Sonntag, 10. Februar 2019

Brief 514 vom 27./28.01.1944


Liebstes Maidle !                                                                                 27.1.44         

 Seit Tagen läßt der Posteingang wieder zu wünschen übrig. Das ist immer wenig erfreulich. Aber man kann ja doch nichts dagegen machen. Zu erzählen habe ich heute nichts weiter, denn gestern habe ich schon aus Mangel an Stoff mein Schreiben einstellen müssen. Doch länger wie einen Tag möchte ich meine Schreiberei nicht unterbrechen. Darum muß ich mich also auch einmal ohne besondere Anregung schreiben. _ Ich kann zuerst vielleicht erst einmal vermerken, daß ich Dir heute 3 Päckchen fertiggemacht habe. Wir hatten wieder verschiedene Zitronen bekommen, für die ich hier keine Verwendung habe. Wenn sie hier richtig ankommen, dann wirst Du schon wissen, was Du damit machen kannst. Ich schrieb Dir ja schon davon, daß ich Dir wieder Maismehl gekauft hatte. Es sind 8 Packungen, die ich auch zu einem Päckchen zusammengepackt habe. Dann bekamen wir hier wieder Rosinen zugeteilt. Ich habe sie auch gleich verpackt und an Dich abgesandt. Es hat gerade wieder ein ordentliches Päckchen gegeben. Hoffentlich erreicht Dich wieder alles, denn für jedes Bißchen, was man beschafft, ist man froh, und dann wäre es ärgerlich, wenn es in andere Hände kommt. Die Päckchen tragen die Nummern 15/17. Wenn man in der gleichen Weise Päckchen nach hause schicken könnte, wie es mir im Laufe dieses Monats möglich war, dann wäre das recht erfreulich, doch man weiß ja nicht, was sich im Laufe der Zeit alles ergibt. _ Heute muß ich Dir einmal von meinen Beobachtungen bei Kinobesuchen bezw. nach diesen berichten. Ich habe mir im Laufe der vergangenen Wochen wieder einige Filme angesehen. Man konnte sehr verschiedener Meinung über die einzelnen Filme sein.  Manche waren nach meinem Dafürhalten unter aller Kritik und manche waren davon nach meiner Ansicht als sehr gut zu bezeichnen. Ich sah jetzt hier den Film „Der weiße Traum“. Es ist ein Film vom Eiskunstlauf. Wenn man das so liest, dann denkt man, das kann doch nicht schlecht sein. Aber man hat hier genau die gleichen Wege beschrieben, die man vor Jahren bei dem amerikanischen  abgelehnt hat,. Man macht aus allem eine Revue. Das was an Handlung fehlt, das versucht man durch Ausstattung zu überdecken. Das soll dann wirken, doch man  erreicht dadurch nur eine Entstellung eune eine Verfremdung gegenüber dem natürlichen Empfinden. Manchmal ist es bestimmt schade um den dafür verwendeten Film. Muß dann tatsächlich nur der Film voll gedreht sein, damit man wieder eine Stange Geld verdient hat. Es ist ja traurig, daß man in erster Linie nur diese Interessen verfolgt, aber das ist auch in der gegenwärtigen Zeit bei uns noch geblieben. Das ist doch vollkommen zwecklos, wenn man solche Sachen überhaupt dreht. Man läßt sich dann aber doch immer wieder verleiten und sieht sich diese Sachen an, weil man sie meist noch nicht kennt, aber wie der Geschmack gerade unseren jüngeren Leute verdorben hat, das kann man daran sehen, wenn man an diesen Dreck filmen Kritik übt. Solches Theater wollen ja viele Leute sehen, denn ihen liegt nichts daran, inhaltlich etwas geboten zu bekommen, sondern sie legen mehr Wert darauf, was für das Auge zu haben. Dann haben sie es ja auch nicht notwendig, noch länger nachzudenken, denn von dem Beschauer wird ja nichts verlangt. Ich hatte mirhier jetzt den Film „Immensee“ frei bearbeitet nach der Novelle von Storm angesehen, und auch den Film „Sinfonie eines Lebens“ DEr erste Film gefiel in der ersten Linie deshalb, weil er als FArbfilm gedreht wurde. Auch einzelne Bilder, die recht malerisch wirkten, haben noch dabei großen Gefallen gefunden, doch wie wenige die Menschen über den Sinn und den Inhalt nachdenken, das kann man immer wieder einfach feststellen. Von dem Dichter Storm haben viele Leute keine Ahnung. Daß dieser Mann einmal gelebt hat, das kommt ihnen vielleicht erst jetzt durch diesen Film zum Bewußtsein. Gan geschwiegen muß werden von den anderen vielen Sachen, die dieser Mann geschrieben hat. Wie wenig die Leute Bindung mit allen diesen Sachen haben, geht schon daraus hervor, daß sie schon Ilmensee zum Immensee sagen. Das erstere haben sie schon oft in der Zeitung gelesen und im Radio gehört. Doch von den den übrigen Dingen ist ihnen noch nicht gekannt geworden. Der zweite Film „Sinfonie eines Lebens“ hat auch nicht allgemein Anklang gefunden. Mancher meinte, man müßte schon Musikkenner sein, um dafür Verständnis aufbringen zu können. Ich habe aber selten so klar und fein aufgespalten eine Musik gehört und auch verstanden wie in diesem Film. Mir hat das sehr zugesagt, und ich war wirklich restlos zufrieden.  Doch man kann sas deutlich daran erkennen, wie die ?   bei uns verpflichtet sind und wie man über schönere Kunst in einem gewissen Teile unsers Volkes denkt. Es ist bedauerlich, aber dieser Verpflichtung begegnet man öfter, als man es manchmal glauben will. Ich will damit nun meine Kritik an den Filmen und den Menschen nicht beenden, sondern ich bin der Meinung, dass es bestimmt auch noch andere Menschen gibt, die dafür Verständnis haben. Es liegt ja kein Grund zum Verzweifeln vor. Manchmal muß man aber auch einmal über solche Dinge sprechen, weil man auch in dieser Hinsicht ein Ventil braucht. Du hast ja kürzlich auch so treffend über den berliner Film geschrieben. Man muß sich hin und wieder einmal von diesen Dingen befreien, weil es sonst im Inneren sitzen bliebe. :_ Nach diesen „Kunstbetrachtungen“ will ich mein heutiges Schreiben beenden. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich. Auch Vater richte recht herzliche Grüße aus. Dich, mein liebes Mädel, grüße ich besonders herzlich und bin mit vielen Küssen für Dich und die Kinder Dein Ernst. _


