arbeit, die damit zusammenhängt. ist ja nicht damit bezahlt, wenn man berücksichtigt, daß man schon wegen den zwei Tagen die Wäsche wieder in Ordnung bringen muß, ganz abgesehen davon, daß man sich sonst noch einige Ungelegenheiten dafür in Kauf nehmen muß. Wenn man jemand damit wieder helfen kann, dann geht es ja auch wieder. Wir selbst haben dies ja nicht in Anspruch genommen und wir haben uns in unserem Fall auch an eine Pension wenden müssen. Wir haben damit niemanden Ungelegenheiten bereitet und doch sind wir gut weggekommen. Wenn man daran zurückdenkt, dann muß man sich immer wieder sagen, was waren doch zwei schöne Tage. 80,RM willst Du wieder einmal auf mein Sparbuch tun, Ich bitte Dich, sende mir doch einmal 20,RM in Reichskreditscheinen mit hierher, denn ich denken, daß ich sie hier mit verwenden kann. Mehr aber auf keinen Fall. _ Unser armes Mädchen tut mir wirklich leid, daß sie von ihrer Mutter nicht verstanden wird. Was kann man denn nur dagegen tun? So ist das. Kaum glaubt die Bande, sie kann die Flügel schon selbst ein bißchen heben, dann ist ihr Selbständigkeitsdrang so groß, daß sie ganz ohne die Älteren auszukommen glauben. Das sind aber Erscheinungen der Entwicklung, die an sich noch nicht weiter tragisch zu nehmen sind. Am besten ist es, wenn man die Herrschaften darauf aufmerksam macht und sie von Zeit zu Zeit etwas zurecht stutzt. Anscheinend hat Dein Hinweis in diesr Beziehung auch wieder klare Verhältnisse geschaffen.  Manchmal ist es ja auch so, daß sie irgenwo etwas aufschnappen und meinen, daß sie es bei passender Gelegenheit anbringen müssen. _ Unser Prietzel hat sich also doch über die Marken hergemacht und verkauft sie in der Klasse. Mir ist es im Grunde nicht darum zu tun, daß er nun Geschäfte macht, denn die paar Kröten retten ihn und uns auch nicht weiter. Wenn er aber Spaß daran hat, dann kann er sich ja selbst andere Marken erstehen. Wenn er mir aber in meiner Sammlung weiterhelfen will, dann kann er ja dagegen einiges erstehen. Dann bekommt er womöglich auch etwas mehr Interesse an diesen Sachen. Vorerst liegtja nach Deiner Schilderung das Interesse mehr auf Landkarten undKriegsbildern. Es ist ja so, daß die Kinder ziemlich über Geld verfügen, und daß es dabei nicht weiter auffällt, wenn sie sich das oder jenes erstehen. Einige von mir erworbenen Marken füge ich Dir mit bei, die zum Aussortieren sind. Mit der Zeit summiert sich das doch, was ich hier im Laufe der Zeit erwerbe.  Ich glaube, daß Du auch langsam Spaß daran bekommst, wenn Du siehst, wie sich das nach und nach ergänzt. _ Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder. Bleibt mit alle schön gesund und laßt Euch alle fest abdrücken von Deinem Ernst. 

 Mein liebstes!                                                                                                                 10.2.44         

