Sonntag, 10. Februar 2019

Brief 515 vom 29./30.01.1944


Du mein liebes, gutes Mädel!                                                                       29.1.44          

Wie sagt man. Was lange währt wird gut. Wenn es auch nicht gerade in jeder Hinsicht eine erfreuliche Nachricht ist, war ich doch froh, von Dir wieder einige Zeilen erhalten zu haben. Der Brief, von dem ich spreche, ist vom 24.1. Du teilst mir darin mit, daß es mit Vater zur Zeit nicht besonders gut steht. Ich glaube, daß Dir das auch noch einige Sorge macht. Man merkt, daß sich jetzt die ganzen Kriegsjahrefühlbar machen. Die Ernährung und die anderen Entbehrungen, die dazwischenliegenden Jahre. Er hätte aber auch schon darauf sehen sollen, daß er von der schweren Arbeit wegkommt. Ich kann verstehen, daß ihn das schon geholfen hat, wenn er noch einige Zulagemarken für seine Tätigkeit bekommen hat. Aber was nutzen ihm die wenigen Zusatzmarken, wenn er es sich am Körper abrackern muß. Denn das, was ihm das einbringt, das braucht er doch mehr an Kräften. Dann fehlt ihm noch dazu die Ruhe. Ich habe ja schon immer gesagt, daß es für ihn besser wäre, wenn er bei Dir mit ißt. Wenn er auch immer sagt, er suchte es sich anders heraus, das mag wohl sein, aber wie unregelmäßig lebt er doch. Wie Du mir gerade in diesem Brief mitteilst, hat er sich schon gleich nach 8 ins Bett gelegt ohne sich vorher etwas zu kochen. Ich glaube, daß Dir das an sich nicht viel meher Mühe bereitet, wenn Du für ihn noch mitkochst. Das ist nun einmal so, die Reserven sind zu gering, um über die langen Kriegsjahre hinwegzuhelfen. Ich schreibe das Dir. Du kannst Dir das selbst noch einmal überlegen, ob es Dir möglich ist, für ihn noch mitzukochen. Wenn ja, dann halte ihm das doch noch einmal richtig vor Augen. Daß er zu Dir mit hinauflaufen muß, das ist doch nicht so wesentlich, wie wenn er für jedes bißchen in die Stadt springen muß. Wenn er mittags bei Dir oben ist, dann kann er sich doch das Abendbrot gleich mitnehmen und in der thermosflasche kann er den kaffee auch mitnehmen. Dann hat er doch ein geregeltes Essen. Wie gesagt, wenn Du selbst irgendwelche Bedenken hast, dann regle das nach Deinem Gutdünken, doch ich wollte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das doch für ihn recht gut wäre, wenn er sich danach einrichten würde. Es kommt nur darauf an, wie er sich einrichtet. Immerhin ist es doch so, daß es leichter ist, für eine Gemeinschaft zu kochenm, als für seine einzelne Person. Mit der Länge des Kriegs muß man eben näher zusammenrücken und manches, was einem einmal bequem war, das muß man aufstecken. Ich meine das nicht in Bezug auf Dich, sondern im Hinblick auf Vater. Ich weiß, daß das in mancher Hinsicht eine Belastung für Dich wäre, aber das ließe sich doch einrichten, daß er Dir hin und wieder einiges abnimmt. Also überlege das Dir einmal und antworte mir entsprechend. Daß die Frau Frick hin und wieder an ihn denkt, das ist recht nett von ihr, das wird ihm sicherlich auch guttun. Ich kann es nicht sehen, wenn jemand unter irgendeiner Sache zu leiden hat.  