Meine liebe, gute
Annie! 6.2.44
Eingangs will ich
gleich erwähnen, daß ich heute keine Post von Dir erhalten habe. Aber es ist
insofern nicht so schlecht, weil ich ja noch allerhand Sachen zu beantworten
habe, was ich auch gleich machen will. Du sprichst auch von Deinen Kinobesuchen
und erzählst mir von dem Film „Der weiße Traum“. Sonderbarerweise sind wir
diesmal fast entgegengesetzter Meinung. Ich habe so für mich lächeln müssen,
nachdem ich eine solch vernichtende Kritik über diesen Film kürzlich agegeben
hatte. Nun schreibst Du mir, daß Ihr so begeistert gewesen seid. Ich habe mir
das alles noch einmal überlegt und bin zu folgendem Schluß gekommen. Inhaltlich
ist und bleibt dieser Film für mich eine Niete. Ausstattungsmäßig wird
allerhand geboten, doch drängt sich alles auf einen solch kurzen Zeitraum
zusammen, daß man nicht genug sehen kann um alles zu erfassen. Was nun die
Leistungen der einzelnen Eisläufer anbelangt, so kann man da bestimmt nichts
sagen, was diese Leute herabsetzt. Aber, wie gesagt, inhaltlich ist es nach
meiner Meinung ein Schmarren. Ich habe hier auch viele Kameraden gehört, die
waren restlos begeistert. Ich hatte in dieser Woch nochmals Gelegenheit gehabt,
mir diesen Film anzusehen, weil er hier auch zwei Wochen lief, aber es hat
nicht geklappt. Schon deshalb hatte ich ihn mir noch einmal angesehen, um mein
Urteil darüber vielleicht etwas zu revidieren. Nun mag es auch daran gelegen
haben, daß gerade hier zu gleicher Zeit zwei Filme liegen, die meinem Empfinden
und meinem Geschmack sehr entgegenkamen und daß ich deshalb besonders kritisch
in diesem Fall war. Aber wir sprachen uns auch über den Film „Großstadtmelodie
aus, und da fand ich hier in der Zeitung eine Besprechung, die diesen Film als
über den Durchschnitt hinaustretend schildert. Aber die Auffassungen sind eben
nun einmal allgemein recht unterschiedlich. _ Was ist denn unser Bursche für
ein alter Mann geworden, daß er mit Schlafmütze zu Bett geht? Will er Obacht
geben, daß ihm seine paar Haare nicht wegfliegen? Wenn das der Fall ist, dann
ist das schon in Ordnung, denn sonst müßte er ja an seiner Glatze frieren. Da
hat er es jetzt ja fein, da kann er sich an der Mütze hochziehen, wenn er aus
dem Bett steigen will und braucht sich nicht so sehr dabei anstrengen, der alte
Mann. Daß unsere Beiden so um die FAstnachtszeit herumkommen ist ja für sie
schade. Ich muß dabei an die Bilder denken, die wir einmal gemacht hatten, als
sie noch klein waren. Unser Rotkäppchen und unser Holländer. Sie sahen so
lustig aus. Ja, seit dieser Zeit sind schon etliche Jahre vergangen. In unserer
Zeitung war ja gerade ein Artikel über die Fastnacht am Oberrhein . Ich lege
ihn Dir ebenfalls mit bei, weil ich denke, daß er Dich interessieren wird. Weil
ich nun einmal bei den ausgeschnittenen Artikeln bin, so will ich noch den
beigefügten über Professor Trost erwänen, dem ein Bild beigefügt ist von der
deutschen Kunstausstellung in München. Es soll gewissermaßen ein Gruß und ein
stilles Gedenken an die zwei schönen dort verbrachten Tage sein. _ Daß der Albert INspektor geworden ist, das hat mich
richtig gewundert. Daß er nun davon ausgeschlossen ist, daß er noch den
nächsten Rang erreicht, verstehe ich auch nicht. Jetzt, wo man doch jeden
Menschen braucht, da fängt man beim Zoll an, die Leute zu entlassen, das finde