Mein herzliebster Schatz!                                                                             28.1.44

Es ist manchmal nicht mehr schön. Auch heute habe ich ausser den Zeitungen, die Du mir fertiggemacht hast, keine Post weiter. Ich danke Dir recht herzlich dafür. Wenn es auch kein Brief ist, so war es immerhin doch ein kleiner Lichtblick. Ich habe doch heue abend etwas zum Lesen. Auch von Deinem Vater gingen einige Zeitungen ein, die ich auch gleich mit ansehen werde. Dann habe ich wieder meine Abendbeschäftigung. Ich sende Dir diesmal wieder einige Marken mit, die ich mir hier wieder erstanden habe. Es sind alles getauschte Marken, von denen ich wohl die meisten nicht habe. Ich hatte sie gegen deutsche Marken hergegeben. Ich könnte aber einmal eine Serie von den jetzt laufenden Marken brauchen. Vielleicht kaufst Du sie von meinem Geld. Es muß nicht bis zur 5 RM sein, es genügt auch, wenn Du die zwei höchsten Werte wegläßt, Die Marken sollen selbstverständlich ungebraucht sein.  Die heute mitgeschickten hebe mit auf. Man kann sie ja später einsortieren, wenn Du jetzt keine Zeit dafür hast. Bei den ungestempelten muß man ja doch warten, solange man nicht die Spezialkleber dafür bekommt. _ Das Längerwerden der Tage macht sich jetzt schon wieder früh und abends bemerkbar. Die Regenzeit war ja hier nicht bedeutend.  Wenn der Wasservorrat für den ganzen Sommer reichen soll, dann wird es wohl knapp damit werden, denn das Wasser wird schon jetzt nur an drei Tagen in der Woche an den Vormittagen lafen gelassen. Aber das wird sich auch schon in irgendeiner Form wieder einrenken. Das ist ja nicht meine Sorge. Die Wärme der Sonne soürt man schon über die Mittagszeit sehr. Man kann schon wieder ohne Mantel herumlaufen. Dagegen ist es abends doch recht kühl und auch früh, wenn man zum Dienst geht. _ Ich schließe meinen heutigen Gruß an Dich und hoffe, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid.  Laßt Euch alle einen herzlichen Kuß geben von Deinem immer in Liebe an Euch denkenden Ernst.


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