Du mein liebes, gutes
Mädel! 29.1.44
Wie sagt man. Was
lange währt wird gut. Wenn es auch nicht gerade in jeder Hinsicht eine
erfreuliche Nachricht ist, war ich doch froh, von Dir wieder einige Zeilen
erhalten zu haben. Der Brief, von dem ich spreche, ist vom 24.1. Du teilst mir
darin mit, daß es mit Vater zur Zeit nicht besonders gut steht. Ich glaube, daß
Dir das auch noch einige Sorge macht. Man merkt, daß sich jetzt die ganzen
Kriegsjahrefühlbar machen. Die Ernährung und die anderen Entbehrungen, die
dazwischenliegenden Jahre. Er hätte aber auch schon darauf sehen sollen, daß er
von der schweren Arbeit wegkommt. Ich kann verstehen, daß ihn das schon
geholfen hat, wenn er noch einige Zulagemarken für seine Tätigkeit bekommen
hat. Aber was nutzen ihm die wenigen Zusatzmarken, wenn er es sich am Körper
abrackern muß. Denn das, was ihm das einbringt, das braucht er doch mehr an
Kräften. Dann fehlt ihm noch dazu die Ruhe. Ich habe ja schon immer gesagt, daß
es für ihn besser wäre, wenn er bei Dir mit ißt. Wenn er auch immer sagt, er
suchte es sich anders heraus, das mag wohl sein, aber wie unregelmäßig lebt er
doch. Wie Du mir gerade in diesem Brief mitteilst, hat er sich schon gleich
nach 8 ins Bett gelegt ohne sich vorher etwas zu kochen. Ich glaube, daß Dir
das an sich nicht viel meher Mühe bereitet, wenn Du für ihn noch mitkochst. Das
ist nun einmal so, die Reserven sind zu gering, um über die langen Kriegsjahre
hinwegzuhelfen. Ich schreibe das Dir. Du kannst Dir das selbst noch einmal
überlegen, ob es Dir möglich ist, für ihn noch mitzukochen. Wenn ja, dann halte
ihm das doch noch einmal richtig vor Augen. Daß er zu Dir mit hinauflaufen muß,
das ist doch nicht so wesentlich, wie wenn er für jedes bißchen in die Stadt
springen muß. Wenn er mittags bei Dir oben ist, dann kann er sich doch das
Abendbrot gleich mitnehmen und in der thermosflasche kann er den kaffee auch
mitnehmen. Dann hat er doch ein geregeltes Essen. Wie gesagt, wenn Du selbst
irgendwelche Bedenken hast, dann regle das nach Deinem Gutdünken, doch ich
wollte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das doch für ihn recht gut
wäre, wenn er sich danach einrichten würde. Es kommt nur darauf an, wie er sich
einrichtet. Immerhin ist es doch so, daß es leichter ist, für eine Gemeinschaft
zu kochenm, als für seine einzelne Person. Mit der Länge des Kriegs muß man
eben näher zusammenrücken und manches, was einem einmal bequem war, das muß man
aufstecken. Ich meine das nicht in Bezug auf Dich, sondern im Hinblick auf
Vater. Ich weiß, daß das in mancher Hinsicht eine Belastung für Dich wäre, aber
das ließe sich doch einrichten, daß er Dir hin und wieder einiges abnimmt. Also
überlege das Dir einmal und antworte mir entsprechend. Daß die Frau Frick hin
und wieder an ihn denkt, das ist recht nett von ihr, das wird ihm sicherlich
auch guttun. Ich kann es nicht sehen, wenn jemand unter irgendeiner Sache zu
leiden hat. So geht es mir ja auch,
wenn ich an Siegfrieds Familie denke. Ich glaube immer, ich müßte helfen. Zwar
interessieren mich in erster Linie meine eigenen Angehörigen. Was mir über
diesen Rahmen hinaus möglich ist, das kommt aber erst im Anschluß an die obigen
Verpflichtungen. Mit der Nachmittagspost erhielt ich nun noch Deine beiden
Schreiben vom 18./19, 20.1., für die ich Dir ebenfalls herzlich danke. Ich
wollte erst ins Kino gehen und morgen diesen Brief beenden. Doch wegen
Fliegeralarm haben wir dort weggehen müssen. Nun sitze ich schon zwei Stunden
hier. Ich mache mich nun noch an die Beendigung dieses Schreibens. Ich muß ja
mit dem Stoff sparsam umgehen, denn sonst habe ich morgen nichts. Das war ja
