Sonntag, 10. Februar 2019

Brief 517 vom 06./08.02.1944


Meine liebe, gute Annie!                                                                                       6.2.44

Eingangs will ich gleich erwähnen, daß ich heute keine Post von Dir erhalten habe. Aber es ist insofern nicht so schlecht, weil ich ja noch allerhand Sachen zu beantworten habe, was ich auch gleich machen will. Du sprichst auch von Deinen Kinobesuchen und erzählst mir von dem Film „Der weiße Traum“. Sonderbarerweise sind wir diesmal fast entgegengesetzter Meinung. Ich habe so für mich lächeln müssen, nachdem ich eine solch vernichtende Kritik über diesen Film kürzlich agegeben hatte. Nun schreibst Du mir, daß Ihr so begeistert gewesen seid. Ich habe mir das alles noch einmal überlegt und bin zu folgendem Schluß gekommen. Inhaltlich ist und bleibt dieser Film für mich eine Niete. Ausstattungsmäßig wird allerhand geboten, doch drängt sich alles auf einen solch kurzen Zeitraum zusammen, daß man nicht genug sehen kann um alles zu erfassen. Was nun die Leistungen der einzelnen Eisläufer anbelangt, so kann man da bestimmt nichts sagen, was diese Leute herabsetzt. Aber, wie gesagt, inhaltlich ist es nach meiner Meinung ein Schmarren. Ich habe hier auch viele Kameraden gehört, die waren restlos begeistert. Ich hatte in dieser Woch nochmals Gelegenheit gehabt, mir diesen Film anzusehen, weil er hier auch zwei Wochen lief, aber es hat nicht geklappt. Schon deshalb hatte ich ihn mir noch einmal angesehen, um mein Urteil darüber vielleicht etwas zu revidieren. Nun mag es auch daran gelegen haben, daß gerade hier zu gleicher Zeit zwei Filme liegen, die meinem Empfinden und meinem Geschmack sehr entgegenkamen und daß ich deshalb besonders kritisch in diesem Fall war. Aber wir sprachen uns auch über den Film „Großstadtmelodie aus, und da fand ich hier in der Zeitung eine Besprechung, die diesen Film als über den Durchschnitt hinaustretend schildert. Aber die Auffassungen sind eben nun einmal allgemein recht unterschiedlich. _ Was ist denn unser Bursche für ein alter Mann geworden, daß er mit Schlafmütze zu Bett geht? Will er Obacht geben, daß ihm seine paar Haare nicht wegfliegen? Wenn das der Fall ist, dann ist das schon in Ordnung, denn sonst müßte er ja an seiner Glatze frieren. Da hat er es jetzt ja fein, da kann er sich an der Mütze hochziehen, wenn er aus dem Bett steigen will und braucht sich nicht so sehr dabei anstrengen, der alte Mann. Daß unsere Beiden so um die FAstnachtszeit herumkommen ist ja für sie schade. Ich muß dabei an die Bilder denken, die wir einmal gemacht hatten, als sie noch klein waren. Unser Rotkäppchen und unser Holländer. Sie sahen so lustig aus. Ja, seit dieser Zeit sind schon etliche Jahre vergangen. In unserer Zeitung war ja gerade ein Artikel über die Fastnacht am Oberrhein . Ich lege ihn Dir ebenfalls mit bei, weil ich denke, daß er Dich interessieren wird. Weil ich nun einmal bei den ausgeschnittenen Artikeln bin, so will ich noch den beigefügten über Professor Trost erwänen, dem ein Bild beigefügt ist von der deutschen Kunstausstellung in München. Es soll gewissermaßen ein Gruß und ein stilles Gedenken an die zwei schönen dort verbrachten  Tage sein. _ Daß der Albert INspektor geworden ist, das hat mich richtig gewundert. Daß er nun davon ausgeschlossen ist, daß er noch den nächsten Rang erreicht, verstehe ich auch nicht. Jetzt, wo man doch jeden Menschen braucht, da fängt man beim Zoll an, die Leute zu entlassen, das finde ich doch recht sonderbar. Aber