So geht es mir ja auch, wenn ich an Siegfrieds Familie denke. Ich glaube immer, ich müßte helfen. Zwar interessieren mich in erster Linie meine eigenen Angehörigen. Was mir über diesen Rahmen hinaus möglich ist, das kommt aber erst im Anschluß an die obigen Verpflichtungen. Mit der Nachmittagspost erhielt ich nun noch Deine beiden Schreiben vom 18./19, 20.1., für die ich Dir ebenfalls herzlich danke. Ich wollte erst ins Kino gehen und morgen diesen Brief beenden. Doch wegen Fliegeralarm haben wir dort weggehen müssen. Nun sitze ich schon zwei Stunden hier. Ich mache mich nun noch an die Beendigung dieses Schreibens. Ich muß ja mit dem Stoff sparsam umgehen, denn sonst habe ich morgen nichts. Das war ja schon ein Glück für unsere kleine Große, wenn sie 2,RM gefunden hat. Da war sie sicherlicht mächtig stolz. Das passiert einem ja auch nicht jeden Tag. Wenn sie so Gefallen am Malen hat, dann kann man ihr dieses Vergnügen gern lassen. Den Läufer, den sie kürzlich gemalt hatte und den Du mir mitgesandt hattest, hatte sie sehr gut gemacht. Wenn sie Lust hat, dann kann sie ja einmal eine Weile in den Malunterricht gehen. Aber es ist ja so, daß sie schon mit ihren anderen Liebhabereien stark in Anspruch genommen ist. Sie will ja Turnen gehen, dann JM. Ausserdem Schule und Schularbeiten und das Badebngehen darf man auch nicht vergessen. Es ist ja schön, wenn man vielseitig ist, doch auf ein Gebiet sollte man sich doch mehr versteifen, um dann darin mehr zu leisten als was normal ist. Wenn sie sich in ihr Lesen oder in ihre Malerei so vertiefen kann, dann ist das recht schön, dann kann sie sich doch recht daran erfreuen. Daß sie sich zu so einer guten Springerin entwickelt hat, das ist mir zwar neu. Es muß aber anscheinend an dem sein, wenn Du es schreibst, Sie gab sich ja redlich Mühe, als ich noch während meines letzten Urlaubs daheim war. Wenn aber die Anregungen genügt haben, dann kann ich mich ja freuen, daß sie auf so fruchbaren Boden gefallen sind,. Wenn die zwei Mädels zusammen sind, dann ist sicherlich allerhand Gekicher fällig. Das ist doch bei den Gören in diesem Alter so. Die haben doch immer etwas Neues, über das sich sich amüsieren können. Das sind ja alles so harmlose Vergügungen, die sie haben. Es ist ja bedauerlich, daß sie keine ordentlichen Friedensjahre für ihre Entwicklung haben, denn das wäre doch für sie so gut. Gerade unsere Große, die ja so schnell wächst. Sie sind dann auch so leicht anfällig und bei jedem Bißchen liegen sie einem auf der Nase.  Wenn Ihr so regelmäßig das Bad besucht, dann muß das doch bestimmt auffallen, wenn Ihr einmal zu Eurer Zeit nicht kommt. Ich kann mir denken, daß Ihr Eure Freude daran habt. Besser wäre es wohl schon, wenn das Bad richtig durchwärmt wäre. Aber immerhin, es wird sich so einigermaßen aushalten lassen. _ Mit vielen herzlichen Grüßen beschließe  ich mein heutiges Schreiben und küsse Euch, meine Lieben, recht herzlich. Im Gedenken an Euch bin ich Dein Ernst.