Heute habe ich ja eigentlich nichts zu erichten. Einige Zeitungen von Dir und von Deinem Vater habe ich erhalten. Ich danke Dir vielmals dafür.  Trotz aller meiner Anstrengungen bin ich doch nicht um meinen Jahresschnupfen gekommen. Diese Erkältung hat mich nun nach den langen Wochen, die wir hier im Freien zugebracht haben, doch gepackt. Das Alter macht sich langsam schon bemerkbar. Ja, ich höre Dich schon lachen. Es ist aber so. Die Jahre, die man aus seiner Ordnung herausgekommen ist, machen sich nun schon bemerkbar. Ich bekomme schon das Reißen in den Gleidern und im Kreuz. Das ist eine Geschichte, wie weniger angenehm ist, doch man kann sich schlevht unter diesen Umständen dagegen wehren. Am besten ist es, wenn man sich die Sonne auf den Buckel brenn läßt. Das nützt vielleicht etwas dagegen. Oder ich müßte mich wieder einmal von einer Biene stechen lassen. Das soll sich doch gut dagegen auswirken. In diesen Tagen will ich dir wieder einige Hefte zusenden, die ich gelesen habe. Ich muß dazu bemerken, daß sie mir fast ohne Ausnahme recht gut gefallen haben. Wenn sie auch nicht besonders eingebunden sind, so habe ich doch mein Gefallen daran gehabt. Von „Claudius, ein Sermon an die Mädchen“ ist doch recht schön abgefaßt. Die deutschen Reimsprüche sind sehr gut empfunden. So treffend finde ich ge schrieben, weil sie immer das Richtige treffen. Man kann wirklich manches aus diesen Dingen entnehmen und oft und oft lesen, ohne daß es einem über wird. Das eine Heft von Gotthelf „Der Besenbinder von Richswil“ ist mir in zu belehrender Form geschrieben und trifft mehr den Geschmack um die Jahrhundertwende und kommt mir etwas verstaubt vor. Die Bilder von Richter sind ja recht nett dazu. Das andere Heft „Im Tal der Sterne“ hat auch einige nette Gedichte. Die Zusammenstellung über die Regengedichte ist auch so geschrieben, daß man sie gern lesen kann und mit einem kleinen Lächeln beiseitelegt. Alles in allem betrachtet kann man sagen, daß man aus jedem ein kleines Stückchen mitnehmen kann. Mir haben sie Freude bereitet. Ich hoffe, daß es Dir gleich gehen wird. Daß nun alles nicht so sein kann, wie man es gerne haben will, das ist ja verständlich, aber immerhin kann man vieles aus diesen Sachen schöpfen. Ich habe noch einige Hefte hier, die ich, wenn ich sie gelesen habe, Dir mit zugehen lasse.  _ Die Post hat mich ja im Stich gelassen, so daß ich mich wieder im Wartezustand befinde. Das ist ja eine Angelegenheit, die mir nicht neu ist, doch ich weiß, daß es Dir von Zeit zu Zeit ähnlich geht. _ Am Anfang der kommenden Woche werde ich einmal nach Saloniki reisen, weil ich dort einen dienstlichen Auftrag zu erledigen habe. Dies sich mir bietende Gelegenheit habe ich gleich wahrgenommen, weil ich auf diese Weise wieder eine bedeutende Stadt dieses Landes kennenlerne. Wahrscheinlich werde ich mich einige Tage dort aufhalten müssen. Ich sage mir, daß man solche Gelegenheiten ausnutzen muß, weil man nicht weiß, wann sie sich einem wieder wird. Die Fahrt in einer Richtung dauert ja schon 24 Stunden, wenn keine Komplikationen eintreten. Bis ich dann meinen Auftrag erledigt habe, vergehen sicherlich ein bis zwei Tage. Ich bin froh, daß ich einige Tage aus diesem Betrieb herauskomme, denn hier geht es ja auch fast Abend für Abend bis gegen 10 Uhr. Man muß entweder etwas anderes vorschützen oder man rückt beizeiten ab, um sich dann ins Bett zu legen. Dann geht man dieser ländere Arbeit aus dem Wege. Man kann sich meist nicht einmal abends hierhersetzen, um einen privaten Brief zu schreiben, ohne daß man dabei dienstlich in Anspruch genommen wird. Immer kann man dem nicht ausweichen, aber auch nicht jeden Abend will man hier zur Verfügung sitzen bleiben. Einmal hat man ja auch für sich etwas zu erledigen. _ Lasse mich bitte heute schließen. Mit liebem und recht herzlichen Gruß und vielen Küssen an Dich und die Kinder bin ich Dein Ernst.


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