man sieht in diesem Fall, daß sogar Leute, die doch keine Leuchten weiter sind, doch etwas werden können. Mir selbst tut ja das in diesem Fall nicht weh. Darum brauche ich mich auch nicht weiter darüber zu verbreiten. Daß der kleine Kurt wieder Malaria hat, ist ja eine wenig angenehme Geschichte, das gibt es aber hiervielfach  im Süden und im Osten. Man muß schon recht Obacht geben. Es ist ja meinst nicht lebensgefährlich, wenn man rechtzeitig etwas dagegen macht, aber diese Fieberanfälle wiederholen sich gern und man ist zeitlebens meist damit geplagt. _ Wie es mit der Geldüberweisung geht, das weiß ich noch nicht, vielleicht lasse ich es direkt an Dich oder über unser Girokonto bei der Sparkasse überweisen. _ Was nun das Abdrücken anbelangt, so kann ich nur nochmals betonen, daß das eine echt weibliche Taktik ist, denn wenn man einmal etwas unterlassen hat, dann kann eine Frau auf zwei Arten diese Sachen beibiegen. Entweder sie läßt Tränen fließen, was weniger erfreulich ist, oder sie mache es wie Du in dem infragestehenden Fall, sie versucht es mit Schmusen und Abdrüken. In beiden Fällen muß man vorsichtig sein und erst abwarten, was im Anschluß kommt.  Da aber hier eigentlich alles schon im voraus geregelt ist und das bessere Ende erst nachfolgen soll, habe ich ja nichts mehr zu befürchten. Wenn Du nun dadurch über alles hinweghelfen wolltest, indem Du es mit zweimal abdrücken glaubst, daß alles erledigt sei, so muß ich Dich auf ein Naturgesetz hinweisen, das lautet:“Druck erzeugt Gegendruck“. Was meinst Du nun dazu? In diesem Fall bist Du wohl damit einverstanden. _ Ich will nun diesen Brief beenden und gebe der Hoffnung Ausdruck, daß Ihr alle gesund seid. Verschiedene Erkältungserscheinungen habt Ihr hoffentlich alle wieder überstanden. Was macht nun Vater? Geht jetzt alles in Ordnung? Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder und füge für Euch alle recht herzliche Küsse bei. Dein Ernst.


Mein liebstes Mädel!                                                                                                 8.2.44         

Gesten hatten wir hier Probealarm, da wurde ich schon gegen 5 Uhr aus dem Bett geholt. Das ging bis gegen Mittag. Ich war dann etwas müde und habe mic, nachdem ich erst einige andere Sachen erledigt hatte, etwas umgelegt. Das ist ja in letzter Zeit recht selten bei mir, weil ich doch die meiste Zeit über Mittag mit meinen Briefmarken unterwegs bin. Früher hatte das gewissermaßen dazugehört, wie das Mittagessen ein Bestandteil des Tagesablaufs war. Warum soll ich aber die Zeit immer verschlafen, wenn ich sie auf diese Weise ausnutzen kann. Durch den Ausfall am Vormittag lag nun gleich die Arbeit da, so daß ich mich am Nachmittag tüchtig ranhalten mußte und geben Abend war ich doch etwas abgespannt. Ich bin dann ins Kino gegangen und habe mir den Film „3 Kordones“ angesehen, um mich etwas abzulenken. Zum Schreiben bin ich daher nicht gekommen. Ich habe ja noch einiges zu beantworten, so daß ich mich jetzt gleich daransetzen werde. Vorher muß ich Dir aber noch vom Sonntag berichten, daß ich den wieder zum Päckchenpacken benutz habe. Sechs Päckchen sind wieder vwersandbereit. Ich will sie nicht alle an einem Tag abschicken, weil jka immer noch die Anordnung besteht, daß im Monat 2 Päckchen abgesandt werden dürfen. Ich werde sie aber im Laufe dieser Woche mit abschicken. Ich habe wieder zwei Päckchen mit je sevhs Kartons Maismehl fertiggemacht, dann drei Päckchen mit rosinen und Korinthen. Bei der einen