Mein liebster Schatz!                                                                                                       30.1.44             

Ernst und verschlossen hat der Führer heute Mittag gesprochen. Wir haben wieder einmal den Tag der Machtübernahme erlebt,  doch diesmal in einer ungleich schweren Zeit. Wir hoffen, daß der Heimat und der Front bald die ersehnte und notwendige Entlastung zuteil wird. Die Angriff auf die deutschen Städte und die Offensiven an der Ostfront, sie sind ungeheure Belastungen, die viele Opfer kosten und viel Leid bringen. Hoffentlich gelingt es uns bald, diesen Terror und die Angriffskraft zu brechen. Erst dann wird wieder eine neue Zuversicht durch unser Volk gehen. Wenn das Vertrauen in unsere Führung unverändert ist, so wird man doch hie und da einem begegnen, der recht kleinmütig geworden ist durch die Länge des Krieges.  Aber es nutzt uns alles nicht, wir müssen die Nacken steif halten, wenn wir durch all diese bitternis hindurch wollen.  Das Wehrmeldeamt hat mich also wieder einmal gesucht. die hatte doch meine alte Anschrift. Das muß doch auch ein unordentlicher Laden sein, wenn die diese SAchen nicht beieinander halten. Es wird wieder einmal ein Formular auszufüklen sein, denn Wichtiges gibt es doch dort nicht. _ Wie ich aus Deinem letzten Brief las, hat Dich der Artikel doch mehr berührt als ich dachte und beabsichtig hatte. Mir hatte das Spaß gemacht, daß sich ein Zeitungsschreiber dieses Stoffes bemächtigte. Daß Du das nun auch aus den verschiedenen Gründen gemacht hast, das ist doch mehr reiner Zufall,. Genau so zufällig finde ich ja auch diesen Artikel, was lag dann nähr, als daß ich Dirdiesen Artikel zugehen ließ. Daß Du Dir das nun gleich so zu Herzen nimmst, das war nun wirklich nicht meine Absicht. Ein klein wenig wollte ich Dich ja damit fuchsen, denn das ergab sich ja so ganz beiläufig. Aber es ist mir ja auch bekannt, daß wir daheim bei uns keine Säle hatten, in die man all das hineinstellen könnte, was man will. Die Raumknappheit hat sich bei der Fülle unsere Sachen ziemlich bemerkbar gemacht. DAß Du nun mit Geschick Dich der gerechten Verteilung und Einteilung angenommen hast, das ist ja mehr ein Verdienst. Denn glaube mir, ich selbst habe dafür weniger Gefühl, das liegt mir nicht so. Daß ich nun über Tisch und Stühle gestolpert bin, wenn ich nach hause kam, das ist ja nicht passiert, denn wenn ich nach hause kam, war ja immer schon alles überstanden. Ich habe nun nicht davon geschrieben, um in diesen Dingen Abhilfe zu schaffen, sondern mich hat das vor allen interessiert, weil ich darin sehe, daß Du keine Einzelerscheinung bist. Daß Du nicht allein mit dieser „Krankheit“ dastehst, das wird Dir ja auch eine gewisse Beruhigung sein. Glaube mir nur, daß ich das abgestellt hätte, wenn es mir nicht gepaßt hätte,. Daß ich nun nichts gesagt hatte, wird Dir ja wohl Bestätigung dafür sein, daß ich alles billige. _ Du schreibst dann weiter von unsren Beiden, wie sie sich bei den Haaren haben und wie sie nacheinander fragen, wenn eines von Beiden nicht da ist.  Das muß nun einmal unter Kindern sein, denn das sich nach meiner Ansicht doch mehr oder weniger Äußerungen des Lebenswillens. Wenn nun unser Fräulein Tochter versucht, mit Tränen das zu erreichen, was unser Herr Sohn durch Auftrumpfen oder mit Dickköpfigkeit durchzusetzen versucht, so entspricht das ganz und gar einer natürlichen Veranlagung. Man soll daher das eine wie das andere nicht weiter tiefgründig nehmen. Für Beide ist es das Leben. Ich las kürzlich in einem Heft einen Spruch, den man in diesem Fall auch anwenden kann. „Ein unruhig Gemüte. Ein Mühlstein  und ein Menschenherz wird stets herumgetrieben, wo Beides nicht zu reiben hat, wird Beides selbst zerrieben.“ Auch unsere Beiden müssen sich aneinander reiben, um sich zu prüfen und zu kräftigen. Diese Dinge gehen ja nicht tief. Unser Bengel ist nun einmal ein elendiger Lausekerl und unser Spatz ist in mancher Beziehung etwas sehr empfindlich. Daß das der Lauser ausnutzt, weil er weiß, daß sie sich darüber ärgert, das ist doch recht klar. Das werden wir aber kaum entscheidend ändern. Darum lasse nur ruhig den Dingen ihren Lauf und mache es so, wie Du ganz richtig schreibst, daß Du nur einschreitest, wenn es zu bunt kommt. _ Du fragst an, ob Du die deutschen Briefmarken aus Kurts doppelten Marken heraussuchen sollst. Das ist jetzt im Moment nicht notwendig. Ich will jetzt erst einmal mit meinen Tauschmarken abrechnen und reinen Tisch haben, damit ich die Übersicht nicht verliere. Was ich dann mache, das muß ich erst einmal sehen. Doch wie gesagt, vorerst lasse dies erst einmal eineinander. Die meisten Marken habe ich von Griechenland zusammen. Es fehlen nur noch die ganz teuren Werte und die werde ich mir einmal für später zurückstellen, denn hier sind sie zu teuer, vielleicht kann man sie sich einmal in Deutschland billiger beschaffen. Hier lohnt sich das nicht, denn gegenwärtig muß man das Vielfache des Katalogwertes bezahlen, was sich nicht rentiert. Das muß ja jetzt nicht sein. Man muß auch einmal verzichten können, wenn es darauf ankommt. Es ist ja nicht unbedingt notwendig, daß man alles mit einem Male frißt. Es wird sich schon einmal eine Gelegenheit geben. _ Begrifflich hat das damit zwar nichts zu tun. Aber ich kann Dir heute sagen, daß Dein Gebäck, was Du mir zu Weihnachten geschickt hattest, bis heute gereicht hat. Wenn man aber auch noch so sparsam damit umgeht, es wird doch alles einmal alle. Aber Abend für Abend habe ich immer so einen kleinen Gruß von Dir gehabt. Das war immer recht nett. Es hat sich alles recht ausgezeichnet gehalten. Nachdem alles verdrückt ist, muß ich Dir nochmals meinen besten Dank sagen für Deine Mühe, die Du damit gehabt hast. _ Bleibe recht gesund, Du mit den Kindern. Wünsche auch Vater recht gute Besserung und sage ihm, daß er sich schonen soll, denn für uns braucht er sich nicht zu rackern. Euch Dreien sende ich aber noch recht viele liebe Küsse. Dein Ernst.

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