schon ein Glück für unsere kleine Große, wenn sie 2,RM gefunden hat. Da war sie
sicherlicht mächtig stolz. Das passiert einem ja auch nicht jeden Tag. Wenn sie
so Gefallen am Malen hat, dann kann man ihr dieses Vergnügen gern lassen. Den Läufer,
den sie kürzlich gemalt hatte und den Du mir mitgesandt hattest, hatte sie sehr
gut gemacht. Wenn sie Lust hat, dann kann sie ja einmal eine Weile in den
Malunterricht gehen. Aber es ist ja so, daß sie schon mit ihren anderen
Liebhabereien stark in Anspruch genommen ist. Sie will ja Turnen gehen, dann
JM. Ausserdem Schule und Schularbeiten und das Badebngehen darf man auch nicht
vergessen. Es ist ja schön, wenn man vielseitig ist, doch auf ein Gebiet sollte
man sich doch mehr versteifen, um dann darin mehr zu leisten als was normal
ist. Wenn sie sich in ihr Lesen oder in ihre Malerei so vertiefen kann, dann
ist das recht schön, dann kann sie sich doch recht daran erfreuen. Daß sie sich
zu so einer guten Springerin entwickelt hat, das ist mir zwar neu. Es muß aber
anscheinend an dem sein, wenn Du es schreibst, Sie gab sich ja redlich Mühe,
als ich noch während meines letzten Urlaubs daheim war. Wenn aber die
Anregungen genügt haben, dann kann ich mich ja freuen, daß sie auf so
fruchbaren Boden gefallen sind,. Wenn die zwei Mädels zusammen sind, dann ist
sicherlich allerhand Gekicher fällig. Das ist doch bei den Gören in diesem
Alter so. Die haben doch immer etwas Neues, über das sich sich amüsieren
können. Das sind ja alles so harmlose Vergügungen, die sie haben. Es ist ja
bedauerlich, daß sie keine ordentlichen Friedensjahre für ihre Entwicklung
haben, denn das wäre doch für sie so gut. Gerade unsere Große, die ja so
schnell wächst. Sie sind dann auch so leicht anfällig und bei jedem Bißchen
liegen sie einem auf der Nase. Wenn Ihr
so regelmäßig das Bad besucht, dann muß das doch bestimmt auffallen, wenn Ihr
einmal zu Eurer Zeit nicht kommt. Ich kann mir denken, daß Ihr Eure Freude
daran habt. Besser wäre es wohl schon, wenn das Bad richtig durchwärmt wäre.
Aber immerhin, es wird sich so einigermaßen aushalten lassen. _ Mit vielen
herzlichen Grüßen beschließe ich mein
heutiges Schreiben und küsse Euch, meine Lieben, recht herzlich. Im Gedenken an
Euch bin ich Dein Ernst.
Mein liebster
Schatz! 30.1.44
Ernst und verschlossen
hat der Führer heute Mittag gesprochen. Wir haben wieder einmal den Tag der
Machtübernahme erlebt, doch diesmal in
einer ungleich schweren Zeit. Wir hoffen, daß der Heimat und der Front bald die
ersehnte und notwendige Entlastung zuteil wird. Die Angriff auf die deutschen
Städte und die Offensiven an der Ostfront, sie sind ungeheure Belastungen, die
viele Opfer kosten und viel Leid bringen. Hoffentlich gelingt es uns bald,
diesen Terror und die Angriffskraft zu brechen. Erst dann wird wieder eine neue
Zuversicht durch unser Volk gehen. Wenn das Vertrauen in unsere Führung
unverändert ist, so wird man doch hie und da einem begegnen, der recht
kleinmütig geworden ist durch die Länge des Krieges. Aber es nutzt uns alles nicht, wir müssen die Nacken steif
halten, wenn wir durch all diese bitternis hindurch wollen. Das Wehrmeldeamt hat mich also wieder einmal
gesucht. die hatte doch meine alte Anschrift. Das muß doch auch ein
unordentlicher Laden sein, wenn die diese SAchen nicht beieinander halten. Es
wird wieder einmal ein Formular auszufüklen sein, denn Wichtiges gibt es doch
dort nicht. _ Wie ich aus Deinem letzten Brief las, hat Dich der Artikel doch
mehr berührt als ich dachte und beabsichtig hatte. Mir hatte das Spaß gemacht,
daß sich ein Zeitungsschreiber dieses Stoffes bemächtigte. Daß Du das nun auch
aus den verschiedenen Gründen gemacht hast, das ist doch mehr reiner Zufall,.