Rosinensendung mußt Du aufpassen, die sind wohl schön groß, aber sind irgendwie vermatscht. Mache sie vorher schön sauber, ehe Du sie verwendest. Ich weiß ja, daß Du das sowieso machst, aber hier mußt Du noch mehr Obacht geben. Ich habe sie geschenkt bekommen, da kann man nicht lange wählen, vor allem, wenn sie sonst gut aussehen. In einem anderen Päckchen habe ich Zitronen, Apfelsinen, Zigaretten ud eine Tabakspfeife für Deinen Vater gepackt. Wie ich aus seinem letzten Brief an Siegfried las, ist ihm eine entzwei gegangen, so daß ihm jetzt daran mangelt. Ich habe hier gleich eine bei unseren Kantine gekauft. Bei Gelegenheit werde ich für Vater auch noch eine erstehen, denn ich glaube, daß er daheim auch nicht gleich eine zu kaufen bekommt. _ Das ist eine richtige Bubengeschichte, auf dem Flugplatz herumzustrolchen. In dieser Hinsicht ist es ka schön bei uns. Alle ist nicht weit und alles ist so schön frei, da kann sich die Rasselbande austoben. Daß er den Wunsch hat, Flieger zu werden, das liegt ja im Zuge der Zeit. Aber das sind manchmal Kinderwünsche, die sich im Laufe der Zeit wieder verlieren. Man kann ihnen noch keine besondere Bedeutung beimessen, denn bis es einmal soweit ist, wenn er sich entscheiden muß, was er vorhat. dann kann sich das noch manchmal ändern. Hauptsache ist ja jetzt, daß er seinen Spaß an diesen Sachen hat, denn mit etwas muß sich ja ein Junge in diesem Alter beschäftigen. Daß er solche Freude am Karten hat, das ist bestimmt nicht Schlechtes. Ich will versuchen, ihm hier noch einige karten, die nicht weiter gebraucht werden, zu beschaffen. Ich denken, daß ich ihm damit auch wieder eine Freude bereite. Es ist doch immer etwas Schönes, wenn man jemanden Freude bereiten kann. Daß er ganz stolz war, als er gleich die richtige Karte zur Hand hatte, als sie in der Schule gefragt wurden, das kann ich mir gut vorstellen. Daß die Panzer, die wir ihm vor Jahren einmal geschenkt hatte, immer noch fest zum Spielen verwendet werden, ist ja ein Zeichen dafür, daß er erstens auf seine Sachen Obacht gibt und sie schont und daß es etwas ist, was immer sein Interesse erweckt. Das weiß ich ja noch von früher, wenn er irgendwas baute, damit diese von seinen Panzern überwunden wurden. Das Flimmern der Funken beim Schießen ist ja nun ganz besonders wirkungsvoll. _ Am 1.  konntest Du Dich über den Postsegen wirklich recht freuen. 5 Briefe und noch zwei Päckchen, da ist schon etwas. Da mußtest Du ja allerhand zu tun gehabt haben. Die haben sich ziemlich angesammelt. Das ist dann auch kein Wunder, wenn du dann vorher so lange warten mußtest, bis Du von mir Nachricht erhieltst. Aber für das Warten wurdest Du ja reichlich entschädigt. _Wie ich sehe, sind wir uns in den allgemeinen Familiendingen wieder klar. Was Nannie auf meinen Brief antwortet, muß ich nun abwarten, wie Du ganz richtig bemerkst. Daß auch Du über das Verhältnis zu Vaterfroh bist, das erleichtert mir in mancher Hinsicht das FErnsein von Euch. Wenn Vater auch nicht so sehr in alles hineingewachsen ist, so gibt er sich doch Mühe, mit Dir in einem guten Verhältnis zu stehen. Man merkt es an verschiedenen Äußerungen, die ich anläßlich meines letzten Urlaubs wieder hören konnte. Er ist selbst etwas stolz, daß Ihr Euch so gut vertragt. Daß er immer einmal eine andere Meinung in dieser oder jener Beziehung hat, das läßt sich nicht vermeiden. Das muß auch einmal sein, denn das ist ja schließlich die ? für das Schaffen. Daß er sich jetzt hat ein Bruchband verschreiben lassen, ist ja sicherlich notwendig gewesen , na ch den Äußerungen vom Steuer.  