Meine liebste
Annie! 9.2.44
Herzlichen Dank für
Deinen Brief vom 2.2., der mir heute zugegangen ist. Ich freue mich jedesmal,
von Dir die täglichen Ereignisse zu erfahren , um dann auch gleichzeitig zu
wissen, wie es Euch so geht. Die letzten Auszüge aus den Registern des
Pfarramtes Bautzen hast du nun auch bekommen. Es ist doch schon eine ganz nette
Ergänzung unserer bisherigen Unterlagen. Wenn man so Stück für Stück
heranbekommt, so macht das schon Spaß. Ich habe inzwischen wieder in Amelsheim
angemahnt, weil die nicht von sich hören lassen. Aus Dietersbach bekam ich
Bescheid, das sämtliche Register ab 1810 bombensicher verpackt sind und daß ich
wohl keine Aussicht hätte, in der gegenwärtigen Zeit über dieses Datum hinaus
etwas zu bekommen. Das zuständige Pfarramt wurde mir auch mitgeteilt. Trotz
dieser Mahnung habe ich es doch noch einmal versucht, und bei dem ordentlich
zustehenden Pfarramt meine Frage wiederholt. Eine neue Anfrage habe ich nach
Dobriilak ? gerichtet wegen der Familie Kobert. Das zuständige Pfarramt habe
in inzwischen erfragt. Dieses Mosaik läßt sich doch nach und nach mit jedem
Stein vervollständigen. Weitere Urkunden sind ja wieder unterwegs, wie ich
annehme, so daß alles noch schön im Fluß ist. Daß ich dieses Geld schon von
hier aus überwiesen habe, das braucht Dich nicht gleich zu erbosen, denn ich
kan das machen. Wir bekommen doch nur die Hälfte unseres Geldes in
Landeswährung, die wir für unsere Käufe hier verwenden können. Die andere
Hälfte erhalten wir in Behelfsgeld, für das wir uns nichts kaufen können. Aus
dieser Rücklage habe ich nun dieses Geld entnommen, so daß das bestimmt nicht
wehtut. _ Wie Du nun mit Deiner Einquartierung zurecht gekommen bist, darauf
bin ich gespannt. Bei uns ist das nun
einmal so, daß wir nicht gern andere Leute bei uns in der Wohnung haben, doch
für die Kinder ist das nun eine Abwechslung, die ihnen aus dem alltäglichen
heraus recht willkommen ist. Doch eine Sorge hat man dabei immer, daß die Leute
anständig sind. Um die 2,RM muß man ha heutzutage nicht weiter froh sein, denn
die Arbeit, die damit zusammenhängt. ist ja nicht damit bezahlt, wenn man berücksichtigt,
daß man schon wegen den zwei Tagen die Wäsche wieder in Ordnung bringen muß,
ganz abgesehen davon, daß man sich sonst noch einige Ungelegenheiten dafür in
Kauf nehmen muß. Wenn man jemand damit wieder helfen kann, dann geht es ja auch
wieder. Wir selbst haben dies ja nicht in Anspruch genommen und wir haben uns
in unserem Fall auch an eine Pension wenden müssen. Wir haben damit niemanden
Ungelegenheiten bereitet und doch sind wir gut weggekommen. Wenn man daran
zurückdenkt, dann muß man sich immer wieder sagen, was waren doch zwei schöne
Tage. 80,RM willst Du wieder einmal auf mein Sparbuch tun, Ich bitte Dich,
sende mir doch einmal 20,RM in Reichskreditscheinen mit hierher, denn ich
denken, daß ich sie hier mit verwenden kann. Mehr aber auf keinen Fall. _ Unser
armes Mädchen tut mir wirklich leid, daß sie von ihrer Mutter nicht verstanden
wird. Was kann man denn nur dagegen tun? So ist das. Kaum glaubt die Bande, sie
kann die Flügel schon selbst ein bißchen heben, dann ist ihr
Selbständigkeitsdrang so groß, daß sie ganz ohne die Älteren auszukommen
glauben. Das sind aber Erscheinungen der Entwicklung, die an sich noch nicht
weiter tragisch zu nehmen sind. Am besten ist es, wenn man die Herrschaften
darauf aufmerksam macht und sie von Zeit zu Zeit etwas zurecht stutzt.
Anscheinend hat Dein Hinweis in diesr Beziehung auch wieder klare Verhältnisse
geschaffen. Manchmal ist es ja auch so,
daß sie irgenwo etwas aufschnappen und meinen, daß sie es bei passender Gelegenheit
anbringen müssen. _ Unser Prietzel hat sich also doch über die Marken
hergemacht und verkauft sie in der Klasse. Mir ist es im Grunde nicht darum zu
tun, daß er nun Geschäfte macht, denn die paar Kröten retten ihn und uns auch
nicht weiter. Wenn er aber Spaß daran hat, dann kann er sich ja selbst andere
Marken erstehen. Wenn er mir aber in meiner Sammlung weiterhelfen will, dann
kann er ja dagegen einiges erstehen. Dann bekommt er womöglich auch etwas mehr
Interesse an diesen Sachen. Vorerst liegtja nach Deiner Schilderung das
Interesse mehr auf Landkarten undKriegsbildern. Es ist ja so, daß die Kinder
ziemlich über Geld verfügen, und daß es dabei nicht weiter auffällt, wenn sie
sich das oder jenes erstehen. Einige von mir erworbenen Marken füge ich Dir mit
bei, die zum Aussortieren sind. Mit der Zeit summiert sich das doch, was ich
hier im Laufe der Zeit erwerbe. Ich
glaube, daß Du auch langsam Spaß daran bekommst, wenn Du siehst, wie sich das
nach und nach ergänzt. _ Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder. Bleibt
mit alle schön gesund und laßt Euch alle fest abdrücken von Deinem Ernst.