ich doch recht sonderbar. Aber man sieht in diesem Fall, daß sogar Leute, die
doch keine Leuchten weiter sind, doch etwas werden können. Mir selbst tut ja
das in diesem Fall nicht weh. Darum brauche ich mich auch nicht weiter darüber
zu verbreiten. Daß der kleine Kurt wieder Malaria hat, ist ja eine wenig
angenehme Geschichte, das gibt es aber hiervielfach im Süden und im Osten. Man muß schon recht Obacht geben. Es ist
ja meinst nicht lebensgefährlich, wenn man rechtzeitig etwas dagegen macht,
aber diese Fieberanfälle wiederholen sich gern und man ist zeitlebens meist
damit geplagt. _ Wie es mit der Geldüberweisung geht, das weiß ich noch nicht,
vielleicht lasse ich es direkt an Dich oder über unser Girokonto bei der
Sparkasse überweisen. _ Was nun das Abdrücken anbelangt, so kann ich nur
nochmals betonen, daß das eine echt weibliche Taktik ist, denn wenn man einmal
etwas unterlassen hat, dann kann eine Frau auf zwei Arten diese Sachen
beibiegen. Entweder sie läßt Tränen fließen, was weniger erfreulich ist, oder
sie mache es wie Du in dem infragestehenden Fall, sie versucht es mit Schmusen
und Abdrüken. In beiden Fällen muß man vorsichtig sein und erst abwarten, was
im Anschluß kommt. Da aber hier
eigentlich alles schon im voraus geregelt ist und das bessere Ende erst
nachfolgen soll, habe ich ja nichts mehr zu befürchten. Wenn Du nun dadurch
über alles hinweghelfen wolltest, indem Du es mit zweimal abdrücken glaubst,
daß alles erledigt sei, so muß ich Dich auf ein Naturgesetz hinweisen, das
lautet:“Druck erzeugt Gegendruck“. Was meinst Du nun dazu? In diesem Fall bist
Du wohl damit einverstanden. _ Ich will nun diesen Brief beenden und gebe der
Hoffnung Ausdruck, daß Ihr alle gesund seid. Verschiedene
Erkältungserscheinungen habt Ihr hoffentlich alle wieder überstanden. Was macht
nun Vater? Geht jetzt alles in Ordnung? Recht herzlich grüße ich Dich und die
Kinder und füge für Euch alle recht herzliche Küsse bei. Dein Ernst.
Mein liebstes
Mädel! 8.2.44
Gesten hatten wir hier
Probealarm, da wurde ich schon gegen 5 Uhr aus dem Bett geholt. Das ging bis
gegen Mittag. Ich war dann etwas müde und habe mic, nachdem ich erst einige
andere Sachen erledigt hatte, etwas umgelegt. Das ist ja in letzter Zeit recht
selten bei mir, weil ich doch die meiste Zeit über Mittag mit meinen Briefmarken
unterwegs bin. Früher hatte das gewissermaßen dazugehört, wie das Mittagessen
ein Bestandteil des Tagesablaufs war. Warum soll ich aber die Zeit immer
verschlafen, wenn ich sie auf diese Weise ausnutzen kann. Durch den Ausfall am
Vormittag lag nun gleich die Arbeit da, so daß ich mich am Nachmittag tüchtig
ranhalten mußte und geben Abend war ich doch etwas abgespannt. Ich bin dann ins
Kino gegangen und habe mir den Film „3 Kordones“ angesehen, um mich etwas
abzulenken. Zum Schreiben bin ich daher nicht gekommen. Ich habe ja noch
einiges zu beantworten, so daß ich mich jetzt gleich daransetzen werde. Vorher
muß ich Dir aber noch vom Sonntag berichten, daß ich den wieder zum
Päckchenpacken benutz habe. Sechs Päckchen sind wieder vwersandbereit. Ich will
sie nicht alle an einem Tag abschicken, weil jka immer noch die Anordnung
besteht, daß im Monat 2 Päckchen abgesandt werden dürfen. Ich werde sie aber im
Laufe dieser Woche mit abschicken. Ich habe wieder zwei Päckchen mit je sevhs
Kartons Maismehl fertiggemacht, dann drei Päckchen mit rosinen und Korinthen.