Hoffentlich heben sich die Beschwerden auf, wenn er ein Bruchband hat. _ Wegen der Umsiedlung der Familie Siegfried Michel machen wir uns vorerst keine Gedanken weiter. Wir müssen erst abwarten, was sie uns auf unser Vorschläge schreiben. Bis dahin werden wir sehen, was zu machen ist. und was getan werden kann. Wir haben unsere Hilfe angeboten, mehr zu tun und daüber hinaus Anordnungen zu geben, steht uns nicht zu. Daß Du schon Sorge um Deine STräucher im garten hast, hat mich direkt belustigt. Recht hast Du ja, daß man an alles denken muß. Ich glaube, den Baum würdest Du nicht gern verschmerzen. Na, wie gesagt, wollen wir erst abwarten. _ Das war nun nicht beabsichtigt, daß ich Dich mit dem Cognactrinken anstecken wollte. Daß Dir der Moselkirsch aber trotz der Nebenerscheinungen in Bezug auf die Linderung Deiner ERkältung gut gewirkt hat, finde ich recht erfreulich. Ich fühle mich zwar frei von jeder Schuld, aber wenn Du es schreibst, dann muß es anscheinend so sein, daß ich die Flasche ausgetrunken habe. Gut ist es ja, daß es jetzt keine Tabletten für Halsweh mehr gibt, denn das ist doch recht praktisch, sich jetzt aufs Trinken zu verlegen ohne daß es weiter auffällt, Denn wie soll man dann das Halswehweh wegbekommen. Ich höre Dich auch schon sprechen „Pfui Teufel, schmeckt das Zeug gut.“ Brauchst Dich auch nicht genieren, ich trinke auch einmal mit, wenn es sein muß, dann fällt es nicht so sehr auf, wenn Du Dich so ranhältst. Du kannst ja dann immer sagen, ich sei es gewesen. . Als Mann muß man ja schließlich auch etwas für seine Frau tun.  Diese Opfer sind ja auch nicht so riesig groß, so daß mir das auch nicht gar so schwerfällt. _ Mit dem Aushändigen von 2/3 Marken an Resi bin ich einverstanden. Mehr ist ja auch nicht notwendig. _ Das getrocknete Brot findet immer neue Verwen dung. Jetzt machen sich also schon die Kinder so darüber her und verdrücken es, wie es ankommt. Wenn sie es beißen können, dann ist das ja auch kein Schade. Das Essen hat doch nicht den Nähr und Sättigungswert wie in Friedensjahren. Wenn sie dann zwischendurch einmal so ein Stück verlangen, dann braucht man es ihnen nicht abzuschlagen, solange etwas im Haus ist. _ Die Einquartierung hast Du ja nun schon gehabt. Ich hoffe, daß Du damit keinen Ärger gehabt hast. Anständige Leute finden sich immer, ganz abgesehen davon, daß wir etwas hohe Ansprüche in dieser Beziehung stellen. Ich frage mich nur, wo hast Du denn diese Leute untergebracht? Wenn man so stockfremde Leute in die Wohnung nimmt, dann finde ich, ist es bei uns doch etwas eng. Ich werde ja von Dir hören, wie alles ausgegangen ist. Wie schon gesagt, ich hoffe, daß Du keine unangenehmen Erfahrungen gemacht hast. Den Kindern war es ja darum zu tun, einmal fremde Einquartierungim Haus zu haben. Die sind ja auch nur zufrieden, wenn sie alle solche Genüsse auskosten dürfen. _ Einige Bilder, die letzten, die ich hier habe, schicke ich Dir noch mit. Sie werden Dir wieder einen kleinen Einblick in manches haben, wovon ich Dir schon schrieb. In den nächsten Tagen fährt ein Kamerad in Urlaub, dem gebe ich einen Teil meiner griechischen Marken mit. Er soll sie dann als Wertbrief an Dich aufgeben und absenden. Ich will mich nicht allzu sehr belasten, weil einem diese Sachen im Laufe der Zeit aufhalten. _ Ich schließe wieder mit meinen herzlichen Grüßen und mit vielen lieben Küssen für Dich und die Kinder. Dein Ernst.


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