Mein liebstes! 10.2.44
Heute habe ich ja
eigentlich nichts zu erichten. Einige Zeitungen von Dir und von Deinem Vater
habe ich erhalten. Ich danke Dir vielmals dafür. Trotz aller meiner Anstrengungen bin ich doch nicht um meinen
Jahresschnupfen gekommen. Diese Erkältung hat mich nun nach den langen Wochen,
die wir hier im Freien zugebracht haben, doch gepackt. Das Alter macht sich
langsam schon bemerkbar. Ja, ich höre Dich schon lachen. Es ist aber so. Die
Jahre, die man aus seiner Ordnung herausgekommen ist, machen sich nun schon
bemerkbar. Ich bekomme schon das Reißen in den Gleidern und im Kreuz. Das ist
eine Geschichte, wie weniger angenehm ist, doch man kann sich schlevht unter
diesen Umständen dagegen wehren. Am besten ist es, wenn man sich die Sonne auf
den Buckel brenn läßt. Das nützt vielleicht etwas dagegen. Oder ich müßte mich
wieder einmal von einer Biene stechen lassen. Das soll sich doch gut dagegen auswirken.
In diesen Tagen will ich dir wieder einige Hefte zusenden, die ich gelesen
habe. Ich muß dazu bemerken, daß sie mir fast ohne Ausnahme recht gut gefallen
haben. Wenn sie auch nicht besonders eingebunden sind, so habe ich doch mein
Gefallen daran gehabt. Von „Claudius, ein Sermon an die Mädchen“ ist doch recht
schön abgefaßt. Die deutschen Reimsprüche sind sehr gut empfunden. So treffend
finde ich ge schrieben, weil sie immer das Richtige treffen. Man kann wirklich
manches aus diesen Dingen entnehmen und oft und oft lesen, ohne daß es einem
über wird. Das eine Heft von Gotthelf „Der Besenbinder von Richswil“ ist mir in
zu belehrender Form geschrieben und trifft mehr den Geschmack um die
Jahrhundertwende und kommt mir etwas verstaubt vor. Die Bilder von Richter sind
ja recht nett dazu. Das andere Heft „Im Tal der Sterne“ hat auch einige nette
Gedichte. Die Zusammenstellung über die Regengedichte ist auch so geschrieben,
daß man sie gern lesen kann und mit einem kleinen Lächeln beiseitelegt. Alles
in allem betrachtet kann man sagen, daß man aus jedem ein kleines Stückchen
mitnehmen kann. Mir haben sie Freude bereitet. Ich hoffe, daß es Dir gleich
gehen wird. Daß nun alles nicht so sein kann, wie man es gerne haben will, das
ist ja verständlich, aber immerhin kann man vieles aus diesen Sachen schöpfen.
Ich habe noch einige Hefte hier, die ich, wenn ich sie gelesen habe, Dir mit
zugehen lasse. _ Die Post hat mich ja
im Stich gelassen, so daß ich mich wieder im Wartezustand befinde. Das ist ja
eine Angelegenheit, die mir nicht neu ist, doch ich weiß, daß es Dir von Zeit
zu Zeit ähnlich geht. _ Am Anfang der kommenden Woche werde ich einmal nach
Saloniki reisen, weil ich dort einen dienstlichen Auftrag zu erledigen habe.
Dies sich mir bietende Gelegenheit habe ich gleich wahrgenommen, weil ich auf
diese Weise wieder eine bedeutende Stadt dieses Landes kennenlerne.
Wahrscheinlich werde ich mich einige Tage dort aufhalten müssen. Ich sage mir,
daß man solche Gelegenheiten ausnutzen muß, weil man nicht weiß, wann sie sich
einem wieder wird. Die Fahrt in einer Richtung dauert ja schon 24 Stunden, wenn
keine Komplikationen eintreten. Bis ich dann meinen Auftrag erledigt habe,
vergehen sicherlich ein bis zwei Tage. Ich bin froh, daß ich einige Tage aus
diesem Betrieb herauskomme, denn hier geht es ja auch fast Abend für Abend bis
gegen 10 Uhr. Man muß entweder etwas anderes vorschützen oder man rückt
beizeiten ab, um sich dann ins Bett zu legen. Dann geht man dieser ländere
Arbeit aus dem Wege. Man kann sich meist nicht einmal abends hierhersetzen, um
einen privaten Brief zu schreiben, ohne daß man dabei dienstlich in Anspruch
genommen wird. Immer kann man dem nicht ausweichen, aber auch nicht jeden Abend
will man hier zur Verfügung sitzen bleiben. Einmal hat man ja auch für sich
etwas zu erledigen. _ Lasse mich bitte heute schließen. Mit liebem und recht
herzlichen Gruß und vielen Küssen an Dich und die Kinder bin ich Dein Ernst.
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