Bei der einen Rosinensendung mußt Du aufpassen, die sind wohl schön groß, aber
sind irgendwie vermatscht. Mache sie vorher schön sauber, ehe Du sie
verwendest. Ich weiß ja, daß Du das sowieso machst, aber hier mußt Du noch mehr
Obacht geben. Ich habe sie geschenkt bekommen, da kann man nicht lange wählen,
vor allem, wenn sie sonst gut aussehen. In einem anderen Päckchen habe ich
Zitronen, Apfelsinen, Zigaretten ud eine Tabakspfeife für Deinen Vater gepackt.
Wie ich aus seinem letzten Brief an Siegfried las, ist ihm eine entzwei
gegangen, so daß ihm jetzt daran mangelt. Ich habe hier gleich eine bei unseren
Kantine gekauft. Bei Gelegenheit werde ich für Vater auch noch eine erstehen,
denn ich glaube, daß er daheim auch nicht gleich eine zu kaufen bekommt. _ Das
ist eine richtige Bubengeschichte, auf dem Flugplatz herumzustrolchen. In
dieser Hinsicht ist es ka schön bei uns. Alle ist nicht weit und alles ist so
schön frei, da kann sich die Rasselbande austoben. Daß er den Wunsch hat,
Flieger zu werden, das liegt ja im Zuge der Zeit. Aber das sind manchmal
Kinderwünsche, die sich im Laufe der Zeit wieder verlieren. Man kann ihnen noch
keine besondere Bedeutung beimessen, denn bis es einmal soweit ist, wenn er sich
entscheiden muß, was er vorhat. dann kann sich das noch manchmal ändern.
Hauptsache ist ja jetzt, daß er seinen Spaß an diesen Sachen hat, denn mit
etwas muß sich ja ein Junge in diesem Alter beschäftigen. Daß er solche Freude
am Karten hat, das ist bestimmt nicht Schlechtes. Ich will versuchen, ihm hier
noch einige karten, die nicht weiter gebraucht werden, zu beschaffen. Ich
denken, daß ich ihm damit auch wieder eine Freude bereite. Es ist doch immer
etwas Schönes, wenn man jemanden Freude bereiten kann. Daß er ganz stolz war,
als er gleich die richtige Karte zur Hand hatte, als sie in der Schule gefragt
wurden, das kann ich mir gut vorstellen. Daß die Panzer, die wir ihm vor Jahren
einmal geschenkt hatte, immer noch fest zum Spielen verwendet werden, ist ja
ein Zeichen dafür, daß er erstens auf seine Sachen Obacht gibt und sie schont
und daß es etwas ist, was immer sein Interesse erweckt. Das weiß ich ja noch
von früher, wenn er irgendwas baute, damit diese von seinen Panzern überwunden
wurden. Das Flimmern der Funken beim Schießen ist ja nun ganz besonders
wirkungsvoll. _ Am 1. konntest Du Dich
über den Postsegen wirklich recht freuen. 5 Briefe und noch zwei Päckchen, da
ist schon etwas. Da mußtest Du ja allerhand zu tun gehabt haben. Die haben sich
ziemlich angesammelt. Das ist dann auch kein Wunder, wenn du dann vorher so
lange warten mußtest, bis Du von mir Nachricht erhieltst. Aber für das Warten
wurdest Du ja reichlich entschädigt. _Wie ich sehe, sind wir uns in den
allgemeinen Familiendingen wieder klar. Was Nannie auf meinen Brief antwortet,
muß ich nun abwarten, wie Du ganz richtig bemerkst. Daß auch Du über das
Verhältnis zu Vaterfroh bist, das erleichtert mir in mancher Hinsicht das
FErnsein von Euch. Wenn Vater auch nicht so sehr in alles hineingewachsen ist,
so gibt er sich doch Mühe, mit Dir in einem guten Verhältnis zu stehen. Man
merkt es an verschiedenen Äußerungen, die ich anläßlich meines letzten Urlaubs
wieder hören konnte. Er ist selbst etwas stolz, daß Ihr Euch so gut vertragt.
Daß er immer einmal eine andere Meinung in dieser oder jener Beziehung hat, das
läßt sich nicht vermeiden. Das muß auch einmal sein, denn das ist ja
schließlich die ? für das Schaffen. Daß er sich jetzt hat ein Bruchband
verschreiben lassen, ist ja sicherlich notwendig gewesen , na ch den Äußerungen
vom Steuer. Hoffentlich heben sich die
Beschwerden auf, wenn er ein Bruchband hat. _ Wegen der Umsiedlung der Familie
Siegfried Michel machen wir uns vorerst keine Gedanken weiter. Wir müssen erst
abwarten, was sie uns auf unser Vorschläge schreiben. Bis dahin werden wir
sehen, was zu machen ist. und was getan werden kann. Wir haben unsere Hilfe
angeboten, mehr zu tun und daüber hinaus Anordnungen zu geben, steht uns nicht
zu. Daß Du schon Sorge um Deine STräucher im garten hast, hat mich direkt
belustigt. Recht hast Du ja, daß man an alles denken muß. Ich glaube, den Baum
würdest Du nicht gern verschmerzen. Na, wie gesagt, wollen wir erst abwarten. _
Das war nun nicht beabsichtigt, daß ich Dich mit dem Cognactrinken anstecken
wollte. Daß Dir der Moselkirsch aber trotz der Nebenerscheinungen in Bezug auf
die Linderung Deiner ERkältung gut gewirkt hat, finde ich recht erfreulich. Ich
fühle mich zwar frei von jeder Schuld, aber wenn Du es schreibst, dann muß es
anscheinend so sein, daß ich die Flasche ausgetrunken habe. Gut ist es ja, daß
es jetzt keine Tabletten für Halsweh mehr gibt, denn das ist doch recht
praktisch, sich jetzt aufs Trinken zu verlegen ohne daß es weiter auffällt,
Denn wie soll man dann das Halswehweh wegbekommen. Ich höre Dich auch schon
sprechen „Pfui Teufel, schmeckt das Zeug gut.“ Brauchst Dich auch nicht
genieren, ich trinke auch einmal mit, wenn es sein muß, dann fällt es nicht so
sehr auf, wenn Du Dich so ranhältst. Du kannst ja dann immer sagen, ich sei es
gewesen. . Als Mann muß man ja schließlich auch etwas für seine Frau tun. Diese Opfer sind ja auch nicht so riesig
groß, so daß mir das auch nicht gar so schwerfällt. _ Mit dem Aushändigen von
2/3 Marken an Resi bin ich einverstanden. Mehr ist ja auch nicht notwendig. _
Das getrocknete Brot findet immer neue Verwen dung. Jetzt machen sich also
schon die Kinder so darüber her und verdrücken es, wie es ankommt. Wenn sie es
beißen können, dann ist das ja auch kein Schade. Das Essen hat doch nicht den Nähr
und Sättigungswert wie in Friedensjahren. Wenn sie dann zwischendurch einmal so
ein Stück verlangen, dann braucht man es ihnen nicht abzuschlagen, solange
etwas im Haus ist. _ Die Einquartierung hast Du ja nun schon gehabt. Ich hoffe,
daß Du damit keinen Ärger gehabt hast. Anständige Leute finden sich immer, ganz
abgesehen davon, daß wir etwas hohe Ansprüche in dieser Beziehung stellen. Ich
frage mich nur, wo hast Du denn diese Leute untergebracht? Wenn man so
stockfremde Leute in die Wohnung nimmt, dann finde ich, ist es bei uns doch
etwas eng. Ich werde ja von Dir hören, wie alles ausgegangen ist. Wie schon
gesagt, ich hoffe, daß Du keine unangenehmen Erfahrungen gemacht hast. Den
Kindern war es ja darum zu tun, einmal fremde Einquartierungim Haus zu haben.
Die sind ja auch nur zufrieden, wenn sie alle solche Genüsse auskosten dürfen.
_ Einige Bilder, die letzten, die ich hier habe, schicke ich Dir noch mit. Sie
werden Dir wieder einen kleinen Einblick in manches haben, wovon ich Dir schon
schrieb. In den nächsten Tagen fährt ein Kamerad in Urlaub, dem gebe ich einen
Teil meiner griechischen Marken mit. Er soll sie dann als Wertbrief an Dich
aufgeben und absenden. Ich will mich nicht allzu sehr belasten, weil einem
diese Sachen im Laufe der Zeit aufhalten. _ Ich schließe wieder mit meinen
herzlichen Grüßen und mit vielen lieben Küssen für Dich und die Kinder. Dein
Ernst.
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