Genau so zufällig finde ich ja auch diesen Artikel, was lag dann nähr, als daß
ich Dirdiesen Artikel zugehen ließ. Daß Du Dir das nun gleich so zu Herzen
nimmst, das war nun wirklich nicht meine Absicht. Ein klein wenig wollte ich
Dich ja damit fuchsen, denn das ergab sich ja so ganz beiläufig. Aber es ist
mir ja auch bekannt, daß wir daheim bei uns keine Säle hatten, in die man all
das hineinstellen könnte, was man will. Die Raumknappheit hat sich bei der
Fülle unsere Sachen ziemlich bemerkbar gemacht. DAß Du nun mit Geschick Dich
der gerechten Verteilung und Einteilung angenommen hast, das ist ja mehr ein
Verdienst. Denn glaube mir, ich selbst habe dafür weniger Gefühl, das liegt mir
nicht so. Daß ich nun über Tisch und Stühle gestolpert bin, wenn ich nach hause
kam, das ist ja nicht passiert, denn wenn ich nach hause kam, war ja immer
schon alles überstanden. Ich habe nun nicht davon geschrieben, um in diesen
Dingen Abhilfe zu schaffen, sondern mich hat das vor allen interessiert, weil
ich darin sehe, daß Du keine Einzelerscheinung bist. Daß Du nicht allein mit
dieser „Krankheit“ dastehst, das wird Dir ja auch eine gewisse Beruhigung sein.
Glaube mir nur, daß ich das abgestellt hätte, wenn es mir nicht gepaßt hätte,.
Daß ich nun nichts gesagt hatte, wird Dir ja wohl Bestätigung dafür sein, daß
ich alles billige. _ Du schreibst dann weiter von unsren Beiden, wie sie sich
bei den Haaren haben und wie sie nacheinander fragen, wenn eines von Beiden
nicht da ist. Das muß nun einmal unter
Kindern sein, denn das sich nach meiner Ansicht doch mehr oder weniger
Äußerungen des Lebenswillens. Wenn nun unser Fräulein Tochter versucht, mit
Tränen das zu erreichen, was unser Herr Sohn durch Auftrumpfen oder mit
Dickköpfigkeit durchzusetzen versucht, so entspricht das ganz und gar einer
natürlichen Veranlagung. Man soll daher das eine wie das andere nicht weiter
tiefgründig nehmen. Für Beide ist es das Leben. Ich las kürzlich in einem Heft
einen Spruch, den man in diesem Fall auch anwenden kann. „Ein unruhig Gemüte.
Ein Mühlstein und ein Menschenherz wird
stets herumgetrieben, wo Beides nicht zu reiben hat, wird Beides selbst
zerrieben.“ Auch unsere Beiden müssen sich aneinander reiben, um sich zu prüfen
und zu kräftigen. Diese Dinge gehen ja nicht tief. Unser Bengel ist nun einmal
ein elendiger Lausekerl und unser Spatz ist in mancher Beziehung etwas sehr
empfindlich. Daß das der Lauser ausnutzt, weil er weiß, daß sie sich darüber
ärgert, das ist doch recht klar. Das werden wir aber kaum entscheidend ändern.
Darum lasse nur ruhig den Dingen ihren Lauf und mache es so, wie Du ganz
richtig schreibst, daß Du nur einschreitest, wenn es zu bunt kommt. _ Du fragst
an, ob Du die deutschen Briefmarken aus Kurts doppelten Marken heraussuchen
sollst. Das ist jetzt im Moment nicht notwendig. Ich will jetzt erst einmal mit
meinen Tauschmarken abrechnen und reinen Tisch haben, damit ich die Übersicht
nicht verliere. Was ich dann mache, das muß ich erst einmal sehen. Doch wie
gesagt, vorerst lasse dies erst einmal eineinander. Die meisten Marken habe ich
von Griechenland zusammen. Es fehlen nur noch die ganz teuren Werte und die
werde ich mir einmal für später zurückstellen, denn hier sind sie zu teuer,
vielleicht kann man sie sich einmal in Deutschland billiger beschaffen. Hier
lohnt sich das nicht, denn gegenwärtig muß man das Vielfache des Katalogwertes
bezahlen, was sich nicht rentiert. Das muß ja jetzt nicht sein. Man muß auch
einmal verzichten können, wenn es darauf ankommt. Es ist ja nicht unbedingt
notwendig, daß man alles mit einem Male frißt. Es wird sich schon einmal eine
Gelegenheit geben. _ Begrifflich hat das damit zwar nichts zu tun. Aber ich
kann Dir heute sagen, daß Dein Gebäck, was Du mir zu Weihnachten geschickt
hattest, bis heute gereicht hat. Wenn man aber auch noch so sparsam damit
umgeht, es wird doch alles einmal alle. Aber Abend für Abend habe ich immer so
einen kleinen Gruß von Dir gehabt. Das war immer recht nett. Es hat sich alles
recht ausgezeichnet gehalten. Nachdem alles verdrückt ist, muß ich Dir nochmals
meinen besten Dank sagen für Deine Mühe, die Du damit gehabt hast. _ Bleibe recht
gesund, Du mit den Kindern. Wünsche auch Vater recht gute Besserung und sage
ihm, daß er sich schonen soll, denn für uns braucht er sich nicht zu rackern.
Euch Dreien sende ich aber noch recht viele liebe Küsse. Dein Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen